7
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In ihren Einkommensteuererklärungen
machten die Kläger die Rentenzahlungen, die sie teilweise
überwiesen und teilweise bar geleistet hatten, als
Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a des
Einkommensteuergesetzes (EStG) in der in den Streitjahren
gültigen Fassung geltend.
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Der Beklagte und Revisionskläger (das
Finanzamt - FA - ) erkannte lediglich Rentenzahlungen in Höhe
von 24.000 DM für die Monate Januar bis Juni 2001 als
Sonderausgaben an und versagte für die Streitjahre 2002 und
2003 den Sonderausgabenabzug vollständig. Die Einsprüche
der Kläger hiergegen blieben erfolglos.
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Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt.
Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, die
Versorgungsleistungen der zweiten Jahreshälfte 2001 sowie die
Zahlungen im Januar und Februar 2002 seien trotz der Abweichung von
den Vereinbarungen im Versorgungsvertrag als Sonderausgaben
abziehbar. Der Kläger habe die Rente in den Jahren 1999 und
2000 vollständig und zeitnah bezahlt. Die vereinzelte
Nichtzahlung der Rente in den Jahren 2001 und 2002 sei durch die
finanziell verschlechterte betriebliche Lage der Bäckerei
bedingt und daher nicht willkürlich. Zudem könne
vernachlässigt werden, dass die Zahlungen gelegentlich
verspätet geleistet worden seien. Auch die
Versorgungsleistungen für die Monate August bis Dezember 2003
seien als Sonderausgaben zu berücksichtigen. Zwar habe bei
Übergabe des Vermögens im Jahr 1998/1999 ein
Versorgungsvertrag nach dem sog. Typus 2 vorgelegen, da der Ertrag
des von den Eltern übergebenen Vermögens nicht zur
Deckung der Versorgungsleistungen ausgereicht habe. Die
Wiederaufnahme der Zahlungen ab August 2003 sei jedoch wegen der
völligen Einstellung der Zahlungen im Vorjahr als
Vertragsänderung anzusehen. Der Kläger habe sich mit
seinen Eltern auf ein neues Vertragskonzept geeinigt und
beschlossen, nach der begonnenen Sanierung die Rentenzahlungen in
der ursprünglich vereinbarten Höhe wieder aufzunehmen.
Deshalb sei zum Zeitpunkt der Wiederaufnahme der Zahlungen eine
neue Ertragsprognose zu stellen. Diese falle zugunsten des
Klägers aus, da die Rentenzahlungen aus dem Betriebsergebnis
der GmbH und des Vermietungsunternehmens hätten bedient werden
können.
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Mit seiner Revision rügt das FA die
Verletzung des § 10 Abs. 1 Nr. 1a i.V.m. § 12 EStG. Es
liege ein Übergabevertrag nach dem sog. Typus 2 vor. Die
Versorgungsleistungen seien nicht durch die laufenden
Nettoerträge des übernommenen Vermögens gedeckt.
Daher seien die in den Jahren 2001 und 2002 gezahlten Renten nicht
als dauernde Last abziehbar, sondern stellten Unterhaltsleistungen
oder Leistungen aufgrund freiwillig begründeter Rechtspflicht
i.S. des § 12 EStG dar. Zwar habe es - das FA - sich auf
Antrag des Klägers im Einspruchsverfahren damit einverstanden
erklärt, dass im Streitfall die Grundsätze des Schreibens
des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 26.8.2002 IV C 3 - S
2255 - 420/02 (BStBl I 2002, 893 = SIS 02 95 06) weiter anzuwenden
seien, weil die Eltern dem Kläger eine existenzsichernde und
ihrem Wesen nach ertragbringende Wirtschaftseinheit - wenn auch
ohne ausreichende Erträge - überlassen hätten (vgl.
hierzu Tz 74 des BMF-Schreibens vom 16.9.2004 IV C 3 - S 2255 -
354/04, BStBl I 2004, 922 = SIS 04 37 77). Nach der Rechtsprechung
des Bundesfinanzhofs - BFH - (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom
15.11.2006 X B 11/06, BFH/NV 2007, 209 = SIS 07 03 52) habe das FG
diese auf Billigkeitsgründen beruhende Übergangsregelung
aber nicht anwenden dürfen.
