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Zurechnung von Grundstücken bei Erwerbsvorgängen nach § 1 Abs. 3 GrEStG

Zurechnung von Grundstücken bei Erwerbsvorgängen nach § 1 Abs. 3 GrEStG: Hat eine Gesellschaft ein Grundstück unter einer aufschiebenden Bedingung gekauft, so gehört es i.S. des § 1 Abs. 3 GrEStG erst ab Eintritt der Bedingung zu ihrem Vermögen, und zwar auch dann, wenn bereits zuvor die Auflassung erklärt wird. - Urt.; BFH 11.12.2014, II R 26/12; SIS 14 33 40

Kapitel:
Haus - und Grundbesitz > Grunderwerbsteuer
Fundstellen
  1. BFH 11.12.2014, II R 26/12
    BStBl 2015 II S. 402
    DStR 2015 S. 116
    BFHE 247 S. 343

    Anmerkungen:
    zur Veröffentlichung in BStBl II bestimmt nach BMF-Online vom 13.4.2015
    G.H. in BB 9/2015 S. 487
    jh in StuB 4/2015 S. 156
    A.P. in BFH/PR 3/2015 S. 102
Normen
[GrEStG] § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 1 Abs. 1 Nr. 2, § 1 Abs. 3
[AO 1977] § 38, § 41 Abs. 1
Vorinstanz / Folgeinstanz:
  • vor: FG Münster, 05.06.2012, SIS 12 25 93, Grunderwerbsteuer, Zurechnung, Bedingung, Bemessungsgrundlage, Anteilsvereinigung
Zitiert in... / geändert durch...
  • FG München 8.2.2023, SIS 23 05 56, Anwendung des Grunderwerbsteuertatbestands des § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG auf die Verschmelzung einer Kapita...
  • BFH 14.12.2022, SIS 23 05 15, Grunderwerbsteuerrechtliche Zurechnung von Grundstücken inländischer GmbHs an US-amerikanische Muttergese...
  • BFH 14.12.2022, SIS 23 05 17, Zurechnung von Grundstücken nach Abschluss einer Vereinbarungstreuhand: 1. Hat das FA in einem Feststellu...
  • Gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder 10.5.2022, SIS 22 09 91, Anwendung des § 1 Absatz 2 b GrEStG ab dem 1. Juli 2021: 1. Allgemeines und zeitlicher Anwendungsbereich,...
  • Gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder 10.5.2022, SIS 22 09 03, Anwendung des § 1 Absatz 2 a GrEStG: Die obersten Finanzbehörden der Länder haben ihre Erlasse zur Anwend...
  • BFH 16.3.2022, SIS 22 14 55, Anteilsvereinigung bei einer grundbesitzenden GmbH: 1. Verpflichtet sich ein Gesellschafter zur Abtretung...
  • BFH 1.12.2021, SIS 22 11 06, Zurechnung von Grundstücken einer Untergesellschaft: 1. Ein inländisches Grundstück "gehört" einer Gesell...
  • Hessisches FG 12.11.2020, SIS 21 01 68, Grunderwerbsteuerrechtlicher Rechtsträgerwechsel bei Verschaffung der Verwertungsbefugnis durch Treuhände...
  • Hessisches FG 30.9.2020, SIS 20 19 38, Grunderwerbsteuerpflichtige Übertragung von Grundstücken bei der Umstrukturierung einer Tochtergesellscha...
  • FG München 24.10.2018, SIS 18 20 22, Grunderwerbsteuerrechtliche Zurechnung von Grundstücken an eine Obergesellschaft, Anwendungsbereich des §...
  • BFH 20.1.2016, SIS 16 04 60, Anwendbarkeit des § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG bei Ausscheiden von Kommanditisten gegen Abfindung: Die Vereinb...
  • FG Baden-Württemberg 20.1.2015, SIS 16 10 96, Grunderwerbsteuer bei einem mittelbaren Gesellschafterwechsel einer KG, Gesamtplan, keine Rechtswidrigkei...
Fachaufsätze
  • LIT 03 03 22 G. Harlacher, BB 9/2015 S.487: Zurechnung von Grundstücken bei Erwerbsvorgängen nach § 1 Abs. 3 GrEStG - BB-Kommentar zum BFH-Urteil vom...

