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I. Streitig ist, ob die Voraussetzungen
einer doppelten Haushaltsführung vorliegen.
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Die geschiedene Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) war seit dem Jahr 2003 und
auch in den Streitjahren (2004 bis 2006) als Erzieherin in A
nichtselbständig tätig. Die Klägerin machte für
die Streitjahre im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung unter
anderem Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung
in A mit der Begründung geltend, dass ihr Lebensmittelpunkt
sich in B befinde.
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) ließ dagegen in den daraufhin ergangenen
Einkommensteuerbescheiden der Streitjahre die als Aufwendungen
für doppelte Haushaltsführung geltend gemachten Kosten
jeweils unberücksichtigt.
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Nachdem im daran anschließenden
Einspruchsverfahren das Finanzamt B dem FA mitgeteilt hatte, dass
das von der Klägerin angeblich bewohnte Obergeschoss im Haus
der Eltern eine Größe von 29 m² habe, versagte das
FA auch die im Jahr 2004 bisher angesetzten Aufwendungen für
26 Fahrten Wohnung-Arbeitsstätte von B nach A und wies den
Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück.
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Die Klägerin machte mit der dagegen
erhobenen Klage vor dem Finanzgericht (FG) geltend, dass ihre
Wohnung in A mit nur 27 m² lediglich eine Unterkunft
darstelle, ihr Hausstand sich aber in B in der im Obergeschoss des
Hauses ihrer Eltern gelegenen 52 m² großen Wohnung
befinde. Nach der Trennung von ihrem Ehemann habe sie diese Wohnung
von ihren Eltern angemietet.
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Das FG hat die dagegen erhobene Klage mit
den in EFG 2011, 699 = SIS 11 04 39 veröffentlichten
Gründen abgewiesen. Die Klägerin habe in B keinen eigenen
Hausstand unterhalten, sondern sei vielmehr in den Hausstand ihrer
Eltern eingegliedert gewesen. Das Unterhalten eines eigenen
Hausstandes bedeute das Führen eines Haushalts. Dazu
gehöre auch, dass der Arbeitnehmer für die Kosten des
Haushalts aufkomme. Der Mietvertrag zwischen der Klägerin und
ihrer Mutter sei einkommensteuerrechtlich dagegen nicht
anzuerkennen. Die Klägerin habe die Mietzahlungen nicht
nachweisen können. Für die Behauptung, dass die Miete,
soweit nicht gezahlt, jedenfalls gestundet worden sei, seien keine
Vereinbarungen vorgelegt worden. Dies entspreche nicht dem unter
Fremden Üblichen. Das Merkmal der Entgeltlichkeit sei zwar
nicht unerlässliche Voraussetzung, sondern nur ein Indiz
dafür, ob ein eigener Hausstand unterhalten werde. Dennoch
könne ein eigener Hausstand nach der Rechtsprechung des
Bundesfinanzhofs (BFH) nur bei Kostentragung im Übrigen auch
bei einer unentgeltlich überlassenen Wohnung geführt
werden. An einer solchen Kostentragung fehle es. Dennoch habe die
Klägerin ihren Lebensmittelpunkt in B. Daher seien die Fahrten
der Klägerin nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 6 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) als Fahrten von der weiter entfernt
liegenden Wohnung, ihrem Lebensmittelpunkt, zu
berücksichtigen.
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Mit der dagegen vom Senat zugelassenen
Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen
Rechts.
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Die Klägerin beantragt
sinngemäß, das Urteil des FG München vom 3.3.2010
dahingehend abzuändern, dass das FA verurteilt wird, jeweils
Werbungskosten in Höhe von 9.014 EUR für das Jahr 2004,
10.378 EUR für das Jahr 2005 und 8.617 EUR für das Jahr
2006 anzuerkennen und die Einkommensteuer dementsprechend
herabzusetzen.
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Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur
Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen
Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
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1. Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr.
5 EStG sind notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer
wegen einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten
Haushaltsführung entstehen, Werbungskosten. Eine doppelte
Haushaltsführung liegt nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz
2 EStG vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem
er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und
auch am Beschäftigungsort wohnt. Dies gilt grundsätzlich
auch für einen alleinstehenden Arbeitnehmer; auch er kann
einen doppelten Haushalt führen (ständige Rechtsprechung
des Senats, zuletzt Urteil vom 21.4.2010 VI R 26/09, BFHE 230, 5,
BFH/NV 2010, 1894 = SIS 10 22 53, m.w.N.).
