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I. Streitig ist die Berücksichtigung
von Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung bei einem
ledigen Steuerpflichtigen, der geltend macht, seinen Haupthausstand
am Wohnsitz seiner Eltern zu unterhalten.
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Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger) ist ledig und in O bei M nichtselbständig
tätig. Er machte mit seinen Einkommensteuererklärungen
für die Streitjahre (2003 bis 2005) geltend, in M eine
Dreizimmerwohnung mit einer Wohnfläche von 64 qm als Wohnung
am Beschäftigungsort zu nutzen und seinen Haupthausstand in
dem in seinem Eigentum stehenden Gebäude in S, an dem seinen
Eltern ein dinglich gesichertes Nießbrauchsrecht zusteht, zu
unterhalten. Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) hatte
der Kläger in S im Dachgeschoss einen Schlafraum und einen
Wohnraum mit einer Fläche von insgesamt 45 qm für sich
allein zur Verfügung und benutzte Küche, Bad und WC
gemeinsam mit seinen Eltern.
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Soweit der Beklagte und Revisionsbeklagte
(das Finanzamt - FA - ) im Rahmen der Einkommensteuerveranlagungen
der Streitjahre 2003 bis 2005 die geltend gemachten Kosten
unberücksichtigt ließ, blieb die dagegen erhobene Klage
erfolglos. Das FG ließ die Kosten der doppelten
Haushaltsführung unberücksichtigt, weil nach seiner
Überzeugung der Kläger in S keinen eigenen Hausstand
unterhalten habe. Der Kläger habe keine Beweismittel
dafür benannt, dass er sich auch finanziell an der
Führung eines Hausstands in S beteiligt habe. Der insoweit
feststellungsbelastete Kläger habe damit nicht nachweisen
können, dass er sich finanziell an dem Unterhalt eines
Hausstands in S beteiligt habe, was jedoch Voraussetzung für
die Annahme eines eigenen Hausstands sei.
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Mit der Revision rügt der Kläger
die Verletzung materiellen Rechts. Entgegen der Auffassung des FG
komme es nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH)
hinsichtlich der Frage des Unterhaltens eines eigenen Hausstands
nicht darauf an, ob der Hausstand entgeltlich oder unentgeltlich
zur Verfügung stehe.
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Der Kläger beantragt
sinngemäß, das Urteil des FG München vom 4.9.2008
und die Einspruchsentscheidung des FA vom 4.1.2008 aufzuheben und
den Einkommensteuerbescheid 2003 vom 6.4.2004, den
Einkommensteuerbescheid 2004 vom 11.5.2005 sowie den
Einkommensteuerbescheid 2005 vom 19.5.2006 dahingehend
abzuändern, dass über die bereits anerkannten
Aufwendungen hinaus weitere Aufwendungen für die Unterkunft am
Arbeitsort in Höhe von 10.458 EUR im Jahr 2003, in Höhe
von 10.120 EUR im Jahr 2004 sowie in Höhe von 9.885 EUR im
Jahr 2005 als Werbungskosten bei den Einkünften des
Klägers aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigt
werden.
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Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
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II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur
Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen
Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
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1. Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr.
5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sind notwendige
Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus
beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung
entstehen, Werbungskosten. Eine doppelte Haushaltsführung
liegt nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG vor, wenn der
Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen
Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch am
Beschäftigungsort wohnt. Dies gilt grundsätzlich auch
für einen alleinstehenden Arbeitnehmer; auch er kann einen
doppelten Haushalt führen (ständige Rechtsprechung des
Senats, zuletzt BFH-Urteile vom 14.6.2007 VI R 60/05, BFHE 218,
229, BStBl II 2007, 890 = SIS 07 29 07; vom 9.8.2007 VI R 10/06,
BFHE 218, 380, BStBl II 2007, 820 = SIS 07 29 04; vom 5.3.2009 VI R
23/07, BFHE 224, 420, BStBl II 2009, 1016 = SIS 09 16 38).
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a) Hausstand i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3
Nr. 5 Satz 2 EStG ist der Haushalt, den der Arbeitnehmer am
Lebensmittelpunkt führt, also sein Erst- oder Haupthaushalt.
Bei einem alleinstehenden Arbeitnehmer ist entscheidend, dass er
sich in dem Haushalt, im Wesentlichen nur unterbrochen durch die
arbeits- und urlaubsbedingte Abwesenheit, aufhält; denn allein
das Vorhalten einer Wohnung für gelegentliche Besuche oder
für Ferienaufenthalte ist noch nicht als Unterhalten eines
Hausstands zu bewerten. Ebenfalls wird ein eigener Hausstand nicht
unterhalten, wenn der Arbeitnehmer die Haushaltsführung nicht
zumindest mitbestimmt, sondern in einen fremden Haushalt - etwa in
den der Eltern oder als Gast - eingegliedert ist. Dann liegt keine
eigene Haushaltsführung vor (BFH-Urteil in 218, 229, BStBl II
2007, 890 = SIS 07 29 07).
