12
|
Das Finanzgericht (FG) Nürnberg wies
die gegen die geänderten Bescheide gerichtete Klage der
Klägerin mit in EFG 2010, 262 = SIS 09 24 86
veröffentlichtem Urteil vom 10.3.2009 I 305/2006 zum
überwiegenden Teil ab.
|
|
|
13
|
Mit ihrer Revision rügt die
Klägerin eine Verletzung materiellen Rechts.
|
|
|
14
|
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
|
|
|
15
|
II. Die Revision ist unbegründet.
|
|
|
16
|
1. Das FG hat zutreffend entschieden, dass der
von der Klägerin erzielte Gewinn aus der
Veräußerung der Beteiligung an der H-GmbH
steuerpflichtig ist.
|
|
|
17
|
Nach § 8b Abs. 2 KStG 1999 n.F. bleiben
bei der Ermittlung des Einkommens Gewinne aus der
Veräußerung eines Anteils an einer Körperschaft
oder Personenvereinigung, deren Leistungen beim Empfänger zu
Einnahmen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2, 9 und 10 Buchst. a
des Einkommensteuergesetzes 1997 i.d.F. des
Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetzes (EStG 1997 n.F.)
gehören, außer Ansatz. § 8b Abs. 2 KStG 1999 n.F.
war jedoch - was unter den Beteiligten unstreitig ist - im
Streitjahr 2001 noch nicht anwendbar (vgl. § 34 Abs. 4 Satz 1
Nr. 2 KStG 1999 n.F./§ 34 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 KStG 2002).
|
|
|
18
|
2. Das FG hat auch zu Recht angenommen, dass
die Vorabausschüttung der H-GmbH in Höhe von 999.976,72
EUR den Buchwert dieser Beteiligung gemindert hat und sich damit
der Veräußerungsgewinn erhöht.
|
|
|
19
|
a) Wie der Senat mit Urteil vom 28.10.2009 I R
116/08 (BFHE 227, 397 = SIS 10 02 22) entschieden hat und worauf er
im Einzelnen verweist, sind Ausschüttungen einer
unbeschränkt steuerpflichtigen Körperschaft aus dem
steuerlichen Einlagekonto i.S. des § 27 KStG 1999 n.F./2002
nicht in die Steuerfreistellung für Kapitaleinkünfte nach
§ 8b Abs. 1 Satz 1 KStG 1999 n.F./2002 einzubeziehen; sie sind
vielmehr erfolgsneutral gegen den Buchwert der Beteiligung zu
verrechnen (vgl. auch Senatsurteil vom 16.3.1994 I R 70/92, BFHE
174, 155, BStBl II 1994, 527 = SIS 94 15 56; Urteile des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 20.4.1999 VIII R 38/96, BFHE 188, 347,
BStBl II 1999, 647 = SIS 99 14 19; vom 20.4.1999 VIII R 44/96, BFHE
188, 352, BStBl II 1999, 698 = SIS 99 14 22).
|
|
|
20
|
b) Bei den streitbefangenen Leistungen handelt
es sich um Ausschüttungen aus dem steuerlichen Einlagekonto
der H-GmbH.
|
|
|
21
|
aa) Gemäß § 27 Abs. 1 Satz 3
KStG 1999 n.F. mindern Leistungen der Kapitalgesellschaft das
steuerliche Einlagekonto nur, soweit die Summe der im
Wirtschaftsjahr erbrachten Leistungen den auf den Schluss des
vorangegangenen Wirtschaftsjahrs ermittelten ausschüttbaren
Gewinn übersteigt. Als ausschüttbarer Gewinn gilt das um
das gezeichnete Kapital geminderte in der Steuerbilanz ausgewiesene
Eigenkapital abzüglich des Bestands des steuerlichen
Einlagekontos (§ 27 Abs. 1 Satz 4 KStG 1999 n.F.).
|
|
|
22
|
bb) Ausweislich der Feststellungen des FG
verfügte die H-GmbH auf den Schluss des vorangegangenen
Wirtschaftsjahrs (31.12.2000) über einen ausschüttbaren
Gewinn von 305 DM, so dass mit Ausnahme dieses Betrags der
restliche Teil der Vorabausschüttung, für die bereits das
Halbeinkünfteverfahren gilt (§ 34 Abs. 9 Satz 1 Nr. 2
KStG 1999 n.F.), als aus dem steuerlichen Einlagekonto der H-GmbH
finanziert gilt. Bezüge i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG
1997 n.F. liegen damit nicht vor, so dass die Steuerbefreiung nach
§ 8b Abs. 1 KStG 1999 n.F. nicht eingreift.
