1
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I. Die Beteiligten streiten über die
Rechtmäßigkeit der Festsetzungen von
Verzögerungsgeldern.
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2
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Im Rahmen der Durchführung einer
Außenprüfung forderte der Antragsgegner und
Beschwerdeführer (das Finanzamt - FA - ) die Antragstellerin
und Beschwerdegegnerin (Antragstellerin) mit Schreiben vom
1.3.2010, 8. und 21.4.2010 - Letzteres unter Fristsetzung bis zum
27.4.2010 - gemäß § 200 Abs. 1 der Abgabenordnung
(AO) auf, Buchführungsunterlagen und Datenträger
vorzulegen. Für den Fall der nicht fristgerechten Vorlage
drohte das FA in dem Schreiben vom 21.4.2010 die Festsetzung eines
Verzögerungsgelds in Höhe von jeweils 2.500 EUR
an.
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3
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Bis zum Fristablauf überreichte die
Antragstellerin lediglich einen Datenträger.
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Mit Bescheid vom 1.6.2010 setzte das FA der
Antragstellerin gegenüber ein Verzögerungsgeld in
Höhe von 2.500 EUR fest.
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5
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Den dagegen eingelegten Einspruch und den
Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) lehnte das FA
ab.
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6
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Die gegen den Bescheid vom 1.6.2010 in der
Gestalt der Einspruchsentscheidung erhobene Klage ist beim
Finanzgericht (FG) unter dem Aktenzeichen 3 K 1235/10
anhängig.
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7
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Mit weiterem Schreiben vom 21.6.2010
forderte das FA die Antragstellerin erneut auf, die
Buchführungsunterlagen bis zum 29.6.2010 vorzulegen. In dem
Schreiben wies das FA auf die Möglichkeit der Festsetzung
eines Verzögerungsgelds gemäß § 146 Abs. 2b AO
hin.
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8
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Mit Bescheid vom 29.6.2010 setzte das FA
der Antragstellerin gegenüber ein (weiteres)
Verzögerungsgeld in Höhe von 3.000 EUR fest, da diese der
(erneuten) Aufforderung vom 21.6.2010 nicht nachgekommen
sei.
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9
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Dagegen hat die Antragstellerin Sprungklage
erhoben, der das FA jedoch nicht zugestimmt hat. Eine
Einspruchsentscheidung ist bislang nicht ergangen. Den gleichfalls
gestellten Antrag auf AdV lehnte das FA ab.
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10
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Am 7.9.2010 beantragte die Antragstellerin
die AdV der Bescheide vom 1.6.2010 und vom 29.6.2010 beim
FG.
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11
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Während des anhängigen Verfahrens
ersetzte das FA mit Bescheiden vom 1.10.2010 die Bescheide vom
1.6.2010 und vom 29.6.2010, jeweils verbunden mit der
ausdrücklichen Feststellung, dass die Festsetzung des
Verzögerungsgelds nach erneuter Überprüfung bestehen
bleibe. In den Bescheiden vom 1.10.2010 hat das FA umfassend zu
seinen Ermessenserwägungen Stellung genommen.
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12
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Das FG hat die Vollziehung der Bescheide
vom 1.10.2010 ausgesetzt. Zur Begründung hat es im
Wesentlichen ausgeführt:
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13
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Die Bescheide vom 1.10.2010 seien in
entsprechender Anwendung des § 68 Satz 1 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Verfahrens geworden.
Der Antrag sei angesichts des Begehrens der Antragstellerin
dahingehend auszulegen, dass nunmehr die AdV der Bescheide vom
1.10.2010 begehrt werde.
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14
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Der Antrag sei begründet, da
ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Bescheide
bestünden.