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Die ursprünglich zwischen den Parteien
des Vermögensübergabevertrags getroffenen Vereinbarungen
seien nicht wie unter fremden Dritten durchgeführt worden. Ein
Fremder hätte nicht die völlige Aussetzung der Zahlungen
hingenommen, sondern allenfalls eine Minderung akzeptiert. Hinzu
komme, dass der Kläger auch mit fremden Gläubigern
(Arbeitnehmern, Vermietern) und sich selbst (als Vermieter und
Geschäftsführer) nur eine Minderung der ursprünglich
vereinbarten Zahlungsansprüche vereinbart habe. Fremde Dritte
hätten zudem auch bei einer Sanierungsbedürftigkeit des
übertragenen Betriebs im Voraus klare, eindeutige und
einklagbare Vereinbarungen über den Charakter der Aussetzung
(endgültiger Erlass oder nur vorübergehende Stundung)
sowie über deren vorgesehene Dauer bzw. über eine
Wiederaufnahme der Zahlungen getroffen. Die Bezugnahme auf §
323 ZPO im Übergabevertrag hätte allenfalls eine
Minderung der künftigen Leistungen gerechtfertigt.
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12
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In den letzten drei Jahren vor
Betriebsübergabe habe der Durchschnittsgewinn des
Einzelunternehmens des Vaters des Klägers 113.000 DM betragen.
Dieser Gewinn hätte zwar ausgereicht, um die Zahlung der
zugesagten Altenteilsleistungen in Höhe von 48.000 DM zu
ermöglichen. Da der Vater jedoch noch vor der
Betriebsübergabe am 1.1.1999 erhebliche Beträge in neue
Maschinen und Geräte investiert habe, seien die früheren
Betriebsergebnisse für Prognosezwecke um die bereits
absehbaren Finanzierungskosten zu bereinigen. Der bisherige
Durchschnittsertrag wäre davon aufgezehrt worden, während
die erhoffte Steigerung der Umsätze und des Gewinns
völlig ungewiss gewesen und auch nicht eingetreten sei.
Deshalb habe das FG den Übergabevertrag zutreffend dem sog.
Typus 2 zugeordnet.
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13
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Die Anerkennung der im Jahr 2003
wiederaufgenommenen Rentenzahlungen als Sonderausgaben stehe in
Widerspruch zur Rechtsprechung des BFH zur willkürlichen
Aussetzung und Wiederaufnahme von Zahlungen (vgl. Senatsurteil vom
3.3.2004 X R 14/01, BFHE 205, 261, BStBl II 2004, 826 = SIS 04 17 27). Aus dem Senatsurteil vom 13.12.2005 X R 61/01 (BFHE 212, 195,
BStBl II 2008, 16 = SIS 06 16 44) könne nicht gefolgert
werden, dass nach jeder Vertragsänderung eine erneute
Ertragsprognose anzustellen sei und ursprünglich wegen ihrer
Zuordnung zum sog. Typus 2 nicht als Sonderausgaben abziehbare
Zahlungen für die Zukunft steuerlich anzuerkennen
seien.
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Das Finanzamt beantragt, das
erstinstanzliche Urteil aufzuheben und die Klage
abzuweisen.
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Die Kläger beantragen, die Revision
zurückzuweisen.
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Die Entscheidung des FG stehe in Einklang
mit der Rechtsprechung des BFH und enthalte keinen
Rechtsanwendungsfehler.
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II. Die Revision ist teilweise begründet.
Sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Abweisung der
Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -
FGO - ), soweit das FG die wiederkehrenden Zahlungen der
Kläger in Höhe von 10.225,85 EUR im Streitjahr 2003 als
Sonderausgaben anerkannt hat. Keinen Erfolg hat die Revision des
FA, soweit sie die Streitjahre 2001 und 2002 betrifft.
