Die Revision der Klägerin gegen das
Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 30.11.2023 - 11 K
2195/21 GE = SIS 24 02 36 wird als
unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die
Klägerin zu tragen.
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I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) ist Berechtigte eines mit
notariellem Erbbaurechtsvertrag vom 22.10.1981 begründeten
Erbbaurechts an einem Grundstück in Y mit einer Laufzeit bis
zum 31.12.2046.
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Am 19.04.2021 schloss die Klägerin mit
den Grundstückseigentümern eine notarielle Vereinbarung,
wonach sich das Erbbaurecht automatisch sechsmal um jeweils zehn
Jahre, also zunächst bis zum 31.12.2056, sodann bis zum
31.12.2066 und so weiter verlängert, wenn nicht der
Erbbauberechtigte der jeweiligen Verlängerung vor Ablauf von
einem Jahr der normalen Lauf- beziehungsweise
Verlängerungszeit schriftlich gegenüber dem anderen
Vertragsteil widerspricht.
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte
(Finanzamt - FA - ) setzte aufgrund dieser Vereinbarung mit
Bescheid vom 10.06.2021 Grunderwerbsteuer in Höhe von 80.504
EUR gegen die Klägerin fest. Als grunderwerbsteuerrechtliche
Bemessungsgrundlage legte das FA den kapitalisierten Erbbauzins in
Höhe von 1.238.533 EUR zugrunde. Diesen ermittelte es
gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 des Bewertungsgesetzes
(BewG) i.V.m. Anlage 9a zum BewG durch Anwendung des sich aufgrund
einer Laufzeitverlängerung von 60 Jahren ergebenden
Vervielfältigers von 17,930 auf den jährlichen Erbbauzins
von 69.076 EUR.
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Der gegen den Bescheid vom 10.06.2021
erhobene Einspruch der Klägerin hatte keinen Erfolg. Die
nachfolgend erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit in EFG
2024, 870 = SIS 24 02 36
veröffentlichtem Urteil ab.
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Mit der gegen das FG-Urteil erhobenen
Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen
Rechts.
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Die Klägerin beantragt,
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die Vorentscheidung und den
Grunderwerbsteuerbescheid vom 10.06.2021 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 26.08.2021 aufzuheben.
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Das FA beantragt,
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die Revision als unbegründet
zurückzuweisen.
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II. Die Revision ist unbegründet und
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das angefochtene Urteil des FG
lässt keinen Rechtsfehler erkennen.
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1. Zu Recht hat das FG entschieden, dass der
notariell beurkundete Vertrag vom 19.04.2021 über die
Verlängerung des Erbbaurechts der Klägerin der
Grunderwerbsteuer unterliegt.
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Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 des
Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) unterliegen der
Grunderwerbsteuer ein Kaufvertrag oder ein anderes
Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung
begründet, soweit es sich auf inländische
Grundstücke bezieht. Diese Voraussetzungen sind vorliegend
erfüllt. Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, dass ein
Rechtsgeschäft, das einen Anspruch auf Verlängerung eines
Erbbaurechts begründet, ebenfalls nach § 1 Abs. 1 Nr. 1
GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegt. § 2 Abs. 2 Nr. 1
GrEStG stellt die Erbbaurechte ausdrücklich den
Grundstücken gleich. Die Vereinbarung der Verlängerung
eines Erbbaurechts unterliegt als Rechtsgeschäft im Sinne des
§ 1 Abs. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG daher ebenso
wie die Vereinbarung über die (erstmalige) Bestellung der
Grunderwerbsteuer. Das verlängerte Recht ist im Umfang der
Verlängerung eine neue grundstücksgleiche Belastung des
Grundstücks. Die das Erbbaurecht charakterisierende
eigentumsähnliche Form der Herrschaft an der
Grundstücksfläche wird für einen weiteren Zeitraum
übertragen und damit für diesen Zeitraum (erstmals)
begründet (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 28.11.1967
- II R 37/66, BFHE 91, 191, BStBl II 1968, 223 = SIS 68 01 44,
unter II.1.c; vom 18.08.1993 - II R 10/90, BFHE 172, 122, BStBl II
1993, 766 = SIS 93 19 12 und vom 08.02.1995 - II R 51/92, BFHE 177,
140, BStBl II 1995, 334 = SIS 95 10 09).
