1
|
I. Streitig ist die Abziehbarkeit von
Kosten für ein häusliches Arbeitszimmer.
|
|
|
2
|
Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger) war in den Streitjahren 2005 und 2006 bei der B GmbH
in S als Elektrotechniker beschäftigt. Er verfügte dort
in einem Großraumbüro über einen eigenen
Arbeitsplatz.
|
|
|
3
|
In seiner ca. 80 qm großen Wohnung in
H nutzte er ein ca. 10 qm großes Zimmer als häusliches
Arbeitszimmer. Die hieraus entstandenen Aufwendungen in Höhe
von 1.177 EUR und 1.206 EUR machte er mit den
Einkommensteuer-Erklärungen 2005 und 2006 als Werbungskosten
geltend. Zur Begründung führte er an, dass er aus
beruflichen Gründen das häusliche Arbeitszimmer zur
Verbesserung seiner englischen Sprachkenntnisse benötige. Er
habe zu diesem Zweck zu Hause einen interaktiven Computersprachkurs
absolviert. Die Installierung der entsprechenden Software auf
seinem dienstlichen PC in den Räumen des Arbeitgebers sei
nicht zulässig gewesen. Deshalb habe für die berufliche
Fortbildung „ein anderer Arbeitsplatz“ nicht zur
Verfügung gestanden.
|
|
|
4
|
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) erkannte die Kosten nicht an. Das Finanzgericht
(FG) wies aus den in EFG 2011, 602 = SIS 11 08 33
veröffentlichten Gründen die Klage ab.
|
|
|
5
|
Mit der Revision rügt der Kläger
die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
|
|
|
6
|
Der Kläger beantragt
sinngemäß, das Urteil des Niedersächsischen FG vom
22.6.2010 sowie die Einspruchsentscheidung vom 25.11.2008
aufzuheben und die Einkommensteuerbescheide für 2005 und 2006
dahingehend zu ändern, dass weitere Werbungskosten in
Höhe von 1.177 EUR und 1.206 EUR berücksichtigt werden,
und die Zuziehung von Bevollmächtigten im Vorverfahren
für notwendig zu erklären.
|
|
|
7
|
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
|
|
|
8
|
II. Die Revision ist unbegründet und
gemäß § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO)
zurückzuweisen. Das FG hat zu Recht die Kosten für das
häusliche Arbeitszimmer nicht als Werbungskosten zum Abzug
zugelassen.
|
|
|
9
|
1. Nach § 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5
Satz 1 Nr. 6b Satz 1 des Einkommensteuergesetzes i.d.F. der
Streitjahre (EStG) kann ein Steuerpflichtiger Aufwendungen für
ein häusliches Arbeitszimmer sowie die Kosten der Ausstattung
nicht als Werbungskosten abziehen. Dies gilt nach Satz 2 der
letztgenannten Vorschrift u.a. dann nicht, wenn dem
Steuerpflichtigen für die berufliche Tätigkeit kein
anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. In diesen
Fällen wird nach Satz 3 Halbsatz 1 der Vorschrift die
Höhe der abziehbaren Aufwendungen regelmäßig auf
1.250 EUR begrenzt.
|
|
|
10
|
a) Ein „anderer
Arbeitsplatz“ im Sinne der Abzugsbeschränkung ist
grundsätzlich jeder Arbeitsplatz, der zur Erledigung
büromäßiger Arbeiten geeignet ist. Er steht aber
nur dann „für die betriebliche oder berufliche
Tätigkeit ... zur Verfügung“, wenn ihn der
Steuerpflichtige in dem konkret erforderlichen Umfang und in der
konkret erforderlichen Art und Weise tatsächlich nutzen kann.
Übt der Steuerpflichtige nur eine berufliche Tätigkeit
aus, muss geprüft werden, ob der - an sich vorhandene - andere
Arbeitsplatz tatsächlich für alle Aufgabenbereiche der
Erwerbstätigkeit zur Verfügung steht. Es genügt
jedoch nicht, dass nach Feierabend oder am Wochenende im
häuslichen Arbeitszimmer Arbeiten verrichtet werden, die
grundsätzlich auch an dem anderen Arbeitsplatz verrichtet
werden könnten (ständige Rechtsprechung des
Bundesfinanzhofs - BFH - ; grundlegend BFH-Urteil vom 7.8.2003 VI R
17/01, BFHE 203, 130, BStBl II 2004, 78 = SIS 03 45 01; s. auch
BFH-Urteile vom 7.8.2003 VI R 41/98, BFHE 203, 119, BStBl II 2004,
80 = SIS 03 45 02; VI R 162/00, BFHE 203, 124, BStBl II 2004, 83 =
SIS 03 45 00; VI R 16/01, BFHE 203, 128, BStBl II 2004, 77 = SIS 03 44 99; VI R 118/00, BFHE 203, 122, BStBl II 2004, 82 = SIS 03 44 98; vom 20.11.2003 IV R 30/03, BFHE 204, 176, BStBl II 2004, 775 =
SIS 04 06 09; Senatsbeschlüsse vom 10.2.2005 VI B 113/04, BFHE
209, 211, BStBl II 2005, 488 = SIS 05 17 03; vom 5.3.2008 VI B
95/07, BFH/NV 2008, 956 = SIS 08 21 15).
