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I. Streitig ist die Abzugsfähigkeit
von Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer, wenn
dem Arbeitnehmer an der Dienststelle ein sogenannter
„Poolarbeitsplatz“ zur Verfügung steht.
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Die Kläger und Revisionsbeklagten
(Kläger) sind zusammen zur Einkommensteuer veranlagte
Eheleute. Der Kläger war in den Streitjahren 2009 und 2010 als
Betriebsprüfer bei einem Finanzamt für Groß- und
Konzernbetriebsprüfung nichtselbständig beschäftigt.
Laut Bescheinigung des Dienstherrn vom 10.12.2010 stand ihm an der
Dienststelle für die Jahre 2009 und 2010 kein fester
Arbeitsplatz, sondern lediglich ein Poolarbeitsplatz im
Verhältnis von acht Prüfern zu drei Arbeitsplätzen
zur Verfügung. Die Prüfungen einschließlich der
Schlussbesprechungen führte der Kläger
regelmäßig in den Unternehmen durch, die vor- und
nachbereitenden Arbeiten (Fallauswahl, Fertigen der
Prüfberichte etc.) erledigte er in seinem häuslichen
Arbeitszimmer. Den Poolarbeitsplatz nutzte er lediglich für
das Abrufen von Emails und das Updaten seines Rechners. Einen
Antrag auf Zuweisung eines festen Arbeitsplatzes an der
Dienststelle hatte der Kläger nicht gestellt.
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Im Rahmen ihrer
Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2009 und 2010
machten die Kläger Aufwendungen für ein häusliches
Arbeitszimmer in Höhe von 1.250 EUR (2009) und 930 EUR (2010)
als Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus
nichtselbständiger Arbeit geltend.
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Der Beklagte und Revisionskläger (das
Finanzamt - FA - ) berücksichtigte die Aufwendungen für
das Arbeitszimmer nicht.
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Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit
den in EFG 2013, 1207 = SIS 13 19 22 veröffentlichten
Gründen statt.
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Mit der Revision rügt das FA die
Verletzung materiellen Rechts.
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Es beantragt, das Urteil des FG aufzuheben
und die Klage abzuweisen.
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Die Kläger beantragen, die Revision
zurückzuweisen.
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II. Die Revision ist unbegründet. Sie ist
nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO)
zurückzuweisen.
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Das FG hat zu Recht entschieden, dass die
Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer als
Werbungskosten zu berücksichtigen sind.
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1. Gemäß § 9 Abs. 5 i.V.m.
§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 des Einkommensteuergesetzes
(EStG) kann ein Steuerpflichtiger Aufwendungen für ein
häusliches Arbeitszimmer nicht als Werbungskosten abziehen.
Dies gilt nicht, wenn für die betriebliche oder berufliche
Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht
(§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG). In diesem Fall wird
die Höhe der abziehbaren Aufwendungen auf 1.250 EUR begrenzt;
die Beschränkung der Höhe nach gilt nicht, wenn das
Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und
beruflichen Betätigung bildet (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b
Satz 3 EStG). Die genannte Regelung kommt auch im Streitfall zur
Anwendung. Denn gemäß § 52 Abs. 12 Satz 9 EStG gilt
sie für alle offenen Fälle ab dem Veranlagungszeitraum
2007.
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a) „Anderer Arbeitsplatz“
i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG ist
grundsätzlich jeder Arbeitsplatz, der zur Erledigung
büromäßiger Arbeiten geeignet ist. Weitere
Anforderungen an die Beschaffenheit des Arbeitsplatzes sind nicht
zu stellen. Die Abzugsbeschränkung setzt insbesondere keinen
eigenen, räumlich abgeschlossenen Arbeitsbereich voraus. Auch
ein Raum, den sich der Steuerpflichtige mit weiteren Personen
teilt, kann ein anderer Arbeitsplatz im Sinne der
Abzugsbeschränkung sein. So hat der Senat bereits entschieden,
dass ein Arbeitsplatz in einem Großraumbüro auch dann
„ein anderer Arbeitsplatz“ i.S. des § 4
Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG ist, wenn er dem Steuerpflichtigen
nicht individuell zugeordnet ist (Senatsurteil vom 7.8.2003 VI R
17/01, BFHE 203, 130, BStBl II 2004, 78 = SIS 03 45 01).
Entsprechendes gilt für einen Poolarbeitsplatz.
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Diesen Grundsätzen entsprechend hat das
FG festgestellt, dass der Poolarbeitsplatz des Klägers
aufgrund seiner büromäßigen Ausstattung ein
„anderer Arbeitsplatz“ ist. Eine individuelle
Zuordnung eines der drei vorgehaltenen Schreibplätze war nicht
erforderlich.
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b) Der andere Arbeitsplatz (Poolarbeitsplatz)
an der Dienststelle stand dem Kläger allerdings nicht in dem
zur Verrichtung seiner Innendienstarbeiten erforderlichen Umfang
zur Verfügung.
