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Doppelte Haushaltsführung, gemeinsamer Haushalt von Eltern und erwachsenen, wirtschaftlich eigenständigen Kindern

Doppelte Haushaltsführung, gemeinsamer Haushalt von Eltern und erwachsenen, wirtschaftlich eigenständigen Kindern: 1. Dient die Wohnung am Beschäftigungsort dem Steuerpflichtigen lediglich als Schlafstätte, ist regelmäßig davon auszugehen, dass der Mittelpunkt der Lebensführung noch am Heimatort zu verorten ist und dort der Haupthausstand geführt wird. - 2. Ein eigener Hausstand kann auch dann unterhalten werden, wenn der Erst- oder Haupthausstand gemeinsam mit den Eltern oder einem Elternteil geführt wird. Einer gleichmäßigen Beteiligung des Kindes an den laufenden Haushalts- und Lebenshaltungskosten bedarf es hierfür nicht. - 3. Bei erwachsenen, berufstätigen Kindern, die zusammen mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einem gemeinsamen Haushalt wohnen, ist im Regelfall davon auszugehen, dass sie die Führung des Haushalts maßgeblich mitbestimmen. (Hinweis aus BStBl 2013 II S. 627: Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG i.d.F. des Gesetzes zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts vom 20.2.2013 (BGBl 2013 I S. 285, BStBl 2013 I S. 188) ist ab dem Veranlagungszeitraum 2014 das Innehaben einer Wohnung aus eigenem oder abgeleitetem Recht sowie die finanzielle Beteiligung des Steuerpflichtigen am gemeinschaftlichen Haushalt erforderlich. Diese ist im jeweiligen Einzelfall darzulegen und kann nicht typisierend unterstellt werden.) - Urt.; BFH 16.1.2013, VI R 46/12; SIS 13 11 48

Kapitel:
Lohnsteuer für Arbeitnehmer > Doppelte Haushaltsführung
Fundstellen
  1. BFH 16.01.2013, VI R 46/12
    BStBl 2013 II S. 627
    DStR 2013 S. 852
    NJW 2013 S. 1839
    BFH/NV 2013 S. 1015
    BFHE 240 S. 241