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18
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1. Als Sonderausgaben abziehbar sind die auf
besonderen Verpflichtungsgründen beruhenden Renten und
dauernden Lasten, die nicht mit Einkünften in wirtschaftlichem
Zusammenhang stehen, die bei der Veranlagung außer Betracht
bleiben (§ 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG). Hierzu hat die
Rechtsprechung des BFH im Wesentlichen die folgenden
Grundsätze entwickelt:
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a) Nach Maßgabe des § 12 EStG sind
nicht abziehbar u.a. freiwillige Zuwendungen und Zuwendungen
aufgrund einer freiwillig begründeten Rechtspflicht (§ 12
Nr. 2 EStG). Dies gilt auch für die im Einleitungssatz des
§ 12 EStG nicht erwähnten Renten und dauernden Lasten
(§ 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG), soweit diese - außerhalb der
für die Vermögensübergabe geltenden Sonderregelung -
Unterhaltsleistungen oder Leistungen aufgrund freiwillig
begründeter Rechtspflicht sind (Senatsurteil vom 27.2.1992 X R
139/88, BFHE 167, 381, BStBl II 1992, 612 = SIS 92 13 02).
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b) Die steuerrechtliche Behandlung der
Versorgungsleistungen als dauernde Last/wiederkehrende Bezüge
„beruht auf dem Umstand, dass sich der
Vermögensübergeber in Gestalt der Versorgungsleistungen
typischerweise Erträge seines Vermögens vorbehält,
die nunmehr allerdings vom Vermögensübernehmer
erwirtschaftet werden müssen“ (Beschluss des
Großen Senats des BFH vom 5.7.1990 GrS 4-6/89, BFHE 161, 317,
BStBl II 1990, 847 = SIS 90 21 04). Dem liegt nach dem Beschluss
des Großen Senats des BFH vom 12.5.2003 GrS 1/00 (BFHE 202,
464, BStBl II 2004, 95 = SIS 03 42 57) die normleitende Vorstellung
zugrunde, dass der Übergeber das Vermögen - ähnlich
wie beim Nießbrauchsvorbehalt - ohne die vorbehaltenen
Erträge, die nunmehr als Versorgungsleistungen
zufließen, übertragen hat. Maßgebendes Kriterium
für die Frage, ob ein Wirtschaftsgut Gegenstand einer
Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen sein kann,
ist, so der Große Senat, „die Vergleichbarkeit mit
dem Vorbehaltsnießbrauch. Die Vermögensübergabe
muss sich so darstellen, dass die vom Übernehmer zugesagten
Leistungen - obwohl sie von ihm erwirtschaftet werden müssen -
als zuvor vom Übergeber vorbehaltene - abgespaltene -
Nettoerträge vorstellbar sind“. Dies ist für
die Abziehbarkeit und materiell-rechtlich korrespondierend für
die Steuerbarkeit der privaten Versorgungsrente konstituierend
(Senatsurteil vom 16.6.2004 X R 50/01 BFHE 207, 114, BStBl II 2005,
130 = SIS 04 39 92, unter II.1.b der Gründe).
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2. Die Annahme des FG, der im Oktober 1998
geschlossene Übergabevertrag sei dem sog. Typus 2 (sog. 1.
Rentenerlass vom 23.12.1996 IV B 3 - S 2257 - 54/96, BStBl I 1996,
1508 = SIS 97 03 04; Anerkennung als Versorgungsleistungen bei
deren mindestens 50 %iger Deckung durch das übertragene
Vermögen) zuzuordnen, ist rechtsfehlerhaft.
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a) Im Streitfall greift die vom Großen
Senat in BFHE 202, 464, BStBl II 2004, 95 = SIS 03 42 57 (unter
C.II.6.d bb) formulierte „Beweiserleichterung“.