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b) Insbesondere dann, wenn dem Arbeitnehmer
die Wohnung unentgeltlich überlassen wird, stellt sich die
Frage, ob er einen eigenen Hausstand unterhält oder in einen
fremden eingegliedert ist. Die entgeltliche Einräumung einer
Rechtsposition ist zwar nicht Voraussetzung einer doppelten
Haushaltsführung bei Alleinstehenden. Nutzt aber der
Arbeitnehmer eine Wohnung unentgeltlich, ist stets sorgfältig
zu prüfen, ob die Wohnung eine eigene oder die des
Überlassenden, z.B. der Eltern, darstellt. Dabei ist das
Merkmal der Entgeltlichkeit ein Indiz, das im Zusammenhang mit
einer Gesamtwürdigung aller Umstände zu einer
zutreffenden Beurteilung führen kann, nicht jedoch eine
unerlässliche Voraussetzung (conditio sine qua non). Dies gilt
nach Auffassung des Senats auch hinsichtlich der Frage, ob der
Steuerpflichtige im Übrigen für die Kosten des Haushalts
aufkommt. Denn ungeachtet der Frage, ob die Wohnung entgeltlich
oder unentgeltlich überlassen wird, ist der Umstand, ob der
Arbeitnehmer für die Kosten des Haushalts im Übrigen
aufkommt, zwar ein besonders gewichtiges Indiz für das
Unterhalten eines eigenen Haushalts i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3
Nr. 5 Satz 2 EStG, aber keine zwingende Voraussetzung im Sinne
einer conditio sine qua non. Damit wird es weiterhin auf die
finanzielle Beteiligung des auswärts Beschäftigten an der
Haushaltsführung als gewichtiges Indiz einer eigenen
Haushaltsführung regelmäßig ankommen. Lässt
sich indessen diese finanzielle Beteiligung nicht feststellen, ist
damit eine eigene Haushaltsführung des auswärts
Beschäftigten nicht zwingend ausgeschlossen, wie auch
umgekehrt aus einem finanziellen Beitrag allein nicht zwingend auf
das Unterhalten eines eigenen Haushalts zu schließen ist.
Insoweit gilt der Grundsatz fort, dass allein das Vorhalten einer
Wohnung für gelegentliche Besuche oder für
Ferienaufenthalte noch nicht als Unterhalten eines Hausstands zu
werten ist. Entsprechendes gilt für die finanzielle
Beteiligung des auswärts Beschäftigten bei einem
Familienhaushalt. Auch hier kommt es auf die finanzielle
Beteiligung an der „Haushaltsführung“ im
Sinne eines gewichtigen Indizmerkmals an.
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2. Gemessen daran hält die Entscheidung
der Vorinstanz revisionsrechtlicher Überprüfung nicht
stand.
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a) Die Frage, ob der alleinstehende
Arbeitnehmer einen eigenen Hausstand unterhält oder aber nur
in einen fremden eingegliedert ist, entscheidet sich unter
Einbeziehung und Gewichtung aller tatsächlichen
Verhältnisse im Rahmen einer den Finanzgerichten als
Tatsacheninstanz obliegenden Gesamtwürdigung. Innerhalb derer
ist das Merkmal der finanziellen Beteiligung an der
Haushaltsführung zwar ein besonders gewichtiges Indiz, aber
nicht unerlässliche Voraussetzung dafür, dass der
Arbeitnehmer einen eigenen Hausstand als Haupthausstand
unterhält. Wenn daher die Vorentscheidung ausführt, dass
der die Feststellungslast tragende Kläger nicht hatte
nachweisen können, dass er sich finanziell an dem Unterhalt
eines Hausstands in S beteiligte, dies jedoch Voraussetzung
für die Annahme eines eigenen Hausstands sei, erscheint es
nicht ausgeschlossen, dass das FG bei Beachtung der vorgenannten
Rechtsgrundsätze zu einer anderen Würdigung gekommen
wäre.
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b) Das FG wird daher im zweiten Rechtsgang
unter Beachtung der vorgenannten Rechtsgrundsätze den
Sachverhalt erneut zu würdigen haben. Dabei wird auch zu
berücksichtigen sein, dass bei alleinstehenden Arbeitnehmern
mit zunehmender Dauer der Auswärtstätigkeit
grundsätzlich immer mehr dafür spricht, dass die
eigentliche Haushaltsführung und auch der Mittelpunkt der
Lebensinteressen am Beschäftigungsort liegen oder dorthin
verlegt wurden. Indizien dafür, wo der Lebensmittelpunkt
liegt, können sein, wie oft und wie lange sich der
Arbeitnehmer in der einen und der anderen Wohnung aufhält, wie
beide Wohnungen ausgestattet und wie groß sie sind. Von
Bedeutung sind auch die Dauer des Aufenthalts am
Beschäftigungsort, die Entfernung beider Wohnungen, die Zahl
der Heimfahrten sowie insbesondere auch der Umstand, zu welchem
Wohnort die engeren persönlichen Beziehungen bestehen
(BFH-Urteil in BFHE 218, 380, BStBl II 2007, 820 = SIS 07 29 04,).
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3. Sollte das FG im zweiten Rechtsgang zu der
Würdigung gelangen, dass der Kläger in S doch den eigenen
Haupthausstand unterhalten hatte und dass auch die übrigen
Voraussetzungen einer doppelten Haushaltsführung gegeben
waren, wäre der Mietaufwand allerdings auf das Notwendige zu
begrenzen. Denn angesichts des Umstands, dass der Kläger
Mietaufwendungen für eine 64 qm große Wohnung als
Werbungskosten geltend gemacht hat, wird zu beachten sein, dass
Unterkunftskosten am Beschäftigungsort nur insoweit notwendig
i.S. von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 1 EStG sind, wie sie den
durchschnittlichen Mietzins einer 60 qm-Wohnung am
Beschäftigungsort nicht überschreiten (BFH-Urteile in
BFHE 218, 380, BStBl II 2007, 820 = SIS 07 29 04, m.w.N.; vom
9.8.2007 VI R 23/05, BFHE 218, 376, BStBl II 2009, 722 = SIS 07 29 05).
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