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Festsetzungsverjährung bei leichtfertig unrichtiger Gewinnermittlung durch steuerlichen Berater

Festsetzungsverjährung bei leichtfertig unrichtiger Gewinnermittlung durch steuerlichen Berater: 1. Die Voraussetzungen für eine Verlängerung der Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 2 Satz 2 AO sind nicht erfüllt, wenn der Steuerberater bei der Erstellung der Einkommensteuererklärung den Gewinn leichtfertig fehlerhaft ermittelt, da der Steuerberater mangels eigener Angaben gegenüber dem Finanzamt nicht Täter einer leichtfertigen Steuerverkürzung nach § 378 AO i.V.m. § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO ist. - 2. Der Steuerpflichtige darf im Regelfall darauf vertrauen, dass der Steuerberater die Steuererklärung richtig und vollständig vorbereitet, wenn er diesem die für die Erstellung der Steuererklärung erforderlichen Informationen vollständig verschafft hat. Er ist grundsätzlich nicht verpflichtet, die vom Steuerberater vorbereitete Steuererklärung in allen Einzelheiten nachzuprüfen. - 3. Dem Steuerpflichtigen kann das leichtfertige Handeln des Steuerberaters weder nach straf- oder bußgeldrechtlichen noch nach steuerrechtlichen Grundsätzen zugerechnet werden. - Urt.; BFH 29.10.2013, VIII R 27/10; SIS 13 32 69

Kapitel:
Verschiedenes > Verjährung, Verwirkung
Fundstellen
  1. BFH 29.10.2013, VIII R 27/10
    BStBl 2014 II S. 295
    DStR 2013 S. 2694
    BFH/NV 2014 S. 194
    NJW 2014 S. 653
    BFHE 243 S. 116

    Anmerkungen:
    zur Veröffentlichung in BStBl II bestimmt nach BMF-Online vom 20.3.2014
    M.G. in BB 4/2014 S. 168
    F.W. in HFR 1/2014 S. 11
    H.J.P. in BFH/PR 3/2014 S. 102
    F.W. in DStZ 4/2014 S. 131
    T.Sp. in NWB 9/2014 S. 624
    jh in StuB 5/2014 S. 200
    A.M. in Stbg 4/2014 S. 179
    A.P. in Stbg 6/2014 S. 282
Normen
[AO 1977] § 169 Abs. 2 Satz 2, § 370 Abs. 1 Nr. 1, § 378
Vorinstanz / Folgeinstanz:
  • vor: Niedersächsisches FG, 10.12.2008, Leichtfertige Steuerverkürzung, Festsetzungsfrist, Verjährung
Zitiert in... / geändert durch...
  • FG Nürnberg 28.7.2021, SIS 21 17 96, Vernehmung eines Zeugen im Rahmen der mündlichen Verhandlung per Videokonferenz: 1. Die Gestattung einer ...
  • FG München 5.1.2021, SIS 21 02 66, Aussetzung der Vollziehung (AdV) eines Grundlagenbescheids und Sicherheitsleistung: 1. Nur wenn bei der A...
  • FG München 15.7.2020, SIS 20 14 35, Verwirkung eines Kindergeld-Rückforderungsanspruchs: 1. Das Zeitmoment genügt für die Annahme der Verwirk...
  • FG Baden-Württemberg 4.6.2020, SIS 20 15 89, Vorsteuerabzug aus Gutschriften und Rechnungen für Edelmetalllieferungen: 1. Der Vorsteuerabzug setzt die...
  • Thüringer FG 29.1.2020, SIS 22 00 56, Steuerbefreiung einer auf freigebigen Zuwendungen beruhenden Anteilsvereinigung: 1. Nach dem Gesetzeszwec...
  • BGH 10.7.2019, SIS 20 03 73, Steuerhinterziehung und Beihilfe zur Steuerhinterziehung, Tatmehrheit, Schätzung: 1. Nach der neueren Rec...
  • FG Baden-Württemberg 14.3.2019, SIS 19 14 54, Wertpapierdepot, Hinterziehungsabsicht: 1. Für eine Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO...
  • BFH 15.11.2017, SIS 18 02 00, Unsubstantiierter Beweisantrag, Prüfung einer Steuerhinterziehung als Voraussetzung einer verlängerten Fe...
  • FG München 24.8.2017, SIS 18 13 00, Feststellungsklage, Anfechtungsklage, Verspätungszuschlag, verspätete Abgabe der Steuererklärungen, nicht...
  • FG München 27.6.2017, SIS 18 13 11, Verspätungszuschlag, Begründungsmangel, nichtentschuldbares Versäumnis, Festsetzungsobergrenze, Umdeutung...
  • BFH 20.10.2016, SIS 17 02 03, Versagung des Vorsteuerabzugs aus Gutschriften, weil in der Gutschrift nicht der leistende Unternehmer ge...
  • FG München 2.9.2016, SIS 17 05 57, Wohnsitz, Kindergeld, leichtfertige Steuerverkürzung, Verjährung: 1. Aufgrund der Aufgabe seines inländis...
  • FG Münster 28.4.2016, SIS 16 13 72, Teleologische Reduktion des § 169 Abs. 2 Satz 2 AO bei leichtfertiger Steuerverkürzung ohne Abschlusszahl...
  • BFH 12.4.2016, SIS 16 21 41, Geringe Bedeutung einer gesonderten und einheitlichen Feststellung bei drohender Festsetzungsverjährung d...
  • BFH 12.1.2016, SIS 16 03 25, Eigenheimzulage, Subventionsbetrug, Festsetzungsfrist: Die Festsetzungsfrist für die Eigenheimzulage verl...
  • FG Berlin-Brandenburg 14.12.2015, SIS 16 10 93, Berliner Zweitwohnungsteuer: 1. Bei der Berliner Zweitwohnungsteuer handelt es sich nicht um eine Verbrau...
  • BFH 17.11.2015, SIS 16 07 08, Keine Leichtfertigkeit bei irrtümlicher Doppeleintragung infolge missverständlicher Bescheinigungen: 1. E...
  • BFH 3.3.2015, SIS 15 11 54, Keine Verlängerung der Festsetzungsfrist bei leichtfertiger Verletzung der Anzeigepflicht eines Notars: D...
  • FG München 14.6.2014, SIS 14 26 58, Kindergeld, verlängerte Festsetzungsfrist bei leichtfertiger Steuerverkürzung bzw. Steuerhinterziehung: 1...
  • BFH 2.4.2014, SIS 14 20 97, Zufluss von Scheinrenditen in Schneeballsystemen: Verlangt ein Anleger die Auszahlung fälliger Zins- oder...
Fachaufsätze
  • LIT 03 14 03 D. Beyer, NWB 12/2016 S. 840: StModernG: Dürfen Mandanten künftig nicht mehr auf die professionelle Tätigkeit ihres Steuerberaters vert...
  • LIT 02 82 28 M. Geuenich, BB 4/2014 S. 168: Festsetzungsverjährung bei leichtfertig unrichtiger Gewinnermittlung durch steuerlichen Berater; keine Zu...
  • LIT 02 83 57 T. Spernau, NWB 9/2014 S. 624: Leichtfertige Steuerverkürzung durch Fehler des Steuerberaters - Anmerkungen zum BFH-Urteil vom 29.10.201...
  • LIT 02 84 32 F. Werth, DStZ 4/2014 S. 131: Kann der Steuerberater Täter einer leichtfertigen Steuerverkürzung sein? - Besprechung des BFH-Urteils vo...
  • LIT 02 87 78 A. Mack, Stbg 4/2014 S. 179: Vorbereitung der Steuererklärung: keine verlängerte steuerliche Festsetzungsverjährung bei leichtfertigem...