Danach besteht bei der Übertragung eines gewerblichen
Unternehmens gegen wiederkehrende Bezüge im Zuge der
vorweggenommenen Erbfolge eine nur in seltenen Ausnahmefällen
widerlegliche Vermutung dafür, dass die Beteiligten im
Zeitpunkt der Übertragung angenommen haben, der Betrieb werde
auf Dauer ausreichende Gewinne erwirtschaften, um die
wiederkehrenden Leistungen abzudecken. Das FG hat keinerlei
Feststellungen getroffen, die diese Beweiserleichterung
entkräften könnten. Vielmehr reichte der in den Jahren
vor der Vermögensübergabe erzielte Durchschnittsgewinn
des Einzelunternehmens des Vaters des Klägers zur
Erfüllung der Versorgungsleistungen selbst dann aus, wenn er
nicht - wie von den Klägern im finanzgerichtlichen Verfahren
vorgetragen - bei ca. 300.000 DM, sondern bei 113.000 DM
jährlich - so die Einlassung des FA in der
Revisionsbegründungsschrift - gelegen hätte. Werden - wie
vom FA in der Revisionsbegründung berechnet - für
Prognosezwecke die jährlichen Mehrbelastungen des
Besitzunternehmens berücksichtigt, die aus den
fremdfinanzierten Investitionen zwischen dem Abschluss des
Übergabevertrags (23.10.1998) und dem Tag der
Betriebsübergabe (1.1.1999) resultieren, ist diesen die
Ertragssteigerung entgegenzusetzen, die die Investitionen nach
Auffassung der Beteiligten zur Folge haben sollten. Dass die
erhoffte Steigerung der Umsätze und Gewinne nicht sicher war
und tatsächlich auch nicht eingetreten ist, ändert hieran
schon deshalb nichts, weil die Versorgungsleistungen selbst in den
Streitjahren 2001 bis 2003 nach den Feststellungen des FG (vgl. die
Entscheidungsgründe unter 2.b) trotz der finanziellen
Schwierigkeiten in diesen Jahren aus dem Ertragsüberschuss des
Besitz- und des Betriebsunternehmens hätten bedient werden
können. Im Übrigen rechnet nach der Rechtsprechung bei
der Übertragung einer wesentlichen Beteiligung an einer
Kapitalgesellschaft auch die Tätigkeitsvergütung für
die Geschäftsführung zum erzielbaren Nettoertrag des
überlassenen Vermögens (Senatsurteil vom 21.7.2004 X R
44/01, BFHE 207, 179, BStBl II 2005, 133 = SIS 04 39 37). Nichts
anderes kann gelten in Fällen, in denen der
Vermögensübergeber ein Einzelunternehmen
überträgt, der Vermögensübernehmer dieses als
GmbH fortführt und ein Geschäftsführergehalt
bezieht.
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b) Der Senat ist an die vom FG vorgenommene
Wertung des Versorgungsvertrags (Typus 2 im Zeitpunkt der
Vermögensübergabe) nicht gebunden. Zwar gehört die
Auslegung von Verträgen grundsätzlich zum Bereich der
tatsächlichen Feststellungen i.S. des § 118 Abs. 2 FGO.
Die Bindungswirkung entfällt jedoch, wenn die Auslegung des FG
anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze
verletzt (BFH-Urteil vom 23.1.2003 IV R 75/00, BFHE 201, 278, BStBl
II 2003, 467 = SIS 03 19 27, m.w.N.). Das FG hat im Streitfall den
Versorgungsvertrag nicht ausgelegt. Es hat aus dem Umstand, dass
der Ertragsüberschuss der Jahre 2001 bis 2003 die
Versorgungsleistungen deckt, lediglich gefolgert, die neue
Ertragsprognose im Jahr 2003 falle zugunsten der Kläger aus
(Entscheidungsgründe des FG unter 2.b). Es hat nicht
geprüft, ob die übereinstimmende Einschätzung der
Kläger und des FA, bei Vertragsschluss habe ein
Übergabevertrag des sog. Typus 2 vorgelegen, zutreffend
ist.
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3. Zu Recht hat das FG die in der zweiten
Jahreshälfte 2001 und im Januar bzw.2.2002 gezahlten
wiederkehrenden Leistungen als Sonderausgaben anerkannt.
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a) Zutreffend ging das FG davon aus, dass die
vereinbarten Leistungen als abänderbar anzusehen sind. Da im
Versorgungsvertrag auf § 323 ZPO Bezug genommen wurde, konnten
die Beteiligten den Vertrag und damit auch die Höhe der
wiederkehrenden Leistungen nicht nur im Hinblick auf eine
veränderte Bedarfslage der Berechtigten, sondern auch auf eine
verbesserte bzw. verschlechterte Leistungsfähigkeit des
Verpflichteten anpassen.
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b) Unschädlich ist im Streitfall, dass
der Kläger und seine Eltern die Abweichung des
tatsächlich Vollzogenen vom Vereinbarten nicht dokumentiert
haben.
