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I. Zwischen den Beteiligten ist streitig,
ob unverzinsliche Gesellschafterdarlehen und Rückstellungen
für Schallschutzmaßnahmen im Rahmen der Gewinnermittlung
für das Streitjahr (1999) abzuzinsen sind.
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Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH. Drei ihrer
vier Gesellschafter hatten ihr vor längerer Zeit Darlehen in
Höhe von ca. 120 Mio. DM gewährt. Diese sollten
ursprünglich bis zum Eintritt der Klägerin in die
Gewinnzone zinslos sein; im Jahr 1988 waren die Verträge dahin
umgestaltet worden, dass ca. 50 % der Summe verzinslich und die
verbleibenden 56.863.049,82 DM zins- und tilgungsfrei gewährt
wurden. Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) weist der
Geschäftsbericht der Klägerin für das
Wirtschaftsjahr 2005 die Darlehensverpflichtungen als
Verbindlichkeiten mit einer Restlaufzeit von mehr als fünf
Jahren aus. Die Abzinsung dieser Darlehen bildet den ersten
Streitkomplex des vorliegenden Rechtsstreits.
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Den zweiten Streitkomplex bildet die
Abzinsung von Rückstellungen für
Schallschutzmaßnahmen. Diese Maßnahmen musste die
Klägerin, von deren Unternehmen störende Geräusche
ausgehen, zu Beginn der 90er Jahre durchführen. Dazu hatte sie
den Bewohnern eines im Einzugsbereich ihres Unternehmens liegenden
Gebietes den kostenlosen Einbau passiver
Lärmschutzvorrichtungen (Schallschutzfenster, Dachisolierungen
o.Ä.) angeboten. Die Inanspruchnahme erfolgte durch einen
Antrag des jeweiligen Anwohners; die Antragsmöglichkeit war
zunächst auf den 31.12.1998 befristet und wurde später
bis zum 30.6.1999 verlängert. Im Anschluss an die
Antragstellung sowie nach Vorlage und Prüfung bestimmter
Unterlagen schloss die Klägerin mit dem Antragsteller eine
schriftliche Vereinbarung über die Kostenübernahme, an
die sie sodann für zwölf Monate gebunden war. In den
Bilanzen der Wirtschaftsjahre 1997 bis 1999 bildete die
Klägerin für die Kosten der erwarteten Inanspruchnahme
Rückstellungen in Höhe von 72.282.010 DM (1997),
76.615.440 DM (1998) und 63.799.600 DM (Streitjahr).
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Im Rahmen einer Außenprüfung
vertrat der Betriebsprüfer die Ansicht, dass die in der Bilanz
zum 31.12.1999 ausgewiesenen Gesellschafterdarlehen nach § 6
Abs. 1 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes 1997 i.d.F. des
Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom 24.3.1999 (BGBl I
1999, 402, BStBl I 1999, 304) - EStG 1997 - abzuzinsen seien. Da
die Laufzeit unbestimmt sei, müsse dies in Anlehnung an §
13 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes mit dem Faktor 9,3 erfolgen.
Daraus errechne sich ein Barwert der Verbindlichkeiten in Höhe
von 29.113.881,82 DM. Die Differenz in Höhe von 27.749.168 DM
sei ertragswirksam aufzulösen. Da die Klägerin zur
Abmilderung des Abzinsungsgewinns den Ansatz einer 9/10
Rücklage gemäß § 52 Abs. 16 Satz 7 EStG 1997
beantrage, seien Gewinn und Gewerbeertrag des Streitjahres um
2.774.916 DM zu erhöhen.
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Im Hinblick auf die
Schallschutzmaßnahmen wurde während der Prüfung
unstreitig, dass die von der Klägerin gebildete
Rückstellung auf 51.065.432 DM zu vermindern war. Der
Prüfer ging davon aus, dass diese Position ebenfalls
abzuzinsen sei; das führe zu einer Gewinnerhöhung um
3.944.681 DM, von denen sich nach § 52 Abs. 16 Satz 7 EStG
1997 im Streitjahr ein Betrag von 394.468 DM auswirke.
