Bewertungsrechtliche Zurechnung einer wirtschaftlichen Einheit, keine Bindungswirkung für ErbSt: 1. Der Zurechnung der wirtschaftlichen Einheit nach § 138 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 BewG kommt keine Bindungswirkung für den (Erbschaftsteuer-)Folgebescheid zu. - 2. Die Rechtswirkung der gemäß § 138 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 BewG in dem Feststellungsbescheid über den Grundbesitzwert zu treffenden Feststellungen über die Zurechnung der wirtschaftlichen Einheit beschränkt sich auf die Bestimmung des Inhaltsadressaten des Feststellungsbescheids. - Urt.; BFH 29.11.2006, II R 42/05; SIS 07 04 72
I. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom
15.12.1998 übertrug R eine Eigentumswohnung mit zwei
Tiefgaragenstellplätzen auf die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) zu Alleineigentum. Die
Vertragsparteien erklärten gleichzeitig die Auflassung und
bewilligten und beantragten die Eintragung des Eigentumswechsels im
Grundbuch. Besitz, Nutzungen und Lasten gingen am Tag der
Beurkundung mit der Maßgabe auf die Klägerin über,
dass sich R weiterhin zur Tragung der mit der Eigentumswohnung
zusammenhängenden Kosten verpflichtete. Auf dem
übertragenen Objekt für R eingetragene, nicht valutierte
Eigentümerbriefgrundschulden wurden von der Klägerin in
dinglicher Haftung übernommen.
Auf Anforderung des
Schenkungsteuerfinanzamts stellte der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) mit Bescheid vom
29.6.2000 den Grundstückswert für die Eigentumswohnung
auf den 15.12.1998 gegenüber der Klägerin als Erwerberin
auf 132.000 DM fest. Auf der Grundlage dieses Bescheids setzte das
Schenkungsteuerfinanzamt mit Bescheid vom 29.9.2000 gegen die
Klägerin Schenkungsteuer in Höhe von 28.000 DM fest.
Über die hiergegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren
erhobene Klage ist noch nicht entschieden.
Da das FA den Zugang des
Feststellungsbescheids vom 29.6.2000 bei der Klägerin nicht
nachweisen konnte, stellte es ihr gegenüber mit Bescheid vom
22.1.2003 den Grundstückswert für die Eigentumswohnung
zum 15.12.1998 wiederum auf 132.000 DM fest und rechnete ihn der
Klägerin als Erwerberin zu. Einspruch und Klage, mit denen die
Klägerin geltend machte, sie sei aufgrund der
übernommenen dinglichen Belastungen des Grundstücks nicht
bereichert und die Voraussetzungen einer Zurechnung der
Eigentumswohnung nach § 138 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 des
Bewertungsgesetzes (BewG) lägen nicht vor, hatten keinen
Erfolg. Das Finanzgericht (FG) bejahte in dem in EFG 2004, 23 = SIS 04 19 22 veröffentlichten Urteil die Erforderlichkeit der
Anforderung eines Bedarfswerts durch das Schenkungsteuerfinanzamt,
da die von diesem beabsichtigte und mit Bescheid vom 29.9.2000
durchgeführte Steuerfestsetzung vertretbar sei. Die
Feststellung über die Zurechnung der wirtschaftlichen Einheit
(§ 138 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 BewG) erschöpfe sich in der
Bestimmung des zutreffenden Inhaltsadressaten für den
Feststellungsbescheid und sei kein selbständiger
Verwaltungsakt.
Mit der Revision rügt die
Klägerin Verletzung des § 138 Abs. 5 BewG. Da ein
schenkungsteuerbarer Vorgang unter keinem rechtlich möglichen
Gesichtspunkt vorliege, sei die Durchführung des
Feststellungsverfahrens willkürlich erfolgt. Die
Eigentumswohnung habe ihr im angefochtenen Feststellungsbescheid
nach § 19 Abs. 3 Nr. 2 BewG i.V.m. § 39 Abs. 2 Nr. 1 der
Abgabenordnung (AO 1977) nicht zugerechnet werden
dürfen.
