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I. Streitig ist, ob für die
Veranlagungszeiträume 2002 bis 2004 noch
Einkommensteuerveranlagungen durchzuführen sind.
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Der Kläger und Revisionsbeklagte
(Kläger) erzielte in den Streitjahren Einkünfte aus
nichtselbständiger Arbeit. Daneben erwirtschaftete er nach den
Angaben in seinen Einkommensteuererklärungen, die am
28.12.2009 beim Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt - FA
- ) eingingen, Überschüsse der Werbungskosten über
die Mieteinnahmen aus der langfristigen Vermietung einer
Doppelhaushälfte in Höhe von 2.833 EUR (2002), in
Höhe von 2.348 EUR (2003) und in Höhe von 2.030 EUR
(2004). Mit Bescheiden vom 18.2.2010 lehnte das FA die
Durchführung von Einkommensteuerveranlagungen ab, weil
für die Streitjahre bereits Festsetzungsverjährung
eingetreten sei.
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Der nach erfolglosem Einspruchsverfahren
erhobenen Klage hat das Finanzgericht (FG) stattgegeben. Der
Bundesfinanzhof (BFH) habe im Jahr 2006 entschieden, dass eine
Veranlagung von Amts wegen auch dann durchzuführen sei, wenn
die negative Summe der Nebeneinkünfte den Betrag von 410 EUR
übersteige. Danach habe der Kläger vorliegend einen
Anspruch auf Abgabe der Einkommensteuererklärungen innerhalb
der Festsetzungsfrist und Durchführung der Amtsveranlagungen
erworben. Dieser Anspruch sei bereits mit Ablauf der jeweiligen
Kalenderjahre und nicht erst mit Abgabe der
Einkommensteuererklärungen entstanden und nicht durch
Festsetzungsverjährung erloschen. Auch sei die Rechtslage
für die Streitjahre nicht durch das Jahressteuergesetz (JStG)
2007 vom 13.12.2006 (BGBl I 2006, 2878, BStBl I 2007, 28) wirksam
geändert worden. Zwar habe der Gesetzgeber die Vorschrift des
§ 46 Abs. 2 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG)
inzwischen dahingehend geändert, dass nur weitere positive
Einkünfte von mehr als 410 EUR zu einer Amtsveranlagung
führen, diese Änderung des Einkommensteuergesetzes wirke
jedoch nicht auf die Streitjahre zurück.
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Mit der Revision rügt das FA die
Verletzung von § 46 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 55j
Satz 1 EStG i.d.F. des JStG 2007.
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Es beantragt, das angefochtene Urteil des
Niedersächsischen FG vom 31.1.2012 8 K 196/10 aufzuheben und
die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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II. Die Revision des FA ist begründet.
Sie führt zur Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils und zur
Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der
Finanzgerichtsordnung).
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1. Nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG i.d.F. des
JStG 2007 ist die Amtsveranlagung nur durchzuführen, wenn, was
hier nicht der Fall ist, die positive Summe der
einkommensteuerpflichtigen Einkünfte, die nicht dem
Steuerabzug vom Arbeitslohn zu unterwerfen waren, vermindert um die
darauf entfallenden Beträge nach § 13 Abs. 3 und §
24a EStG, mehr als 410 EUR beträgt (zur früheren
Rechtslage s. BFH-Urteile vom 21.9.2006 VI R 47/05, BFHE 215, 149,
BStBl II 2007, 47 = SIS 06 42 40; VI R 52/04, BFHE 215, 144, BStBl
II 2007, 45 = SIS 06 42 41). § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG i.d.F. des
JStG 2007 ist gemäß § 52 Abs. 55j Satz 1 EStG
i.d.F. des Steuervereinfachungsgesetzes (StVereinfG) 2011
(früher § 52 Abs. 55j EStG i.d.F. des JStG 2007) auch auf
Veranlagungszeiträume vor 2006 und damit die Streitjahre
anzuwenden. Wortlaut und Gesetzeszweck der Vorschriften sind
insoweit eindeutig.
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a) Der Gesetzgeber wollte mit den
Neuregelungen die bisherige Verwaltungspraxis, nach der eine
Pflichtveranlagung zur Einkommensteuer bei Bezug von
Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit nach § 46
Abs. 2 Nr. 1 EStG voraussetzt, dass der Arbeitnehmer bzw. die
Arbeitnehmerin in dem jeweiligen Veranlagungszeitraum
Einkünfte aus anderen Einkunftsarten bezieht, deren positive
Summe 410 EUR bzw. 800 DM übersteigt, fortgesetzt wissen
(Schmidt/Kulosa, EStG, 31. Aufl., § 46 Rz 12). Dies folgt zum
einen aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber den Neuregelungen
lediglich eine klarstellende Bedeutung beigemessen hat (BRDrucks
622/1/06, S. 21 f.; BTDrucks 16/3036, S. 22 „Zu Nummer
17“). Zum anderen macht die rück(be)wirkende
Geltungsanordnung deutlich, dass der Gesetzgeber an seiner Lesart
der bisherigen Fassung des § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG nicht nur
zukünftig, sondern auch für die Vergangenheit festhalten
wollte (vgl. Paetsch in Frotscher, EStG, Freiburg 2011, § 46
Rz 26b). Nach der durch die allgemeinen Regeln der Mathematik
unterstützten wörtlichen Auslegung der Vorschrift sei
eine negative Summe der Einkünfte niedriger als 0 und
könne damit nicht mehr als 410 EUR bzw. 800 DM betragen
(BRDrucks 622/1/06, S. 21 f.).
