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I. Streitig ist, ob die Kläger und
Revisionskläger (Kläger) für das Jahr 2004 zur
Einkommensteuer zu veranlagen sind.
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Die Kläger sind zusammen zur
Einkommensteuer veranlagte Eheleute. Der Kläger hat
ausschließlich Einkünfte aus nichtselbständiger
Arbeit erzielt. Die Klägerin hatte keine Einkünfte.
Lohnersatzleistungen bezogen die Kläger nicht.
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Am 7.2.2008 reichten die Kläger eine
Einkommensteuererklärung für 2004 ein. Mit Bescheid vom
11.2.2008 lehnte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt
- FA - ) die Durchführung der Antragsveranlagung ab, da die
Abgabefrist von zwei Jahren versäumt worden sei (§ 46
Abs. 2 Nr. 8 des Einkommensteuergesetzes - EStG - in der im
Streitjahr geltenden Fassung - EStG a.F. - ). Der dagegen
gerichtete Einspruch ruhte zunächst im Hinblick auf die beim
Bundesverfassungsgericht anhängigen Verfahren 2 BvL 55/06 und
2 BvL 56/06. Nachdem das Verfahren 2 BvL 56/06 sich durch den
Beschluss des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 27.3.2008 VI R 46/05
(nicht veröffentlicht) im Hinblick auf die rückwirkende
Aufhebung der Frist des § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG a.F. durch das
Jahressteuergesetz 2008 (JStG 2008) vom 20.12.2007 (BGBl I 2007,
3150, BStBl I 2008, 218) für noch nicht bestandskräftige
Ablehnungen von Veranlagungen für Jahre vor 2005 erledigt
hatte, hat das FA in Erwartung der Erledigung des weiteren
anhängigen Verfahrens 2 BvL 55/06 über den Einspruch mit
Einspruchsentscheidung vom 8.5.2008 entschieden. Zur
Begründung bezog es sich auf § 52 Abs. 55j EStG i.d.F.
des JStG 2008 (EStG n.F.), wonach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG n.F.
für Jahre vor 2005 nur anzuwenden ist, wenn bis zum 28.12.2007
über einen Antrag auf Veranlagung zur Einkommensteuer noch
nicht bestandskräftig entschieden war. Da die Kläger
jedoch ihren Antrag erst nach dem 28.12.2007 gestellt hätten,
sei im Streitfall die alte Rechtslage anzuwenden. Wiedereinsetzung
in den vorigen Stand scheitere bereits an der am 31.12.2007
abgelaufenen Jahresfrist für die Nachholung der
versäumten Rechtshandlung gemäß § 110 Abs. 3
der Abgabenordnung.
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Das Finanzgericht (FG) wies die hiergegen
erhobene Klage mit den in DStRE 2009, 982 veröffentlichten
Gründen ab.
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Mit der Revision rügen die Kläger
die Verletzung materiellen Rechts.
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Die Kläger beantragen, das Urteil des
FG Rheinland-Pfalz vom 11.12.2008 6 K 1801/08 aufzuheben und das FA
zu verpflichten, die Kläger für das Jahr 2004 zur
Einkommensteuer zu veranlagen.
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Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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II. Die Revision der Kläger ist
begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und der
Klage stattzugeben (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Entgegen der Ansicht der
Vorinstanz sind die Kläger zur Einkommensteuer für 2004
zu veranlagen.
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Besteht das Einkommen - wie im Streitfall -
nach § 46 Abs. 2 EStG ganz oder teilweise aus Einkünften
aus nichtselbständiger Arbeit, von denen ein Steuerabzug
vorgenommen worden ist, so wird eine Veranlagung nur unter den in
§ 46 Abs. 2 Nrn. 1 bis 8 EStG genannten Voraussetzungen
durchgeführt.
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a) Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen,
dass eine Veranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG n.F. nicht
in Betracht kommt. Nach dieser Vorschrift wird eine
Einkommensteuer-Veranlagung durchgeführt, wenn sie beantragt
wird. Die - frühere zusätzliche - Voraussetzung, dass der
Antrag bis zum Ablauf des auf den Veranlagungszeitraum folgenden
zweiten Kalenderjahres zu stellen war, ist nunmehr entfallen.
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b) § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG n.F. ist
gemäß § 52 Abs. 55j EStG n.F. erstmals für den
Veranlagungszeitraum 2005 anzuwenden und - hier einschlägig -
in Fällen, in denen am 28.12.2007 über einen Antrag auf
Veranlagung zur Einkommensteuer noch nicht bestandskräftig
entschieden ist. Letzteres trifft zu. Eine bestandskräftige
Ablehnung des Antrags der Kläger auf Durchführung der
Einkommensteuer-Veranlagung 2004 liegt nicht vor. Nach Ansicht des
Senats ist der Anspruch der Kläger auf Durchführung der
streitbefangenen Veranlagung von weiteren Voraussetzungen nicht
abhängig (vgl. BFH-Urteil vom 15.1.2009 VI R 23/08, BFH/NV
2009, 755 = SIS 09 12 53).
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Insbesondere ist entgegen der Auffassung der
Vorinstanz und der Finanzbehörden (Oberfinanzdirektion
Frankfurt vom 5.6.2009 S 2270 A - 11 - St 216; Thüringer
Landesfinanzdirektion vom 12.10.2009 S 2270 A - 01 - A 2.13) nicht
erforderlich, dass der Antrag auf Veranlagung für
Veranlagungszeiträume vor 2005 bereits vor dem 28.12.2007 bei
den Finanzbehörden eingegangen ist. Dies mag zwar der
Vorstellung des Gesetzgebers entsprechen, der mit der
Anwendungsregelung für Fälle, in denen die bisherige
zweijährige Antragsfrist im Zeitpunkt der
Gesetzesänderung bereits abgelaufen war, keine Anträge
auf Veranlagung mehr ermöglichen wollte (BTDrucks 16/7036, 17
ff.). Diese Absicht hat jedoch im Gesetz selbst keinen Niederschlag
gefunden; der Wortlaut des § 52 Abs. 55j EStG n.F. ist
insoweit eindeutig. Der subjektive Wille der an der Gesetzgebung
Beteiligten ist daher für die Auslegung ohne Bedeutung (vgl.
z.B. BFH-Urteil vom 24.6.1999 IV R 33/98, BFHE 189, 132, BStBl II
2003, 58 = SIS 99 18 36, m.w.N.).
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Damit ist - soweit Verjährungsfristen
nicht entgegenstehen - § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG n.F. auch
für diejenigen Anträge maßgeblich, die erst nach
der Veröffentlichung des Gesetzes, dem 28.12.2007, gestellt
worden sind. Der Senat berücksichtigt dabei auch, dass
aufgrund der seit 2005 geänderten Rechtsprechung des Senats zu
der Vorschrift des § 46 Abs. 2 (Nr. 1 und Nr. 8) EStG und der
darauf folgenden Reaktionen des Gesetzgebers vielfach zeitliche
Zufälligkeiten darüber mitentscheidend waren, ob
Anträge bzw. Klagen auf Durchführung von
Einkommensteuer-Veranlagungen erfolgreich sein konnten (vgl.
BFH-Urteil in BFH/NV 2009, 755 = SIS 09 12 53).
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