Wettbewerbsverzerrung, USt bei jPöR: Dem EuGH werden folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt: - 1. Können die Mitgliedstaaten Tätigkeiten von Staaten, Ländern, Gemeinden oder sonstigen Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die nach Art. 13 der Richtlinie 77/388/EWG von der Steuer befreit sind, nur dadurch gemäß Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 4 der Richtlinie 77/388/EWG als Tätigkeiten "behandeln", die diesen Einrichtungen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen, dass die Mitgliedstaaten eine dahingehende ausdrückliche gesetzliche Regelung treffen? - 2. Können "größere Wettbewerbsverzerrungen" i.S. von Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 4 i.V.m. Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG nur dann vorliegen, wenn die Behandlung einer Einrichtung des öffentlichen Rechts als Nicht-Steuerpflichtige zu größeren Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten konkurrierender privater Steuerpflichtiger führen würde, oder auch dann, wenn die Behandlung einer Einrichtung des öffentlichen Rechts als Nicht-Steuerpflichtige zu größeren Wettbewerbsverzerrungen zu ihren Lasten führen würde? - Urt.; BFH 20.12.2007, V R 70/05; SIS 08 13 69
I. Sachverhalt
Streitig ist, ob die Klägerin und
Revisionsbeklagte (Klägerin), eine
Grundstücks-Vermietungsgesellschaft (GmbH & Co. KG), ihre
Umsätze aus der Vermietung eines Verwaltungsgebäudes mit
Tiefgarage an eine Industrie- und Handelskammer (im Folgenden:
IHK), die das Gebäude neben der Selbstnutzung auch teilweise
(Büroflächen und Tiefgaragenplätze) an Dritte
steuerpflichtig vermietet hat, wirksam als steuerpflichtig
behandeln konnte, um den Vorsteuerabzug aus der Errichtung des
Gebäudes zu erlangen.
Kernpunkt des Rechtsstreits ist die Frage,
ob die IHK, eine Einrichtung des öffentlichen Rechts, mit
ihrer langfristigen Vermietung der Büroräume und
PKW-Stellplätze an Dritte unternehmerisch tätig geworden
ist.
Im Einzelnen geht es um folgenden
Sachverhalt:
Die Klägerin schloss am 20.3.1995 mit
der IHK einen „Immobilien-Leasingvertrag“ ab, in dem
sie sich als Leasinggeber zur entgeltlichen Überlassung eines
noch zu errichtenden Verwaltungsgebäudes (Kammergebäude)
mit Tiefgarage an die IHK als Leasingnehmer verpflichtete; es wurde
eine 27-jährige Gesamtmietzeit mit Mietbeginn ab dem 1.8.1996
vereinbart.
Die Klägerin errichtete
anschließend - auf einem Grundstück, an dem die IHK ihr
zuvor ein 60-jähriges Erbbaurecht bestellt hatte - das
vorbezeichnete Gebäude mit Tiefgarage und überließ
es entsprechend der vertraglichen Vereinbarung komplett der IHK.
Diese nutzte einen Teil des Gebäudes für eigene Zwecke
und vermietete den Rest der sich über vier Etagen und eine
Gesamtfläche von 1.280 qm erstreckenden Büroräume an
umsatzsteuerpflichtige Dritte weiter bzw. bemühte sich um eine
solche Vermietung, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist. Die
116 Stellplätze der Tiefgarage wurden zum Teil von der IHK
selbst genutzt, zum Teil langfristig an die Mieter der
Büroflächen weitervermietet und im Übrigen
kurzfristig gegen Entgelt Fremdparkern zur Verfügung gestellt.
Die Beteiligten gehen übereinstimmend davon aus, dass von den
Büroflächen 73,13 % und von der Tiefgarage 17,93 %
ausschließlich von der IHK genutzt werden und im Übrigen
das Gebäude für Vermietungszwecke genutzt wird bzw. im
Streitjahr 1995 eine entsprechende Nutzung beabsichtigt
war.