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) folgte der Ansicht des Prüfers und
erließ entsprechende Steuer- und Feststellungsbescheide.
Zudem erfasste er auf Antrag der Klägerin zusätzliche
Rückstellungen für Erbbauzinsverpflichtungen
erfolgswirksam; dies führte im Streitjahr zu einer
Hinzurechnung von Erbbauzinsen zum Gewerbeertrag in Höhe von
1.925.920 DM. Die gegen die Änderungsbescheide gerichtete
Klage hatte nur teilweise Erfolg; das FG entschied, dass das FA die
Abzinsungsbeträge fehlerhaft berechnet und die Erbbauzinsen zu
Unrecht dem Gewerbeertrag zugerechnet habe, die angefochtenen
Bescheide aber ansonsten rechtmäßig seien (FG Köln,
Urteil vom 15.1.2009 13 K 4781/04). Das Urteil des FG ist in EFG
2009, 1199 = SIS 09 18 00 abgedruckt.
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Mit ihrer Revision rügt die
Klägerin eine Verletzung des § 6 EStG 1997. Sie
beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die angefochtenen
Bescheide dahin zu ändern, dass die gewinnerhöhende
Abzinsung der Gesellschafterdarlehen und der Rückstellungen
für Schallschutzmaßnahmen rückgängig gemacht
wird.
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II. Die Revision ist unbegründet und
deshalb gemäß § 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG hat zu
Recht entschieden, dass sowohl die Darlehensverbindlichkeiten der
Klägerin als auch die von ihr gebildeten Rückstellungen
abzuzinsen sind.
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1. Die Klägerin ermittelt ihren Gewinn
durch Vermögensvergleich (§ 4 Abs. 1 EStG 1997). Sie muss
dabei das Betriebsvermögen ansetzen, das sich nach den
handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger
Buchführung ergibt (§ 5 Abs. 1 Satz 1 EStG 1997). Dabei
sind die steuerrechtlichen Vorschriften über die Bewertung von
Wirtschaftsgütern zu befolgen (§ 5 Abs. 6 EStG 1997); sie
gehen insoweit den handelsrechtlichen Grundsätzen
ordnungsmäßiger Buchführung vor.
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2. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 EStG 1997
sind Verbindlichkeiten unter sinngemäßer Anwendung des
§ 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG 1997 anzusetzen und mit einem Zinssatz
von 5,5 v.H. abzuzinsen. Diese Regelung greift im Streitfall
ein.
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a) Nach der Rechtsprechung des Senats gilt
§ 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 EStG 1997 auch für
Verbindlichkeiten aus Darlehen, die eine Kapitalgesellschaft von
ihrem Gesellschafter erhalten hat (Senatsbeschluss vom 6.10.2009 I
R 4/08, BFHE 226, 347 = SIS 09 36 84). Die Einwendungen der
Klägerin geben keine Veranlassung, von dieser Rechtsprechung
abzurücken. Denn zum einen enthält der Gesetzeswortlaut
keine Einschränkung im Hinblick auf Gesellschafterdarlehen.
Zum anderen ist eine Sonderbehandlung solcher Darlehen auch nicht
durch den Blick auf den Gesetzeszweck veranlasst: Die Abzinsung
beruht auf der typisierenden Vorstellung, dass eine erst in der
Zukunft zu erfüllende Verpflichtung den Schuldner weniger
belastet als eine sofortige Leistungspflicht, und diese
Überlegung gilt für Gesellschafterdarlehen nicht anders
als für sonstige Darlehensverhältnisse. Angesichts dessen
kann insbesondere nicht angenommen werden, dass der Gesetzgeber es
gleichsam versehentlich unterlassen hätte, im Hinblick auf
Gesellschafterdarlehen eine Ausnahmeregelung zu schaffen. Das
schließt die von der Klägerin angestrebte teleologische
Reduktion des § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 EStG 1997 aus.
