IHK, Unternehmer: Die Bundesrepublik Deutschland kann Tätigkeiten von juristischen Personen des öffentlichen Rechts, die nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG von der Steuer befreit sind (Vermietung und Verpachtung von Grundstücken), nur durch eine ausdrückliche gesetzliche Regelung gemäß Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 4 der Richtlinie 77/388/EWG als Tätigkeiten "behandeln", die diesen juristischen Personen des öffentlichen Rechts im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen. (Hinweis aus BStBl 2017 II S. 825 auf BMF-Schreiben vom 27. Juli 2017 - III C 2 - S 7106/0 :002 = SIS 17 13 97) - Urt.; BFH 20.8.2009, V R 70/05; SIS 09 33 72
I. Streitig ist, ob die Klägerin und
Revisionsbeklagte (Klägerin), eine
Grundstücks-Vermietungsgesellschaft (GmbH & Co. KG), ihre
Umsätze aus der Vermietung eines Verwaltungsgebäudes mit
Tiefgarage an eine Industrie- und Handelskammer (im Folgenden:
IHK), die das Gebäude neben der Selbstnutzung auch teilweise
(Büroflächen und Tiefgaragenplätze) an Dritte
steuerpflichtig vermietet hat, wirksam als steuerpflichtig
behandeln konnte, um den Vorsteuerabzug aus der Errichtung des
Gebäudes zu erlangen.
Die Klägerin schloss am 20.3.1995 mit
der IHK einen „Immobilien-Leasingvertrag“ ab, in dem
sie sich als Leasinggeber zur entgeltlichen Überlassung eines
noch zu errichtenden Verwaltungsgebäudes (Kammergebäude)
mit Tiefgarage an die IHK als Leasingnehmer verpflichtete; es wurde
eine 27-jährige Gesamtmietzeit mit Mietbeginn ab dem 1.8.1996
vereinbart.
Die Klägerin errichtete
anschließend - auf einem Grundstück, an dem die IHK ihr
zuvor ein 60-jähriges Erbbaurecht bestellt hatte - das
vorbezeichnete Gebäude mit Tiefgarage und überließ
es entsprechend der vertraglichen Vereinbarung der IHK. Diese
nutzte einen Teil des Gebäudes für eigene Zwecke und
vermietete den Rest der sich über vier Etagen und eine
Gesamtfläche von 1.280 qm erstreckenden Büroräume an
umsatzsteuerpflichtige Dritte weiter bzw. bemühte sich um eine
solche Vermietung, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist. Die
116 Stellplätze der Tiefgarage wurden zum Teil von der IHK
selbst genutzt, zum Teil langfristig an die Mieter der
Büroflächen weitervermietet und im Übrigen
kurzfristig gegen Entgelt Fremdparkern zur Verfügung gestellt.
Die Beteiligten gehen übereinstimmend davon aus, dass von den
Büroflächen 73,13 % und von der Tiefgarage 17,93 %
ausschließlich von der IHK genutzt werden und im Übrigen
das Gebäude für Vermietungszwecke genutzt wird bzw. im
Streitjahr 1995 eine entsprechende Nutzung beabsichtigt
war.
Die Klägerin hat gemäß
§ 9 des Umsatzsteuergesetzes 1993 (UStG) auf die
Umsatzsteuerbefreiung ihrer Vermietungsumsätze nach § 4
Nr. 12 Buchst. a UStG verzichtet, soweit sie an einen anderen
Unternehmer für dessen Unternehmen vermietet, der seinerseits
aufgrund seiner Verwendungsumsätze zum Vorsteuerabzug
berechtigt ist.
Im Rahmen einer Außenprüfung bei
der Klägerin vertrat der Prüfer die Ansicht, dass der
Verzicht der Klägerin nach § 9 UStG auf die
Umsatzsteuerbefreiung ihrer Vermietungsumsätze an die IHK,
soweit die IHK ihrerseits die von der Klägerin angemieteten
Büroflächen und Tiefgaragenstellplätze langfristig
an Dritte steuerpflichtig weitervermietete, nicht wirksam sei. Denn
(auch) insoweit sei die IHK nicht unternehmerisch tätig
geworden. Zur Begründung verwies der Betriebsprüfer
darauf, dass die IHK als juristische Person des öffentlichen
Rechts gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG nur im Rahmen
eines „Betriebs gewerblicher Art“ (§ 1 Abs. 1 Nr.
