Schenkungsteuer bei Vermögensübertragungen auf rechtsfähige Stiftung: Übernimmt eine (mittelbar) zum Vermögen einer rechtsfähigen Stiftung gehörende GmbH im Zuge einer Kapitalerhöhung bei einer anderen Gesellschaft den neuen Geschäftsanteil zu einer Einlage weit unter Wert, liegen darin keine freigebigen Zuwendungen an die Begünstigten der Stiftung. - Urt.; BFH 9.7.2009, II R 47/07; SIS 09 36 85
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin), eine österreichische Staatsangehörige,
hat im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen
Aufenthalt. Sie ist neben weiteren Familienangehörigen
Begünstigte einer rechtsfähigen liechtensteinischen
Stiftung. Diese Stiftung ist alleinige
Gesellschafterin einer luxemburgischen
Holding, die ihrerseits alleinige Gesellschafterin der in
Deutschland ansässigen ... GmbH (GmbH 1) ist.
An der ebenfalls in Deutschland
ansässigen ... GmbH (GmbH 2) waren je zur Hälfte zwei in
Liechtenstein ansässige Unternehmen beteiligt, nämlich
die A und die C. Die Gesellschafterversammlung der GmbH 2 beschloss
am 5.2.1998, das Stammkapital um 22.500.000 DM zu erhöhen. Die
unter Ausschluss der bisherigen Gesellschafter zur Übernahme
der neuen Stammeinlage zugelassene GmbH 1 erbrachte diese
Stammeinlage und ein Aufgeld von 7.500.000 DM in bar.
Da diese Leistungen der GmbH 1 um
15.675.000 DM niedriger waren als der vom Beklagten und
Revisionskläger (Finanzamt - FA - ) ermittelte gemeine Wert
des nach der Kapitalerhöhung auf diese GmbH entfallenden
Geschäftsanteils, nahm das FA an, es liege eine freigebige
Zuwendung vor. Für den Fall, dass hierdurch
Schenkungsteuerpflicht eingetreten sei, einigten sich die
nunmehrige Prozessbevollmächtigte der Klägerin und das FA
dahingehend, dass als Schenker A und C und als Beschenkte die
Begünstigten der Stiftung, d.h. u.a. die Klägerin, in
Betracht kämen. Es müsse lediglich noch geklärt
werden, ob Inlandsvermögen i.S. des § 2 Abs. 1 Nr. 3 des
Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) i.V.m. §
121 des Bewertungsgesetzes (BewG) geschenkt worden sei.
Das FA erließ daraufhin gegen die
Klägerin einen Schenkungsteuerbescheid für ihren Erwerb
aus der von ihm angenommenen Schenkung der A vom 5.2.1998 und
berücksichtigte dabei als Wert der Bereicherung der
Klägerin entsprechend der früher bestehenden
hälftigen Beteiligung der A an der GmbH 2 und der
gegenüber der Stiftung bestehenden anteiligen
Begünstigung der Klägerin von 25 % ein Achtel des
Unterschiedsbetrags von 15.675.000 DM zwischen dem gemeinen Wert
des nach der Kapitalerhöhung auf die GmbH 1 entfallenden
Geschäftsanteils und dem von der GmbH 1 gezahlten Entgelt,
also 1.959.375 DM. In der Einspruchsentscheidung setzte das FA die
Steuer unter Gewährung des Bewertungsabschlags
gemäß § 13a Abs. 2 ErbStG nach einem Steuersatz von
35 % (Steuerklasse III) auf 210.018 EUR herab. Gegenstand der
Zuwendung sei ein Viertel des der A an sich zustehenden anteiligen
Bezugsrechts für den im Rahmen der Kapitalerhöhung
entstehenden neuen Geschäftsanteil. Dabei handle es sich um
Inlandsvermögen i.S. des § 121 Nr. 4 BewG.
In einem vor dem Finanzgericht (FG)
durchgeführten Erörterungstermin kamen die Beteiligten zu
einer „tatsächlichen Verständigung“, nach der
im Rahmen der Kapitalerhöhung der GmbH 2 gemäß
Beschluss vom 5.2.1998 aufgrund der Beteiligungsstruktur der
unmittelbar und mittelbar beteiligten Gesellschaften als Schenker
nur A sowie C und als Beschenkte nur die Begünstigten der
Stiftung, d.h. u.a. die Klägerin, in Betracht kommen.