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b) Die Revision weist zu Recht darauf hin,
dass die Abzinsung der Darlehensverbindlichkeit zu einem Ertrag und
damit zu einer Erhöhung des steuerlich zu erfassenden Gewinns
des Darlehensnehmers führt. Ihrer Annahme, dass diese
Gewinnerhöhung im Zusammenhang mit Gesellschafterdarlehen
durch den Ansatz einer verdeckten Einlage zu neutralisieren sei,
ist aber nicht zu folgen. Vielmehr greift insoweit die
Rechtsprechung des Großen Senats des Bundesfinanzhofs (BFH)
durch, nach der die Gewährung eines Nutzungsvorteils nicht
Gegenstand einer verdeckten Einlage sein kann (BFH-Beschluss vom
26.10.1987 GrS 2/86, BFHE 151, 523, BStBl II 1988, 348 = SIS 88 06 13). Auch insoweit hält der Senat an seiner im Beschluss in
BFHE 226, 347 = SIS 09 36 84 vertretenen Ansicht fest.
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Die Rechtsprechung des Großen Senats des
BFH ist nicht, wie die Klägerin meint, durch § 6 Abs. 1
Nr. 3 Satz 1 EStG 1997 überholt. Dazu ist zunächst auf
die zutreffenden Ausführungen des FG dazu zu verweisen, dass
die für den Großen Senat tragenden Erwägungen (z.B.
BFH-Beschluss in BFHE 151, 523, BStBl II 1988, 348 = SIS 88 06 13,
unter C.I.3.c) von der gesetzlichen Neuregelung nicht berührt
werden und dass zudem bei Annahme einer verdeckten Nutzungseinlage
die in § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 EStG 1997 angelegte
nachfolgende Aufzinsung der Darlehensverbindlichkeit ebenfalls
neutralisiert werden müsste, wofür keine gesetzliche
Grundlage erkennbar ist. Vor allem aber muss insoweit die
Überlegung durchgreifen, dass eine Abkehr von der
Rechtsprechung des Großen Senats eine Vielzahl von
Rechtsfragen betreffen und die steuerrechtliche Beurteilung von
Vorgängen im Verhältnis zwischen Kapitalgesellschaft und
Gesellschafter grundlegend verändern würde. Dass der
Gesetzgeber mit § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 EStG 1997 diese
Rechtsfolge hat anordnen wollen, ist nicht anzunehmen. Vielmehr ist
die genannte Regelung ersichtlich in die von der Rechtsprechung
entwickelte Systematik eingebettet, was es ausschließt, die
von ihr ausgelöste Gewinnerhöhung durch die Anwendung von
Einlagegrundsätzen zu kompensieren.
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c) Der Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 3
Satz 1 EStG 1997 steht im Streitfall nicht Satz 2 der Vorschrift
entgegen. Danach sind zwar u.a. Verbindlichkeiten, die entweder
verzinslich sind oder deren Laufzeit am Bilanzstichtag weniger als
zwölf Monate beträgt, von der Abzinsung ausgenommen. Die
Darlehensverbindlichkeiten der Klägerin erfüllen aber
keine dieser beiden Voraussetzungen:
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aa) Nach den Feststellungen des FG, die nicht
mit zulässigen und begründeten Revisionsrügen
angegriffen worden und deshalb für den Senat bindend sind
(§ 118 Abs. 2 FGO), waren die Gesellschafterdarlehen nicht mit
einer Zinsvereinbarung verbunden. Einer solchen steht im
Zusammenhang mit § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG 1997 nicht
gleich, dass die Unverzinslichkeit eines Gesellschafterdarlehens
wirtschaftlich durch erhöhte Ausschüttungen an den
Gesellschafter ausgeglichen werden kann; auch insoweit verweist der
Senat auf seinen Beschluss in BFHE 226, 347 = SIS 09 36 84. Die von
der Revision angestellten Erwägungen können ebenfalls
nicht dazu führen, dass die in Rede stehenden Darlehen als
„verzinslich“ anzusehen sind.