    Anmerkungen:
    zur Veröffentlichung in BStBl II bestimmt nach BMF-Online vom 5.8.2013
    jh in StuB 9/2013 S. 350
    -/- in NWB 18/2013 S. 1370
    ge in DStR 17/2013 S. 854
    AK in DStZ 11/2013 S. 371
    St.G. in NWB 20/2013 S. 1552
    St.Sch. in BFH/PR 7/2013 S. 233
    St.Sch. in StC 7/2013 S. 8
    W.Be. in FR 12/2013 S. 564
    St.G. in HFR 6/2013 S. 492
    KAM in Stbg 9/2013 S. M 11
Normen
[EStG] § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5
Vorinstanz / Folgeinstanz:
  • vor: FG Rheinland-Pfalz, 14.02.2012, SIS 12 23 52, Doppelte Haushaltsführung, Eigener Hausstand, Kostentragung, Eingliederung, Haushalt, Eltern
Zitiert in... / geändert durch...
  • FG München 1.3.2023, SIS 23 13 27, Kein eigener Hausstand des volljährigen Sohnes während einer zweiten Berufsausbildung im elterlichen Baue...
  • BFH 12.1.2023, SIS 23 06 52, Beteiligung an den Kosten der Lebensführung im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung: 1. Kosten der Leb...
  • Niedersächsisches FG 21.9.2022, SIS 22 20 57, Zu den Voraussetzungen einer doppelten Haushaltsführung insbesondere der finanziellen Beteiligung an den ...
  • FG Rheinland-Pfalz 22.6.2021, SIS 21 15 69, Aufwendungen für eine Dienstwohnung im Ausland im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung: Wird einem Bea...
  • FG Münster 7.10.2020, SIS 20 18 82, Eigener Hausstand junger Arbeitnehmer im Elternhaus: 1. Bei jungen Arbeitnehmern, die nach Beendigung der...
  • FG Düsseldorf 28.5.2020, SIS 20 12 21, Doppelte Haushaltsführung bei Auslandsstudium, Eigener Hausstand im Wohnhaus der Eltern, Finanzielle Bete...
  • Niedersächsisches FG 18.9.2019, SIS 19 20 74, Doppelte Haushaltsführung von Ledigen bei Innehaben einer Wohnung und ausreichender finanzieller Beteilig...
  • FG Münster 26.9.2018, SIS 18 18 50, Doppelte Haushaltsführung: Eine doppelte Haushaltsführung kann auch anzunehmen sein, wenn die Ehegatten m...
  • Niedersächsisches FG 19.4.2018, SIS 18 20 06, Werbungskosten bei Entsendung ins Ausland, Dauerhafte Zuordnung i.S. des § 9 Abs. 4 EStG: 1. Behält ein S...
  • FG Berlin-Brandenburg 8.2.2018, SIS 19 11 17, Keine doppelte Haushaltsführung eines jüngeren unverheirateten Polizisten nach seiner Ausbildung durch Zi...
  • Thüringer FG 11.5.2017, SIS 17 20 98, Vorweggenommene Werbungskosten während des Bezugs von Arbeitslosengeld, notwendige Unterkunftskosten, Ver...
  • BFH 1.3.2017, SIS 17 10 35, Kein eigener Hausstand im Haushalt der Eltern: 1. Durch die Rechtsprechung ist bereits geklärt, dass ein ...
  • FG Baden-Württemberg 4.10.2016, SIS 17 05 24, Unbeschränkte Einkommensteuerpflicht, technische Fachkraft i.S.d. NATOTrStatZAbk, Prüfung durch das FG, R...
  • FG München 23.9.2016, SIS 16 24 67, Keine doppelte Haushaltsführung bei Zusammenleben Berufstätiger mit ihren Kindern am Beschäftigungsort: 1...
  • FG Nürnberg 18.7.2016, SIS 16 20 29, Doppelte Haushaltsführung, eigener Hausstand im Haus der Eltern: 1. Ein eigener Erst- oder Haupthausstand...
  • FG des Landes Sachsen-Anhalt 7.7.2015, SIS 16 03 67, Wohnsitz bei mehrjährigem Studienaufenthalt in Großbritannien, Zimmer in der elterlichen Wohnung in Deuts...
  • BFH 7.5.2015, SIS 15 16 57, Doppelte Haushaltsführung bei beiderseits berufstätigen Eheleuten: 1. Ob die außerhalb des Beschäftigungs...
  • FG München 29.4.2015, SIS 16 03 56, Bestimmung des Lebensmittelpunkts bei doppelter Haushaltsführung: 1. Eine doppelte Haushaltsführung ist n...
  • FG Hamburg 20.4.2015, SIS 15 14 74, Doppelte Haushaltsführung, Lebensmittelpunkt eines alleinstehenden Arbeitnehmers der am Beschäftigungsort...
  • FG München 27.11.2014, SIS 15 01 66, Doppelte Haushaltsführung, Lebensmittelpunkt, Berufsanfang: 1. Die Größe der Wohnung am Beschäftigungsort...
  • BMF 24.10.2014, SIS 14 28 22, Ergänztes BMF-Schreiben zur Reform des steuerlichen Reisekostenrechts ab 1.1.2014: Mit dem Gesetz zur Änd...
  • BFH 8.10.2014, SIS 15 00 56, Doppelte Haushaltsführung bei beiderseits berufstätigen Lebensgefährten: 1. Ob die außerhalb des Beschäft...
  • BFH 6.8.2014, SIS 14 30 09, Verfahrensmangel durch Übergehen eines Beweisantrags: 1. Ob die außerhalb des Beschäftigungsorts liegende...
  • BFH 5.6.2014, SIS 14 29 96, Doppelte Haushaltsführung, Mehrgenerationenhaushalt: 1. Ein eigener Hausstand wird auch dann unterhalten,...
  • BFH 10.4.2014, SIS 14 21 12, Doppelte Haushaltsführung durch alleinstehenden Arbeitnehmer: Ob ein alleinstehender Arbeitnehmer einen e...
  • FG Münster 12.3.2014, SIS 14 14 82, Alleinstehender Arbeitnehmer, eigener Hausstand: Ein alleinstehender Arbeitnehmer, der am Heimatort über ...
  • BFH 14.11.2013, SIS 14 07 07, Doppelte Haushaltsführung, gemeinsamer Haushalt von Eltern und erwachsenen, wirtschaftlich eigenständigen...
  • FG des Landes Sachsen-Anhalt 12.11.2013, SIS 14 06 68, Beschränkter Abzug von Verpflegungsmehraufwendungen bei einer Einsatzwechseltätigkeit mit dauerhafter und...
  • FG Münster 18.10.2013, SIS 14 11 95, Doppelte Haushaltsführung eines alleinstehenden Arbeitnehmers: 1. Ein nicht verheirateter junger Arbeitne...
  • BFH 16.10.2013, SIS 14 07 04, Abziehbarkeit von Wohnheimkosten am Ausbildungsort als Werbungskosten: Wohnt ein volljähriges Kind, das e...
  • BMF 30.9.2013, SIS 13 27 50, Reform des steuerlichen Reisekostenrechts: Mit dem Gesetz zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmens...
  • FG München 26.9.2013, SIS 13 31 38, Doppelte Haushaltsführung und Nutzung der Wohnung am Beschäftigungsort als reine Schlafstätte: 1. Eine re...
  • FG Hamburg 17.4.2013, SIS 13 19 11, Doppelte Haushaltsführung, Indizien für eigenen Hausstand: 1. Es muss im Rahmen einer Gesamtwürdigung all...
Fachaufsätze
  • LIT 02 62 01 St. Geserich, NWB 20/2013 S. 1552: Neues zur doppelten Haushaltsführung - Aktuelle BFH-Rechtsprechung zu Stellplatz und Garagenkosten sowie ...
  • LIT 02 63 10 ge, DStR 17/2013 S. 854: Doppelte Haushaltsführung: Gemeinsamer Haushalt von Eltern und erwachsenen, wirtschaftlich eigenständigen...
Anmerkung RiBFH i.R. Dr. Dürr