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a) Hausstand i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3
Nr. 5 Satz 2 EStG ist der Haushalt, den der Arbeitnehmer am
Lebensmittelpunkt führt, also sein Erst- oder Haupthaushalt.
Bei einem alleinstehenden Arbeitnehmer ist entscheidend, dass er
sich in dem Haushalt, im Wesentlichen nur unterbrochen durch die
arbeits- und urlaubsbedingte Abwesenheit, aufhält; denn allein
das Vorhalten einer Wohnung für gelegentliche Besuche oder
für Ferienaufenthalte ist noch nicht als Unterhalten eines
Hausstands zu bewerten. Ebenfalls wird ein eigener Hausstand nicht
unterhalten, wenn der Arbeitnehmer die Haushaltsführung nicht
zumindest mitbestimmt, sondern nur in einen fremden Haushalt - etwa
in den der Eltern oder als Gast - eingegliedert ist. Dann liegt
keine eigene Haushaltsführung vor (BFH-Urteil in BFHE 230, 5,
BFH/NV 2010, 1894 = SIS 10 22 53 mit Hinweis auf BFH-Urteil vom
14.6.2007 VI R 60/05, BFHE 218, 229, BStBl II 2007, 890 = SIS 07 29 07).
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b) Nach der vorgenannten Senatsrechtsprechung
(Urteile in BFHE 230, 5, BFH/NV 2010, 1894 = SIS 10 22 53; in BFHE
218, 229, BStBl II 2007, 890 = SIS 07 29 07) ist insbesondere dann,
wenn dem Arbeitnehmer die Wohnung unentgeltlich überlassen
wird, zu prüfen, ob der Arbeitnehmer einen eigenen Hausstand
unterhält oder in einen fremden eingegliedert ist. Dabei hat
der Senat aber dem Merkmal der Entgeltlichkeit lediglich - eine
gewichtige - Indizfunktion beigemessen, ohne die Entgeltlichkeit
indessen als unerlässliche Voraussetzung (conditio sine qua
non) zu betrachten. Dies gilt sowohl für die Überlassung
der Wohnung selbst als auch für die Kostentragung im
Übrigen. Zwischen dem Unterhalten eines eigenen Haushalts und
der Frage, wer die Kosten dafür trägt, ist zu
unterscheiden. Es ist deshalb nicht ausgeschlossen, dass ein
alleinstehender Steuerpflichtiger auch dann einen eigenen Haushalt
unterhält, wenn nicht er selbst, sondern Dritte für diese
Kosten aufkommen. Denn eine eigene Haushaltsführung des
auswärts Beschäftigten ist nicht zwingend ausgeschlossen,
wenn sich dessen finanzielle Beteiligung am Haushalt nicht
feststellen lässt, wie auch umgekehrt aus einem finanziellen
Beitrag allein nicht zwingend auf das Unterhalten eines eigenen
Haushalts zu schließen ist.
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c) Der Hausstand i.S. des § 9 Abs. 1 Satz
3 Nr. 5 Satz 2 EStG ist der Erst- oder Haupthaushalt, den der
Steuerpflichtige in einer Wohnung innehat. Ob ein Steuerpflichtiger
in einer Wohnung einen eigenen Hausstand führt, kann mithin
nur unter Berücksichtigung insbesondere der Einrichtung, der
Ausstattung und der Größe eben dieser Wohnung
entschieden werden. Wird der Haushalt in einer in sich
abgeschlossenen Wohnung geführt, die auch nach
Größe und Ausstattung ein eigenständiges Wohnen und
Wirtschaften gestattet, wird regelmäßig vom Unterhalten
eines eigenen Hausstands auszugehen sein. Weiter sind aber auch die
persönlichen Lebensumstände, Alter und Personenstand des
Steuerpflichtigen zu berücksichtigen. So wird
regelmäßig ein junger Steuerpflichtiger, der nach
Schulabschluss gerade eine Ausbildung begonnen hat, noch eher in
den Haushalt seiner Eltern eingegliedert sein, wenn er im Haus der
Eltern wohnt, selbst wenn er dort auch eigene Räume zur
Verfügung hat. Hatte der Steuerpflichtige dagegen schon etwa
im Rahmen einer gefestigten Beziehung oder Ehe andernorts einen
eigenen Hausstand geführt, ist es regelmäßig nicht
fernliegend, dass er einen solchen auch dann weiter unterhalten und
fortführen wird, wenn er wieder eine Wohnung im Haus seiner
Eltern bezieht.