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Diese Erwägungen gehen im Kern dahin,
dass die Gesellschafterdarlehen nur dazu bestimmt waren, der
Klägerin den Ausbau des von ihr betriebenen Unternehmens zu
ermöglichen; eine solche Zweckbindung stehe einer
Verzinsungspflicht gleich. Daran ist zwar richtig, dass es für
die „Verzinslichkeit“ eines Darlehens nicht nur
auf die Nominalverzinsung ankommt, sondern insoweit auch andere mit
der Darlehensgewährung verbundene Leistungspflichten des
Darlehensnehmers bedeutsam sein können. Letztere rechtfertigen
aber eine Bewertung der Darlehensverbindlichkeit unter dem Nennwert
nur dann, wenn der Darlehensnehmer den Zinsvorteil zumindest zum
Teil an einen anderen weitergeben muss (BFH-Urteil vom 9.7.1982 III
R 15/79, BFHE 136, 299, BStBl II 1982, 639 = SIS 82 18 05;
ähnlich zum Bewertungsrecht BFH-Urteil vom 26.10.1994 II R
2/92, BFH/NV 1995, 638). Daher ist eine bloße Zweckbindung
nicht geeignet, einen die Verzinsung ersetzenden
„Nachteil“ des Darlehensnehmers zu
begründen; denn sie ändert nichts daran, dass der
Zinsvorteil dem Darlehensnehmer ungeschmälert zugute kommt.
Nur darum geht es jedoch im Streitfall, da weder die Feststellungen
des FG noch die Revisionsbegründung Anhaltspunkte dafür
enthalten, dass die Klägerin mit Rücksicht auf die
Zinslosigkeit der Darlehen irgendwelche Leistungen an die
Darlehensgeber oder an Dritte erbringen oder solche Leistungen
verbilligt anbieten musste. Auf die Überlegungen der
Klägerin zur Motivation der Darlehensgeber muss in diesem
Zusammenhang ebenso wenig eingegangen werden wie auf die
Verwaltungspraxis im Bereich der Darlehen zur
Regionalförderung (vgl. dazu Oberfinanzdirektion München,
Verfügung vom 25.8.2000, DStR 2000, 1690), die sich von den
hier zu beurteilenden Vorgängen wesentlich unterscheiden.
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bb) Ob die Laufzeit eines Darlehens
„weniger als zwölf Monate“ i.S. des §
6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG 1997 beträgt, ist nicht allein nach
zivilrechtlichen Gesichtspunkten zu beurteilen. Vielmehr kommt es,
wie der Senat ebenfalls bereits entschieden hat, in erster Linie
auf die tatsächlichen Verhältnisse an (Beschluss in BFHE
226, 347 = SIS 09 36 84, m.w.N. zum Schrifttum; ebenso auch
Hoffmann in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, § 6
EStG Rz 683; Werndl in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff,
Einkommensteuergesetz, § 6 Rz D 30). Deshalb ist eine
Verbindlichkeit aus einem Darlehen mit unbestimmter Laufzeit
gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 EStG 1997 abzuzinsen,
wenn der Darlehensvertrag zwar nach den Vorschriften des
Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) mit einer Frist von drei
Monaten gekündigt werden kann (§ 609 BGB in der bis zum
31.12.2001 geltenden Fassung; § 488 BGB in der seit dem
1.1.2002 geltenden Fassung), mit einer kurzfristigen Kündigung
aber am Bilanzstichtag nicht ernstlich gerechnet werden muss. Auch
daran ist festzuhalten.