6, § 4 des Körperschaftsteuergesetzes - KStG - )
unternehmerisch tätig sein könne. Dies treffe allenfalls
für die kurzfristige PKW-Stellplatzüberlassung zu; die
langfristige Vermietung sei als bloße
Vermögensverwaltung kein „gewerblicher Betrieb“
i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 6, § 4 KStG. Die IHK sei insoweit
deshalb nicht unternehmerisch i.S. des § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG
tätig.
Der Beklagte und Revisionskläger (das
Finanzamt - FA - ) schloss sich der Auffassung des Prüfers an
und erließ am 20.4.2001 einen geänderten
Umsatzsteuerbescheid für 1995, in dem er eine entsprechende
Vorsteuerkürzung vornahm.
Das Finanzgericht (FG) gab der nach
erfolglosem Einspruch (Einspruchsentscheidung vom 6.9.2002)
erhobenen Klage statt. Es führte zur Begründung im
Wesentlichen aus, die IHK sei für die hier im Streitfall in
Frage stehenden Vermietungsumsätze richtlinienkonform als
Steuerpflichtiger und damit als Unternehmer zu behandeln. Die IHK
habe damit auch ihrerseits zu Recht auf die Umsatzsteuerfreiheit
der von ihr an Dritte ausgeführten Vermietungsumsätze
verzichtet.
Im Streitfall lägen erhebliche
Wettbewerbsverzerrungen i.S. von Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der
Sechsten Richtlinie des Rates vom 17.5.1977 zur Harmonisierung der
Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern
77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) zu Lasten der IHK vor, wenn
diese als Nichtunternehmer behandelt werde, weil ihr im Falle der
Versagung der Unternehmereigenschaft und der damit fehlenden
Möglichkeit der Option zur Steuerpflicht der Vorsteuerabzug
nicht zustünde. Denn dann ergäben sich zusätzliche
Kosten von ... DM/qm Mietfläche (Mehrkosten von ... %), d.h.
der wirtschaftliche Nachteil für die IHK bei einer
Gesamtfläche von 1.280 qm würde sich insgesamt auf
monatlich rund ... DM (... DM jährlich) summieren. Damit
wäre die IHK nicht mehr konkurrenzfähig gegenüber
ihren privaten Mitbewerbern in diesem Marktsegment.
Das Urteil des FG ist in EFG 2006, 605 =
SIS 06 23 74 veröffentlicht.
Mit der Revision hat das FA Verletzung von
Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG gerügt,
weil eine „Wettbewerbsverzerrung“ im Sinne dieser
Bestimmung - nur - dann vorliege, wenn die Behandlung der
öffentlichen Hand als Nicht-Steuerpflichtige zu Nachteilen bei
den mit ihr in Konkurrenz stehenden anderen (privaten)
Steuerpflichtigen führe. Dies ergebe sich aus den Urteilen des
Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom
17.10.1989 Rs. 231/87 und Rs. 129/88, Comune di Carpaneto
Piacentino u. Comune di Rivergaro u.a. (Slg. 1989, 3233, UR 1991,
77) und aus dem EuGH-Urteil vom 14.12.2000 Rs. C-446/98, Câmara Municipal do Porto (Slg.
2000, I-11435, UR 2001, 108 = SIS 01 05 43).
Soweit eine juristische Person des
öffentlichen Rechts im Einzelfall den Vorsteuerabzug für
sich in Anspruch nehmen wolle, habe sie ohne Weiteres die
Möglichkeit, eine (privatrechtliche) GmbH in ihre
Vermietungsaktivitäten einzuschalten. Einer generellen
Anwendung von Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG
auch zu Gunsten von juristischen Personen des öffentlichen
Rechts bedürfe es deshalb nicht. Dies liefe dem Sinn dieser
Bestimmung zuwider, die in erster Linie den Schutz der
Privatwirtschaft vor einer unbesteuerten öffentlichen Hand
bezwecke.
Der Senat hat mit Beschluss vom 20.12.2007
V R 70/05 (BFHE 221, 80, BStBl II 2008, 454 = SIS 08 13 69) das
Revisionsverfahren ausgesetzt und dem EuGH folgende Fragen zur
Vorabentscheidung vorgelegt:
„1.
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Können die Mitgliedstaaten
Tätigkeiten von Staaten, Ländern, Gemeinden oder
sonstigen Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die nach Art.
13 der Richtlinie 77/388/EWG von der Steuer befreit sind, nur
dadurch gemäß Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 4 der Richtlinie
77/388/EWG als Tätigkeiten „behandeln“, die
diesen Einrichtungen im Rahmen der öffentlichen Gewalt
obliegen, dass die Mitgliedstaaten eine dahingehende
ausdrückliche gesetzliche Regelung treffen?