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2. Das FG ist auch ohne Rechtsfehler davon
ausgegangen, dass der notarielle Vertrag vom 19.04.2021 über
die Laufzeitverlängerung zivilrechtlich wirksam ist. Entgegen
der Auffassung der Klägerin stellt die Nichtausübung des
ihr insoweit eingeräumten Widerspruchsrechts keine
aufschiebende Bedingung im Sinne des § 158 Abs. 1 des
Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) dar.
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a) Die Verwirklichung des Tatbestands des
§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG setzt nach dem Wortlaut der Vorschrift
die Begründung eines Anspruchs auf Übereignung voraus.
Der Anspruch muss im Regelfall zivilrechtlich wirksam und
durchsetzbar sein (BFH-Urteil vom 27.11.2013 - II R 11/12, BFH/NV
2014, 579 = SIS 14 07 53, Rz 11). Wird ein Rechtsgeschäft
unter einer aufschiebenden Bedingung im Sinne des § 158 Abs. 1
BGB geschlossen, ist der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1
GrEStG vor Eintritt der Bedingung noch nicht erfüllt. Bis zum
Eintritt der Bedingung besteht ein Schwebezustand,
währenddessen dem Erwerber noch kein durchsetzbarer Anspruch
zusteht. Diese Auslegung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG findet
ihre Bestätigung in § 14 Nr. 1 GrEStG. Nach dieser
Vorschrift entsteht die Steuer mit dem Eintritt der Bedingung, wenn
die Wirksamkeit eines Erwerbsvorgangs von dem Eintritt einer
Bedingung abhängig ist. Das Grunderwerbsteuergesetz
knüpft somit die Leistungspflicht im Sinne des § 38 der
Abgabenordnung nicht bereits an den Abschluss eines aufschiebend
bedingten Rechtsgeschäfts (vgl. BFH-Urteil vom 11.12.2014 - II
R 26/12, BFHE 247, 343, BStBl II 2015, 402 = SIS 14 33 40, Rz 21,
m.w.N.). Demgegenüber beeinträchtigt eine auflösende
Bedingung nicht die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts und den
darauf beruhenden steuerbaren Erwerbsvorgang; diese Wirkung endet
nur mit dem (späteren) Eintritt der Bedingung (§ 158 Abs.
2 BGB). Für Fälle, in denen ein Erwerbsvorgang eine
auflösende Bedingung vorsieht, ist ein abweichender Zeitpunkt
des Entstehens der Grunderwerbsteuerschuld gesetzlich nicht
vorgesehen. Die Steuerschuld entsteht also mit Verwirklichung des
Tatbestands.
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b) Eine aufschiebende Bedingung ist eine
rechtsgeschäftliche Vereinbarung, nach der die Wirkungen eines
Rechtsgeschäfts von dem Eintritt eines zukünftigen
ungewissen Ereignisses abhängen. Eine auflösende
Bedingung liegt dagegen vor, wenn die sofort eintretenden Wirkungen
des Geschäfts mit dem Eintritt eines zukünftigen
ungewissen Ereignisses wegfallen (§ 158 BGB).
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Die Abgrenzung zwischen aufschiebender und
auflösender Bedingung erfordert eine Auslegung des
Vereinbarten unter Berücksichtigung des jeweils verfolgten
Zwecks. Die Auslegung
von Verträgen und Willenserklärungen gehört zum
Bereich der tatsächlichen Feststellungen und bindet den BFH
als Revisionsgericht gemäß § 118 Abs. 2 FGO, wenn
sie den Grundsätzen der §§ 133, 157 BGB entspricht
und nicht gegen Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze
verstößt, das heißt jedenfalls möglich ist.