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aa) Zwar ist nach § 761 des
Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) zur Gültigkeit eines
Vertrags, durch den eine Leibrente versprochen wird, die
schriftliche Erteilung des Versprechens (ggf. auch in
elektronischer Form) erforderlich. Änderungen der
Verpflichtungsermächtigung bedürfen der Form jedoch nur
bei Verpflichtungserweiterungen (Erman/M. Terlau, BGB, 12. Aufl.,
§ 761 Rz 1); nachträgliche Einschränkungen oder
bloße Erläuterungen unterliegen nicht dem
Formerfordernis (Staudinger/ Jörg Mayer (2008), § 761 Rz
4).
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bb) Das FG hat nicht festgestellt, ob die
Vertragsparteien im Übergabevertrag geregelt haben, dass
Vertragsänderungen formbedürftig sind. Der Senat muss das
Verfahren aus diesem Grund jedoch nicht zurückverweisen.
Vertragsparteien können einen vereinbarten Formzwang jederzeit
aufheben. Als actus contrarius zur formfreien Begründung des
Formzwangs ist die Aufhebung der Formabrede gleichfalls formfrei
(Erman/H. Palm, a.a.O., § 125 Rz 8; Palandt/Ellenberger,
Bürgerliches Gesetzbuch, 69. Aufl., § 125 Rz 19; vgl.
auch BFH-Urteil vom 20.4.1999 VIII R 81/94, BFH/NV 1999, 1452 = SIS 99 53 01). Selbst wenn im Streitfall im Übergabevertrag die
Formbedürftigkeit einer Vertragsänderung vereinbart sein
sollte, müsste von deren stillschweigender Aufhebung
ausgegangen werden, da die Parteien nach den Feststellungen des FG
die Maßgeblichkeit der mündlichen Vereinbarung zur
zeitweisen Aussetzung der Versorgungsleistungen
übereinstimmend gewollt haben.
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29
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cc) Versorgungsleistungen sind nach der
gesetzlichen Systematik (Einleitungssatz des § 10 Abs. 1 EStG)
stets privat veranlasst. Der Bezugsberechtigte erhält
Unterhaltsleistungen (vgl. § 22 Nr. 1a EStG), die im
Anwendungsbereich der privaten Versorgungsrente (§ 10 Abs. 1
Nr. 1a EStG) steuerlich begünstigt sind. Bei Abweichungen vom
Vereinbarten ist deshalb stets zu prüfen, ob die Aussetzung
und anschließende Wiederaufnahme der Zahlungen, aber auch
Schwankungen in der Höhe des Zahlbetrags durch eine
Änderung der Verhältnisse gerechtfertigt oder
willkürlich ist. Diese Prüfung setzt voraus bzw. wird
jedenfalls erleichtert, wenn die Vertragsparteien die Aussetzung
oder Änderung der Höhe der Versorgungsleistungen
schriftlich niederlegen und begründen (Änderung des
Versorgungsbedürfnisses/Änderung des Nettoertrags). Der
Senat hält es deshalb für geboten, dass künftig
über das Formerfordernis in § 761 BGB hinaus auch
nachträgliche Einschränkungen der Rentenverpflichtung
schriftlich belegt werden. Andernfalls können derartige
mündliche oder konkludente Vereinbarungen, die nach
Bekanntwerden dieser Entscheidung getroffen worden sind, steuerlich
nicht mehr berücksichtigt werden. Eine schriftliche Fixierung
der Änderungen des Versorgungsvertrags ermöglicht es im
Übrigen den Beteiligten auch, bei Meinungsverschiedenheiten
den Inhalt der abweichenden Regelung nachzuweisen.