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b) Entgegen der Auffassung der Vorinstanz und
des Klägers verstößt diese Auslegung des § 52
Abs. 55j Satz 1 EStG i.d.F. des StVereinfG 2011 nicht gegen das
grundsätzliche Verbot rückwirkender belastender Gesetze.
Dabei kann der Senat offenlassen, ob der Gesetzgeber mit der
rückwirkenden Geltungsanordnung des § 46 Abs. 2 Nr. 1
EStG i.d.F. des JStG 2007 tatsächlich in einen abgeschlossenen
steuerlichen Sachverhalt ändernd eingegriffen hat. Denn selbst
wenn ein solches Verhalten des Gesetzgebers vorläge, sind in
der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) jedoch -
ohne dass dies abschließend wäre - Fallgruppen
anerkannt, in denen das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot
(Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes)
durchbrochen ist (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 14.5.1986 2 Bvl
2/83, BVerfGE 72, 200 <258 ff.> = SIS 86 25 18; vom 3.12.1997
2 BvR 882/97, BVerfGE 97, 67 <79 f.> = SIS 98 10 50;
BVerfG-Urteil vom 23.11.1999 1 BvF 1/94, BVerfGE 101, 239
<263>). So tritt das Rückwirkungsverbot, das seinen
Grund im Vertrauensschutz hat, namentlich dann zurück, wenn
sich kein schützenswertes Vertrauen auf den Bestand des
geltenden Rechts bilden konnte (vgl. BVerfG-Urteil in BVerfGE 101,
239 <263>), etwa weil die Rechtslage unklar und verworren war
(vgl. BVerfG-Urteil vom 19.12.1961 2 BvL 6/59, BVerfGE 13, 261
<272>) oder eine gefestigte Rechtsanwendungspraxis zu einer
bestimmten Steuerrechtsfrage nach Änderung der
höchstrichterlichen Rechtsprechung rückwirkend gesetzlich
festgeschrieben wird (BVerfG-Beschlüsse vom 23.1.1990 1 BvL
4/87, 1 BvL 5/87, 1 BvL 6/87, 1 BvL 7/87, BVerfGE 81, 228 = SIS 90 09 55; vom 15.10.2008 1 BvR 1138/06, Kammerentscheidungen des
Bundesverfassungsgerichts 14, 338, und vom 21.7.2010 1 BvL 11/06, 1
BvL 12/06, 1 BvL 13/06, 1 BvR 2530/05, BVerfGE 126, 369, 393
f.).
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Gemessen hieran durfte der Gesetzgeber
für eine Pflichtveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG
(weiterhin) positive Nebeneinkünfte voraussetzen. Denn mit der
Neuregelung hat er lediglich die Rechtslage wiederhergestellt, die
bis zu den Entscheidungen des BFH vom 21.9.2006 (in BFHE 215, 149,
BStBl II 2007, 47 = SIS 06 42 40, und in BFHE 215, 144, BStBl II
2007, 45 = SIS 06 42 41) der jahrzehntelangen Besteuerungspraxis
(vgl. z.B. BFH-Urteil vom 22.5.2006 VI R 50/04, BFHE 214, 141,
BStBl II 2006, 801 = SIS 06 37 19; FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom
5.4.2006 1 K 1076/04, EFG 2006, 1523 = SIS 06 29 13; FG Köln,
Urteil vom 10.2.2006 12 K 4601/05, EFG 2007, 593 = SIS 07 12 11; FG
Hamburg, Urteil vom 2.6.2005 VI 260/03, juris = SIS 05 38 57;
Hessisches FG, Urteil vom 13.11.2003 5 K 2804/03, juris = SIS 05 13 73) und der nahezu einhelligen Meinung im Fachschrifttum (z.B.
Schmidt/Glanegger, EStG, 24. Aufl., § 46 Rz 50 f.; Haase,
Steuern und Bilanzen 2005, 157) entsprochen hat. Ein berechtigtes
Vertrauen auf den Fortbestand der hiervon abweichenden Rechtslage
und damit der Rechtsprechung des BFH vom 21.9.2006 konnte in der
Zeit bis zum Erlass der Neuregelungen nicht entstehen (vgl.