Der BFH prüft lediglich, ob das FG die gesetzlichen
Auslegungsregeln sowie die Denkgesetze und Erfahrungssätze
beachtet und die für die Vertragsauslegung bedeutsamen
Begleitumstände erforscht und rechtlich zutreffend
gewürdigt hat (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B.
BFH-Urteile vom 11.07.2019 - II R 4/17, BFHE 265, 447, BStBl II
2020, 319 = SIS 19 18 30, Rz 13; vom 05.12.2019 - II R 37/18, BFHE
267, 524, BStBl II 2020, 236 = SIS 20 02 45, Rz 15 und vom
25.11.2020 - II R 36/18, BFH/NV 2021, 933 = SIS 21 08 85, Rz
23).
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c) Nach diesen Grundsätzen ist die
Auslegung des notariellen Vertrags vom 19.04.2021 für Zwecke
der Grunderwerbsteuerbesteuerung durch das FG revisionsrechtlich
nicht zu beanstanden.
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aa) Das FG hat ausgeführt, das der
Klägerin als Erbbauberechtigte eingeräumte Recht der
Laufzeitverlängerung zu widersprechen, begründe keine
aufschiebende, sondern eine auflösende Bedingung, weil es der Klägerin
aufgrund dieser Klausel lediglich freigestanden habe, den
automatischen Eintritt der Laufzeitverlängerung des
Erbbaurechts durch eine solche Erklärung zu verhindern und die
Wirksamkeit der Abrede über die Verlängerung des
Erbbaurechts wieder zu beseitigen. Auf den Hinweis des Notars,
dass für den dinglichen Vollzug nach Eintritt der jeweiligen
Verlängerung eine Grundbuchberichtigung notwendig sei,
hätten die Vertragsparteien bereits entsprechende
Bewilligungsanträge abgegeben, was als Begleitumstand
ebenfalls darauf hinweise, dass die schuldrechtliche Einigung
bindend gewesen sei. Es bestünden auch keine Anhaltspunkte
dafür, dass hierin die Vereinbarung einer aufschiebenden
Bedingung in Form der Duldung bezweckt gewesen wäre, da die
Beteiligten ausdrücklich vereinbart hätten, dass sich das
Erbbaurecht ohne Widerspruch der Erbbauberechtigten
„automatisch“ verlängere.
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bb) An diese Auslegung durch das FG ist der
Senat gebunden. Sie entspricht den Grundsätzen der
§§ 133, 157 BGB und verstößt nicht gegen
Denkgesetze oder Erfahrungssätze. Auch eine Verletzung
gesetzlicher oder sonstiger allgemein anerkannter Auslegungsregeln
ist nicht erkennbar.
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Das FG hat seine Auslegung sowohl auf den
Wortlaut als auch den Zweck der Vereinbarung gestützt, der
darin bestanden hat, dass die Beteiligten bereits im Zeitpunkt des
Vertragsschlusses alles rechtlich Regelbare bindend regeln wollten.
Es hat die getroffene Vereinbarung unter Berücksichtigung der
aus der notariellen Urkunde erkennbaren Begleitumstände
vertretbar dahin gewürdigt, dass erst die Erklärung eines
Widerspruchs gegen die Laufzeitverlängerung durch die
Klägerin dazu führen sollte, dass die schuldrechtliche
Vereinbarung über die Verlängerung des Erbbaurechts
wieder entfällt. Dabei hat es den Auslegungsgrundsatz
beachtet, dass ein Rechtsgeschäft, dessen Wirksamkeit nach der
Vereinbarung der Beteiligten davon abhängt, dass ein
bestimmtes Ereignis - hier in Gestalt eines fristgerechten
Widerspruchs gegen die Laufzeitverlängerung - nicht eintritt,
in der Regel als auflösend und nicht als aufschiebend
bedingtes Rechtsgeschäft anzusehen ist (BFH-Urteil vom
25.02.1972 - III R 16/71, BFHE 105, 498, BStBl II 1972, 664 = SIS 72 03 87). Denn ein derartiges Rechtsgeschäft besteht sofort,
und zwar solange, bis das ungewisse, zukünftige Ereignis
eintritt. Tritt dieses Ereignis nicht ein, ändert sich auch an
dem Bestand des Rechtsgeschäfts nichts.