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15
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Ernstliche Zweifel an der
Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 1.6.2010 in der
geänderten Fassung vom 1.10.2010 bestünden deshalb, weil
das FA im Rahmen der neuerlichen Ausübung seines Ermessens
unberücksichtigt gelassen habe, dass zwischenzeitlich mit der
Festsetzung eines höheren Verzögerungsgelds ein
relevantes Ereignis eingetreten sei. Es treffe deshalb nicht zu,
wenn das FA von einer erstmaligen Sanktionsmaßnahme
ausgehe.
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16
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Ernstliche Zweifel an der
Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 29.6.2010 in der
geänderten Fassung vom 1.10.2010 bestünden insoweit, als
das FA die mehrfache Festsetzung eines Verzögerungsgelds wegen
fortdauernder Nichtvorlage derselben angeforderten Unterlagen i.S.
des § 200 Abs. 1 AO auf § 146 Abs. 2b AO gestützt
habe. Eine ausdrückliche diesbezügliche Regelung finde
sich in § 146 Abs. 2b AO nicht. Es sei auch kein Verweis auf
§ 332 Abs. 3 AO enthalten, wonach eine erneute
Zwangsgeldandrohung wegen derselben Verpflichtung möglich sei.
Eine analoge Anwendung dieser Regelung verbiete sich wegen der
unterschiedlichen Zielsetzung von Verzögerungsgeld und
Zwangsgeld.
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17
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Zudem seien ernstliche Zweifel dadurch
begründet, dass das FA mit den seiner Auffassung nach
aussichtslosen Anträgen auf AdV der Prüfungsanordnung bei
der Ermessensentscheidung sachfremde Umstände
berücksichtigt habe.
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18
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Mit der vom FG zugelassenen (§ 128
Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 115 Abs. 2 FGO) Beschwerde macht das FA
geltend, dass die Änderungsbescheide vom 1.10.2010
rechtmäßig seien.
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19
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Im Rahmen der Ermessensausübung bei
dem Änderungsbescheid vom 1.10.2010, soweit er die erstmalige
Festsetzung des Verzögerungsgelds betroffen habe, sei die
weitere Festsetzung eines Verzögerungsgelds nicht zu
berücksichtigen gewesen. Beide Festsetzungen hätten auf
verschiedenen Mitwirkungsverlangen beruht und seien daher
unabhängig voneinander zu beurteilen.
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20
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Auch die Festsetzung eines erneuten
Verzögerungsgelds sei rechtmäßig, da die Sanktion
nach dem Wortlaut des § 146 Abs. 2b AO an die jeweilige
Aufforderung anknüpfe. Anders als beim Zwangsgeld werde daher
nicht dieselbe Pflichtverletzung sanktioniert.
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21
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Auch habe das FA zu Recht im Rahmen der
Ermessensentscheidung berücksichtigt, dass die Antragstellerin
durch eine Reihe von Anträgen auf AdV der
Prüfungsanordnung, welche wegen der eingetretenen
Bestandskraft aussichtslos gewesen seien, die Durchführung der
Außenprüfung zu verhindern gesucht habe.
Vollstreckungsmaßnahmen hätten grundsätzlich zu
unterbleiben, soweit über einen Aussetzungsantrag noch nicht
entschieden worden sei. Im Übrigen seien diese
Ausführungen erkennbar nur ergänzend und nicht tragend
gewesen.
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22
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Das FA beantragt sinngemäß, den
Beschluss des FG aufzuheben und die Anträge auf AdV der
Bescheide vom 1.10.2010 als unbegründet abzulehnen.
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Die Antragstellerin beantragt
sinngemäß, die Beschwerde zurückzuweisen.
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24
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Zur Begründung führt sie im
Wesentlichen aus: Solange der Verwaltungsakt - hier Anforderung von
Buchführungsunterlagen - nicht bestandskräftig und
über ein diesbezügliches Aussetzungsverfahren noch nicht
entschieden worden sei, könne kein Verzögerungsgeld
festgesetzt werden. Es sei auch nicht zulässig, das
Verzögerungsgeld zu vervielfachen, indem es auf mehrere
Verpflichtungen atomisiert werde - hier Datenträger und
Buchführungsunterlagen.