 

1

I. Die Beteiligten streiten über die Frage, ob die Änderung des Einkommensteuerbescheids für 1996 trotz Ablaufs der regulären Festsetzungsfrist noch zulässig war.

 

 

2

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielte im Streitjahr aus seiner Tätigkeit als Arzt Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Den Gewinn ermittelte er durch Einnahmenüberschussrechnung nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes. Im Zusammenhang mit seiner ärztlichen Tätigkeit war er an einer Laborgemeinschaft beteiligt. Für diese wurde eine gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen durchgeführt. Die Laborgemeinschaft bescheinigte dem Kläger für das Streitjahr 1996 einen Verlust aus seiner Beteiligung in Höhe von 12.451 DM. Die Laborgemeinschaft wies auf der Bescheinigung darauf hin, dass der Verlust in der Steuererklärung in der Anlage GSE einzutragen sei, alle Zahlungen an die Laborgemeinschaft erfolgsneutrale Zahlungen darstellten und das Schreiben an den Steuerberater weiterzuleiten sei.

 

 

3

Die Kläger machten in der Einkommensteuererklärung für das Jahr 1996 den Verlust aus der Beteiligung an der Laborgemeinschaft in Höhe von 12.451 DM in der Anlage GSE steuerlich geltend. Zudem wurde dieser Betrag in der Gewinnermittlung des Klägers als Betriebsausgabe bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit berücksichtigt. Die Gewinnermittlung stammte von einem Steuerberater und dessen Steuerfachangestellter, die auch die Steuererklärung vorbereiteten.

 

 

4

Die Einkommensteuererklärung für den Veranlagungszeitraum 1996 ging bei dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA - ) im Mai 1998 ein, der die Einkommensteuer erklärungsgemäß festsetzte.

 

 

5

Das FA führte bei dem Kläger für die Jahre 1998 bis 2000 eine Außenprüfung durch. Am 8.5.2003 wurde die laufende Prüfung auf die Jahre 1996 und 1997 erweitert. Der Prüfer stellte fest, dass die Laborzahlungen des Klägers in den Jahren 1996 bis 1999 doppelt steuermindernd berücksichtigt worden waren. Das FA folgte den Feststellungen des Prüfungsberichts und erließ für das Streitjahr 1996 am 30.10.2006 einen nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) geänderten Einkommensteuerbescheid.