|
|
|
23
|
Die gesonderte Feststellung des Bestands des
steuerlichen Einlagekontos einer Kapitalgesellschaft entfaltet zwar
grundsätzlich keine unmittelbare Bindungswirkung für die
Anteilseigner i.S. des § 182 der Abgabenordnung, da Gegenstand
der gesonderten Feststellung nur Besteuerungsgrundlagen der
Kapitalgesellschaft sind und sich der Feststellungsbescheid auch
nur gegen die Kapitalgesellschaft und nicht gegen deren
Anteilseigner richtet. Gleichwohl entfaltet der
Feststellungsbescheid gemäß § 27 Abs. 2 KStG 1999
n.F. über § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG 1997 n.F.
materiell-rechtliche Bindungswirkung auch für die
Anteilseigner. Denn nach dieser Vorschrift gehören Bezüge
aus Anteilen an einer Körperschaft nicht zu den Einnahmen aus
Kapitalvermögen, soweit für diese Eigenkapital i.S. des
§ 27 KStG n.F. als verwendet gilt. Tatbestandsmerkmal des
§ 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG 1997 n.F. sind damit die im
Bescheid nach § 27 Abs. 2 KStG 1999 n.F. ausgewiesenen
Bestände. Gilt danach das steuerliche Einlagekonto für
die Leistung der Körperschaft als verwendet, ist diese
Verwendungsfiktion auch auf der Ebene der Gesellschafter zu
beachten. Ein Gesellschafter kann sich deshalb nicht mit Erfolg
darauf berufen, das steuerliche Einlagekonto sei im Bescheid
über die Feststellung des steuerlichen Einlagekontos
unzutreffend ausgewiesen (vgl. zur früheren Rechtslage z.B.
BFH-Urteil vom 19.7.1994 VIII R 58/92, BFHE 176, 317, BStBl II
1995, 362 = SIS 95 12 91; Senatsurteile vom 7.11.1990 I R 68/88,
BFHE 162, 337, BStBl II 1991, 177 = SIS 91 09 25; vom 23.10.1991 I
R 97/89, BFHE 165, 537, BStBl II 1992, 154 = SIS 92 05 18).
Insoweit hat sich durch den Übergang vom Anrechnungs- zum
Halbeinkünfteverfahren nichts geändert (Antweiler in
Ernst & Young, KStG, § 27 Rz 90 f.; Lornsen-Veit in Erle/
Sauter, KStG, 3. Aufl., § 27 Rz 81; Frotscher in Frotscher/
Maas, KStG/GewStG/UmwStG, § 27 KStG Rz 46; Förster/ van
Lishaut, FR 2002, 1205, 1212; Blümich/ Danelsing, § 27
KStG Rz 46; Dötsch in Dötsch/Jost/Pung/Witt, Die
Körperschaftsteuer, § 27 Rz 113; Gosch/Heger, KStG, 2.
Aufl., § 27 Rz 35; a.A. Berninghaus in Herrmann/Heuer/
Raupach, EStG/KStG, § 27 KStG Rz 53; Streck/Binnewies, KStG,
7. Aufl., § 27 Rz 40).
|
|
|
24
|
cc) Entgegen der Auffassung der Klägerin
bestand das steuerliche Einlagekonto der H-GmbH bereits im Jahr
2001.
|
|
|
25
|
aaa) Gemäß § 39 Abs. 1 KStG
1999 n.F. wird ein sich nach § 36 Abs. 7 KStG 1999 n.F.
ergebender positiver Endbetrag des Teilbetrages i.S. des § 30
Abs. 2 Nr. 4 KStG 1999 a.F. (sog. EK 04) als Anfangsbestand des
steuerlichen Einlagekontos i.S. des § 27 KStG 1999 n.F.