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25
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Die Ermessenserwägungen hätten
spätestens im Rahmen der Einspruchsentscheidung dargelegt
werden müssen. Eine Nachholung in einem finanzgerichtlichen
Verfahren sei nicht möglich. Das FA habe zudem nicht
dargelegt, welche konkrete zeitliche Verzögerung eingetreten
sei.
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26
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Die Verzögerungsgelder seien auch
fehlerhaft gegen die Antragstellerin festgesetzt worden. Zutreffend
hätten sich die Bescheide gegen die gemäß § 34
AO für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten
zuständigen Geschäftsführer (hier die
Gesellschafter) der Antragstellerin richten müssen.
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27
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Die Festsetzung eines erneuten
Verzögerungsgelds sei auch deshalb unzulässig, weil
über die erste Festsetzung noch nicht bestandskräftig
entschieden worden sei. Auch sei die Zeitspanne zwischen den beiden
Festsetzungsbescheiden zu kurz bemessen. Zudem sei zweifelhaft, ob
die mehrfache Festsetzung eines Verzögerungsgelds wegen
fortdauernder Nichtvorlage derselben Unterlagen von § 146 Abs.
2b AO gedeckt sei.
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28
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Im Übrigen könne ein
Verzögerungsgeld nur im Zusammenhang mit einer
Buchführungsverlagerung nach § 146 Abs. 2a AO festgesetzt
werden.
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29
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II. 1. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 FGO kann
das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen
Verwaltungsakts ganz oder teilweise aussetzen.
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30
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a) Die Aussetzung soll erfolgen, wenn
ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des
Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den
Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende
öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge
hätte (§ 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO).
Ernstliche Zweifel i.S. des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO sind zu
bejahen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen
Verwaltungsakts neben für seine Rechtmäßigkeit
sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten,
die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der
entscheidungserheblichen Rechtsfragen oder Unklarheit in der
Beurteilung von Tatfragen bewirken (vgl. Beschluss des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 10.2.1967 III B 9/66, BFHE 87, 447,
BStBl III 1967, 182 = SIS 67 01 06, seitdem ständige
Rechtsprechung). Die AdV setzt nicht voraus, dass die für die
Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe überwiegen (vgl.
BFH-Beschluss vom 6.11.2008 IV B 126/07, BFHE 223, 294, BStBl II
2009, 156 = SIS 08 42 92).
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31
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b) Die Entscheidung über einen Antrag auf
AdV ergeht wegen dessen Eilbedürftigkeit aufgrund des
Prozessstoffs, der sich aus den dem Gericht vorliegenden
Unterlagen, insbesondere den Akten der Finanzbehörde und
präsenten Beweismitteln ergibt (BFH-Beschluss vom 21.7.1994 IX
B 78/94, BFH/NV 1995, 116). Aus diesen Unterlagen hat das Gericht
seine Feststellungen zum Sachverhalt zu treffen. Im
Beschwerdeverfahren gegen die Entscheidung über einen Antrag
auf AdV durch das FG hat der BFH als Tatsachengericht
grundsätzlich selbst die Befugnis und Pflicht zur
Tatsachenfeststellung (BFH-Beschluss in BFHE 223, 294, BStBl II
2009, 156 = SIS 08 42 92, m.w.N.).
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32
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c) Die Beschwerde ist statthaft, weil das FG
sie zugelassen hat (§ 128 Abs. 3 FGO). Der BFH ist daran -
abgesehen von Fällen greifbarer Gesetzeswidrigkeit - gebunden
(BFH-Beschluss vom 6.2.2009 IV B 125/08, BFH/NV 2009, 760 = SIS 09 12 60, m.w.N.).
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33
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d) Zutreffend ist das FG davon ausgegangen,
dass die Bescheide vom 1.10.2010 in entsprechender Anwendung des
§ 68 Satz 1 FGO zum Gegenstand des Verfahrens geworden
sind.