 

 

6

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren wies das Finanzgericht (FG) die Klage mit Urteil vom 10.12.2008 3 K 160/07 ab.

 

 

7

Hiergegen richtet sich die Revision der Kläger, mit der diese die Verletzung von § 169 Abs. 2 Sätze 2 und 3 AO und §§ 370, 378 AO rügen. Entgegen der Auffassung des FG, das sich auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 19.12.2002 IV R 37/01 (BFHE 200, 495, BStBl II 2003, 385 = SIS 03 18 31) stütze, könne ein Steuerberater nicht Täter einer leichtfertigen Steuerverkürzung nach § 378 Abs. 1 AO sein, da diese nach dem Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO nur begehe, wer selbst eine unrichtige Erklärung abgebe.

 

 

8

Die Kläger beantragen, das Urteil des Niedersächsischen FG vom 10.12.2008 3 K 160/07 und den geänderten Einkommensteuerbescheid für 1996 vom 30.10.2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27.4.2007 aufzuheben.

 

 

9

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

 

10

Nach der Rechtsprechung des BFH könne Täter einer leichtfertigen Steuerverkürzung i.S. des § 378 AO auch derjenige sein, der die Angelegenheiten eines Steuerpflichtigen wahrnehme. Da vom Steuerpflichtigen eine Erklärung mit wahrem Inhalt erwartet werde, sei der steuerliche Berater bezüglich des Inhalts der Erklärung Erfüllungsgehilfe des Steuerpflichtigen. Je weiter der Steuerpflichtige Pflichten auf den Berater übertrage und sich dadurch entlaste, desto mehr wachse die Verantwortlichkeit des Beraters. Die bei der Erstellung der Steuererklärung notwendige Aufgabenteilung zwischen Steuerpflichtigem und Berater könne nicht dazu führen, dass die Festsetzungsfrist bei objektiv unrichtigen Angaben wie üblich ablaufe. Denn in diesem Fall erhöhe sich der Ermittlungsaufwand der Finanzbehörden. Steuerrechtlich habe der Steuerpflichtige die objektiv unrichtigen Angaben zu verantworten, selbst wenn ihn daran kein eigenes Verschulden treffe. Dies ergebe sich auch aus der Rechtsprechung des BFH zu § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO.

 

 

11

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und des geänderten Einkommensteuerbescheids für 1996 vom 30.10.2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27.4.2007 (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Die Voraussetzungen für eine Verlängerung der Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 2 Sätze 2 und 3 AO auf fünf Jahre lagen nicht vor, da weder der Kläger noch sein Steuerberater noch dessen Steuerfachangestellte eine leichtfertige Steuerverkürzung nach § 378 AO i.V.m. § 370 AO begangen haben.

 

 

12

1. a) Nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO beginnt die Festsetzungsfrist, wenn eine Steuererklärung einzureichen ist, mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuererklärung eingereicht wird. Die Festsetzungsfrist beträgt für die Einkommensteuer vier Jahre (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO). Bei Steuerhinterziehung verlängert sie sich auf zehn Jahre, bei leichtfertiger Steuerverkürzung auf fünf Jahre (§ 169 Abs. 2 Satz 2 AO).

 

 

13

b) Im Streitfall begann die Festsetzungsfrist für die Einkommensteuer 1996 mit Ablauf des Jahres 1998, da die Kläger in diesem Jahr die Steuererklärung für 1996 abgegeben haben (§ 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO). Die reguläre Festsetzungsfrist endete am 31.12.2002, sodass durch die erweiterte Prüfungsanordnung vom 8.5.2003 der Ablauf der Festsetzungsfrist nicht nach § 171 Abs. 4 AO gehemmt werden konnte. Die Rechtmäßigkeit des Einkommensteuerbescheids hängt somit davon ab, ob zumindest eine leichtfertige Steuerverkürzung gemäß § 378 AO vorlag, da nur in diesem Fall die Prüfungsanordnung vor Eintritt der Festsetzungsverjährung ergangen wäre.

 

 

14

2. Zu Unrecht ist das FG davon ausgegangen, dass der Steuerberater und seine Steuerfachgehilfin den objektiven Tatbestand des § 378 Abs. 1 Satz 1 AO i.V.m. § 370 Abs. 1 AO erfüllt haben.

 

 