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aa) Der andere Arbeitsplatz steht nur dann
„für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit
... zur Verfügung“, wenn ihn der Steuerpflichtige in
dem konkret erforderlichen Umfang und in der konkret erforderlichen
Art und Weise tatsächlich nutzen kann. Denn nur dann ist der
Steuerpflichtige nicht auf das häusliche Arbeitszimmer
angewiesen. Muss er hingegen dort einen nicht unerheblichen Teil
seiner beruflichen Tätigkeit verrichten, weil er seinen
Arbeitsplatz nur eingeschränkt nutzen kann, kommt das
Abzugsverbot des § 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr.
6b Satz 1 EStG nach seinem Sinn und Zweck nicht zum Tragen. Denn
auch in einem solchen Fall ist das häusliche Arbeitszimmer
notwendig und er kann sich diesen Aufwendungen nicht entziehen
(Senatsurteile in BFHE 203, 130, BStBl II 2004, 78 = SIS 03 45 01;
vom 5.10.2011 VI R 91/10, BFHE 235, 372, BStBl II 2012, 127 = SIS 11 39 44, m.w.N.).
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bb) Allerdings ist eine „jederzeitige
Zugriffsmöglichkeit“ auf den anderen Arbeitsplatz
nicht zwingende Voraussetzung des beschränkten
Werbungskostenabzugs. Dies folgt schon aus dem Wortlaut des §
4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG, der nicht auf eine
„jederzeitige Verfügbarkeit“ des anderen
Arbeitsplatzes abstellt, sondern auf eine Verfügbarkeit
„für die betriebliche oder berufliche
Tätigkeit“. Daher kann grundsätzlich auch ein
Poolarbeitszimmer als ein anderer Arbeitsplatz i.S. des § 4
Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG zur Verfügung stehen, wenn
bei diesem nach den tatsächlichen Gegebenheiten insbesondere
durch eine ausreichende Anzahl an Poolarbeitsplätzen,
gegebenenfalls ergänzt durch arbeitgeberseitig organisierte
dienstliche Nutzungseinteilungen, gewährleistet ist, dass der
Arbeitnehmer seine beruflichen Tätigkeiten in dem konkret
erforderlichen Umfang dort erledigen kann.
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2. Unter Anwendung dieser Grundsätze
gelangte das FG zutreffend zu dem Ergebnis, dass der
Poolarbeitsplatz dem Kläger nicht in dem für dessen
Innendiensttätigkeit erforderlichen Umfang zur Verfügung
gestanden hat.
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a) Nach den revisionsrechtlich nicht zu
beanstandenden Feststellungen des FG reichten auch unter
Berücksichtigung der Tatsache, dass ein
Großbetriebsprüfer einen nicht unerheblichen Teil seiner
Tätigkeit bei den zu prüfenden Betrieben erbringt, die
drei Schreibplätze nicht aus, um alle
Innendiensttätigkeiten zu verrichten. Anders als bei einem
Arbeitsplatz in einem Großraumbüro, bei dem lediglich
ein räumlich abgeschlossener Arbeitsbereich und eine
individuelle Zuteilung des Arbeitsplatzes fehlt (Senatsurteil in
BFHE 203, 130, BStBl II 2004, 78 = SIS 03 45 01), war im Streitfall
aufgrund der zu geringen Anzahl an Poolarbeitsplätzen gerade
nicht gewährleistet, dass dem Kläger in zeitlicher
Hinsicht für seine gesamte Innendiensttätigkeit
tatsächlich ein anderer Arbeitsplatz an der Dienststelle zur
Verfügung stand. Angesichts des Umstands, dass der Kläger
nach diesen Feststellungen einen nicht geringen Teil seiner an sich
an Amtsstelle zu erbringenden Innendiensttätigkeit im
häuslichen Arbeitszimmer verrichten musste, hat es das FG zu
Recht als unerheblich angesehen, dass der Kläger dann bei
seinen Aufenthalten an Amtsstelle einen freien Schreibtisch oder
eine freie Telefonanlage gefunden hat.
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b) Entgegen der Auffassung des FA kommt es -
wie das FG zutreffend festgestellt hat - nicht darauf an, dass der
Kläger keinen Antrag auf Zuweisung eines festen Arbeitsplatzes
an der Dienststelle gestellt hat.
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Denn § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG
setzt schon nach seinem Wortlaut kein „vergebliches
Bemühen“ um eine feste räumliche Zuweisung
eines „anderen Arbeitsplatzes“ voraus.
Maßgeblich sind vielmehr die objektiven Gegebenheiten,
nämlich ob dem Arbeitnehmer am Dienstsitz ein geeigneter
Arbeitsplatz tatsächlich zur Verfügung steht. Dies gilt
jedenfalls dann, wenn die Dispositionsbefugnis über die
Räumlichkeiten, wie nach den nicht zu beanstandenden
Feststellungen des FG im Streitfall hier, beim Dienstherrn und
nicht beim Kläger lag.
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