Die Klägerin beantragt, die
Vorentscheidung, die Einspruchsentscheidung vom 14.4.2004 und den
Bescheid über die gesonderte Feststellung des
Grundstückswerts vom 22.1.2003 aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und war
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG hat zutreffend angenommen,
dass die gesonderte Feststellung des Bedarfswerts erforderlich und
dieser der Klägerin zuzurechnen war.
1. Nach § 138 Abs. 5 Satz 1 BewG sind
Grundbesitzwerte gesondert festzustellen, wenn sie für die
Erbschaftsteuer erforderlich sind.
a) Das Merkmal
„erforderlich“ ist nicht so zu verstehen, dass
das Feststellungsfinanzamt vor der Wertermittlung
materiell-rechtlich zu prüfen hätte, ob ein
schenkungsteuerbarer Vorgang vorliegt (vgl. BFH-Urteil vom
24.5.2005 II R 57/03, BFH/NV 2005, 1982 = SIS 05 44 81;
BFH-Beschluss vom 26.1.2006 II B 61/05, BFH/NV 2006, 921 = SIS 06 17 20). Für dieses Finanzamt ist die Wertfeststellung vielmehr
schon dann i.S. von § 138 Abs. 5 BewG
„erforderlich“, wenn ein Finanzamt um die
Feststellung eines solchen Werts für Zwecke einer
beabsichtigten Steuerfestsetzung nachsucht. Darüber, ob ein
„Bedarf“ besteht und damit die Wertfeststellung
„erforderlich“ ist, entscheidet somit nicht das
Lagefinanzamt (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977), sondern allein das
Erbschaft- bzw. Schenkungsteuerfinanzamt (§ 35 des
Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes - ErbStG - ), und zwar
nicht durch einen selbständig anfechtbaren Verwaltungsakt,
sondern durch den verwaltungsinternen Vorgang der Anforderung des
Grundbesitzwerts beim Lagefinanzamt (BFH in BFH/NV 2006, 921 = SIS 06 17 20). Wurde das Lagefinanzamt aufgefordert, eine
Wertfeststellung auf einen bestimmten Stichtag für eine
beabsichtigte Steuerfestsetzung vorzunehmen, kann es
regelmäßig ohne weitere Prüfung davon ausgehen,
dass die Feststellung des Grundbesitzwerts i.S. von § 138 Abs.
5 Satz 1 BewG „erforderlich“ ist.
b) Dieses Verfahren schließt es
jedenfalls im Regelfall aus, schon im Rechtsmittelverfahren gegen
den Feststellungsbescheid (Grundlagenbescheid) die Steuerbarkeit
betreffende materiell-rechtliche Einwände zu
berücksichtigen. Über derartige Einwände ist erst im
Steuerfestsetzungsverfahren oder ggf. im Rechtsmittelverfahren
gegen den Folgebescheid (Schenkungsteuerbescheid) zu befinden.
c) Ob etwas anderes in den Fällen gilt,
in denen die Anforderung des Grundbesitzwerts durch das
Schenkungsteuerfinanzamt und damit die Feststellung des
Grundbesitzwerts „völlig aus der Luft gegriffen und
damit willkürlich“ ist, kann dahinstehen. Die
Erforderlichkeit einer Bedarfswertfeststellung steht jedenfalls
dann außer Frage, wenn das den Bedarfswert anfordernde
Schenkungsteuerfinanzamt bereits auf der Grundlage des Bescheids
über die Bedarfswertfeststellung Schenkungsteuer festgesetzt
hat (vgl. BFH in BFH/NV 2006, 921 = SIS 06 17 20). Ein solcher Fall
ist vorliegend gegeben.