15

a) Ob eine Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt, bestimmt sich nach §§ 370, 378 AO, da § 169 AO diesbezüglich keine Legaldefinition enthält. Wie sich aus der Gesetzesüberschrift ergibt, handelt es sich bei § 370 AO um eine Strafvorschrift und bei § 378 AO um eine Bußgeldvorschrift. Hängt die Rechtmäßigkeit eines Steuerbescheids von der Verlängerung der Festsetzungsfrist auf fünf Jahre (§ 169 Abs. 2 Satz 2 AO) und somit vom Vorliegen einer leichtfertigen Steuerverkürzung ab, müssen zur Rechtmäßigkeit des Bescheids die objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale des § 378 AO erfüllt sein (Senatsurteil vom 16.1.1973 VIII R 52/69, BFHE 108, 286, BStBl II 1973, 273 = SIS 73 01 54; Beschluss des Großen Senats des BFH vom 5.3.1979 GrS 5/77, BFHE 127, 140, BStBl II 1979, 570 = SIS 79 02 89; BFH-Urteile vom 8.9.1994 IV R 6/93, BFH/NV 1995, 573 = SIS 95 06 13; vom 2.4.1998 V R 60/97, BFHE 186, 1, BStBl II 1998, 530 = SIS 98 17 51; BFH-Beschluss vom 8.11.2000 XI B 38/00, BFH/NV 2001, 478 = SIS 01 58 75; Senatsurteil vom 15.1.2013 VIII R 22/10, BFHE 240, 195, BStBl II 2013, 526 = SIS 13 10 41; Klein/Rüsken, AO, 11. Aufl., § 169 Rz 36, 26; Banniza in Hübschmann/Hepp/Spitaler - HHSp -, § 169 AO Rz 48; Kruse in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 169 AO Rz 15; Paetsch in Beermann/Gosch, AO § 169 Rz 46).

 

 

16

Danach sind die im Steuerrecht vorkommenden Begriffe des Straf- bzw. Ordnungswidrigkeitenrechts materiell-rechtlich wie im Strafrecht zu beurteilen. Dagegen ist die Frage, ob diese Tatbestandsmerkmale tatsächlich erfüllt sind, nicht nach den Vorschriften der Strafprozessordnung, sondern nach den Verfahrensvorschriften der Abgabenordnung und der Finanzgerichtsordnung zu prüfen, da es sich lediglich um eine strafrechtliche Vorfrage im Rahmen einer Entscheidung über die Rechtmäßigkeit eines Steuerbescheids handelt (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 127, 140, BStBl II 1979, 570 = SIS 79 02 89; Senatsurteil in BFHE 240, 195, BStBl II 2013, 526 = SIS 13 10 41).

 

 

17

b) Nach § 378 Abs. 1 Satz 1 AO handelt ordnungswidrig, wer als Steuerpflichtiger oder bei Wahrnehmung der Angelegenheiten eines Steuerpflichtigen eine der in § 370 Abs. 1 AO bezeichneten Taten leichtfertig begeht. Danach kann der Steuerberater nur dann eine Ordnungswidrigkeit begehen, wenn er den objektiven Tatbestand des § 370 Abs. 1 AO erfüllt.

 

 

18

aa) Die Regelung des § 370 AO hat einen gegenüber der Vorgängerregelung des § 359 der Reichsabgabenordnung engeren Anwendungsbereich. Nach deren Wortlaut („bewirkt“) genügte zur Tatbestandserfüllung die ursächliche Herbeiführung des Erfolgs der Steuerverkürzung. Die Unbestimmtheit des Tatbestands führte zu erheblichen Auslegungsproblemen und rechtsstaatlichen Bedenken (Hellmann in HHSp, § 370 AO Rz 28 ff.). Um dem Verfassungsgrundsatz des Art. 103 Abs. 2 des Grundgesetzes (GG) besser zu genügen, hat der Gesetzgeber die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Steuerhinterziehung in der Neufassung des § 370 AO eindeutig umschrieben und das weiter gehende Tatbestandsmerkmal der vorherigen Fassung („bewirkt“) fallengelassen (BTDrucks VI/1982, S. 192 ff.). Die Neuregelung weicht von der Reichsabgabenordnung in der Umschreibung des Tatbestands der Steuerhinterziehung vor allem dadurch ab, dass sie eindeutig festlegt, welche Handlung oder Unterlassung vorliegen muss, damit der Erfolg der Tat, die Verkürzung von Steuern oder die Erlangung von Steuervorteilen, tatbestandsmäßig verwirklicht wird. Nach dem Willen des Gesetzgebers besteht die Tathandlung darin, dass den zuständigen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht werden oder dass diese Behörden pflichtwidrig über derartige Tatsachen in Unkenntnis gelassen werden. Der Entwurf ersetzte die bisher vier Tathandlungen (Erschleichen nicht gerechtfertigter Steuervorteile; Bewirken der Verkürzung von Steuereinnahmen; zweckwidrige Verwendung von Sachen, für die dem Täter Steuerbefreiung oder Steuervorteile gewährt sind; Unterlassen der rechtzeitigen Anzeige der Zweckentfremdung) durch zwei präzisere Umschreibungen, nämlich gegenüber den Finanzbehörden unrichtige oder unvollständige Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen zu machen oder diese über steuerlich erhebliche Tatsachen pflichtwidrig in Unkenntnis zu lassen. Als dritte Tathandlung wurde die pflichtwidrige Verwendung von Steuerzeichen normiert. Der Finanzausschuss stellte durch die Formulierung „für sich oder einen anderen“ klar, dass die Steuerhinterziehung auch von einem anderen als dem Steuerpflichtigen begangen werden kann (BTDrucks 7/4292, S. 134 zu § 370 AO).