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cc) Etwas anderes folgt für den
Streitfall nicht daraus, dass die automatische Verlängerung
eines Erbbaurechts für den Fall, dass kein Widerspruch
erfolgt, in dinglicher Hinsicht als zulässige aufschiebende
Bedingung angesehen wird (Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom
14.07.1969 - V ZR 122/66, BGHZ 52, 269, unter IV.1.c). Vom
dinglichen Rechtsgeschäft zu unterscheiden ist der
schuldrechtliche Teil, der als grunderwerbsteuerbarer
Erwerbsvorgang im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 2
Nr. 1 GrEStG vorliegend allein in Rede steht. Dieser kann, auch bei
einem Erbbaurecht, sowohl unter einer aufschiebenden als auch unter
einer auflösenden Bedingung abgeschlossen werden (vgl. z.B.
Staudinger/Rapp (2021)
ErbbauRG § 1 Rz 38). Es gibt keinen allgemeinen
Erfahrungssatz dahingehend, dass hinsichtlich des dinglichen
Erfüllungsgeschäfts regelmäßig dieselbe
Bedingung gewollt ist wie sie für das schuldrechtliche
Kausalgeschäft besteht und umgekehrt (vgl. z.B. Staudinger/Bork (2020) BGB
§ 158 Rz 12). Die Auslegung muss vielmehr nach den
Umständen des Einzelfalls vorgenommen werden. Dies hat das FG
bei seiner Entscheidung beachtet. Die Auslegung des FG
berücksichtigt zudem, dass bis zur dinglichen Wirksamkeit des
Erbbaurechts die Ausübung von Widerspruchs- und
Rücktrittsrechten allgemein als zulässig angesehen wird,
weil das Rechtsverhältnis zwischen den Vertragsparteien bis zu
diesem Zeitpunkt noch rein schuldrechtlicher Natur ist und deshalb
auch keine Umgehung des § 1 Abs. 4 des Erbbaurechtsgesetzes
(ErbbauRG), der nur den Bestand des Erbbaurechts und damit das
bereits entstandene Erbbaurecht sichern will, droht (vgl.
BGH-Urteile vom 15.02.1961 - V ZR 129/59, MDR 1961, 490, unter 2.c
und vom 14.03.1969 - V ZR 158/65, MDR 1969, 745, unter 3.; vgl.
auch MüKoBGB/Weiß, 9. Aufl., § 1
ErbbauRG Rz 87 ff.; Winkler/Schlögel, ErbbauR § 2 Rz
158; BeckOK BGB/Maaß, 70. Ed. [01.05.2024], ErbbauRG § 1
Rz 47; Staudinger/Rapp (2021) ErbbauRG § 1 Rz 38).
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3. Ebenfalls zu Recht hat das FG entschieden,
dass das FA die Grunderwerbsteuer auch der Höhe nach
zutreffend festgesetzt hat. Es ist ohne Rechtsfehler davon
ausgegangen, dass sich die grunderwerbsteuerliche
Bemessungsgrundlage im Sinne des § 8 Abs. 1 GrEStG nach dem
Kapitalwert der für den Verlängerungszeitraum zu
zahlenden Erbbauzinsen bestimmt.