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34
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§ 68 Satz 1 FGO greift u.a. dann ein,
wenn ein angefochtener Verwaltungsakt aus formellen Gründen
aufgehoben und inhaltsgleich wiederholt wird. Dies gilt
gleichermaßen auch dann, wenn der ursprüngliche Bescheid
keine hinreichenden Ausführungen zur Ermessensausübung
enthält und diese in dem „ersetzenden“
Bescheid nachgeholt werden (BFH-Urteil vom 16.12.2008 I R 29/08,
BFHE 224, 195, BStBl II 2009, 539 = SIS 09 15 23, m.w.N.). Der
Anwendungsbereich des § 68 FGO ist auch eröffnet, wenn
die Hauptsache sich noch im Vorverfahren befindet und der
Änderungsbescheid gemäß § 365 Abs. 3 AO
Gegenstand des Vorverfahrens geworden ist (BFH-Beschluss vom
25.10.1994 VIII B 101/94, BFH/NV 1995, 611).
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35
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Die Bescheide vom 1.10.2010 sind in ihrem
Regelungsausspruch inhaltsgleich mit den Bescheiden vom 1.6.2010
und vom 29.6.2010. In den Bescheiden vom 1.10.2010 sind lediglich
die Ermessenserwägungen nachgeholt worden. Die ersetzenden
Bescheide sind daher entsprechend § 68 Satz 1 FGO zum
Gegenstand des Verfahrens geworden.
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36
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2. Vorliegend bestehen bei summarischer
Prüfung keine ernstlichen Zweifel an der
Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 1.6.2010 in der
geänderten Fassung vom 1.10.2010.
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37
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Das FA hat die Festsetzung des
Verzögerungsgelds in Höhe von 2.500 EUR wegen
Nichtvorlage der Buchführungsunterlagen zu Recht auf §
146 Abs. 2b AO gestützt.
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38
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a) Nach der Regelung des § 146 Abs. 2b AO
kann ein Verzögerungsgeld von 2.500 EUR bis 250.000 EUR
festgesetzt werden, wenn ein Steuerpflichtiger der Aufforderung zur
Rückverlagerung seiner elektronischen Buchführung oder
seinen Pflichten nach § 146 Abs. 2a Satz 4 AO, zur
Einräumung des Datenzugriffs nach § 147 Abs. 6 AO, zur
Erteilung von Auskünften oder zur Vorlage angeforderter
Unterlagen i.S. des § 200 Abs. 1 AO im Rahmen einer
Außenprüfung innerhalb einer ihm bestimmten angemessenen
Frist nach Bekanntgabe durch die zuständige Finanzbehörde
nicht nachkommt oder er seine elektronische Buchführung ohne
Bewilligung der zuständigen Finanzbehörde ins Ausland
verlagert hat.
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39
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Das Verzögerungsgeld wurde durch Art. 10
Nr. 8 des Jahressteuergesetzes 2009 vom 19.12.2008 (BGBl I 2008,
2794) - JStG 2009 - mit Wirkung vom 25.12.2008 (Art. 39 Abs. 1,
Abs. 8 JStG 2009) als neue steuerliche Nebenleistung (§ 3 Abs.
4 AO) eingeführt. Die Einführung des
Verzögerungsgelds stand im engen Kontext mit der ebenfalls
durch das JStG 2009 eingeführten Regelung in § 146 Abs.
2a AO. Danach kann das Finanzamt dem Steuerpflichtigen unter
bestimmten Voraussetzungen bewilligen, seine Buchführung in
das Ausland zu verlagern. Für den Fall, dass die
Voraussetzungen nicht oder nicht mehr vorliegen, kann die
Bewilligung widerrufen und die unverzügliche
Rückverlagerung verlangt werden (§ 146 Abs. 2a Satz 3
AO). Um den Steuerpflichtigen in diesem Fall zu einer zeitnahen
Rückverlagerung der Buchführung anzuhalten, ist die
Möglichkeit der Festsetzung eines Verzögerungsgelds
normiert worden.