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2.
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Können „größere
Wettbewerbsverzerrungen“ i.S. von Art. 4 Abs. 5 Unterabs.
4 i.V.m. Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG nur dann vorliegen,
wenn die Behandlung einer Einrichtung des öffentlichen Rechts
als Nicht-Steuerpflichtige zu größeren
Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten konkurrierender privater
Steuerpflichtiger führen würde, oder auch dann, wenn die
Behandlung einer Einrichtung des öffentlichen Rechts als
Nicht-Steuerpflichtige zu größeren
Wettbewerbsverzerrungen zu ihren Lasten führen
würde?“
|
Der EuGH hat diese Fragen mit Urteil vom
4.6.2009 Rs. C-102/08, Salix (BFH/NV Beilage 2009, 1222, UR 2009,
484, DStR 2009, 1196 = SIS 09 21 00) wie folgt beantwortet:
„1.
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Die Mitgliedstaaten müssen eine
ausdrückliche Regelung vorsehen, um sich auf die in Art. 4
Abs. 5 Unterabs. 4 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom
17.5.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der
Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames
Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige
Bemessungsgrundlage vorgesehene Befugnis berufen zu können,
die Tätigkeiten der Einrichtungen des öffentlichen
Rechts, die nach Art. 13 oder 28 der Sechsten Richtlinie von der
Steuer befreit sind, als Tätigkeiten zu behandeln, die ihnen
im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen.
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2.
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Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der Sechsten
Richtlinie 77/388 ist dahin auszulegen, dass die Einrichtungen des
öffentlichen Rechts, soweit sie Tätigkeiten ausüben
oder Leistungen erbringen, die ihnen im Rahmen der
öffentlichen Gewalt obliegen, nicht nur dann als
Steuerpflichtige gelten, wenn ihre Behandlung als
Nichtsteuerpflichtige aufgrund des Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1 oder 4
zu größeren Wettbewerbsverzerrungen zulasten ihrer
privaten Wettbewerber führen würde, sondern auch dann,
wenn sie derartige Verzerrungen zu ihren eigenen Lasten zur Folge
hätte.“
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Das FA hat auf eine Stellungnahme zu diesem
EuGH-Urteil und auf eine mündliche Verhandlung verzichtet. Es
beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage
abzuweisen.
Die Klägerin hat ebenfalls auf eine
mündliche Verhandlung verzichtet und beantragt, die Revision
als unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision des FA ist unbegründet
und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
Das FG hat den streitigen Vorsteuerabzug der
Klägerin zu Recht als abziehbar anerkannt.
1. Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG kann der
Unternehmer die in Rechnungen i.S. des § 14 UStG gesondert
ausgewiesene Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen,
die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen
ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen.
Vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist u.a. die Steuer für
Lieferungen oder sonstige Leistungen, die der Unternehmer zur
Ausführung steuerfreier Umsätze verwendet (§ 15 Abs.
2 Nr. 1 UStG).
Der Umfang des Rechts auf Vorsteuerabzug, das
mit dem jeweiligen Leistungsbezug entsteht, richtet sich nach der
objektiv belegten Verwendungsabsicht bei Bezug der Leistung, soweit
- wie teilweise im Streitfall - deren tatsächliche Verwendung
erst in einem späteren Besteuerungszeitraum begann (vgl.
Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 22.2.2001 V R 77/96, BFHE
194, 498, BStBl II 2003, 426 = SIS 01 07 82).
2. Der Klägerin steht der Vorsteuerabzug
zu, weil sie gemäß § 9 UStG wirksam auf die
Steuerbefreiung verzichtet hat, soweit ihre an die IHK erbrachte
bzw. im Streitjahr beabsichtigte Vermietungsleistung den Teil der
Büroflächen und der Tiefgarage umfasst, den die IHK
ihrerseits langfristig und umsatzsteuerpflichtig an andere
Unternehmer weitervermietet hat bzw. im Streitjahr weiter zu
vermieten beabsichtigte.
a) Nach § 9 Abs. 1 UStG in der im
Streitjahr 1995 geltenden Fassung kann der Unternehmer einen
Umsatz, der - wie hier die Vermietung des Gebäudes an die IHK
- nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG steuerfrei ist, als
steuerpflichtig behandeln, wenn der Umsatz an einen anderen
Unternehmer für dessen Unternehmen ausgeführt wird. Der
Verzicht auf die Steuerbefreiung ist nach § 9 Abs. 2 Satz 1
UStG nur zulässig, soweit der Leistungsempfänger das
Grundstück ausschließlich für Umsätze
verwendet oder zu verwenden beabsichtigt, die den Vorsteuerabzug
nicht ausschließen.