Die Klägerin hat gemäß
§ 9 des Umsatzsteuergesetzes 1993 (UStG) auf die
Umsatzsteuerbefreiung ihrer Vermietungsumsätze nach § 4
Nr. 12 Buchst. a UStG verzichtet, soweit sie an einen anderen
Unternehmer für dessen Unternehmen vermietet, der seinerseits
aufgrund seiner Verwendungsumsätze zum Vorsteuerabzug
berechtigt ist.
Im Rahmen einer Betriebsprüfung bei
der Klägerin vertrat der Prüfer die Ansicht, dass der
Verzicht der Klägerin nach § 9 UStG auf die
Umsatzsteuerbefreiung ihrer Vermietungsumsätze an die IHK
nicht wirksam sei, soweit die IHK ihrerseits die von der
Klägerin angemieteten Büroflächen und
Tiefgaragenstellplätze langfristig an Dritte steuerpflichtig
weitervermietete. Denn insoweit sei die IHK nicht unternehmerisch
tätig geworden. Zur Begründung verwies der
Betriebsprüfer darauf, dass die IHK als juristische Person des
öffentlichen Rechts gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1
UStG nur im Rahmen eines „Betriebs gewerblicher Art“
(§ 1 Abs. 1 Nr. 6, § 4 des
Körperschaftsteuergesetzes - KStG - ) unternehmerisch
tätig sein könne. Dies treffe allenfalls für die
kurzfristige PKW-Stellplatzüberlassung zu; die langfristige
Vermietung sei als bloße Vermögensverwaltung kein
„gewerblicher Betrieb“ i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 6,
§ 4 KStG. Die IHK sei insoweit deshalb nicht unternehmerisch
i.S. des § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG tätig.
Der Beklagte und Revisionskläger (das
Finanzamt - FA - ) schloss sich der Auffassung des
Betriebsprüfers an und erließ am 20.4.2001 einen
geänderten Umsatzsteuerbescheid für 1995, in dem er eine
entsprechende Vorsteuerkürzung vornahm.
Die Auffassung des FA wurde allerdings von
den für die Besteuerung der IHK zuständigen
Finanzbehörden nicht geteilt. Diese haben die
Unternehmereigenschaft der IHK hinsichtlich deren
Vermietungstätigkeit und ebenso die Rechtmäßigkeit
des von der IHK erklärten Verzichts auf die Steuerfreiheit
ihrer Vermietungsumsätze an Dritte bejaht.
Das für die Klägerin
zuständige FA wies dagegen den Einspruch der Klägerin
gegen den Umsatzsteuerbescheid für 1995 vom 20.4.2001 durch
Einspruchsentscheidung vom 6.9.2002 als unbegründet
zurück.
Daraufhin hat die Klägerin Klage
erhoben und zuletzt beantragt, unter Aufhebung der
Einspruchsentscheidung vom 6.9.2002 den Umsatzsteuerbescheid
für 1995 vom 20.4.2001 dahingehend zu ändern, dass die
Umsatzsteuer unter Berücksichtigung weiterer
Vorsteuerbeträge in Höhe von ... DM auf ... DM
festgesetzt wird.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt.
Es führte zur Begründung im Wesentlichen aus, der
Klägerin stehe der Vorsteuerabzug zu, weil sie
gemäß § 9 Abs. 1 UStG wirksam auf die
Steuerbefreiung verzichtet habe, soweit ihre gegenüber der IHK
erbrachte bzw. im Streitjahr beabsichtigte Vermietungsleistung den
Teil der Tiefgarage und der Büroflächen umfasse, den die
IHK ihrerseits umsatzsteuerpflichtig an andere Unternehmer
weitervermietet habe bzw. im Streitjahr weiter zu vermieten
beabsichtigte. Denn die IHK sei zwar nach deutschem
Umsatzsteuerrecht (§ 2 Abs. 3 Satz 1 UStG i.V.m. § 1 Abs.