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40
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Über diesen direkten Normzusammenhang
hinaus kann nach dem zuvor dargelegten Wortlaut ein
Verzögerungsgeld aber auch dann verhängt werden, wenn ein
Steuerpflichtiger einer Aufforderung des Finanzamts zur Erteilung
von Auskünften oder zur Vorlage angeforderter Unterlagen i.S.
von § 200 Abs. 1 AO im Rahmen einer Außenprüfung
innerhalb einer angemessenen Frist nicht nachkommt (Urteil des
Schleswig-Holsteinischen FG vom 1.2.2011 3 K 64/10, EFG 2011, 846 =
SIS 11 10 62; ebenso Geißler, Neue Wirtschaftsbriefe 2009,
4076; Klein/Rätke, AO, 10. Aufl., § 146 Rz 5b; Gebbers,
Die steuerliche Betriebsprüfung 2009, 130). Es erscheint zwar
systematisch missglückt, die Regelung des
Verzögerungsgelds wegen der Verletzung von
Mitwirkungspflichten bei einer Außenprüfung mit einem
Verzögerungsgeld im Zusammenhang mit anderen Verpflichtungen
zu verbinden. Sie hätte, worauf Drüen in Tipke/Kruse,
Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 146 AO Rz 51
zutreffend hinweist, besser in § 200 AO verortet werden
sollen. Angesichts des eindeutigen Wortlauts kann aber allein aus
der unzureichenden systematischen Verortung nicht darauf
geschlossen werden, dass ein Verzögerungsgeld nur im
Zusammenhang mit einer ohne Bewilligung der Finanzbehörde
erfolgten Verlagerung der Buchführung ins Ausland oder
unterbliebener Rückverlagerung der Buchführung aus dem
Ausland festgesetzt werden darf (so aber Drüen in Tipke/Kruse,
a.a.O., § 146 AO Rz 51). Dieses Verständnis der Norm wird
durch die Gesetzesbegründung gestützt. Danach soll das
Verzögerungsgeld im Falle der Verletzung von
Mitwirkungspflichten gleichermaßen gelten, um eine
Ungleichbehandlung von Steuerpflichtigen, die ihre Bücher und
sonstigen Aufzeichnungen im Ausland führen, gegenüber
solchen Steuerpflichtigen, die dies im Inland tun, zu vermeiden
(vgl. BTDrucks 16/10189, S. 81). Unerheblich ist in diesem
Zusammenhang, ob eine Erstreckung des Verzögerungsgelds auch
auf Fälle sonstiger Mitwirkungsverletzungen aus Gründen
der Gleichbehandlung überhaupt erforderlich gewesen wäre
(ablehnend Drüen in Tipke/Kruse, a.a.O., § 146 AO Rz
51).
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41
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b) Der Tatbestand des § 146 Abs. 2b AO
ist vorliegend erfüllt. Gegenüber der Antragstellerin ist
mit Bescheid vom 9.5.2008 eine Außenprüfung angeordnet
worden. Der Bescheid ist nach Abschluss des dagegen gerichteten
Klage- und Revisionszulassungsverfahrens bestandskräftig
(siehe BFH-Beschluss vom 19.11.2009 IV B 62/09, BFH/NV 2010, 595 =
SIS 10 08 33).
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aa) Das FA durfte deshalb die Aufforderung an
die Antragstellerin vom 1.3.2010, 8. und 21.4.2010 zur Vorlage der
Buchführungsunterlagen zuletzt bis zum 27.4.2010 erlassen. Die
relativ kurze Frist war angesichts der besonderen Umstände des
Streitfalls noch angemessen. Zum einen war die Antragstellerin
bereits mehrmals zur Vorlage der Buchführungsunterlagen
aufgefordert worden. Zum anderen hat die Antragstellerin durch
selbst mit nicht statthaften Anträgen verbundene Rechtsbehelfe
gegen sämtliche Mitwirkungsverlangen des Prüfers
fortwährend Verzögerungen bewirkt.