2. Dieser Abgrenzung der
Entscheidungskompetenzen des Feststellungsfinanzamts einerseits und
des Schenkungsteuerfinanzamts andererseits steht nicht entgegen,
dass gemäß § 138 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 BewG in dem
Feststellungsbescheid auch Feststellungen über die Zurechnung
der wirtschaftlichen Einheit zu treffen sind. Diese Zurechnung ist
ausschließlich auf das Feststellungsverfahren
beschränkt. Ihre Rechtswirkung erschöpft sich in der
Bestimmung des Inhaltsadressaten, d.h. der Person, für die der
festgestellte Bedarfswert seinem Inhalt nach bestimmt ist (Wilms,
Umsatz- und Verkehrsteuer-Recht - UVR - 2000, 333; Jüptner,
Steuer und Wirtschaft - StuW - 2005, 126, 138).
a) Insbesondere ist die vom
Feststellungsfinanzamt getroffene Zurechnung nicht für die
Festsetzung der Schenkungsteuer bindend. Nach § 182 Abs. 1
Satz 1 AO 1977 beschränkt sich die Bindungswirkung der in
einem Feststellungsbescheid getroffenen Feststellungen auf solche,
die für einen Folgebescheid (hier: Schenkungsteuerbescheid)
„von Bedeutung“ sind. Aus der Regelung des
§ 12 Abs. 3 ErbStG ist ersichtlich, dass die im Bescheid
über die Bedarfswertfeststellung getroffenen Feststellungen
lediglich hinsichtlich des Ansatzes des Grundbesitzwerts und nicht
auch hinsichtlich der Zugehörigkeit eines Grundstücks zum
Nachlass bzw. zum Beschenkten Bedeutung haben (Gebel in Troll/
Gebel/Jülicher, ErbStG, § 12 Tz. 520; Viskorf in
Viskorf/Glier/ Hübner/Knobel/Schuck, Erbschaftsteuer- und
Schenkungsteuergesetz, Bewertungsgesetz, 2. Aufl., § 12 ErbStG
Rdnr. 24; Knobel, a.a.O., § 138 BewG Rdnrn. 44 und 45;
Jüptner, StuW 2005, 126, 138).
b) Die vom Schenkungsteuerfinanzamt nach
Maßgabe des ErbStG zu treffende Entscheidung, ob ein der
Schenkungsteuer unterliegender Vorgang gegeben und wer ggf. der
Bedachte ist, ist verfahrensrechtlich mit der in § 138 Abs. 5
BewG getroffenen Regelung nur insoweit verknüpft, als diese
Entscheidung für die Anforderung des Grundbesitzwerts beim
Lagefinanzamt - und in der Folge für die Bestimmung des
Inhaltsadressaten des Bescheids über die
Bedarfswertfeststellung - maßgebend ist.
3. Das Schenkungsteuerfinanzamt hat
demgemäß in eigener Zuständigkeit über die
schenkungsteuerrechtliche Zurechnung eines geschenkten
Grundstücks zu entscheiden. Bei dieser Entscheidung sind -
anders als die Revision meint - die für die Einheitsbewertung
geltenden Grundsätze (§ 19 Abs. 3 Nr. 2 BewG i.V.m.
§ 39 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977) nicht anwendbar. § 39 Abs. 2
Nr. 1 AO 1977 ist Ausdruck der wirtschaftlichen Betrachtungsweise.
Für eine freigebige Zuwendung i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1
ErbStG kommt es hingegen ausschließlich auf die
Zivilrechtslage und nicht darauf an, wem nach wirtschaftlicher
Betrachtungsweise das übertragene Vermögen zuzurechnen
ist (BFH-Urteil vom 25.1.2001 II R 39/98, BFH/NV 2001, 908 = SIS 01 66 21, m.w.N.; vgl. auch BFH-Urteil vom 22.9.1982 II R 61/80, BFHE
137, 188, BStBl II 1983, 179 = SIS 83 02 08).