1 Nr. 6, § 4 KStG) insoweit nicht unternehmerisch tätig
geworden. Auf der Grundlage von Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der
Sechsten Richtlinie des Rates vom 17.5.1977 zur Harmonisierung der
Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern
77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) sei die IHK für die hier im
Streitfall in Frage stehenden Vermietungsumsätze entgegen
§ 2 Abs. 3 Satz 1 UStG aber richtlinienkonform als
Steuerpflichtiger und damit als Unternehmer zu behandeln. Die IHK
habe damit auch ihrerseits zu Recht auf die Umsatzsteuerfreiheit
der von ihr an Dritte ausgeführten Vermietungsumsätze
verzichtet.
Im Streitfall lägen erhebliche
Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten der IHK vor, wenn diese als
Nichtunternehmer behandelt werde. Dies ergebe sich aus dem von der
Klägerin zu den Akten gereichten „Report ...“
einer Immobilien-GmbH sowie aus dem Bericht der bei der IHK
durchgeführten Umsatzsteuer-Sonderprüfung vom 23.8.2001.
In dem Bericht wird u.a. ausgeführt, von einer
größeren Wettbewerbsverzerrung sei stets dann
auszugehen, wenn einer der beteiligten Wirtschaftsteilnehmer durch
eine ungleiche Behandlung so beeinträchtigt werde, dass er am
Markt mit den anderen Mitbewerbern nicht mehr erfolgreich
konkurrieren könne und somit im Ergebnis aus dem Markt
gedrängt werde. Dies sei bei der IHK zu bejahen, wenn ihr im
Falle der Versagung der Unternehmereigenschaft und der damit
fehlenden Möglichkeit der Option zur Steuerpflicht der
Vorsteuerabzug nicht zustünde. Denn dann ergäben sich
zusätzliche Kosten von 3,34 DM/qm Mietfläche (Mehrkosten
von 15 %), d.h. der wirtschaftliche Nachteil für die IHK bei
einer Gesamtfläche von 1.280 qm würde sich insgesamt auf
monatlich rund 4.275 DM (51.300 DM jährlich) summieren. Damit
wäre die IHK nicht mehr konkurrenzfähig gegenüber
ihren privaten Mitbewerbern in diesem Marktsegment.
Das Urteil des FG ist in EFG 2006, 605 =
SIS 06 23 74 veröffentlicht.
Mit der vom FG zugelassenen Revision
rügt das FA Verletzung von Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der
Richtlinie 77/388/EWG. Seiner Auffassung nach liegt eine
„Wettbewerbsverzerrung“ im Sinne dieser Bestimmung -
nur - dann vor, wenn die Behandlung der öffentlichen Hand als
Nicht-Steuerpflichtige zu Nachteilen bei den mit ihr in Konkurrenz
stehenden anderen (privaten) Steuerpflichtigen führe. Dies
ergebe sich aus den Urteilen des Gerichtshofes der
Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom 17.10.1989 Rs. 231/87
und Rs. 129/88, Comune di Carpaneto Piacentino u. Comune di
Rivergaro u.a. (Slg. 1989, I-3233, UR 1991, 77) und aus dem
EuGH-Urteil vom 14.12.2000 Rs. C-446/98, Câmara Municipal do
Porto (Slg. 2000, I-11435, UR 2001, 108 = SIS 01 05 43).
Soweit eine juristische Person des
öffentlichen Rechts im Einzelfall den Vorsteuerabzug für
sich in Anspruch nehmen wolle, habe sie ohne weiteres die
Möglichkeit, eine (privatrechtliche) GmbH in ihre
Vermietungsaktivitäten einzuschalten. Einer generellen
Anwendung von Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG
auch zugunsten von juristischen Personen des öffentlichen
Rechts bedürfe es deshalb nicht. Dies liefe dem Sinn dieser
Bestimmung zuwider, die in erster Linie den Schutz der
Privatwirtschaft vor einer unbesteuerten öffentlichen Hand
bezwecke.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision
als unbegründet zurückzuweisen. Sie tritt dem Vorbringen
des FA entgegen.