b) Die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1
UStG liegen im Streitfall vor, weil die IHK mit der langfristigen
Vermietung der Büroräume und PKW-Stellplätze - bei
richtlinienkonformer Auslegung des nationalen Rechts -
unternehmerisch tätig geworden ist.
aa) Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG ist
Unternehmer, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit
selbständig ausübt. Juristische Personen des
öffentlichen Rechts sind nach § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG nur
im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art (§ 1 Abs. 1 Nr. 6,
§ 4 KStG) und ihrer land- und forstwirtschaftlichen Betriebe
gewerblich oder beruflich tätig, soweit - wie hier - keiner
der in § 2 Abs. 3 Satz 2 UStG geregelten Sonderfälle
vorliegt.
bb) Der BFH legt § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG
in seiner neueren Rechtsprechung unter Beachtung des Art. 4 Abs. 5
der Richtlinie 77/388/EWG und der zu dieser Bestimmung ergangenen
Rechtsprechung richtlinienkonform aus (vgl. z.B. BFH-Urteile vom
27.2.2003 V R 78/01, BFHE 201, 554, BStBl II 2004, 431 = SIS 03 26 68, unter II. 3., m.w.N.; vom 5.2.2004 V R 90/01, BFHE 205, 323,
BStBl II 2004, 795 = SIS 04 23 49, unter II. 4. b bb, m.w.N.;
BFH-Beschluss vom 31.7.2007 V B 44/06, BFH/NV 2007, 2365 = SIS 08 01 74).
aaa) Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie 77/388/EWG
lautet:
„Staaten, Länder, Gemeinden und
sonstige Einrichtungen des öffentlichen Rechts gelten nicht
als Steuerpflichtige, soweit sie die Tätigkeiten ausüben
oder Leistungen erbringen, die ihnen im Rahmen der
öffentlichen Gewalt obliegen, auch wenn sie im Zusammenhang
mit diesen Tätigkeiten oder Leistungen Zölle,
Gebühren, Beiträge oder sonstige Abgaben erheben
(Unterabs. 1).
Falls sie jedoch solche Tätigkeiten
ausüben oder Leistungen erbringen, gelten sie für diese
Tätigkeiten oder Leistungen als Steuerpflichtige, sofern eine
Behandlung als Nicht-Steuerpflichtige zu größeren
Wettbewerbsverzerrungen führen würde (Unterabs.
2).
Die vorstehend genannten Einrichtungen
gelten in jedem Fall als Steuerpflichtige in Bezug auf die in
Anhang D aufgeführten Tätigkeiten, sofern der Umfang
dieser Tätigkeiten nicht unbedeutend ist (Unterabs.
3).
Die Mitgliedstaaten können die
Tätigkeiten der vorstehend genannten Einrichtungen, die nach
Art. 13 oder 28 von der Steuer befreit sind, als Tätigkeiten
behandeln, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt
obliegen (Unterabs. 4).“
bbb) Nach der Rechtsprechung des EuGH und des
BFH ist eine juristische Person des öffentlichen Rechts - wie
die IHK - unternehmerisch (wirtschaftlich) tätig, wenn sie auf
privatrechtlicher Grundlage und nicht im Rahmen der eigens für
sie geltenden öffentlich-rechtlichen Regelungen handelt (vgl.
z.B. BFH-Urteile in BFHE 205, 323, BStBl II 2004, 795 = SIS 04 23 49, unter II. 4. b bb, m.w.N.; vom 22.9.2005 V R 28/03, BFHE 211,
566, BStBl II 2006, 280 = SIS 05 49 02, unter II. 2., m.w.N.).
Danach war die IHK im Streitfall
unternehmerisch tätig, weil sie die Büroräume und
die Stellplätze auf privatrechtlicher Grundlage Dritten
überlassen hat (vgl. zur Abgrenzung: BFH-Urteil in BFHE 201,
554, BStBl II 2004, 431 = SIS 03 26 68).
ccc) Diesem Ergebnis steht keine mit Art. 4
Abs. 5 Unterabs. 4 der Richtlinie 77/388/EWG vereinbare
Ausnahmeregelung entgegen.