erfasst. Dies kann nur so verstanden werden, dass der zuletzt
festgestellte Betrag des EK 04 als Anfangsbestand des ersten
Wirtschaftsjahres, in dem das Halbeinkünfteverfahren gilt, zu
übernehmen ist. Dieser Anfangsbestand ist um die Zu- und
Abgänge des ersten Wirtschaftsjahres, in dem das
Halbeinkünfteverfahren gilt (hier: 2001), fortzuschreiben
(§ 27 Abs. 1 Satz 2 KStG 1999 n.F.). In der ersten gesonderten
Feststellung des steuerlichen Einlagekontos, die gemäß
§ 34 Abs. 2a KStG 1999 n.F. bei der H-GmbH erstmals auf den
31.12.2001 erfolgte, war daher die Vorabausschüttung von 7
Mio. EUR, soweit sie den ausschüttbaren Gewinn auf den Schluss
des vorangegangenen Wirtschaftsjahrs überstieg, als Abgang aus
dem steuerlichen Einlagekonto zu erfassen.
|
|
|
26
|
Der auf den Schluss des vorangegangenen
Wirtschaftsjahrs zu ermittelnde ausschüttbare Gewinn der
H-GmbH war gemäß § 27 Abs. 1 Satz 4 KStG 1999 n.F.
zu ermitteln. Danach gilt als ausschüttbarer Gewinn das um das
gezeichnete Kapital geminderte in der Steuerbilanz ausgewiesene
Eigenkapital abzüglich des Bestands des steuerlichen
Einlagekontos. Ein steuerliches Einlagekonto zum 31.12.2000 war
zwar nicht festgestellt, da das Gesetz eine Feststellung zu diesem
Zeitpunkt nicht vorsieht. Sie ist jedoch entbehrlich, weil eine
Feststellung des EK 04 vorliegt. Da das EK 04, soweit es einen
positiven Bestand ausweist, zum Ende des Wirtschaftsjahres 2000
gemäß § 39 Abs. 1 KStG 1999 n.F. dem Anfangsbestand
des steuerlichen Einlagekontos entspricht, war das um das
Nennkapital verringerte Eigenkapital der H-GmbH um diesen Betrag zu
mindern. Die Feststellung des EK 04 nach § 36 Abs. 7 KStG 1999
n.F. ist Grundlagenbescheid für die folgende Feststellung des
steuerlichen Einlagekontos, da das steuerliche Einlagekonto mit
seinem Anfangsbestand an die Feststellung nach § 36 Abs. 7
KStG 1999 n.F. gebunden ist (Schreiben des Bundesministeriums der
Finanzen vom 4.6.2003, BStBl I 2003, 366 = SIS 03 28 90 Tz. 4;
Frotscher in Frotscher/Maas, a.a.O., § 39 KStG Rz 4; Franz,
GmbHR 2003, 818).
|
|
|
27
|
bbb) Aus § 27 Abs. 2 Sätze 1 und 2
KStG 1999 n.F., der eine gesonderte Feststellung des steuerlichen
Einlagekontos fordert und der bestimmt, dass dieser Bescheid
Grundlagenbescheid für den Bescheid über die gesonderte
Feststellung zum folgenden Feststellungszeitpunkt ist, folgt nichts
Gegenteiliges. Diese Bestimmungen sind Verfahrensvorschriften, die
keine materiell-rechtlichen Wirkungen haben (Frotscher in
Frotscher/Maas, a.a.O., § 27 KStG Rz 45; Antweiler in Ernst
& Young, a.a.O., § 27 Rz 6). Für das Entstehen des
steuerlichen Einlagekontos ist daher ein Feststellungsbescheid
über den Bestand des steuerlichen Einlagekontos nach § 27
Abs. 2 Satz 1 KStG 1999 n.F. nicht erforderlich.
|
|
|
28
|
ccc) Der Auffassung der Klägerin ist auch
deshalb nicht zu folgen, weil sie dazu führen würde, dass
im ersten Wirtschaftsjahr, in dem das Halbeinkünfteverfahren
gilt, weder Einlagen noch die Rückzahlung von Einlagen erfasst
würden. Ein sachlicher Grund für eine derartige Regelung,
die im Regelfall für den steuerpflichtigen Anteilseigner
nachteilig ist, ist nicht ersichtlich.
|
|
|
29
|
3. § 27 KStG 1999 n.F. kann nicht
dahingehend ausgelegt werden, dass die Ausschüttung mit dem
ausschüttbaren Gewinn zum Zeitpunkt der Ausschüttung oder
zum Ende des Wirtschaftsjahrs, in dem die Ausschüttung erfolgt
ist, verrechnet wird.
|
|
|
30
|
a) Unter Geltung des Anrechnungsverfahrens
waren Vorabausschüttungen, die sich auf ein laufendes
Wirtschaftsjahr bezogen, und andere Ausschüttungen
gemäß § 28 Abs. 2 Satz 2 KStG 1999 a.F. mit dem
verwendbaren Eigenkapital zu verrechnen, das sich zum Schluss des
Wirtschaftsjahres ergab, in dem die Ausschüttung erfolgte.