 

1

I. Streitig ist, ob die Voraussetzungen einer doppelten Haushaltsführung vorliegen.

 

 

2

Der im Jahre 1964 geborene Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist alleinstehend und erzielte im Streitjahr 2007 als Chemiker Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Er arbeitete im Streitjahr in B. Diese Stelle hatte er im Jahr 2006 angetreten und dort auch seinen Zweitwohnsitz begründet. Seinen Hauptwohnsitz behielt er in N bei und wohnte dort zusammen mit seiner Mutter im Einfamilienhaus, das im Streitjahr seiner (im Streitjahr 71 Jahre alten) Mutter zu 3/4 und dem Kläger und seiner Schwester zu jeweils 1/8 gehörte. Er nutzte nach eigenen Angaben in dem Einfamilienhaus ein Schlaf- und Arbeitszimmer sowie ein Badezimmer allein. Die Küche, das Ess- und Wohnzimmer wurden von ihm und seiner Mutter gemeinsam genutzt. Im Jahr 2010 wurde das Anwesen auf den Kläger übereignet.

 

 

3

In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte der Kläger erfolglos Mehraufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung in Höhe von insgesamt 7.053 EUR als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Einspruch und Klage blieben ebenfalls ohne Erfolg. Zwar seien sich die Beteiligten inzwischen einig, dass der Kläger das Fortbestehen seines Lebensmittelpunktes am Heimatort durch geeignete Belege nachgewiesen habe. Gleichwohl habe der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) die geltend gemachten Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung bei der angefochtenen Einkommensteuerfestsetzung zu Recht nicht berücksichtigt. Denn der Kläger habe in N keinen eigenen Hausstand unterhalten, sondern sei lediglich in den Haushalt der Mutter eingegliedert gewesen. Das Urteil ist in EFG 2012, 1921 = SIS 12 23 52 veröffentlicht.

 

 

4

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

 

 

5

Er beantragt, das Urteil des Finanzgerichts (FG) Rheinland-Pfalz vom 14.2.2012 3 K 2338/09 und die Einspruchsentscheidung vom 11.9.2009 aufzuheben sowie den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2007 vom 4.3.2009 dahingehend abzuändern, dass bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung in Höhe von 2.949 EUR als Werbungskosten berücksichtigt werden, hilfsweise

 

das Ruhen des Verfahrens bis zu einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) oder des Bundesverfassungsgerichts hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der derzeitigen Gesetzeslage bzw. Verwaltungspraxis.

 

 

6

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

 

7

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ).