 

 

19

bb) Der Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO setzt voraus, dass der Täter den Finanzbehörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige Angaben macht. Bei der von dem Gesetzgeber intendierten engen Auslegung des Tatbestands begeht der Steuerberater keine Ordnungswidrigkeit nach § 378 AO, wenn er die Steuererklärung seines Mandanten lediglich vorbereitet und diese vom Steuerpflichtigen unterzeichnet und eingereicht wird, weil es an eigenen Angaben des Steuerberaters gegenüber dem Finanzamt fehlt (Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts - BayObLG - vom 9.11.1993 4St RR 54/93, DStR 1994, 410; Beschluss des Oberlandesgerichts - OLG - Braunschweig vom 8.3.1996 Ss (B) 100/95, DStR 1997, 515; Beschluss des OLG Zweibrücken vom 23.10.2008 1 Ss 140/08, DStRE 2009, 321, und herrschende Meinung in der Literatur Klein/Jäger, a.a.O., § 370 Rz 31, § 378 Rz 9; Joecks in Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht, 7. Aufl., § 378 Rz 23 ff., m.w.N.; Meyer in Beermann/Gosch, AO § 370 Rz 241; Rüping in HHSp, § 378 AO Rz 24; Reitz, DStR 1984, 91; Dörn, Zeitschrift für Wirtschaft, Steuer, Strafrecht - wistra - 1994, 215; derselbe in Die Steuerberatung - Stbg - 2002, 454; Müller, Der AO-Steuer-Berater - AO-StB - 2003, 210; Rolletschke, wistra 2004, 49; Gotzens/Heinsius, Stbg 2000, 209, 216 f.; a.A. Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 378 AO 1977, Rz 24 [keine generelle Freizeichnung des Steuerberaters]; Weyand in Schwarz, AO, § 378 Rz 4 [weite Auslegung des Begriffs „Wahrnehmung der Angelegenheiten eines Steuerpflichtigen“]).

 

 

20

Durch die Einreichung der vom Steuerpflichtigen unterzeichneten Steuererklärung hat nicht der Steuerberater, sondern der Steuerpflichtige entsprechend seiner steuerrechtlichen Verpflichtung Angaben gegenüber dem Finanzamt gemacht. Es ist seine Erklärung, für die er mit seiner Unterschrift die Verantwortung übernommen hat, nicht die des Steuerberaters. Dies gilt selbst im Falle eines sog. Mitwirkungsvermerks des Steuerberaters, weil sich die Mitwirkung bei der Anfertigung der Steuererklärung auf die Vorbereitung der Steuererklärung des Steuerpflichtigen beschränkt und eine vom Steuerberater gegenüber seinem Mandanten geschuldete und erbrachte Leistung darstellt.

 

 

21

Der IV. Senat, der in seinem Urteil in BFHE 200, 495, BStBl II 2003, 385 = SIS 03 18 31 die Auffassung vertreten hat, dass der Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO auch dann erfüllt sei, wenn der Steuerberater selbst keine Angaben gegenüber der Finanzbehörde macht, hat auf Anfrage des Senats nach § 11 Abs. 3 Sätze 1 und 3 FGO der Abweichung von seiner Rechtsprechung zugestimmt.

 

 

22

cc) Der Steuerberater der Kläger hat das FA auch nicht i.S. von § 378 AO i.V.m. § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis gelassen, da er nicht erkannt hat, dass die Laboraufwendungen doppelt steuerlich geltend gemacht wurden (vgl. Klein/Jäger, a.a.O., § 370 Rz 63, m.w.N.). Die umstrittene Frage, ob der Steuerberater überhaupt nach § 153 AO zur Berichtigung einer Erklärung verpflichtet ist und den Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO erfüllen kann, kann daher offenbleiben (dazu Heuermann in HHSp, § 153 AO Rz 4).

 

 

23

c) Der Steuerberater hat eine leichtfertige Steuerverkürzung nach § 378 AO i.V.m. § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO auch nicht in mittelbarer Täterschaft begangen. Bei Ordnungswidrigkeiten gilt - anders als im Strafrecht - der Einheitstäterbegriff nach § 14 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG). Beteiligen sich mehrere an einer Ordnungswidrigkeit, so handelt jeder von ihnen ordnungswidrig. Eine Beteiligung an der Ordnungswidrigkeit eines anderen setzt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) voraus, dass der andere vorsätzlich handelt (BGH-Beschlüsse vom 6.4.1983 2 StR 547/82, BGHSt 31, 309; vom 12.3.1991 KRB 6/90, BGHR OWiG § 14 Beteiligung 1; s. auch BayObLG-Beschluss in DStR 1994, 410; Beschluss des OLG Stuttgart vom 27.12.1989 3 Ss 732/89, Die Justiz 1990, 101). Dies ist vorliegend nicht der Fall, da für ein vorsätzliches Handeln des Klägers, der selbst dem FA unrichtige Angaben gemacht und dadurch Steuern verkürzt hat, keine Anhaltspunkte bestehen. Eine mittelbare Täterschaft des Steuerberaters scheidet danach aus.