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a) Die Grunderwerbsteuer bemisst sich
gemäß § 8 Abs. 1 GrEStG nach dem Wert der
Gegenleistung. Ist Gegenstand des Erwerbsvorgangs ein Erbbaurecht
im Sinne des § 1 Abs. 1 ErbbauRG, dem eine
Erbbauzinsverpflichtung im Sinne des § 9 Abs. 1 ErbbauRG
gegenübersteht, so ist Bemessungsgrundlage der
Grunderwerbsteuer gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 BewG die
auf die vereinbarte Laufzeit des Erbbaurechts kapitalisierte
Erbbauzinsverpflichtung (BFH-Beschluss vom 23.04.2020 - II B 80/19, BFH/NV 2020, 925 =
SIS 20 09 12, Rz 8). Bei dem Anspruch des Erbbauverpflichteten auf
Zahlung des Erbbauzinses handelt es sich um ein auf bestimmte Zeit
beschränktes Recht auf wiederkehrende Leistungen im Sinne des
§ 13 Abs. 1 Satz 1 BewG, das mit seinem Kapitalwert anzusetzen
ist (BFH-Urteile vom 26.06.1959 - III 349/58 U, BFHE 69, 273, BStBl
III 1959, 364 = SIS 59 02 25 und vom 26.11.1986 - II R 32/83, BFHE
148, 180, BStBl II 1987, 101 = SIS 87 03 23). Entsprechendes gilt,
wenn Gegenstand des Erwerbsvorgangs ein verlängertes
Erbbaurecht ist. In diesem Falle ist der auf die Laufzeit der
Verlängerung des Erbbaurechts kapitalisierte Erbbauzins als
Wert der Gegenleistung der Bemessung der Grunderwerbsteuer zugrunde
zu legen (BFH-Urteil vom 18.08.1993 - II R 10/90, BFHE 172, 122,
BStBl II 1993, 766 = SIS 93 19 12, unter II.2.; BFH-Beschluss vom
23.04.2020 - II B 80/19, BFH/NV 2020, 925 = SIS 20 09 12, Rz
9).
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b) Ausgehend hiervon hat das FG die
Bemessungsgrundlage für die Verlängerung des Erbbaurechts
der Höhe nach zutreffend ermittelt. Der vertraglich
vereinbarte jährliche Erbbauzins betrug 69.076 EUR. Aufgrund
der im notariellen Vertrag vom 19.04.2021 vereinbarten
automatischen sechsmaligen Verlängerung der Laufzeit des
Erbbaurechts um jeweils zehn Jahre ergibt sich auf der Grundlage
der Anlage 9a zum BewG ein Vervielfältiger von 17,930. Bei
Anwendung dieses Vervielfältigers beträgt der
kapitalisierte Erbbauzins für den Verlängerungszeitraum
danach 1.238.533 EUR.
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4. Entgegen der Auffassung der Klägerin
ist der kapitalisierte Erbbauzins nicht nach § 12 Abs. 3 Satz
1 BewG auf den Zeitpunkt des Abschlusses der
Verlängerungsvereinbarung vom 19.04.2021 abzuzinsen.
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a) § 12 Abs. 3 Satz 1 BewG sieht
abweichend von dem Grundsatz des § 12 Abs. 1 Satz 1 BewG vor,
dass Forderungen oder Schulden nicht mit ihrem Nennwert anzusetzen
sind, sondern ausnahmsweise abgezinst werden, wenn sie
unverzinslich sind und ihre Laufzeit mehr als ein Jahr
beträgt. Die Vorschrift erfasst im Bereich der
Grunderwerbsteuer nach der Rechtsprechung des BFH nur solche
Fälle, in denen der Grundstücksverkäufer seine
Verpflichtung aus dem Kaufvertrag zur Übereignung des
Grundstücks bereits erfüllt hat und trotzdem
vereinbarungsgemäß die Kaufpreiszahlung des Käufers
zinslos hinausgeschoben wird (BFH-Urteile vom 18.01.1989 - II R 103/85, BFHE 155, 558,
BStBl II 1989, 427 = SIS 89 09 07 und vom
12.10.1994 - II R 4/91, BFHE 176, 56, BStBl II 1995, 69 = SIS 95 05 14). Denn die zinslose Stundung des Kaufpreises über
einen Zeitraum von mehr als einem Jahr ist wie eine verdeckte
Kaufpreisermäßigung zu behandeln. Eine Abweichung vom
Nominalwert des Kaufpreises durch Abzinsung kommt dagegen nicht in
Betracht, wenn nicht nur der Kaufpreis, sondern die beiderseitigen
Hauptleistungspflichten aus dem Grundstückskaufvertrag
hinausgeschoben werden, weil der Verkäufer in einem solchen
Fall nicht vorleistungspflichtig ist. Tauschen die Vertragspartner
ihre Leistungen daher Zug um Zug (§ 322 Abs. 1 BGB) aus,
entfällt der Rechtfertigungsgrund für die Abzinsung
selbst dann, wenn der Leistungsaustausch und damit auch die Zahlung
des Kaufpreises erst mehrere Jahre nach dem Vertragsschluss erfolgt
(BFH-Urteile vom 18.01.1989 - II R 103/85, BFHE 155, 558, BStBl II
1989, 427 = SIS 89 09 07, unter II.1. und vom 12.10.1994 - II R
4/91, BFHE 176, 56, BStBl II 1995, 69 = SIS 95 05 14, unter
II.1.).