 

1

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) und ein Dritter (D) waren je zur Hälfte am Stammkapital einer grundbesitzenden Bauträger GmbH (GmbH) beteiligt. Mit notariell beurkundeten Verträgen kaufte die GmbH im Juni 2005 und April 2006 mehrere Grundstücke in der Gemarkung G, die sie parzellieren, veräußern und bebauen wollte. Die Verträge standen unter mehreren aufschiebenden Bedingungen, die insbesondere die Bebaubarkeit der Grundstücke betrafen. Die Auflassung sollte nach Eintritt der Wirksamkeit der Verträge erklärt werden. Die Vertragsparteien erteilten dazu zwei Notariatsangestellten Auflassungsvollmacht sowie Durchführungsvollmacht zur Abgabe aller erforderlichen Erklärungen und Anträge. Die GmbH machte von dem ihr eingeräumten Recht, bereits vor Bedingungseintritt Teilflächen aus den gekauften Grundstücken weiterzuveräußern, durch ebenfalls aufschiebend bedingte Kaufverträge Gebrauch.

 

 

2

Noch bevor die vereinbarten Bedingungen insgesamt eingetreten waren, teilte die GmbH dem Notar den Bedingungseintritt mit. Die bevollmächtigten Notariatsangestellten erklärten daraufhin am 27.10.2006 die Auflassung für die von der GmbH gekauften Grundstücke. Die GmbH wurde im November 2006 als Eigentümerin der Grundstücke in das Grundbuch eingetragen.

 

 

3

Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 28.10.2006 kaufte der Kläger den Anteil des D am Stammkapital der GmbH.

 

 

4

Im Anschluss an eine Außenprüfung setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) gegen den Kläger für den Kaufvertrag vom 28.10.2006 ausgehend von den vom Prüfer ermittelten Werten der Grundstücke einschließlich der Grundstücke in G Grunderwerbsteuer in Höhe von 68.355 EUR fest. Der Einspruch blieb erfolglos.

 

 

5

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage, mit der der Kläger die Herabsetzung der Grunderwerbsteuer auf 6.160 EUR beantragte, mit der Begründung ab, das FA habe bei der Bemessung der Grunderwerbsteuer zu Recht auch die Grundstücke in G berücksichtigt. Die Grundstücke hätten zum Zeitpunkt der Verwirklichung des Tatbestands des § 1 Abs. 3 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) zum Vermögen der GmbH gehört. Dass zu diesem Zeitpunkt die vereinbarten aufschiebenden Bedingungen noch nicht insgesamt eingetreten gewesen seien, sei gemäß § 41 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) unerheblich, da die Vertragsparteien durch die Erklärung der Auflassung und das Stellen der auf die Eigentumsumschreibung im Grundbuch gerichteten Anträge die Kaufverträge durchgeführt hätten. Im Zeitpunkt der Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG hätten sich auch die von der GmbH weiterverkauften Teilflächen noch in deren Vermögen befunden. Zu diesem Zeitpunkt seien weder die in den Kaufverträgen über diese Teilflächen vereinbarten aufschiebenden Bedingungen eingetreten noch die Auflassung erklärt gewesen. Das Urteil des FG ist in EFG 2012, 1873 = SIS 12 25 93 veröffentlicht.

 

 

6

Mit der Revision macht der Kläger geltend, die Grundstücke in G hätten bei der Verwirklichung des Tatbestands des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG noch nicht zum Vermögen der GmbH gehört, da die Kaufverträge seinerzeit wegen des fehlenden vollständigen Eintritts der aufschiebenden Bedingungen schwebend unwirksam gewesen seien. Der erklärten Auflassung und den Anträgen auf Eigentumsumschreibung komme insoweit keine Bedeutung zu.

 

 

7

Während des Revisionsverfahrens erließ das FA am 10.12.2013 Bescheide über die gesonderte Feststellung der Grundbesitzwerte für die der GmbH zugerechneten Grundstücke. Die festgestellten Werte entsprachen den bisherigen Ansätzen. Für die Grundstücke, deren Eigentümerin die GmbH bei der Verwirklichung des Tatbestands des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG war, wurden Grundbesitzwerte von insgesamt 176.000 EUR festgestellt.