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Mit den dazu von der Revision angestellten
Erwägungen hat sich der Senat schon in seiner genannten
Entscheidung auseinandergesetzt. So trifft es zwar zu, dass im
Gesetzgebungsverfahren die Abzinsung u.a. mit der Überlegung
begründet wurde, bei einem Erwerb des gesamten Betriebs werde
ein langfristig gewährtes Darlehen nur mit seinem abgezinsten
Erfüllungsbetrag in die Bemessung des Kaufpreises eingehen
(Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN, BTDrucks 14/23, S. 171; Gesetzentwurf der
Bundesregierung, BTDrucks 14/265, S. 172). Doch kann daraus nicht
abgeleitet werden, dass sich die Bestimmung des Anwendungsbereichs
des § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG 1997 nur an dieser
Vorstellung ausrichten muss. Denn im weiteren Verlauf des
Gesetzgebungsverfahrens ist das zunächst nur für
Rückstellungen vorgesehene Abzinsungsgebot nicht nur auf
Verbindlichkeiten erweitert, sondern zugleich mit einer
Objektivierung der Gewinnermittlung und einer
„realitätsnahen Bewertung“ begründet
worden (Bericht des Finanzausschusses - 7. Ausschuss -, BTDrucks
14/443, S. 17). Diesen Zielen dient es aber, wenn im Hinblick auf
die Frage der Kurzfristigkeit nicht nur auf eine rechtlich
bestehende Kündigungsmöglichkeit, sondern auch auf die
wahrscheinliche tatsächliche Entwicklung abgestellt wird; das
macht gerade der Fall des unbefristet gewährten
Gesellschafterdarlehens deutlich. Zudem dient es der Einheit der
Rechtsordnung, wenn die ertragsteuerrechtliche und die
bewertungsrechtliche Behandlung eines Vorgangs denselben
Maßstäben folgen. Daher begründet ein mit
gesetzlicher Frist kündbares Darlehen jedenfalls dann, wenn
nach den Erfahrungen der Vergangenheit keine alsbaldige
Kündigung droht, aus ertragsteuerrechtlicher ebenso wie aus
bewertungsrechtlicher Sicht (vgl. dazu die Nachweise im
Senatsbeschluss in BFHE 226, 347 = SIS 09 36 84) keine
Verbindlichkeit mit einer Laufzeit von weniger als zwölf
Monaten.
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Im Streitfall hat das FG festgestellt, dass
die in Rede stehenden Gesellschafterdarlehen zins- und tilgungsfrei
gewährt worden waren, am Bilanzstichtag des Streitjahres schon
mehrere Jahre lang bestanden und auch in den Folgejahren nicht
zurückgeführt worden sind. Es hat ferner festgestellt,
dass die Darlehensverträge nur nach vorheriger Abstimmung
unter den Darlehensgebern gekündigt werden konnten. Diese
bindenden (§ 118 Abs. 2 FGO) Feststellungen rechtfertigen die
vom FG vorgenommene Würdigung dahin, dass die Klägerin am
maßgeblichen Bilanzstichtag nicht damit rechnen musste,
kurzfristig auf eine Tilgung der betreffenden Verbindlichkeiten in
Anspruch genommen zu werden. Die Klägerin beurteilt diese
Frage zwar abweichend und verweist dazu vor allem auf die im Jahr
1988 vorgenommene Änderung der Darlehensverträge; sie
zeigt aber nicht auf, dass das FG gegen Denkgesetze oder gegen
allgemeine Erfahrungssätze verstoßen habe, und kann
daher dessen tatrichterliche Würdigung nicht
erschüttern.
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d) Die verfassungsrechtlichen Bedenken der
Klägerin gegen die vom Gesetzgeber getroffene Regelung teilt
der Senat nicht; insoweit wird erneut auf den Beschluss in BFHE
226, 347 = SIS 09 36 84 verwiesen. Die vom FG angestellte
Berechnung zur Höhe des Abzinsungsbetrags greift die Revision
nicht an; der Senat erkennt insoweit auch keine zum Nachteil der
Klägerin wirkenden Rechtsfehler, die von Amts wegen korrigiert
werden müssten. Im Ergebnis ist das angefochtene Urteil daher,
soweit es die Behandlung der Gesellschafterdarlehen betrifft, nicht
zu beanstanden.
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3. Dasselbe gilt im Hinblick auf die von der
Klägerin gebildeten Rückstellungen für
Schallschutzmaßnahmen. Insbesondere hat das FG zutreffend
entschieden, dass diese Rückstellungen nach § 6 Abs. 1
Nr. 3a Buchst. e EStG 1997 abzuzinsen sind.