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b) Diese Grundsätze sind auf die
Verlängerung eines Erbbaurechts zu übertragen. Da das
Erbbaurecht gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG einem
Grundstück gleichsteht, kann hinsichtlich der vereinbarten
Gegenleistung für die (erstmalige) Bestellung oder
Verlängerung eines Erbbaurechts nichts anderes gelten als
hinsichtlich der Gegenleistung für die Übereignung eines
Grundstücks (BFH-Beschluss vom 23.04.2020 - II B 80/19, BFH/NV
2020, 925 = SIS 20 09 12, Rz 10). Dabei ist bei Abschluss einer
Verlängerungsvereinbarung zu berücksichtigen, dass
für diejenige Zeit, auf die sich die Verlängerung des
Erbbaurechts bezieht, auch bürgerlich-rechtlich die Abspaltung
des Erbbaurechts von dem Eigentum nicht anders stattfindet, als
dies bei einer Neubestellung des Erbbaurechts der Fall gewesen
wäre, denn ohne die Verlängerung endet das Erbbaurecht
gemäß § 12 Abs. 3 ErbbauRG ohne Zutun der
Beteiligten (vgl. BFH-Beschluss vom 23.04.2020 - II B 80/19, BFH/NV
2020, 925 = SIS 20 09 12, Rz 11). Demzufolge ist nicht auf den
Zeitpunkt der Vereinbarung über die Verlängerung des
Erbbaurechts, sondern den Beginn des Verlängerungszeitraums
abzustellen, wenn es darum geht, ob Leistungspflichten
hinausgeschoben werden.
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Die entsprechende Sachleistungspflicht in
Gestalt der Vermittlung der weiteren Sachherrschaft über die
Grundstücksfläche kann durch den
Grundstückseigentümer bei der
Erbbaurechtsverlängerung erst mit dem Beginn des
Verlängerungszeitraums erfüllt werden. Erst ab diesem
Zeitpunkt wird das aus § 1 Abs. 1 ErbbauRG folgende Recht des
Erbbauberechtigten, weiterhin das Eigentum an dem auf dem fremden
Grundstück errichteten Bauwerk zu haben, verlängert und
damit für den Verlängerungszeitraum (erstmals)
begründet, sodass die mit der Verlängerung des
Erbbaurechts korrespondierende Leistungspflicht des
Grundstückseigentümers auch erst zu diesem Zeitpunkt
erfüllt wird. Erst mit Beginn des Verlängerungszeitraums
sind auch die jährlichen Erbbauzinszahlungen für das
verlängerte Erbbaurecht zu zahlen. Der dann als wiederkehrende
Leistung zu zahlende Erbbauzins und das verlängerte
Erbbaurecht stehen in einem Gegenseitigkeitsverhältnis. Somit
erfüllen sowohl der Grundstückseigentümer als auch
der Erbbauberechtigte die beiderseitigen Leistungen Zug um Zug erst
in der Zukunft, sodass der Grundstückseigentümer nicht
vorleistungspflichtig ist. Für eine Abzinsung des
kapitalisierten Erbbauzinses auf den Zeitpunkt der
Verlängerungsvereinbarung ist daher kein Raum (gleicher
Ansicht Viskorf/Viskorf, § 2 GrEStG Rz 189 (21. Aufl. 2024);
Pahlke, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 7. Aufl., § 9 Rz
172; Hofmann, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 11. Aufl., §
9 Rz 60; Leingärtner/Krumm, Besteuerung der Landwirte, Kap. 10
Rz 121a; vgl. auch FG Baden-Württemberg, Urteil vom 19.01.2011
- 2 K 2697/08, EFG 2011, 1181 = SIS 11 10 26; FG Münster,
Urteil vom 10.04.2014 - 8 K 3046/11 GrE, EFG 2014, 1220 = SIS 14 18 05; FG Düsseldorf, Urteil vom 30.11.2023 - 11 K 2195/21 GE,
EFG 2024, 870 = SIS 24 02 36; ebenso Gleich lautende Erlasse der
obersten Finanzbehörden der Länder zur Beurteilung von
Erbbaurechtsvorgängen vom 16.09.2015, BStBl I 2015, 827 = SIS 15 25 82, Rz 3.4; a.A. Lieber in Behrens/Wachter,
Grunderwerbsteuergesetz, 2. Aufl., § 2 Rz 52; vgl. auch FG
München, Urteil vom 23.11.2011 - 4 K 2267/08, EFG 2012, 869 =
SIS 12 02 68, bei vertraglich vereinbartem Aufschub der
Fälligkeit der Erbbauzinsen).