 

 

8

Mit Bescheid vom 16.12.2013 setzte das FA die Grunderwerbsteuer demgemäß unverändert auf 68.355 EUR fest. Zugleich erklärte es die Steuerfestsetzung gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO für vorläufig hinsichtlich der Frage, ob die Steuer nach § 8 Abs. 2 GrEStG (§ 17 Abs. 3a GrEStG) zu bemessen ist.

 

 

9

Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und unter Änderung des Steuerbescheids vom 16.12.2013 die Grunderwerbsteuer auf 6.160 EUR herabzusetzen.

 

 

10

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

 

11

II. Die Revision führt bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen zur Aufhebung der Vorentscheidung, weil sich während des Revisionsverfahrens der Verfahrensgegenstand, über dessen Rechtmäßigkeit das FG zu entscheiden hatte, geändert hat (§ 127 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ). An die Stelle des angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheids vom 10.11.2008, über den das FG entschieden hat, ist während des Revisionsverfahrens der Änderungsbescheid vom 16.12.2013 getreten und nach § 121 Satz 1 i.V.m. § 68 Satz 1 FGO Gegenstand des Verfahrens geworden. Diese Vorschriften gelten auch, wenn ein angefochtener Bescheid lediglich um einen Vorläufigkeitsvermerk ergänzt wird (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 16.1.2013 II R 66/11, BFHE 240, 191, BStBl II 2014, 266 = SIS 13 04 79, Rz 12, und vom 24.4.2013 II R 65/11, BFHE 240, 404, BStBl II 2013, 633 = SIS 13 14 80, Rz 9, je m.w.N.). Das angefochtene Urteil ist daher gegenstandslos und aufzuheben (BFH-Urteile in BFHE 240, 191, BStBl II 2014, 266 = SIS 13 04 79, Rz 12; in BFHE 240, 404, BStBl II 2013, 633 = SIS 13 14 80, Rz 9, und vom 17.4.2013 II R 12/11, BFHE 241, 386, BStBl II 2013, 740 = SIS 13 20 23, Rz 9, je m.w.N.).

 

 

12

Dies ändert aber nichts daran, dass die vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen die Grundlage für die Entscheidung des BFH bilden. Da das finanzgerichtliche Verfahren nicht an einem Verfahrensmangel leidet, fallen die Feststellungen durch die Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils nämlich nicht weg (BFH-Urteile in BFHE 240, 191, BStBl II 2014, 266 = SIS 13 04 79, Rz 13; in BFHE 240, 404, BStBl II 2013, 633 = SIS 13 14 80, Rz 10, und in BFHE 241, 386, BStBl II 2013, 740 = SIS 13 20 23, Rz 9, je m.w.N.).

 

 

13

III. Die Sache ist spruchreif. Die Klage ist begründet. Die Grunderwerbsteuer ist antragsgemäß auf 6.160 EUR herabzusetzen. Das FA hat zu Unrecht die gesondert festgestellten Grundbesitzwerte für die Grundstücke in G in die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer einbezogen.

 

 

14

1. Durch den Abschluss des Vertrags vom 28.10.2006 wurde der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG verwirklicht.

 

 

15

a) Gehört zum Vermögen einer Gesellschaft ein inländisches Grundstück, so unterliegt nach dieser Vorschrift u.a. ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung eines oder mehrerer Anteile der Gesellschaft begründet, der Grunderwerbsteuer, wenn durch die Übertragung unmittelbar oder mittelbar mindestens 95 % der Anteile der Gesellschaft in der Hand des Erwerbers allein vereinigt werden würden, soweit eine Besteuerung nach § 1 Abs. 2a GrEStG nicht in Betracht kommt.

 

 

16

b) Diese Voraussetzungen erfüllt der Vertrag vom 28.10.2006, da der Kläger bei dessen Erfüllung Alleingesellschafter der GmbH wurde und zum Vermögen der GmbH auch ohne Berücksichtigung der Grundstücke in G inländische Grundstücke gehörten.

 

 

17

2. Die Grundstücke in G gehörten bei Abschluss des Vertrags vom 28.10.2006 nicht i.S. des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG zum Vermögen der GmbH.