 

 

24

d) Eine bußgeldrechtliche Verantwortung des Steuerberaters ergibt sich auch nicht aus § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 OWiG. Nach dieser Vorschrift ist unter der Voraussetzung, dass jemand von dem Inhaber eines Betriebs oder einem sonst dazu Befugten ausdrücklich beauftragt wird, in eigener Verantwortung Aufgaben wahrzunehmen, die dem Inhaber des Betriebs obliegen und er aufgrund dieses Auftrags handelt, ein Gesetz, nach dem besondere persönliche Merkmale die Möglichkeit der Ahndung begründen, auch auf den Beauftragten anzuwenden, wenn diese Merkmale zwar nicht bei ihm, aber bei dem Inhaber des Betriebs vorliegen. Dem Betrieb steht das Unternehmen gleich (§ 9 Abs. 2 Satz 2 OWiG).

 

 

25

Danach setzt der Anwendungsbereich der Vorschrift ein, wenn der Normadressat, dem die Bußgelddrohung ursprünglich gilt, durch besondere persönliche Merkmale gekennzeichnet ist. Nach der Legaldefinition des § 9 Abs. 1 OWiG sind persönliche Merkmale persönliche Eigenschaften (körperliche, physische oder rechtliche Wesensmerkmale), Verhältnisse oder Umstände (z.B. die Gewerbsmäßigkeit). Sie beziehen sich auf einen objektiven Umstand einer Person (Bohnert, Kommentar zum Ordnungswidrigkeitenrecht, 2. Aufl., § 9 OWiG Rz 7). Im vorliegenden Fall ist der Umstand, dass der Kläger als Steuerpflichtiger die Steuererklärung unterschreibt und beim FA einreicht, kein persönliches Merkmal, sondern eine die Ordnungswidrigkeit begründende Handlung, nämlich die unrichtige Angabe über steuerlich erhebliche Tatsachen gegenüber dem FA, sodass der Tatbestand des § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 OWiG nicht erfüllt ist. Zudem setzt § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 OWiG eine ausdrückliche Beauftragung durch den Betriebsinhaber zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung der Steuerangelegenheiten voraus, woran es fehlt, wenn der Steuerberater, wie im vorliegenden Fall, lediglich mit der Gewinnermittlung und Vorbereitung der Steuererklärung beauftragt ist und lediglich im Innenverhältnis tätig wird (Joecks in Franzen/Gast/Joecks, a.a.O., § 378 Rz 9; Weyand in Schwarz, a.a.O., § 378 Rz 3; differenzierend Dörn, wistra 1994, 215, 219; derselbe in DStZ 1993, 478, 480 f. und Stbg 2002, 454 f.; Kohlmann, a.a.O., § 378 AO 1977, Rz 28).

 

 

26

e) Da sich das Vorliegen einer leichtfertigen Steuerverkürzung gemäß § 169 Abs. 2 Satz 2 AO nach dieser materiell-rechtlichen Beurteilung des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts richtet, hat sich die reguläre Festsetzungsfrist aufgrund des Handelns des Steuerberaters und seiner Steuerfachgehilfin nicht verlängert. Zwar greift die verlängerte Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 2 Satz 2 AO auch dann ein, wenn nicht der Steuerschuldner selbst, sondern ein Dritter die Steuer hinterzogen oder leichtfertig verkürzt hat, da sie die Erschwernis ausgleichen soll, die im Falle der Steuerhinterziehung bei der Festsetzung entsteht, und zwar unabhängig davon, „wer jeweils der Täter ist“ (BTDrucks VI/1982, S. 150). Auch muss die Person des Täters nicht feststehen; ausreichend ist, dass von mehreren in Betracht kommenden Personen jedenfalls eine die Steuerhinterziehung zum Vorteil des Steuerschuldners begangen hat (BFH-Urteil vom 19.3.1998 V R 54/97, BFHE 185, 351, BStBl II 1998, 466 = SIS 98 16 79).

 

 

27

Aus dem Wortlaut des § 169 Abs. 2 Satz 2 AO „Steuer hinterzogen“, § 169 Abs. 2 Satz 3 AO „begangen“ und § 378 Abs. 1 AO „begeht“ ergibt sich jedoch, dass eine Verlängerung der Festsetzungsfrist nur eintritt, wenn die dritte Person den objektiven und subjektiven Tatbestand einer der in § 370 Abs. 1 AO bezeichneten Taten erfüllt (BFH-Urteil in BFHE 186, 1, BStBl II 1998, 530 = SIS 98 17 51). Da im vorliegenden Fall weder der Steuerberater noch dessen Steuerfachangestellte den objektiven Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO erfüllt haben, sind die Voraussetzungen für eine Verlängerung der Festsetzungsfrist insoweit nicht erfüllt.

 

 

28

3. Da die Vorentscheidung auf einer abweichenden Rechtsauffassung beruht, ist sie aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Der Klage ist stattzugeben. Die Vorentscheidung erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 126 Abs. 4 FGO).