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c) Soweit die Klägerin in der
mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, dass sich die Steuer
gemäß § 8 Abs. 1 GrEStG (ausschließlich) nach
dem Wert der Gegenleistung richte, der im Besteuerungszeitpunkt
geringer als der Nominalwert der Erbbauzinsverpflichtung sei, folgt
daraus nichts anderes. Das Grunderwerbsteuerrecht besteuert den
Umsatz von Grundstücken beziehungsweise den diesen nach §
2 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG gleichgestellten Erbbaurechten.
Dementsprechend kann die Gegenleistung des Erbbauberechtigten nur
unter Berücksichtigung dieses Grundstücksumsatzes und
damit der Leistung des Erbbauverpflichteten bewertet werden, die im
Streitfall ebenfalls erst im Verlängerungszeitraum erbracht
wird (vgl. BFH-Urteile vom 18.01.1989 - II R 103/85, BFHE 155, 558,
BStBl II 1989, 427 = SIS 89 09 07, unter II.1. und vom 12.10.1994 -
II R 4/91, BFHE 176, 56, BStBl II 1995, 69 = SIS 95 05 14, unter
II.1.).
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d) Etwas anderes folgt auch nicht aus dem
BFH-Urteil vom 24.02.1982 - II R 4/81 (BFHE 136, 146, BStBl II
1982, 625 = SIS 82 13 15). Das Urteil betrifft die vor der
Rechtsprechungsänderung durch das BFH-Urteil vom 18.08.1993 -
II R 10/90 (BFHE 172, 122, BStBl II 1993, 766 = SIS 93 19 12)
geltende Rechtslage, wonach die Vereinbarung der Verlängerung
eines Erbbaurechts nicht als Rechtsgeschäft im Sinne des
§ 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 2 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG anzusehen
war. Auch wenn die Vereinbarung der Verlängerung des
Erbbaurechts danach keinen Erwerbsvorgang im Sinne des § 1
Abs. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG darstellte, führte
die Vereinbarung der Verlängerung des Erbbaurechts gleichwohl
zur Entstehung einer (zusätzlichen) Grunderwerbsteuer auf den
ursprünglichen Erwerbsvorgang insoweit, als bei der
Verlängerung des Erbbaurechts eine Gegenleistung vereinbart
wurde (BFH-Urteil vom 24.02.1982 - II R 4/81, BFHE 136, 146, BStBl
II 1982, 625 = SIS 82 13 15, unter 2.). Die Abzinsung des
Kapitalwerts der Erbbauzinsen beruhte demzufolge darauf, dass die
für die Verlängerung des Erbbaurechts zu zahlenden
Erbbauzinsen als nachträgliche Erhöhung der Gegenleistung
für die ursprüngliche Erbbaurechtsbestellung angesehen
wurde, was folgerichtig mit einem zinslosen Aufschub dieser
„Entgeltserhöhung“ verbunden war.