 

 

8

1. Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sind notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung entstehen, Werbungskosten. Eine doppelte Haushaltsführung liegt nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort wohnt. Dies gilt grundsätzlich auch für einen alleinstehenden Arbeitnehmer; auch er kann einen doppelten Haushalt führen (ständige Rechtsprechung des Senats, zuletzt Urteil vom 21.4.2010 VI R 26/09, BFHE 230, 5, BStBl II 2012, 618 = SIS 10 22 53, m.w.N.).

 

 

9

a) Hausstand i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG ist der Haushalt, den der Arbeitnehmer am Lebensmittelpunkt führt, also sein Erst- oder Haupthaushalt. Bei einem alleinstehenden Arbeitnehmer ist entscheidend, dass er sich in dem Haushalt, im Wesentlichen nur unterbrochen durch die arbeits- und urlaubsbedingte Abwesenheit, aufhält; denn allein das Vorhalten einer Wohnung für gelegentliche Besuche oder für Ferienaufenthalte ist noch nicht als Unterhalten eines Hausstands zu bewerten. Ebenfalls wird ein eigener Hausstand nicht unterhalten, wenn der nicht verheiratete Arbeitnehmer als nicht die Haushaltsführung wesentlich bestimmender bzw. mitbestimmender Teil in einen Hausstand eingegliedert ist, wie es regelmäßig bei jungen Arbeitnehmern der Fall ist, die nach Beendigung der Ausbildung weiterhin - wenn auch gegen Kostenbeteiligung - im elterlichen Haushalt ihr Zimmer bewohnen. Die elterliche Wohnung kann in einem dieser häufigen Fälle zwar, auch wenn das Kind am Beschäftigungsort eine Unterkunft bezogen hat, wie bisher der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen sein, sie ist aber nicht ein von dem Kind unterhaltener eigener Hausstand (BFH-Urteil vom 5.10.1994 VI R 62/90, BFHE 175, 430, BStBl II 1995, 180 = SIS 95 01 33). Bei älteren, wirtschaftlich selbständigen, berufstätigen Kindern, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einem gemeinsamen Haushalt leben, ist hingegen davon auszugehen, dass sie die Führung des Haushalts maßgeblich mitbestimmen, so dass ihnen dieser Hausstand als „eigener“ zugerechnet werden kann. Diese Regelvermutung gilt insbesondere, wenn die Wohnung am Beschäftigungsort dem Arbeitnehmer im Wesentlichen nur als Schlafstätte dient. Denn dort ist regelmäßig weder der Haupthausstand noch der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Steuerpflichtigen zu verorten. Entspricht die Wohnsituation am Heimatort der Wohnung am Beschäftigungsort in Größe und Ausstattung oder übertrifft sie diese, ist dies vielmehr ein wesentliches Indiz dafür, dass der Mittelpunkt der Lebensführung nicht an den Beschäftigungsort verlegt worden ist, sondern der Haupthausstand dort fortgeführt wird (vgl. BFH-Urteil in BFHE 175, 430, BStBl II 1995, 180 = SIS 95 01 33). Dies gilt umso mehr, wenn der Steuerpflichtige dort sein Privatleben führt, weil zum Heimatort die engeren persönlichen Beziehungen bestehen, beispielsweise wegen der - mit steigender Lebenserwartung immer häufiger - alten, betreuungs- oder sogar pflegebedürftigen Eltern (BFH-Urteile in BFHE 175, 430, BStBl II 1995, 180 = SIS 95 01 33; vom 9.8.2007 VI R 10/06, BFHE 218, 380, BStBl II 2007, 820 = SIS 07 29 04).

 

 