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dd) Dem stehen die
Rechtsprechungsgrundsätze zur steuerlichen Anerkennung von
Verträgen unter nahen Angehörigen nicht entgegen, wonach
u.a. Verträge lediglich bürgerlich-rechtlich wirksam
vereinbart, also nicht in jedem Fall schriftlich abgefasst werden
müssen. Im Unterschied zu Miet- oder Arbeitsverträgen
unter nahen Angehörigen liegen einem Versorgungsvertrag keine
„entgeltlichen“ Leistungen zugrunde; der
Versorgungsvertrag wird nicht nach dem Wert von Leistung und
Gegenleistung ausgehandelt. Die Änderung eines
Versorgungsvertrags ist steuerrechtlich daher nur anzuerkennen,
wenn die veränderte Bedarfslage des Berechtigten oder eine
verbesserte bzw. verschlechterte Leistungsfähigkeit des
Verpflichteten dies erfordert. Diese Voraussetzungen müssen
für eine spätere Überprüfung festgehalten
werden. So kann auch ein ertragloses Wirtschaftsgut nur dann
Gegenstand einer Vermögensübergabe gegen
Versorgungsleistungen sein, wenn sich der Übernehmer im
Übergabevertrag - und damit schriftlich - zur
Veräußerung des übertragenen Objekts und zum Erwerb
einer ihrer Art nach bestimmten Vermögensanlage verpflichtet
(Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 202, 464, BStBl
II 2004, 95 = SIS 03 42 57, unter C.II.6.a).
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c) Den Abzug der in der zweiten
Jahreshälfte 2001 und in den Monaten Januar und Februar 2002
gezahlten Versorgungsleistungen als Sonderausgaben hindert nicht
eine fehlende Fremdüblichkeit.
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aa) Die Funktion des anzustellenden
Fremdvergleichs in Fällen der Vermögensübergabe
gegen Versorgungsleistungen unterscheidet sich von derjenigen des
Fremdvergleichs bei sonstigen Vertragsverhältnissen zwischen
Angehörigen: Bei Letzteren geht es um die Frage, ob eine
Vereinbarung in dem einkommensteuerrechtlich vorausgesetzten
sachlichen Zusammenhang mit der Erzielung von Einkünften
(§ 2 Abs. 1, § 4 Abs. 4, § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG)
oder mit dem nach § 12 EStG unbeachtlichen privaten Bereich
steht (BFH-Urteil vom 28.6.2002 IX R 68/99, BFHE 199, 380, BStBl II
2002, 699 = SIS 02 87 46).
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bb) Diese Zuordnungsentscheidung entfällt
bei der Anerkennung einer dauernden Last, da diese nach der
gesetzlichen Systematik ohnehin stets privat veranlasst ist (vgl.
oben II.3.b cc). Hier sollen durch den Fremdvergleich
Versorgungsverträge, denen beide Parteien - durch
äußere Merkmale erkennbar - rechtliche Bindungswirkung
beimessen, von Vereinbarungen abgegrenzt werden, die zwar der
äußeren Form nach als bindend erscheinen, für die
Parteien selbst jedoch den Charakter der Beliebigkeit haben und von
denen sie nur Gebrauch machen, wenn es ihnen opportun erscheint
(Senatsurteil in BFHE 205, 261, BStBl II 2004, 826 = SIS 04 17 27).
Entscheidend ist deshalb, ob die Vertragsparteien mit dem
erforderlichen Rechtsbindungswillen handeln.
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cc) Im Streitfall haben die Kläger im
Zeitraum zwischen Juli 2001 bis einschließlich Februar 2002
in zwei Monaten (Juli 2001 und September 2001) keine
Versorgungsleistungen erbracht. Angesichts der Tatsache, dass im
Übergabevertrag auf § 323 ZPO Bezug genommen wurde und
den wirtschaftlichen Schwierigkeiten des übernommenen
Bäckereibetriebs in dieser Zeit, die auch zu finanziellen
Zugeständnissen Dritter (Vermieter, Arbeitnehmer, ab 2004 auch
der Banken) führte, lässt diese Abweichung vom
vertraglich Vereinbarten nicht den Schluss zu, die Parteien
hätten ihren vertraglichen Pflichten insgesamt nicht mehr
nachkommen wollen.
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(1) Der Senat hat im Hinblick auf den
Rechtsbindungswillen bei Vermögensübergabe- und
Versorgungsverträgen bereits in seinem Vorlagebeschluss an den
Großen Senat des BFH vom 10.11.1999 X R 46/97 (BFHE 189, 497,
BStBl II 2000, 188 = SIS 00 02 11, unter II.) die Auffassung
vertreten, lediglich die Unregelmäßigkeit der Zahlungen
hindere für sich allein die Anerkennung einer dauernden Last
nicht.