 

 

18

a) Ob ein Grundstück i.S. des § 1 Abs. 3 GrEStG zum Vermögen der Gesellschaft „gehört“, richtet sich weder nach Zivilrecht noch nach § 39 AO. Maßgebend ist vielmehr die grunderwerbsteuerrechtliche Zurechnung. Ein Grundstück „gehört“ der Gesellschaft i.S. des § 1 Abs. 3 GrEStG, wenn es ihr im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld für den nach § 1 Abs. 3 GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegenden Vorgang aufgrund eines unter § 1 Abs. 1, 2 oder 3 oder nunmehr auch 3a GrEStG fallenden Erwerbsvorgangs grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen ist (BFH-Urteile vom 29.9.2004 II R 14/02, BFHE 207, 59, BStBl II 2005, 148 = SIS 04 39 55, unter II.1.a; vom 19.12.2007 II R 65/06, BFHE 220, 542, BStBl II 2008, 489 = SIS 08 12 29, unter II.1.b; vom 25.8.2010 II R 65/08, BFHE 231, 239, BStBl II 2011, 225 = SIS 10 42 34, Rz 14, und vom 15.12.2010 II R 45/08, BFHE 232, 218, BStBl II 2012, 292 = SIS 11 05 22, Rz 12). Umgekehrt folgt daraus, dass ein Grundstück nicht mehr zum Vermögen der Gesellschaft „gehört“, wenn es zwar noch in ihrem Eigentum steht bzw. ihr bewertungsrechtlich zuzurechnen ist, es aber vor Entstehung der Steuerschuld Gegenstand eines Veräußerungsvorgangs i.S. des § 1 Abs. 1, 2, 3 oder 3a GrEStG war (BFH-Urteile in BFHE 207, 59, BStBl II 2005, 148 = SIS 04 39 55, unter II.1.a, und in BFHE 232, 218, BStBl II 2012, 292 = SIS 11 05 22, Rz 12).

 

 

19

Für die grunderwerbsteuerrechtliche Zurechnung genügt es dabei nicht, wenn lediglich ein Erwerbsvorgang i.S. des § 23 GrEStG verwirklicht wurde (zur Verwirklichung eines Erwerbsvorgangs in diesem Sinn vgl. BFH-Urteile vom 17.9.1986 II R 136/84, BFHE 147, 538, BStBl II 1987, 35 = SIS 86 24 09; vom 8.2.2000 II R 51/98, BFHE 191, 411, BStBl II 2000, 318 = SIS 00 06 67; vom 29.9.2005 II R 23/04, BFHE 210, 531, BStBl II 2006, 137 = SIS 06 01 74, unter II.1.a, und vom 28.3.2007 II R 57/05, BFH/NV 2007, 1537 = SIS 07 24 48, unter II.1.). Vielmehr muss einer der in § 1 Abs. 1, 2, 3 oder 3a GrEStG geregelten Tatbestände i.S. des § 38 AO verwirklicht worden sein. Die Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis entstehen nach § 38 AO, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft. Solange die Grunderwerbsteuer noch nicht entstanden ist, ist die Annahme, das gekaufte Grundstück gehöre bereits i.S. des § 1 Abs. 3 GrEStG zum Vermögen des Erwerbers, nicht gerechtfertigt.

 

 

20

b) Die Verwirklichung des Tatbestands des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG setzt nach dem Wortlaut der Vorschrift die Begründung eines Anspruchs auf Übereignung voraus. Dieser Anspruch muss im Regelfall zivilrechtlich wirksam und durchsetzbar sein (vgl. BFH-Urteil vom 27.11.2013 II R 11/12, BFH/NV 2014, 579 = SIS 14 07 53, Rz 11), soweit sich nicht wie etwa bei Beurkundungsmängeln aus § 41 Abs. 1 AO etwas anderes ergibt (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 5.6.1991 II R 83/88, BFH/NV 1992, 267, und vom 18.3.2005 II R 19/02, BFH/NV 2005, 1368 = SIS 05 32 79).

 

 

21

Wird ein Kaufvertrag über ein Grundstück unter einer aufschiebenden Bedingung (§ 158 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) geschlossen, ist der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG vor Eintritt der Bedingung noch nicht erfüllt. Bis zum Eintritt der Bedingung besteht ein Schwebezustand, währenddessen dem Käufer noch kein durchsetzbarer Anspruch auf Übereignung des Grundstücks zusteht (MünchKommBGB/H.P. Westermann, 6. Aufl., § 158 Rz 38 bis 40; Soergel-Manfred Wolf, BGB, 12. Aufl., § 158 Rz 14; Grieser, DStR 2012, 2216). Diese Auslegung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG findet ihre Bestätigung in § 14 Nr. 1 GrEStG. Nach dieser Vorschrift entsteht die Steuer mit dem Eintritt der Bedingung, wenn die Wirksamkeit eines Erwerbsvorgangs von dem Eintritt einer Bedingung abhängig ist. Das GrEStG knüpft somit die Leistungspflicht i.S. des § 38 AO nicht bereits an den Abschluss eines aufschiebend bedingten Kaufvertrags über ein Grundstück.