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2. Gemessen daran hält die Entscheidung
der Vorinstanz, die noch vor dem Urteil des erkennenden Senats in
BFHE 230, 5, BFH/NV 2010, 1894 = SIS 10 22 53 ergangen war,
revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Die Frage,
ob der alleinstehende Arbeitnehmer einen eigenen Hausstand
unterhält oder aber nur in einen fremden eingegliedert ist,
entscheidet sich unter Einbeziehung und Gewichtung aller
tatsächlichen Verhältnisse im Rahmen einer den
Finanzgerichten als Tatsacheninstanz obliegenden
Gesamtwürdigung. Im Streitfall hat die Vorinstanz jedoch nicht
alle maßgeblichen Umstände vollständig in ihre
Überzeugungsbildung einbezogen. Dies stellt einen
materiell-rechtlichen Fehler dar. Die Gesamtwürdigung des FG
bindet den Senat deshalb nicht gemäß § 118 Abs. 2
FGO.
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a) Das FG hat im Rahmen der ihm obliegenden
Gesamtwürdigung zutreffend die näheren Umstände
gewürdigt, die dazu führten, dass die Klägerin eine
Wohnung im Haus ihrer Eltern bezogen hat. Dabei ist allerdings zu
berücksichtigen, dass nach der Rechtsprechung des Senats dem
Aspekt der Kostentragung nur indizielle Bedeutung zukommt und
Steuerpflichtige auch dann einen eigenen Haushalt unterhalten
können, wenn sie nicht selbst, sondern Dritte für dessen
Kosten aufkommen. Wenn daher das FG überzeugt war, dass die
Klägerin zwar wieder in B ihren Lebensmittelpunkt gehabt
hatte, aber das Unterhalten eines eigenen Hausstandes durch die
Klägerin insbesondere unter Hinweis auf die fehlende
„Kostentragung im Übrigen“ verneinte, hat
es nicht alle maßgebenden Umstände festgestellt und in
seine Überzeugungsbildung einbezogen. So wurden insbesondere
keine Feststellungen zur Abgeschlossenheit, Lage, Einrichtung und
Ausstattung der nach Auffassung der Klägerin den
Haupthausstand beherbergenden Wohnung getroffen. Entsprechendes
gilt für die Wohnungsgröße, nämlich ob die
Wohnung eine Größe von 29 m² oder von über 50
m² aufweist. Auch der Umstand, dass die Klägerin
jedenfalls früher einen eigenen Hausstand unterhalten hatte,
mittlerweile eigene Einkünfte als Erzieherin erzielt und erst
nach ihrer Trennung und Scheidung wieder eine Wohnung im Haus ihrer
Eltern bezogen hat, wurde nicht weiter gewürdigt. Angesichts
dieser Besonderheit hätten auch Feststellungen dazu nahe
gelegen, ob und in welchem Umfang die Klägerin die Wohnung mit
eigenen Möbeln und sonstigen Haushaltsgegenständen
ausgestattet hat, gegebenenfalls unter Verwendung von Hausrat aus
der früheren ehelichen Wohnung. Schließlich lässt
die Würdigung des FG auch nicht erkennen, welche konkreten
Umstände andererseits dafür sprechen, dass die
Klägerin nach ihrer Rückkehr nach B nicht nur eine
Wohnung im Haus ihrer Eltern genommen hatte, sondern auch wieder in
den Haushalt ihrer Eltern eingegliedert war.
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b) Das FG wird daher im zweiten Rechtsgang
unter Beachtung der vorgenannten Rechtsgrundsätze
entsprechende weitere Feststellungen zu treffen und auf dieser
Grundlage erneut zu würdigen haben, ob die Klägerin in
der fraglichen Wohnung einen eigenen Hausstand unterhalten
hatte.
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