 

 

29

Auch das Handeln des Klägers selbst führt nicht zu einer Verlängerung der Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 2 Satz 2 AO. Zwar hat er den objektiven Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO erfüllt, da er dem FA in Bezug auf seine Laboraufwendungen falsche Angaben gemacht und dadurch Steuern verkürzt hat. Jedoch ist die vom FG offengelassene Frage, ob er auch leichtfertig gehandelt hat, aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des FG-Urteils zu verneinen.

 

 

30

a) Leichtfertigkeit i.S. des § 378 Abs. 1 Satz 1 AO bedeutet einen erheblichen Grad an Fahrlässigkeit, der etwa der groben Fahrlässigkeit des bürgerlichen Rechts entspricht, aber im Gegensatz hierzu auf die persönlichen Fähigkeiten des Täters abstellt (vgl. BFH-Urteile vom 4.2.1987 I R 58/86, BFHE 149, 109, BStBl II 1988, 215 = SIS 87 08 11; vom 24.4.1996 II R 73/93, BFH/NV 1996, 731). Ein derartiges Verschulden liegt danach vor, wenn ein Steuerpflichtiger nach den Gegebenheiten des Einzelfalls und seinen individuellen Fähigkeiten in der Lage gewesen wäre, den aus den einschlägigen gesetzlichen Regelungen sich im konkreten Fall ergebenden Sorgfaltspflichten zu genügen. Hierzu ist eine Gesamtbewertung des Verhaltens des Steuerpflichtigen erforderlich.

 

 

31

b) Nach diesen Grundsätzen hat der Kläger nicht leichtfertig gehandelt, als er unrichtige Angaben in seiner Steuererklärung gemacht und durch die doppelte Berücksichtigung der durch seine Beteiligung an der Laborgemeinschaft veranlassten Ausgaben Einkommensteuer verkürzt hat.

 

 

32

aa) Zwar hat der BFH in Zusammenhang mit der Änderungsvorschrift des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO wiederholt hervorgehoben, dass der Steuerpflichtige verpflichtet ist, die von seinem steuerlichen Berater vorbereitete Erklärung darauf zu überprüfen, ob sie alle Angaben tatsächlicher Art enthält und diesen Verschuldensmaßstab auch auf das Vorliegen einer leichtfertigen Steuerverkürzung nach § 378 AO übertragen (vgl. Senatsbeschluss vom 25.6.1997 VIII B 35/96, BFH/NV 1998, 8, m.w.N.). Jedoch darf der Steuerpflichtige im Regelfall darauf vertrauen, dass der Steuerberater die Steuererklärung richtig und vollständig vorbereitet, wenn er diesem die für die Erstellung der Steuerklärung erforderlichen Informationen vollständig verschafft hat (Senatsurteil vom 18.5.2005 VIII R 107/03, HFR 2006, 115 = SIS 05 47 95; vgl. auch Hellmann in HHSp, § 370 AO Rz 226). Danach ist er grundsätzlich nicht verpflichtet, die vom Steuerberater vorbereitete Steuererklärung in allen Einzelheiten nachzuprüfen.

 

 

33

bb) Im vorliegenden Fall hat der Kläger seinen Steuerberater mit der Gewinnermittlung und der Erstellung der Einkommensteuererklärung beauftragt. Er hat ihm die hierfür erforderlichen Unterlagen vollständig überlassen. Hierzu gehörte auch das Schreiben der Laborgemeinschaft, in dem darauf hingewiesen wurde, dass der Verlust in der Steuererklärung in der Anlage GSE einzutragen sei, alle Zahlungen an die Laborgemeinschaft im Jahr 1996 aber erfolgsneutral zu behandeln seien. Der Umstand, dass die Zahlungen auch in der Einnahmenüberschussrechnung erfasst waren, war auf den ersten Blick nicht zu erkennen. Der Kläger hätte auch bei gewissenhafter und ihm zumutbarer Prüfung nicht erkennen müssen, dass die von ihm unterschriebene Einkommensteuererklärung unrichtig war. Denn hierzu hätte er die Erfassung der Einnahmen und Ausgaben im Einzelnen nachprüfen müssen. Dies konnte jedoch von dem Kläger, der als selbständiger Arzt eine Praxis betreibt, nicht erwartet werden. Der Kläger handelte danach nicht leichtfertig.

 

 

34

4. Dem Kläger kann auch das leichtfertige Handeln des Steuerberaters und dessen Fachangestellter weder nach straf- oder bußgeldrechtlichen noch nach steuerrechtlichen Grundsätzen zugerechnet werden.

 

 

35

a) Die Feststellung des FG, dass der Steuerberater und seine Steuerfachgehilfin bei der Erstellung der Steuererklärung der Kläger leichtfertig gehandelt haben, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Ob eine Leichtfertigkeit i.S. des § 378 AO vorliegt, ist im Wesentlichen Tatfrage. Die hierzu getroffenen Feststellungen des FG hinsichtlich des subjektiven Tatbestands können in der Revisionsinstanz grundsätzlich nur darauf überprüft werden, ob der Rechtsbegriff des leichtfertigen Handelns richtig erkannt wurde und ob die Würdigung der Verhältnisse hinsichtlich dieses individuellen Verschuldens den Denkgesetzen und Erfahrungssätzen entspricht (BFH-Urteil vom 30.6.2010 II R 11/09, BFH/NV 2010, 2026 = SIS 10 32 01, m.w.N.).