 

 

22

c) Wird bei einem aufschiebend bedingten Grundstückskaufvertrag die Auflassung bereits vor Bedingungseintritt erklärt, so unterliegt die Auflassung nicht gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG der Grunderwerbsteuer. Auch ein aufschiebend bedingter Kaufvertrag ist i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG ein der Auflassung vorausgegangenes Rechtsgeschäft, das einen Anspruch auf Übereignung begründet, und schließt daher die Anwendung des § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG aus (BFH-Beschluss vom 10.2.2005 II B 115/04, BFH/NV 2005, 1139 = SIS 05 26 50). Die Grunderwerbsteuer entsteht demgemäß ungeachtet der Auflassung erst mit Bedingungseintritt.

 

 

23

Aus § 41 Abs. 1 Satz 1 AO lässt sich entgegen der Ansicht des FG nichts anderes entnehmen. Ist ein Rechtsgeschäft unwirksam oder wird es unwirksam, so ist dies nach dieser Vorschrift für die Besteuerung zwar unerheblich, soweit und solange die Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis dieses Rechtsgeschäfts gleichwohl eintreten und bestehen lassen. Dies gilt aber gemäß § 41 Abs. 1 Satz 2 AO nicht, soweit sich aus den Steuergesetzen etwas anderes ergibt. Diese Ausnahme von der Regel des § 41 Abs. 1 Satz 1 AO trifft aufgrund der ausdrücklich angeordneten Subsidiarität des § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG gegenüber § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG und der in § 14 Nr. 1 GrEStG getroffenen Regelung über die Steuerentstehung bei aufschiebend bedingten Erwerbsvorgängen im vorliegenden Zusammenhang zu und schließt die Anwendung des § 41 Abs. 1 Satz 1 AO aus.

 

 

24

Die Ausführungen des BFH im Beschluss in BFH/NV 2005, 1139 = SIS 05 26 50, nach denen durch die wirksame Begründung eines aufschiebend bedingten Übereignungsanspruchs das Grundstück in den grunderwerbsteuerrechtlichen Zuordnungsbereich des Erwerbers gelangt, betreffen nur das Verhältnis des § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG zu Nr. 1 der Vorschrift und nicht die Frage, ab welchem Zeitpunkt ein unter einer aufschiebenden Bedingung gekauftes Grundstück i.S. des § 1 Abs. 3 GrEStG zum Vermögen einer Gesellschaft „gehört“.

 

 

25

d) Dieselben Grundsätze gelten auch für die Frage, bis zu welchem Zeitpunkt ein Grundstück zum Vermögen einer Gesellschaft „gehört“. Verkauft die Gesellschaft das Grundstück unter einer aufschiebenden Bedingung, „gehört“ es so lange zu ihrem Vermögen, bis die Bedingung eintritt. Wird bereits zuvor die Auflassung erklärt, spielt dies keine Rolle.

 

 

26

e) Die Grundstücke in G gehörten somit beim Abschluss des Vertrags vom 28.10.2006 nicht i.S. des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG zum Vermögen der GmbH. Die in den Kaufverträgen vom Juni 2005 und April 2006 vereinbarten aufschiebenden Bedingungen waren am 28.10.2006 noch nicht eingetreten. Ein Verzicht auf den Bedingungseintritt wurde von den Vertragsparteien nicht vereinbart. In der Erklärung der Auflassung kann schon deshalb keine solche Vertragsänderung gesehen werden, weil die den Notariatsangestellten erteilte Auflassungsvollmacht sowie Durchführungsvollmacht zur Abgabe aller erforderlichen Erklärungen und Anträge nicht die Vollmacht zu einer Änderung der Kaufverträge umfasste.

 

 

27

3. Die Grunderwerbsteuer ist somit auf 3,5 % von 176.000 EUR, also 6.160 EUR herabzusetzen.