Demgemäß wäre nach der unter dem
Anrechnungsverfahren geltenden Rechtslage die
Vorabausschüttung erst mit dem verwendbaren Eigenkapital zum
31.12.2001 zu verrechnen gewesen (Senatsurteil vom 17.10.1990 I R
67/89, BFHE 164, 294, BStBl II 1991, 734 = SIS 91 17 15). Insoweit
hat sich jedoch die Rechtslage geändert (a.A. Dötsch in
Dötsch/ Jost/Pung/Witt, a.a.O., § 27 Rz 44). Denn §
27 KStG 1999 n.F. differenziert nicht danach, ob es sich um eine
Ausschüttung für ein abgelaufenes oder um eine
Vorabausschüttung für ein laufendes Wirtschaftsjahr
handelt, sondern ordnet unterschiedslos an, dass für die
Frage, ob Beträge des steuerlichen Einlagekontos als verwendet
gelten, allein auf den ausschüttbaren Gewinn zum Schluss des
vorangegangenen Wirtschaftsjahres abzustellen ist (§ 27 Abs. 1
Satz 3 KStG 1999 n.F.).
|
|
|
31
|
b) Anhaltspunkte dafür, dass insoweit
eine vom Gesetzgeber unbeabsichtigte Gesetzeslücke vorliegt,
sind nicht ersichtlich. Im Gegenteil folgt aus dem Umstand, dass
auch in nachfolgenden Änderungen des § 27 KStG 1999 n.F.
die Regelung beibehalten wurde und unterschiedslos auf den
ausschüttbaren Gewinn zum Schluss des vorangegangenen
Wirtschaftsjahrs abgestellt wird, dass der Wortlaut des Gesetzes
auch dem Willen des Gesetzgebers entspricht (vgl. Gosch/Heger,
a.a.O., § 27 Rz 29). Obwohl bei Vorabausschüttungen das
Abstellen auf den ausschüttbaren Gewinn zum Schluss des
vorangegangenen Wirtschaftsjahres zu Problemen führen kann
(Frotscher in Frotscher/Maas, a.a.O., § 27 Rz 36; Binnewies,
GmbH-Steuerberater 2003, 129; Berninghaus in
Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O, § 27 KStG Rz 53; Lornsen-Veit
in Erle/Sauter, a.a.O., § 27 Rz 68), hat der Gesetzgeber die
Regelung beibehalten und in der Neufassung nur angeordnet, dass das
Einlagekonto grundsätzlich durch Leistungen nicht negativ
werden kann. Ob Leistungen aus dem steuerlichen Einlagekonto als
erbracht gelten, wird jedoch nach wie vor anhand des auf den
Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahrs ermittelten
ausschüttbaren Gewinns bestimmt.
|
|
|
32
|
c) Die Senatsentscheidung vom 28.11.2007 I R
42/07 (BFHE 219, 321, BStBl II 2008, 390 = SIS 08 12 01) steht
dieser Beurteilung nicht entgegen. Sie ist zu § 37 Abs. 2 und
3 KStG 1999 n.F. ergangen, die - anders als § 27 Abs. 1 Satz 3
KStG 1999 n.F. - ihrem Wortlaut nach keine Bindung an die auf den
Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahrs festgestellten
Bestände anordnen (gl.A. Berninghaus in
Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 27 KStG Rz 53; a.A.
Dötsch in Dötsch/Jost/Pung/Witt, a.a.O., § 27 Rz
44).
|
|
|
33
|
4. Soweit nach Erlass des streitbefangenen
Körperschaftsteuer- und des Gewerbesteuermessbescheids
Änderungsbescheide für die H-GmbH ergingen, bleibt dies
ohne Auswirkungen auf die Steuerbescheide der Klägerin. Zum
einen steht dem § 27 Abs. 1 Satz 5 KStG 1999 n.F. entgegen,
nach dem die der Bescheinigung zugrunde gelegte Verwendung
unverändert bleibt. Zum anderen ergäbe sich hieraus nur
eine noch höhere Einlagenrückgewähr als bislang
bescheinigt.
|