Das FG gab der Klage durch das in EFG 2008,
313 = SIS 08 09 08 veröffentlichte Urteil mit der
Begründung statt, es liege kein steuerpflichtiger Erwerb der
Klägerin von A vor. Die Klägerin sei mangels
substantieller Bereicherung nicht Empfängerin einer durch die
Kapitalerhöhung bewirkten Zuwendung. Inhaber des neuen
Geschäftsanteils an der GmbH 2 sei nämlich die GmbH 1
geworden. Die Klägerin habe allenfalls wirtschaftlich von der
Kapitalerhöhung profitiert. Die von den Beteiligten getroffene
„tatsächliche Verständigung“ sei nicht
rechtsverbindlich.
Mit der Revision rügt das FA
Verletzung des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Entgegen der Ansicht
des FG liege eine freigebige Zuwendung der A an die Klägerin
vor. Die GmbH 1 sei durch den ohne angemessene Gegenleistung
erfolgten originären Erwerb des neuen Geschäftsanteils an
der GmbH 2 substantiell bereichert worden. Dieser
Vermögenserwerb sei der Klägerin als Begünstigter
der mittelbar an der GmbH 1 beteiligten Stiftung anteilig
zuzurechnen. Der von der Klägerin demnach anteilig erworbene
neue Geschäftsanteil stelle Inlandsvermögen i.S. § 2
Abs. 1 Nr. 3 ErbStG i.V.m. § 121 Nr. 4 BewG dar.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision
als unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und war
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG hat zu Recht angenommen,
dass der angefochtene Schenkungsteuerbescheid in Gestalt der
Einspruchsentscheidung rechtswidrig ist und daher keinen Bestand
haben konnte.
1. Es liegt keine freigebige Zuwendung der A
an die Klägerin vor.
a) Der Schenkungsteuer unterliegt als
Schenkung unter Lebenden (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) jede
freigebige Zuwendung, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des
Zuwendenden bereichert wird (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG; vgl.
auch § 516 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs).
Erforderlich hierfür ist eine Vermögensverschiebung, d.h.
eine Vermögensminderung auf der Seite des Schenkers und eine
Vermögensmehrung auf der Seite des Beschenkten (Urteile des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 6.3.1985 II R 19/84, BFHE 143, 291,
BStBl II 1985, 382 = SIS 85 11 05, und vom 7.11.2007 II R 28/06,
BFHE 218, 414, BStBl II 2008, 258 = SIS 08 10 84). Wer Zuwendender
ist, bestimmt sich nach der Ausgestaltung der geschlossenen
Verträge unter Einbeziehung ihrer inhaltlichen Abstimmung
untereinander sowie den mit der Vertragsgestaltung erkennbar
angestrebten Zielen der Parteien (BFH-Urteile vom 10.3.2005 II R
54/03, BFHE 208, 447, BStBl II 2005, 412 = SIS 05 18 98, und in
BFHE 218, 414, BStBl II 2008, 258 = SIS 08 10 84).
Bei der Prüfung, wer als Zuwendender und
Bedachter an einer freigebigen Zuwendung beteiligt ist, kommt es
auf die Zivilrechtslage und nicht darauf an, wem nach
wirtschaftlicher Betrachtungsweise Vermögen oder Einkommen
zuzurechnen ist; denn die Schenkungsteuer ist Verkehrsteuer
(BFH-Urteile vom 29.11.2006 II R 42/05, BFHE 215, 529, BStBl II
2007, 319 = SIS 07 04 72, und in BFHE 218, 414, BStBl II 2008, 258
= SIS 08 10 84).
Wird unter Lebenden Vermögen
unentgeltlich auf eine rechtsfähige Stiftung übertragen,
kann es sich um eine unter § 7 Abs. 1 Nr. 8 Satz 1 ErbStG
fallende Erstausstattung der Stiftung oder um eine freigebige
Zuwendung unter Lebenden an die Stiftung (§ 7 Abs. 1 Nr. 1
ErbStG) handeln (BFH-Urteil vom 11.6.2008 II R 60/06, BFH/NV 2008,
2026 = SIS 08 41 40). In beiden Fällen ist die Stiftung als
Erwerberin Steuerschuldnerin (§ 20 Abs. 1 Satz 1 ErbStG). Eine
freigebige Zuwendung an die Begünstigten der Stiftung liegt in
solchen Fällen nicht vor. Dies ergibt sich auch aus § 7
Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 ErbStG, wonach als Schenkung unter Lebenden
gilt, was bei Aufhebung einer Stiftung erworben wird, aus der
Besteuerung der Familienstiftungen nach § 1 Abs. 1 Nr. 4
ErbStG und den in § 15 Abs. 2 ErbStG enthaltenen Vorschriften
für die Besteuerung von Vorgängen im Zusammenhang mit
Stiftungen. Diese Vorschriften setzen voraus, dass bei
Vermögensübertragungen auf eine rechtsfähige
Stiftung diese selbst die Erwerberin i.S. des § 20 Abs. 1 Satz
1 ErbStG ist und damit keine freigebige Zuwendung an die
Begünstigten der Stiftung vorliegt.