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(2) Auch wenn in einer finanziell schwierigen
Situation des übergebenen Unternehmens einzelne
Versorgungsleistungen ausgesetzt werden, ist nach Auffassung des
Senats nicht der Schluss gerechtfertigt, die Parteien würden
dem Versorgungsvertrag keine rechtliche Bindungswirkung mehr
beimessen. Solange in solchen Fällen der Übernehmer seine
- sich aus dem Sinn und Zweck des Versorgungsvertrags ergebende -
Hauptpflicht, nämlich die Sicherung des finanziellen
Unterhalts des Vermögensübergebers, erfüllt, sind
die geleisteten Rentenzahlungen als Sonderausgaben abziehbar.
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4. Zu Unrecht hat das FG jedoch die ab August
2003 gezahlten wiederkehrenden Leistungen in Höhe von
10.225,85 EUR als Sonderausgaben anerkannt.
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Mag der Kläger auch subjektiv der Meinung
gewesen sein, die Versorgungsleistungen zwischen März 2002 und
Juli 2003 nicht erbringen zu können, ohne den Bestand des
übernommenen Vermögens zu gefährden, stehen dieser
Annahme doch die objektiven Zahlen entgegen. Nach den
Feststellungen des FG überstiegen die Nettoerträge der
GmbH und des Vermietungseinzelunternehmens in allen Streitjahren
die Versorgungsleistungen. Hinzu kommt, dass auch die
Tätigkeitsvergütung als GmbH-Geschäftsführer
zum erzielbaren Nettoertrag des überlassenen Vermögens
rechnet. Der Kläger selbst hat bis 2004 keine
Vermögenseinbuße in Form eines Gehaltsverzichts als
Geschäftsführer der GmbH erbracht. Dieses Verhalten
lässt darauf schließen, dass er sich nicht mehr an den
Versorgungsvertrag gebunden fühlte. Ein am Versorgungsvertrag
festhaltender Vermögensübernehmer würde die
Versorgungszahlungen nicht über einen so langen Zeitraum
(insgesamt 17 Monate) vollkommen aussetzen und so die Versorgung
desjenigen gefährden, der ihm Vermögen - wirtschaftlich
betrachtet - jedenfalls teilweise unentgeltlich übertragen
hat. Würde man die Zahlungen steuerlich berücksichtigen,
stünde es im Belieben der Vertragsparteien eines
Vermögensübergabevertrags, in welchem Umfang sie den
Vertrag als bindend anerkennen und erfüllen wollen.
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Auch wenn die Beteiligten den
Versorgungsvertrag ab August 2003 stets vertragsgerecht
erfüllt haben sollten (nach dem Vortrag des FA wurden
jedenfalls auch im Jahr 2004 zwei Rentenzahlungen nicht erbracht),
kommt eine Rückkehr zum vertragsgerechten Verhalten nach einer
Phase einer schwerwiegenden Abweichung vom Vereinbarten nicht in
Betracht (so auch BMF-Schreiben vom 11.3.2010 IV
C 3 - S 2221/09/10004, BStBl I 2010, 227 = SIS 10 02 79, Tz 63,
bzw. in BStBl I 2004, 922 = SIS 04 37 77, Tz 39). Das
gravierende vertragswidrige Verhalten während eines
längeren Zeitraums (im Streitfall 17 Monate) zeigt den
fehlenden Rechtsbindungswillen der Parteien und lässt den
Übergabevertrag als Ganzes deshalb nicht unberührt (a.A.
Schönfelder, Zeitschrift für Erbrecht und
Vermögensnachfolge 2005, 223). Erfüllt der
Übernehmer in späteren Jahren die vereinbarten
Versorgungsleistungen vertragsgemäß, sind deshalb auch
diese Aufwendungen nicht als Sonderausgaben abziehbar. Andererseits
hat der Vermögensübergeber, der über einen
längeren Zeitraum vertragswidrig keine Versorgungsleistungen
erhalten hat, auch bei Wiederaufnahme der Zahlungen keine sonstigen
Einkünfte zu versteuern.
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