Niedersächsisches FG, Urteil vom 28.9.2010 12 K 478/08, 12 K
479/08, EFG 2011, 533 = SIS 10 41 56). Denn der Gesetzgeber hat
bereits am 29.9.2006 angekündigt, dass er zur bisherigen
Rechtslage zurückkehren werde, nach der eine
Pflichtveranlagung zur Einkommensteuer bei Bezug von
Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit nach § 46
Abs. 2 Nr. 1 EStG voraussetzt, dass der Arbeitnehmer bzw. die
Arbeitnehmerin in dem jeweiligen Veranlagungszeitraum
Einkünfte aus anderen Einkunftsarten bezieht, deren positive
Summe 410 EUR bzw. 800 DM übersteigt (BRDrucks 622/1/06, S. 21
f.).
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c) Ob und inwieweit anderes für die Zeit
nach dem Ergehen der Urteile des BFH in BFHE 215, 149, BStBl II
2007, 47 = SIS 06 42 40 und in BFHE 215, 144, BStBl II 2007, 45 =
SIS 06 42 41 bis zum endgültigen Gesetzesbeschluss am
13.12.2006 bzw. der Verkündung des JStG 2007 am 18.12.2006
(BGBl I 2006, 2878) oder jedenfalls bis zur entsprechenden
Gesetzesinitiative (BVerfG-Beschluss vom 10.10.2012 1 BvL 6/07,
DStR 2012, 2322 = SIS 12 29 53, m.w.N.) - hier der
Veröffentlichung der BRDrucks 622/1/06 - gilt, kann vorliegend
ebenfalls dahinstehen. Denn der Kläger hat seine
Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre erst am
28.12.2009 abgegeben; etwaige im Vertrauen auf die erfolgte
Rechtsprechungsänderung getätigte Dispositionen in der
Zeit bis zum Erlass der Neuregelung stehen damit nicht zur
Entscheidung. Im Übrigen genießt die bloß
allgemeine Erwartung, das geltende Recht werde zukünftig
unverändert fortbestehen, wenn - wie hier - keine besonderen
Momente der Schutzwürdigkeit hinzutreten, keinen besonderen
verfassungsrechtlichen Schutz (vgl. BVerfG-Beschluss in DStR 2012,
2322 = SIS 12 29 53, m.w.N.).
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2. Damit kommt vorliegend allein eine
Veranlagung des Klägers nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG
i.d.F. des JStG 2008 (EStG n.F.) vom 20.12.2007 (BGBl I 2007, 3150,
BStBl I 2008, 218) in Betracht. Danach wird eine
Einkommensteuerveranlagung durchgeführt, wenn sie beantragt
wird. Die - frühere zusätzliche - Voraussetzung, dass der
Antrag bis zum Ablauf des auf den Veranlagungszeitraum folgenden
zweiten Kalenderjahres zu stellen war, ist entfallen.
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a) § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG n.F. ist
gemäß § 52 Abs. 55j Satz 4 EStG i.d.F. des
StVereinfG 2011 (früher § 52 Abs. 55j Satz 2 EStG n.F.)
erstmals für den Veranlagungszeitraum 2005 anzuwenden und in
Fällen, in denen am 28.12.2007 über einen Antrag auf
Veranlagung zur Einkommensteuer noch nicht bestandskräftig
entschieden ist. Letzteres trifft zu. Eine bestandskräftige
Ablehnung des Antrags des Klägers auf Durchführung der
Einkommensteuerveranlagungen für die Streitjahre liegt nicht
vor. Nach der Rechtsprechung des Senats ist es nicht erforderlich,
dass der Antrag auf Veranlagung für Veranlagungszeiträume
vor 2005 bereits vor dem 28.12.2007 bei den Finanzbehörden
eingegangen ist (Senatsentscheidung vom 12.11.2009 VI R 1/09, BFHE
227, 97, BStBl II 2010, 406 = SIS 10 00 80).
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b) Im Streitfall steht der Veranlagung
gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG n.F. i.V.m. § 52
Abs. 55j Satz 4 EStG i.d.F. des StVereinfG 2011 jedoch der Eintritt
der Festsetzungsverjährung entgegen.
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Die Festsetzungsfrist für die
Einkommensteuer beträgt nach § 169 Abs. 2 Nr. 2 der
Abgabenordnung (AO) vier Jahre. Sie beginnt mit Ablauf des
Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist (§ 170 Abs. 1
AO). Die Einkommensteuer für 2002, 2003 und 2004
verjährte demnach mit Ablauf der Jahre 2006, 2007 und 2008.
Nach den Feststellungen des FG hat der Kläger den
erforderlichen Antrag durch Abgabe der
Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre (erst) im
Jahre 2009 beim FA gestellt.
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Der Ablauf der Festsetzungsfrist war nach der
neuen Rechtsprechung des BFH nicht nach § 170 Abs. 2 Satz 1
Nr. 1 AO gehemmt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zur
Begründung auf die Senatsentscheidung vom 14.4.2011 VI R 53/10
(BFHE 233, 311, BStBl II 2011, 746 = SIS 11 22 59) verwiesen.
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Nach alldem war die Vorentscheidung aufzuheben
und die Klage abzuweisen.
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