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a) Nach der genannten Vorschrift sind
Rückstellungen für Verpflichtungen mit 5,5 v.H.
abzuzinsen, wobei § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG 1997
entsprechend anzuwenden ist. Das bedeutet, dass eine Abzinsung
unterbleibt, wenn die Rückstellung aus der Sicht des
Bilanzstichtags voraussichtlich für weniger als zwölf
Monate Bestand haben wird. Das Vorliegen dieser Voraussetzung hat
das FG indessen ohne Rechtsfehler verneint.
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aa) Nach den Feststellungen des FG betrafen
die streitigen Rückstellungen künftigen Aufwand für
Schallschutzmaßnahmen, deren Finanzierung die Klägerin
den Anwohnern eines bestimmten Gebiets angeboten hatte. Der Ablauf
der Finanzierungsmaßnahme vollzog sich in der Weise, dass
zunächst ein Antrag des Anwohners vorliegen musste und die
Klägerin nach Prüfung dieses Antrags die notwendigen
Maßnahmen ermittelte. Sodann durfte der betreffende Anwohner
zwei Angebote von Fachfirmen einholen, woraufhin die Klägerin
mit ihm einen Vertrag über die Durchführung der
Maßnahme und die Höhe des Erstattungsbetrags schloss; an
diesen Vertrag war sie anschließend für zwölf
Monate gebunden. Weiter ist dem angefochtenen Urteil zu entnehmen,
dass die vom FA vorgenommene Abzinsung sich ausschließlich
auf Maßnahmen bezieht, für die einerseits am
Bilanzstichtag des Streitjahres eine Rückstellung gebildet
worden war und die andererseits bis zum Ende des Folgejahres nicht
abgewickelt worden waren. Diese Feststellungen greift die Revision
nicht an; sie sind deshalb revisionsrechtlich bindend.
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bb) Das FG hat allerdings nicht
ausdrücklich festgestellt, ob die in Rede stehenden
Rückstellungen erst im Gefolge der Antragstellung durch einen
Anwohner oder - im Vorgriff darauf - allein auf der Grundlage der
Erwartung derartiger Anträge gebildet worden sind. Es ist
deshalb denkbar, dass am Bilanzstichtag Unklarheit darüber
bestand, ob die in den Rückstellungen berücksichtigten
Maßnahmen tatsächlich von den Anwohnern in Anspruch
genommen werden würden. Ebenso war möglicherweise am
Bilanzstichtag nicht absehbar, inwieweit bereits beantragte oder
noch zu beantragende Maßnahmen im Folgejahr abgeschlossen
werden konnten oder nicht. Beides schließt jedoch entgegen
der Ansicht der Klägerin die Abzinsung der Rückstellungen
nicht aus.
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Denn bei Rückstellungen gilt ebenso wie
im Bereich der Verbindlichkeiten, dass es für die
Notwendigkeit einer Abzinsung auf denjenigen
Erfüllungszeitpunkt ankommt, mit dem aus der Sicht des
Bilanzstichtags nach den tatsächlichen Verhältnissen und
den in der Vergangenheit gemachten Erfahrungen gerechnet werden
muss. Dazu hat das FG indessen festgestellt, dass die Klägerin
die Rückstellungen für Schallschutzmaßnahmen
jeweils lange vor dem Abschluss einer schriftlichen Vereinbarung
mit dem berechtigten Anwohner gebildet hat. Das rechtfertigt seine
Annahme, dass die Rückstellungen jedenfalls nicht in vollem
Umfang Risiken abbildeten, die aus der Sicht des Bilanzstichtags
innerhalb der nächsten zwölf Monate beseitigt werden
konnten.
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Das Ausmaß derjenigen Risiken, die sich
in zeitlicher Hinsicht auf mindestens zwölf Monate
erstreckten, konnte naturgemäß weder am Bilanzstichtag
noch zum Zeitpunkt der Bilanzaufstellung konkret beziffert werden.