Diese für eine Abzinsung sprechende Betrachtung hat aber seit
der Rechtsprechungsänderung durch das BFH-Urteil vom
18.08.1993 - II R 10/90 (BFHE 172, 122, BStBl II 1993, 766 = SIS 93 19 12), wonach die Erbbaurechtsverlängerung als
eigenständiger Erwerbsvorgang im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr.
1, § 2 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegt,
ihre rechtliche Grundlage verloren.
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e) Etwas anderes ergibt sich auch nicht auf
das BFH-Urteil vom 23.10.2002 - II R 81/00 (BFHE 200, 416, BStBl II
2003, 199 = SIS 03 10 90), da das Urteil - anders als der
vorliegende Streitfall - die Bewertung einer gestaffelten
Erbbauzinsverpflichtung als Gegenleistung für die (erstmalige)
Bestellung eines Erbbaurechts betrifft.
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5. Entgegen der Auffassung der Klägerin
ist der kapitalisierte Erbbauzins auch nicht nach § 13 Abs. 1
oder 3 BewG auf den Zeitpunkt des Abschlusses der
Verlängerungsvereinbarung vom 19.04.2021 abzuzinsen.
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a) Die Klägerin berücksichtigt
nicht, dass die in § 13 Abs. 1 BewG i.V.m. Anlage 9a zum BewG
geregelte Ermittlung des Kapitalwerts ebenfalls auf einer
„Abzinsung“ beruht, indem von der Summe
der einzelnen Jahreswerte Zwischenzinsen unter
Berücksichtigung von Zinseszinsen abgezogen werden. Die mit
der Revision begehrte (weitere) Abzinsung des nach § 13 Abs. 1
BewG i.V.m. Anlage 9a zum BewG gebildeten Kapitalwerts der
Erbbauzinsen für den Verlängerungszeitraum auf den
Zeitpunkt des Abschlusses der Verlängerungsvereinbarung ist in
§ 13 Abs. 1 BewG i.V.m. Anlage 9a zum BewG gesetzlich nicht
vorgesehen. Eine Abzinsung in dem Zeitraum bis zur
Verlängerung des Erbbaurechts erfolgt lediglich durch die
Kapitalisierung der Erbbauzinsverpflichtung für die erstmalige
Bestellung des Erbbaurechts.
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b) Eine weitere Abzinsung ergibt sich, wie das
FG zu Recht angenommen hat, auch nicht aus § 13 Abs. 3
BewG.
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Nach dieser Vorschrift sind wiederkehrende
Nutzungen und Leistungen mit ihrem gemeinen Wert anzusetzen, wenn
dieser nachweislich geringer oder höher ist als der nach
§ 13 Abs. 1 BewG ermittelte Kapitalwert. Ein geringerer
gemeiner Wert kann sich zwar grundsätzlich auch aus einem
zeitlichen Aufschub einer Zahlungsverpflichtung ergeben (z.B.
BFH-Urteil vom 19.05.1972 - III R 21/71, BFHE 106, 228, BStBl II
1972, 748 = SIS 72 04 33, unter III.2.; vgl. auch Eisele in
Rössler/Troll, BewG, § 13 Rz 37). Zu einem zeitlichen Aufschub der
Erbbauzinsverpflichtung kommt es im Falle der Verlängerung
eines Erbbaurechts - wie ausgeführt - aber nicht, da in einem
solchen Fall auch die Sachleistungspflicht des
Grundstückseigentümers als Erbbauverpflichtetem erst nach
Ablauf des ursprünglichen Zeitraums einsetzt. Da die
gegenseitigen Leistungen somit ab Beginn des
Verlängerungszeitraums Zug um Zug erbracht werden, liegt in
dem - aus der Perspektive der Verlängerungsvereinbarung - erst
zukünftigen Einsetzen der Pflicht zur Entrichtung der
Erbbauzinsen kein Zahlungsaufschub, der den Ansatz eines
niedrigeren Werts nach § 13 Abs. 3 BewG rechtfertigen
könnte.
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6. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 2 FGO.
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