Diese Rechtsfolge muss auch in den Fällen
gelten, in denen sich der Wert des Stiftungsvermögens durch
unentgeltliche Vorgänge bei Gesellschaften (mittelbar)
erhöht, an denen die Stiftung unmittelbar oder mittelbar
beteiligt ist. Übernimmt eine (mittelbar) zum Vermögen
einer rechtsfähigen Stiftung gehörende GmbH im Zuge einer
Kapitalerhöhung bei einer anderen Gesellschaft den neuen
Geschäftsanteil zu einer Einlage weit unter Wert, liegen darin
keine freigebigen Zuwendungen an die Begünstigten der
Stiftung.
b) Die Voraussetzungen einer freigebigen
Zuwendung der A an die Klägerin sind somit nicht erfüllt.
Die Klägerin hat aufgrund der getroffenen zivilrechtlichen
Vereinbarungen weder ein anteiliges Bezugsrecht noch einen Anteil
an dem neuen Geschäftsanteil an der GmbH 2 erhalten. Es hat
sich vielmehr allenfalls der Wert ihrer Begünstigung durch die
Stiftung erhöht. Dieser lediglich wirtschaftliche Vorteil war
nicht Gegenstand einer Vermögensverschiebung von A auf die
Klägerin, wurde vom FA nicht der Besteuerung unterworfen und
stellt zudem kein der beschränkten Steuerpflicht nach § 2
Abs. 1 Nr. 3 ErbStG unterliegendes Inlandsvermögen i.S. des
§ 121 BewG dar.
2. Der angefochtene Schenkungsteuerbescheid in
Gestalt der Einspruchsentscheidung kann auch nicht auf die im
finanzgerichtlichen Verfahren getroffene
„tatsächliche Verständigung“
oder die bereits vor Erlass des Bescheids
erzielte Einigung zwischen der nunmehrigen
Prozessbevollmächtigten der Klägerin und dem FA
gestützt werden.
a) Der BFH hat die Zulässigkeit
tatsächlicher Verständigungen grundsätzlich
anerkannt. Zweck der tatsächlichen Verständigung ist es,
zu jedem Zeitpunkt des Besteuerungsverfahrens hinsichtlich
bestimmter Sachverhalte, deren Klärung schwierig, aber zur
Festsetzung der Steuer notwendig ist, den möglichst
zutreffenden Besteuerungssachverhalt i.S. des § 88 der
Abgabenordnung einvernehmlich festzulegen. Die Bindungswirkung
einer derartigen Vereinbarung setzt voraus, dass sie sich auf
Sachverhaltsfragen, nicht aber auf Rechtsfragen bezieht, dass der
Sachverhalt die Vergangenheit betrifft, dass die
Sachverhaltsermittlung erschwert ist, dass auf Seiten der
Finanzbehörde ein für die Entscheidung über die
Steuerfestsetzung zuständiger Amtsträger beteiligt ist
und dass die tatsächliche Verständigung nicht zu einem
offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führt (BFH-Urteil vom
8.10.2008 I R 63/07, BFHE 223, 194, BStBl II 2009, 121 = SIS 08 43 32, mit zahlreichen weiteren Nachweisen).
b) Die Verfahrensbeteiligten konnten danach
nicht abweichend von der materiellen Rechtslage wirksam
vereinbaren, dass der teilentgeltliche Erwerb des neuen
Geschäftsanteils an der GmbH 2 durch die GmbH 1 eine
freigebige Zuwendung der Gesellschafter der GmbH 2 an die
Begünstigten der Stiftung und somit auch an die Klägerin
darstelle. Es handelt sich dabei nicht um eine Einigung über
eine Sachverhaltsfrage, sondern um ein weder die Beteiligten noch
das Gericht bindendes Einvernehmen über die materielle
Rechtslage.
3. Es kann danach auf sich beruhen, ob das FA
ausgehend von seinem Standpunkt, es liege eine freigebige Zuwendung
der A an die Klägerin vor, zu Recht zwar den
Bewertungsabschlag nach § 13a Abs. 2 ErbStG, nicht aber die
Tarifbegrenzung nach § 19a ErbStG angewandt hat. Ein Grund
für diese Differenzierung wurde vom FA nicht angeführt
und ist auch nicht ersichtlich.