 

 

36

Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, dass es für ein leichtfertiges Handeln eines Steuerberaters ausreicht, wenn dieser aufgrund der von seinem Mandanten überlassenen Unterlagen - im vorliegenden Fall durch den Zusatz auf der Verlustbescheinigung der Laborgemeinschaft - ausdrücklich auf eine mögliche Fehlerquelle bei der Gewinnermittlung hingewiesen wird und trotz dieses Hinweises die Arbeit seiner noch relativ jungen Buchhaltungskraft in diesem Punkt nicht überprüft. Auf dieser Grundlage konnte das FG die festgestellten Tatsachen dahin würdigen, dass ein die Leichtfertigkeit begründender Sorgfaltspflichtverstoß gegeben war. An diese Feststellungen ist der BFH gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden. Gleiches gilt für die Feststellung des FG, dass auch die Steuerfachangestellte des Steuerberaters leichtfertig gehandelt habe, da sie aufgrund der bestehenden Unklarheiten bei dem Steuerberater hätte nachfragen müssen, ob der auf dem Schreiben der Laborgemeinschaft ausgewiesene Verlust bei der Gewinnermittlung des Klägers zu berücksichtigen ist.

 

 

37

b) Das leichtfertige Handeln des Steuerberaters und dessen Steuerfachgehilfin ist dem Kläger weder nach strafrechtlichen noch nach steuerrechtlichen Grundsätzen zuzurechnen.

 

 

38

aa) Die Frage, ob eine leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt, beantwortet sich allein nach den persönlichen Fähigkeiten des Täters (s. unter II.3.a). Der Schuldvorwurf ist danach rein subjektiv geprägt und nicht übertragbar (Müller, AO-StB 2003, 210, 211; Drescher, Steuer Consultant 2009, 29). Folglich scheidet eine Zurechnung des Verschuldens des Steuerberaters nach dem Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht aus.

 

 

39

bb) Das leichtfertige Handeln des Steuerberaters kann dem Kläger auch nicht nach steuerrechtlichen Grundsätzen zugerechnet werden, da bei der Anwendung des § 169 Abs. 2 Satz 2 AO die Frage, ob der subjektive Tatbestand des § 378 AO erfüllt ist, allein nach den materiell-rechtlichen Bestimmungen des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts zu entscheiden ist (Senatsurteil in BFHE 108, 286, BStBl II 1973, 273 = SIS 73 01 54; Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 127, 140, BStBl II 1979, 570 = SIS 79 02 89; BFH-Urteile in BFH/NV 1995, 573 = SIS 95 06 13; in BFHE 186, 1, BStBl II 1998, 530 = SIS 98 17 51; BFH-Beschluss in BFH/NV 2001, 478 = SIS 01 58 75; Senatsurteil in BFHE 240, 195, BStBl II 2013, 526 = SIS 13 10 41; Klein/Rüsken, a.a.O., § 169 Rz 26; Banniza in HHSp, § 169 AO Rz 48; Kruse in Tipke/Kruse, a.a.O., § 169 AO Rz 15; Paetsch in Beermann/Gosch, AO § 169 Rz 46), die eine Zurechnung ausschließen.

 

 

40

Steuerrechtlich zugerechnet werden kann ein Verschulden nur dann, wenn es sich auf eine Norm des Steuerrechts, wie z.B. § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO und - ausdrücklich geregelt in - § 110 Abs. 1 Satz 2 AO, § 152 Abs. 1 Satz 3 AO bezieht, nicht jedoch, wenn das Verschulden Voraussetzung für die Erfüllung des subjektiven Tatbestands einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit ist.

 

 

41

Die gegenteilige Auffassung, nach der dem Steuerpflichtigen bei der Anwendung des § 169 Abs. 2 Satz 2 AO das Verschulden seines Steuerberaters jedenfalls nach steuerrechtlichen Grundsätzen zugerechnet werden soll (Senatsbeschluss in BFH/NV 1998, 8; Senatsurteil in HFR 2006, 115 = SIS 05 47 95 „Zurechnung der Steuerverkürzung durch den Berater“), findet im Gesetzeswortlaut keine Stütze und ist mit den aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) abgeleiteten Anforderungen an die Bestimmtheit von Eingriffsrecht nicht zu vereinbaren.

 

 

42

Dies hat aufgrund der grundsätzlichen Bindung des Richters an das Gesetz zur Konsequenz, dass die bei der Erstellung der Steuererklärungen häufig zwangsläufig notwendige Aufgabenteilung zwischen Steuerpflichtigem und steuerlichem Berater dazu führen kann, dass die Festsetzungsfrist bei objektiv eindeutig unrichtigen Angaben wie üblich abläuft, selbst wenn sich auch in diesem Fall der Ermittlungsaufwand der Finanzbehörden erhöht.