|
|
|
11
|
b) Dem danach weiten Verständnis des
Begriffs „anderer Arbeitsplatz“ liegt der
Gedanke zugrunde, dass Aufwendungen für ein häusliches
Arbeitszimmer (nur) dann steuerlich berücksichtigt werden
sollen, wenn ein solches für die Erwerbstätigkeit
erforderlich ist (Senatsurteile in BFHE 203, 130, BStBl II 2004, 78
= SIS 03 45 01; vom 13.11.2002 VI R 82/01, BFHE 201, 93, BStBl II
2004, 62 = SIS 03 18 71; jeweils m.w.N.). Zwar ist die
Erforderlichkeit keine allgemeine Voraussetzung für die
Qualifikation von Erwerbsaufwendungen, und zwar ausweislich der
Angemessenheitsregel des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 7 EStG auch
dann nicht, wenn solche Aufwendungen die Lebensführung des
Steuerpflichtigen berühren. Die erkennbar gegebene
Erforderlichkeit fungiert in diesem Fall aber als legitimes
Hilfsmittel einer typisierenden Abgrenzung von Erwerbs- und
Privatsphäre (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom
6.7.2010 2 BvL 13/09, BVerfGE 126, 268 = SIS 10 19 16; BFH-Urteil
in BFHE 204, 176, BStBl II 2004, 775 = SIS 04 06 09).
|
|
|
12
|
c) Soweit nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b
Satz 1 EStG die Aufwendungen für ein häusliches
Arbeitszimmer sowie die „Kosten der Ausstattung“
den Gewinn nicht mindern dürfen, betrifft dies nicht die
Kosten für Arbeitsmittel. Die in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6
EStG getroffene Regelung hat Vorrang vor der die Kosten der
Ausstattung eines häuslichen Arbeitszimmers betreffenden
Regelung in § 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b
Satz 1 EStG (BFH-Urteil vom 21.11.1997 VI R 4/97, BFHE 184, 532,
BStBl II 1998, 351 = SIS 98 05 38; Schmidt/Heinicke, EStG, 30.
Aufl., § 4 Rz 591).
|
|
|
13
|
2. Nach diesen Grundsätzen, an denen der
Senat festhält, ist die vorinstanzliche Entscheidung
zutreffend. Der Arbeitsplatz des Klägers bei seinem
Arbeitgeber ist als Büroarbeitsplatz ein „anderer
Arbeitsplatz“ im Sinne der Abzugsbeschränkung.
Dieser stand dem Kläger auch für seine sämtlichen
beruflichen Zwecke zur Verfügung. Die Frage, ob ein
Steuerpflichtiger seinen anderen Arbeitsplatz in dem konkret
erforderlichen Umfang und in der konkret erforderlichen Art und
Weise nutzen kann, betrifft die Tatsachenfeststellung. Sie muss von
den Finanzgerichten anhand der objektiven Umstände des
konkreten Einzelfalls beantwortet werden. An die entsprechende
Tatsachenwürdigung ist das Revisionsgericht grundsätzlich
gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO).
|
|
|
14
|
Nach den insoweit bindenden Feststellungen des
FG stand dem Kläger der Büroarbeitsplatz für
berufliche Fortbildungsmaßnahmen und damit auch für die
„berufsbedingte Fortbildung in der englischen
Sprache“ grundsätzlich zur Verfügung. Zwar
konnte der Kläger nach seinem Vorbringen am Arbeitsplatz nicht
die von ihm für nützlich erachtete konkrete
Bildungsmaßnahme, nämlich den interaktiven
Computersprachkurs, durchführen. Soweit das FG jedoch diesen
Umstand als persönlichen Beweggrund und als nicht erforderlich
gewertet hat, sieht sich der Senat auch an diese Würdigung
gebunden.
|
|
|
15
|
Im Übrigen kommt es bei der Frage, ob ein
„anderer Arbeitsplatz“ im Betrieb des
Arbeitgebers zur Verfügung steht, nicht darauf an, in welchem
Umfang der Arbeitnehmer dort die ihm zur Verfügung gestellten
Arbeitsmittel, wie beispielsweise einen Computer, nutzen darf. Wie
oben dargestellt, ist zwischen Arbeitsplatz (§ 4 Abs. 5 Satz 1
Nr. 6b EStG) und Arbeitsmittel (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 EStG)
zu unterscheiden.
|
|
|
16
|
3. Für die vom Kläger behauptete
Verletzung rechtlichen Gehörs i.S. von Art. 103 des
Grundgesetzes i.V.m. § 119 Nr. 3 FGO gibt es keine
Anhaltspunkte.
|
|
|
17
|
4. Der Antrag, die Zuziehung des
Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig
zu erklären, ist als unzulässig zu verwerfen, weil dieser
Antrag im Revisionsverfahren nicht statthaft ist. Die Entscheidung
nach § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO gehört sachlich zum
Kostenfestsetzungsverfahren. Zuständig ist daher das FG als
Gericht des ersten Rechtszuges (vgl. BFH-Urteil vom 14.5.2009 IV R
47/07, BFHE 225, 116, BStBl II 2009, 900 = SIS 09 22 53,
m.w.N.).
|