10

b) Der Umstand, dass der Arbeitnehmer dabei am Heimatort nicht über eine abgeschlossene Wohnung verfügt, steht dieser Vermutung nicht entgegen. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH können die durch das Leben am Beschäftigungsort zusätzlich entstehenden notwendigen Aufwendungen grundsätzlich auch dann zu Werbungskosten führen, wenn die Wohnverhältnisse des Steuerpflichtigen am Ort seines Lebensmittelpunktes vergleichsweise einfach oder beengt sein sollten (BFH-Urteil vom 14.10.2004 VI R 82/02, BFHE 207, 292, BStBl II 2005, 98 = SIS 04 41 15, m.w.N.). Insbesondere müssen die dem Arbeitnehmer zur ausschließlichen Nutzung überlassenen Räumlichkeiten nicht den bewertungsrechtlichen Anforderungen an eine Wohnung gerecht werden (BFH-Urteil in BFHE 207, 292, BStBl II 2005, 98 = SIS 04 41 15). Der Senat hat es in dieser Entscheidung auch für unerheblich angesehen, dass sich der Arbeitnehmer in der ihm von seinen Eltern überlassenen Wohnung die Sanitäreinrichtung mit seiner Schwester teilen musste, weil ihm die übrigen Räumlichkeiten eine eigenständige Haushaltsführung ermöglichten (vgl. auch BFH-Urteil vom 15.12.2005 III R 27/05, BFHE 212, 376, BStBl II 2006, 561 = SIS 06 20 01, m.w.N.). Entsprechendes gilt, wenn dem Arbeitnehmer die Küche nicht zur alleinigen Verfügung steht (BFH-Urteil vom 30.7.2009 VI R 13/08, BFH/NV 2009, 1986 = SIS 09 36 28). Deshalb kann ein eigener Hausstand auch dann unterhalten werden, wenn der Erst- oder Haupthausstand gemeinsam mit den Eltern oder einem Elternteil geführt wird (Senatsurteil vom 26.7.2012 VI R 10/12, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, BFH/NV 2013, 112 = SIS 12 30 60).

 

 

11

c) Auch bedarf es der Übernahme einer besonderen finanziellen Verantwortung für den (gemeinsamen) Hausstand durch die gleichmäßige Beteiligung an den laufenden Haushalts- und Lebenshaltungskosten durch den Steuerpflichtigen nicht. Denn eine finanzielle Beteiligung, aus der auf eine gemeinsame Haushaltsführung von Eltern und Kindern geschlossen werden kann, kann auch vorliegen, wenn etwa eine Aufteilung nach laufenden und einmaligen Kosten oder nach gewöhnlichem und außergewöhnlichem Aufwand vorgenommen wird. Im Übrigen ist dem Merkmal der Entgeltlichkeit lediglich - eine gewichtige - Indizfunktion beizumessen. Denn die Entgeltlichkeit ist keine unerlässliche Voraussetzung (conditio sine qua non) einer steuererheblichen doppelten Haushaltsführung. Dies gilt sowohl für die Überlassung der Wohnung selbst als auch für die Kostentragung im Übrigen. Es ist deshalb nicht ausgeschlossen, dass ein alleinstehender Steuerpflichtiger auch dann einen eigenen Haushalt unterhält, wenn nicht er selbst, sondern Dritte für diese Kosten aufkommen. Denn eine eigene Haushaltsführung des auswärts Beschäftigten ist nicht zwingend ausgeschlossen, wenn sich dessen finanzielle Beteiligung am Haushalt nicht feststellen lässt, wie auch umgekehrt aus einem finanziellen Beitrag allein nicht zwingend auf das Unterhalten eines eigenen Haushalts zu schließen ist (Senatsurteile vom 28.3.2012 VI R 87/10, BFHE 236, 553, BStBl II 2012, 800 = SIS 12 13 80, und in BFH/NV 2013, 112 = SIS 12 30 60).

 

 

12

2. Die Entscheidung des FG entspricht diesen Grundsätzen nicht. Denn die Vorinstanz hat zum einen die gleichmäßige Beteiligung von Eltern und Kindern an den laufenden Haushalts- und Lebenshaltungskosten zu einer unverzichtbaren Voraussetzung für eine doppelte Haushaltsführung im Rahmen eines Mehrgenerationenhaushalts erhoben. Zum anderen hat das FG verkannt, dass bei einem erwachsenen, wirtschaftlich selbständigen Kind - wie dem Kläger, ein im Streitjahr 43 Jahre alter promovierter Diplomchemiker - regelmäßig vermutet werden kann, dass es nicht als Gast in den elterlichen Haushalt eingegliedert ist, sondern jedenfalls dann, wenn es dort lediglich unterbrochen durch Arbeits- und Urlaubsaufenthalte gemeinsam mit den Eltern oder einem Elternteil wohnt und deshalb dort der Mittelpunkt der Lebensinteressen zu verorten ist, auch die gemeinsame Haushaltsführung wesentlich mitbestimmt. Schließlich hat die Vorinstanz im Streitfall auch nicht alle maßgeblichen Umstände in ihre Überzeugungsbildung einbezogen. Denn es hat weder die Wohnsituationen am Heimat- wie Beschäftigungsort in den Blick genommen noch gegeneinander abgewogen. Dies stellt einen materiell-rechtlichen Fehler dar. Auch deshalb bindet die Würdigung des FG, der Kläger habe keinen steuererheblichen doppelten Haushalt geführt, den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO nicht.