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43
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bb) Der Festsetzung des Verzögerungsgelds
steht nicht entgegen, dass die Antragstellerin die Aufforderung zur
Vorlage der Buchführungsunterlagen mit Rechtsmitteln
angegriffen hat. Maßgeblich ist allein, dass die Aufforderung
vollziehbar war. Nach Aktenlage wurden die Anträge auf AdV der
Aufforderungen zur Vorlage der Buchführungsunterlagen
abgelehnt.
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44
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cc) Im Streitfall bedarf es keiner
Ausführungen dazu, ob und inwieweit § 146 Abs. 2b AO eine
Vervielfachung der Festsetzung des Verzögerungsgelds dadurch
ermöglicht, dass sich die vorherige Aufforderung auf eine
Vielzahl von Unterlagen erstreckt. Denn das FA hat in dem Bescheid
vom 1.6.2010 in der geänderten Fassung vom 1.10.2010 nur den
Mindestbetrag von 2.500 EUR festgesetzt, so dass sich das Problem
einer Vervielfachung des Verzögerungsgelds nicht stellt.
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45
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dd) Der Bescheid über die Festsetzung des
Verzögerungsgelds ist ebenso wie die Aufforderung zur Vorlage
der Buchführungsunterlagen zutreffend an die Antragstellerin
als Inhaltsadressatin gerichtet worden. Insoweit kann für
diese Bescheide nichts anderes gelten als für die
Prüfungsanordnung. Unterhält eine Personengesellschaft
einen Gewerbebetrieb (§ 193 Abs. 1 AO), ist sie selbst
Prüfungssubjekt und damit Inhaltsadressatin der
Prüfungsanordnung nicht nur für die Steuern, die sie
persönlich schuldet (z.B. Gewerbesteuer und Umsatzsteuer),
sondern gleichermaßen im Hinblick auf die gesondert und
einheitlich festzustellenden Einkünfte ihrer Gesellschafter
(BFH-Urteil vom 26.6.2007 IV R 75/05, Deutsches Steuerrecht/
Entscheidungsdienst 2008, 341 = SIS 07 38 59). Auch im Streitfall
war die Prüfungsanordnung zutreffend an die Antragstellerin
als Inhaltsadressatin gerichtet. Entsprechend oblagen ihr auch die
Mitwirkungspflichten im Zusammenhang mit der Durchführung der
Außenprüfung.
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46
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ee) Der Senat hat bei summarischer
Prüfung schließlich auch keine ernstlichen Zweifel
daran, dass das FA sein Entschließungsermessen im Hinblick
auf das Ob einer Festsetzung des Verzögerungsgelds und sein
Auswahlermessen im Hinblick auf die Höhe des
Verzögerungsgelds zutreffend ausgeübt hat.
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47
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Das FA musste beim Erlass des Bescheids vom
1.10.2010, mit dem der Bescheid vom 1.6.2010 geändert bzw.
ersetzt worden ist, im Rahmen der Ermessensausübung nicht
berücksichtigen, dass zwischenzeitlich ein höheres
Verzögerungsgeld festgesetzt worden ist. Anders als das FG
meint, ist die Festsetzung eines weiteren Verzögerungsgelds
jedenfalls im Streitfall kein relevantes Ereignis, welches in die
Ermessenserwägungen des ersten Bescheids miteinzubeziehen
gewesen wäre.
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48
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Zutreffend weist das FA darauf hin, dass beide
Bescheide auf voneinander unabhängigen Mitwirkungsverlangen
beruhen, nämlich einerseits den Aufforderungen vom 1.3.2010,
8. und 21.4.2010 und andererseits der Aufforderung vom 21.6.2010.