Das FA hat den insoweit anzusetzenden Wert deshalb aus der
tatsächlichen späteren Entwicklung abgeleitet; dem ist
das FG - jedenfalls vom systematischen Ansatz her - gefolgt. Diese
Handhabung mag zwar insoweit methodisch angreifbar sein, als sie
die Beurteilung aus der Sicht des Bilanzstichtags durch eine
rückblickende Betrachtung ersetzt (vgl. dazu Korn/Strahl in
Korn, Einkommensteuergesetz, § 6 EStG Rz 388). Doch handelt es
sich zum einen letztlich um eine Schätzung seitens des FG, die
im Revisionsverfahren nur eingeschränkt überprüft
werden kann. Zum anderen - und vor allem - macht die Klägerin
nicht geltend, dass eine Betrachtung unter dem zeitlichen
Blickwinkel des Bilanzstichtags andere, ihr günstigere Werte
zu Tage fördern könnte. Angesichts dessen ist die Annahme
des FG, dass den gesamten vom FA abgezinsten
Rückstellungsbeträgen am Bilanzstichtag nicht eine
Restlaufzeit von weniger als zwölf Monaten beizumessen war, im
Ergebnis nicht zu beanstanden.
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b) Der Streitfall gibt keinen Anlass zu einer
Auseinandersetzung mit der von der Revision angesprochenen Frage,
welche Rechtsfolge § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e EStG 1997 im
Zusammenhang mit Pauschalrückstellungen auslöst (vgl.
dazu Bundesministerium der Finanzen, Schreiben vom 26.5.2005, BStBl
I 2005, 699 = SIS 05 24 80, Tz. 27; FG München, Beschluss vom
21.1.2004 7 V 4930/03, EFG 2004, 641 = SIS 04 16 85;
Kiesel/Görner in Herrmann/Heuer/ Raupach, EStG/KStG, § 6
EStG Rz 1165, m.w.N.). Denn das FG hat nicht festgestellt, dass die
Klägerin eine Pauschalrückstellung gebildet hat. Ebenso
geht der Einwand der Klägerin fehl, dass eine Abzinsung ein
verdecktes Kreditgeschäft voraussetze und dass ein solches nur
dann vorliege, wenn entweder der Schuldner vorzeitig zum Barwert
erfüllen oder eine entsprechende Vereinbarung getroffen werden
könne (vgl. dazu Senatsurteil vom 15.7.1998 I R 24/96, BFHE
186, 388, 392, BStBl II 1998, 728, 730 = SIS 98 20 20;
Niedersächsisches FG, Urteil vom 15.5.2002 6 K 727/98, EFG
2002, 1370 = SIS 02 97 01, m.w.N.): Das FG hat zu Recht
ausgeführt, dass diese Sicht zwar nach der für das
Streitjahr geltenden Rechtslage den handelsrechtlichen
Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung
entspricht (§ 253 Abs. 1 Satz 2 des Handelsgesetzbuchs i.d.F.
vor der Geltung des Gesetzes zur Modernisierung des Bilanzrechts
vom 25.5.2009, BGBl I 2009, 1102), denen aber für den Bereich
des Steuerrechts § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e EStG 1997 vorgeht
(§ 5 Abs. 6 EStG 1997).
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c) Schließlich sind die
verfassungsrechtlichen Bedenken der Klägerin gegen die in
§ 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e EStG 1997 getroffene Regelung
unbegründet. Denn wie im Zusammenhang mit § 6 Abs. 1 Nr.
3 EStG 1997 (dazu Senatsbeschluss in BFHE 226, 347 = SIS 09 36 84)
greift auch hier insoweit der Gedanke durch, dass die gesetzliche
Regelung auf wirtschaftlich nachvollziehbaren Erwägungen
beruht, weder unverhältnismäßig ist noch gegen den
Gleichheitssatz verstößt und deshalb vom
Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers abgedeckt ist.
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d) Die Berechnung des Abzinsungsbetrags durch
das FG greift die Klägerin auch insoweit, als es um die
Rückstellungen geht, nicht an. Der Senat erkennt in diesem
Punkt ebenfalls keinen revisionsrechtlich erheblichen Fehler,
weshalb das angefochtene Urteil im Ergebnis nicht zu beanstanden
ist. Die von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung
angesprochene Frage, wie die in Rede stehenden Bilanzposten in den
Abschlüssen für die Folgejahre zu bewerten sind, muss im
Streitfall nicht erörtert werden.
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