 

 

13

3. Die Sache ist nicht entscheidungsreif. Das FG wird daher im zweiten Rechtsgang unter Beachtung der vorgenannten Rechtsgrundsätze entsprechende weitere Feststellungen zu dem behaupteten Haupthausstand, insbesondere zu den Wohnsituationen des Klägers am Heimat- wie Beschäftigungsort zu treffen haben. Sollte es dabei zu der Erkenntnis gelangen, dass der Kläger am Beschäftigungsort nur über eine kleine bescheidene Unterkunft (Schlafstätte) verfügt - wofür die geltend gemachten Unterkunftskosten von weniger als 200 EUR monatlich sprechen - und am Heimatort bei seiner Mutter zwei Zimmer und ein Badezimmer alleine nutzt, liegt es nahe, aufgrund des Alters des Klägers und seiner wirtschaftlichen Unabhängigkeit sowie dem Umstand, dass der Lebensmittelpunkt von den Beteiligten unstreitig am Heimatort verortet wird, vom Vorliegen einer doppelten Haushaltsführung i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG auszugehen. Demgegenüber kommt es nicht darauf an, ob der Kläger sich an den laufenden Haushaltskosten (beispielsweise für Wasser, Strom und Gas) beteiligt hat. Im Übrigen spricht das Vorbringen des Klägers, der behauptete gemeinsame Haushalt sei - abredegemäß - dergestalt finanziert worden, dass seine Mutter die laufenden Haushaltskosten und er die einmaligen hohen Kosten (beispielsweise für Instandhaltungsmaßnahmen, Schönheitsreparaturen, Gartenpflege u.Ä.) übernommen habe, ohnehin gegen eine unentgeltliche Überlassung der vom Kläger zu Wohnzwecken genutzten Räumlichkeiten.

 

 

14

4. Der Senat muss nicht entscheiden, ob dem FG die von dem Kläger gerügten Verfahrensfehler unterlaufen sind. Der Kläger hat seine Revision auch auf die Verletzung materiellen Rechts gestützt. In einem solchen Fall muss der BFH das angefochtene Urteil in vollem Umfang auf die Verletzung revisiblen Rechts prüfen, ohne dabei an die vorgebrachten Revisionsgründe gebunden zu sein (Senatsurteil vom 21.1.2010 VI R 51/08, BFHE 228, 85, BStBl II 2010, 700 = SIS 10 05 61; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 118 Rz 73). Da die Revision aus anderen Gründen zur Aufhebung der Vorentscheidung führt, muss der Senat nicht noch darüber entscheiden, ob der Kläger auch infolge eines Verfahrensfehlers in seinen Rechten verletzt ist.

 

Anmerkung RiBFH i.R. Dr. Dürr

Der BFH lockert die Anforderungen an die Beibehaltung des eigenen Hausstands im Haushalt der Eltern. Zu unterscheiden ist zwischen Jugendlichen und Erwachsenen. Mit zunehmendem Alter und erhöhter wirtschaftlicher Selbständigkeit spricht mehr dafür, dass Kinder die Haushaltsführung bestimmen oder mitbestimmen und damit im gemeinsamen Haushalt mit den Eltern ihren eigenen Haustand unterhalten. Die Verhältnisse können sich somit im Laufe der Jahre ändern. Mit zunehmendem Alter des Kindes und der Eltern ist bei einem gemeinsamen Haushalt davon auszugehen, dass das Kind die Haushaltsführung mitbestimmt und ihm der Hausstand als eigener zugerechnet wird. Insbesondere gilt das bei betreuungs- oder sogar pflegebedürftigen Eltern.

Nach der Neuregelung des Werbungskostenabzugs bei doppelter Haushaltsführung gelten ab 2014 strengere Anforderungen an das Vorliegen eines eigenen Hausstands (Gesetz zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts vom 20.2.2013, BGBl I 2013 S. 285). Als Reaktion auf die großzügige (neuere) BFH-Rechtsprechung verlangt das Gesetz wieder – entsprechend der früheren Rechtsprechung – neben dem Innehaben einer Wohnung auch eine finanzielle Beteiligung an den Kosten der Lebensführung (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 4 EStG n.F.).