(1) Die Mitgliedstaaten können eine
steuerbefreite Tätigkeit - hier nach Art. 13 Teil B Buchst. b
der Richtlinie 77/388/EWG, § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG - nur
dadurch gemäß Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 4 der Richtlinie
77/388/EWG als Tätigkeit behandeln, die den Einrichtungen des
öffentlichen Rechts im Rahmen der öffentlichen Gewalt
obliegt, dass sie dies ausdrücklich gesetzlich regeln.
Erforderlich ist eine entsprechende Regelung im Gesetz selbst oder
in einer aufgrund einer gesetzlichen Ermächtigung erlassenen
Rechtsverordnung (vgl. EuGH-Urteil Salix in BFH/NV Beilage 2009,
1222, UR 2009, 484, DStR 2009, 1196, Leitsatz 1 und Randnrn. 40 bis
58; Vorlagebeschluss des Senats in BFHE 221, 80, BStBl II 2008, 454
= SIS 08 13 69, unter III. 2. b aa). Hieran fehlt es (vgl. den
Vorlagebeschluss des Senats in BFHE 221, 80, BStBl II 2008, 454 =
SIS 08 13 69, unter II. 2. b).
(2) Es kann mithin offen bleiben, ob die
Anwendung von Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 4 der Richtlinie 77/388/EWG
im Streitfall hinsichtlich der Vermietung der Stellplätze in
der Tiefgarage darüber hinaus deshalb ausscheidet, weil diese
Vermietung nicht - wie Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 4 der Richtlinie
77/388/EWG voraussetzt - steuerfrei, sondern steuerpflichtig war
(vgl. dazu EuGH-Urteil Salix in BFH/NV Beilage 2009, 1222, UR 2009,
484, DStR 2009, 1196 Randnrn. 37 bis 39).
c) Auch die Voraussetzung des § 9 Abs. 2
Satz 1 UStG für einen wirksamen Verzicht der Klägerin auf
die Steuerbefreiung ihrer Vermietungsumsätze an die IHK ist
erfüllt. Die IHK als Leistungsempfänger hat das
Grundstück - soweit es um den streitigen Vorsteuerabzug geht -
ausschließlich für (langfristige)
Vermietungsumsätze verwendet oder zu verwenden beabsichtigt,
die bei ihr den Vorsteuerabzug nicht ausschließen.
aa) Soweit die IHK die ihr von der
Klägerin vermieteten Büroräume ihrerseits
langfristig an umsatzsteuerpflichtige Dritte weitervermietet hat
bzw. sich im Streitjahr um eine solche Vermietung bemüht hat,
versteht der Senat die entsprechenden Feststellungen des FG dahin,
dass die IHK insoweit auf die Steuerfreiheit ihrer
Vermietungsumsätze (§ 4 Nr. 12 Buchst. a UStG) wirksam
gemäß § 9 UStG verzichtet hat, so dass i.S. des
§ 9 Abs. 2 Satz 1 UStG der Vorsteuerabzug der IHK als
Leistungsempfänger nicht nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1
UStG ausgeschlossen war.
bb) Soweit die IHK die ihr von der
Klägerin ebenfalls vermieteten Tiefgaragenplätze
ihrerseits langfristig an Dritte weitervermietet hat bzw. sich im
Streitjahr um eine solche Vermietung bemüht hat, greift der
Ausschluss des Vorsteuerabzugs nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1
UStG bei der IHK ebenfalls nicht.
Die Vermietung von Plätzen für das
Abstellen von Fahrzeugen ist nach § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG und
nach Art. 13 Teil B Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG
steuerpflichtig (vgl. BFH-Urteil vom 30.3.2006 V R 52/05, BFHE 213,
253, BStBl II 2006, 731 = SIS 06 34 85; EuGH-Urteil Salix in BFH/NV
Beilage 2009, 1222, UR 2009, 484, DStR 2009, 1196 Randnr. 37).
Selbst wenn die Vermietung der
Stellplätze in der Tiefgarage an die Mieter der
Büroräume nicht selbständig zu beurteilen wäre,
sondern insoweit zusammen mit der langfristigen Vermietung der
Büroräume ein einheitlicher wirtschaftlicher Vorgang
anzunehmen wäre (vgl. dazu EuGH-Urteil Salix in BFH/NV Beilage
2009, 1222, UR 2009, 484, DStR 2009, 1196 Rdnrn. 38, 39, sowie
allgemein: BFH-Beschluss vom 28.6.2007 V B 12/06, BFH/NV 2007, 2363
= SIS 08 01 72, m.w.N.), wäre die - gegenüber der
Büroraumvermietung untergeordnete - Stellplatzvermietung Kraft
Option steuerpflichtig.