Zwar liegt es nahe, dass die erstmalige Festsetzung eines
Verzögerungsgelds in die Ermessenserwägung
(Auswahlermessen) im Rahmen der betragsmäßigen
Festsetzung eines weiteren Verzögerungsgelds
einzufließen hat, soweit eine weitere Festsetzung dem Grunde
nach überhaupt zulässig ist (dazu unter II.3.). Umgekehrt
kann die Festsetzung eines weiteren Verzögerungsgelds aber
keinerlei Einfluss auf die erstmalige Festsetzung eines
Verzögerungsgelds haben. Die Ermessenserwägungen sind
vielmehr ausschließlich auf diesen erstmalig verwirklichten
Sachverhalt zu beziehen. Später eintretende Umstände sind
auch nicht dann im Rahmen der Ermessensausübung zu
berücksichtigen, wenn, wie im Streitfall, das FA die
zunächst unterlassenen Ermessenserwägungen in einem
Änderungs- bzw. Ersetzungsbescheid zu einem Zeitpunkt
nachholt, in dem ein weiteres Verzögerungsgeld bereits
festgesetzt worden ist. Denn ungeachtet der zwischenzeitlich
eingetretenen Änderungen müssen sich die
Ermessenserwägungen ausschließlich auf den Sachverhalt
beziehen, der im Zeitpunkt des Erlasses des ersten
Festsetzungsbescheids verwirklicht war.
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49
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3. Bei summarischer Prüfung bestehen
indes ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des
Bescheids vom 29.6.2010 in der Fassung vom 1.10.2010.
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a) Es ist ernstlich zweifelhaft, ob die
mehrfache Festsetzung eines Verzögerungsgelds wegen
fortdauernder Nichtvorlage derselben angeforderten Unterlagen i.S.
des § 200 Abs. 1 AO von § 146 Abs. 2b AO gedeckt ist
(für zulässig erachtet von tom Suden, § 146 Abs. 2a
und 2b AO: Das trojanische Pferd im Steuerrecht, Die Steuerberatung
2009, 207; Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom
22.4.2010, DStR 2011, 676 = SIS 10 42 65).
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Die Zulässigkeit einer mehrfachen
Festsetzung wegen derselben Verpflichtung lässt sich weder aus
dem Wortlaut noch aus dem Sinn und Zweck der Regelung des §
146 Abs. 2b AO entnehmen. Das Verzögerungsgeld soll nach der
Gesetzesbegründung den Steuerpflichtigen zur zeitnahen
Mitwirkung anhalten. Es steht damit in einem
Konkurrenzverhältnis zu dem Zwangsgeld gemäß §
328 Abs. 1, § 329 AO. Für das Zwangsgeld enthält
§ 332 Abs. 3 AO die ausdrückliche gesetzliche
Ermächtigung, es erneut wegen derselben Verpflichtung
anzudrohen, wenn das zunächst angedrohte Zwangsgeld erfolglos
geblieben ist. Das Schweigen des Gesetzgebers zu der
Möglichkeit einer erneuten Festsetzung eines
Verzögerungsgelds deutet daher darauf hin, dass ein
Verzögerungsgeld wegen derselben Verpflichtung nur einmal
festgesetzt werden kann. Eine analoge Anwendung des § 332 Abs.
3 AO kommt nach Auffassung des Senats nicht in Betracht, weil nicht
zu erkennen ist, dass das Fehlen einer Regelung zur wiederholten
Festsetzung eines Verzögerungsgelds auf einem Versehen des
Gesetzgebers beruht. Es fehlt damit an der für eine analoge
Gesetzesanwendung erforderlichen planwidrigen
Regelungslücke.
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52
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b) Da das FA noch nicht über den
Einspruch gegen den Bescheid vom 29.6.2010 in der Fassung vom
1.10.2010 entschieden hat, beschränkt der Senat in
Ausübung seines Ermessens die AdV des Bescheids vom 29.6.2010
in der geänderten Fassung vom 1.10.2010 bis zum Abschluss des
Einspruchsverfahrens.
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