II. Zur Rechtslage nach nationalem Recht
1. Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG kann der
Unternehmer die in Rechnungen i.S. des § 14 UStG gesondert
ausgewiesene Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen,
die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen
ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen.
Vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist u.a. die Steuer für
Lieferungen oder sonstige Leistungen, die der Unternehmer zur
Ausführung steuerfreier Umsätze verwendet (§ 15 Abs.
2 Nr. 1 UStG).
Der Umfang des Rechts auf Vorsteuerabzug, das
mit dem jeweiligen Leistungsbezug entsteht, richtet sich nach der
objektiv belegten Verwendungsabsicht bei Bezug der Leistung, soweit
- wie teilweise im Streitfall - deren tatsächliche Verwendung
erst in einem späteren Besteuerungszeitraum begann (vgl.
Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 22.2.2001 V R 77/96, BFHE
194, 498, BStBl II 2003, 426 = SIS 01 07 82).
2. Der Klägerin steht der Vorsteuerabzug
zu, wenn sie gemäß § 9 Abs. 1 UStG wirksam auf die
Steuerbefreiung verzichtet hat, soweit ihre an die IHK erbrachte
bzw. im Streitjahr beabsichtigte Vermietungsleistung den Teil der
Tiefgarage und der Büroflächen umfasst, den die IHK
ihrerseits umsatzsteuerpflichtig an andere Unternehmer
weitervermietet hat bzw. im Streitjahr weiter zu vermieten
beabsichtigte.
a) Nach § 9 Abs. 1 UStG in der im
Streitjahr 1995 geltenden Fassung kann der Unternehmer einen
Umsatz, der - wie hier die Vermietung des Gebäudes an die IHK
- nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG steuerfrei ist, als
steuerpflichtig behandeln, wenn der Umsatz an einen anderen
Unternehmer für dessen Unternehmen ausgeführt wird. Der
Verzicht auf die Steuerbefreiung ist nach § 9 Abs. 2 Satz 1
UStG nur zulässig, soweit der Leistungsempfänger das
Grundstück ausschließlich für Umsätze
verwendet oder zu verwenden beabsichtigt, die den Vorsteuerabzug
nicht ausschließen.
b) Die Voraussetzungen des § 9 UStG
liegen im Streitfall nicht vor, weil die IHK mit der langfristigen
Vermietung der Büroräume und PKW-Stellplätze - nach
nationalem Recht - nicht unternehmerisch tätig geworden
ist.
aa) Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG ist
Unternehmer, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit
selbständig ausübt. Juristische Personen des
öffentlichen Rechts sind nur im Rahmen ihrer Betriebe
gewerblicher Art (§ 1 Abs. 1 Nr. 6, § 4 KStG) und ihrer
land- und forstwirtschaftlichen Betriebe gewerblich oder beruflich
tätig (§ 2 Abs. 3 Satz 1 UStG), soweit - wie hier -
keiner der in § 2 Abs. 3 Satz 2 UStG geregelten
Sonderfälle vorliegt.
Nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG sind
„Betriebe gewerblicher Art“ von juristischen Personen des öffentlichen
Rechts unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig.
§ 4 KStG lautet:
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„(1)
Betriebe gewerblicher Art von juristischen Personen des
öffentlichen Rechts im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 6
sind vorbehaltlich des Absatzes 5 alle Einrichtungen, die einer
nachhaltigen wirtschaftlichen Tätigkeit zur Erzielung von
Einnahmen außerhalb der Land- und Forstwirtschaft dienen und
die sich innerhalb der Gesamtbetätigung der juristischen
Person wirtschaftlich herausheben. Die Absicht, Gewinn zu erzielen,
und die Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr sind
nicht erforderlich.
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(2) Ein Betrieb
gewerblicher Art ist auch unbeschränkt steuerpflichtig, wenn
er selbst eine juristische Person des öffentlichen Rechts
ist.
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(3) Zu den
Betrieben gewerblicher Art gehören auch Betriebe, die der
Versorgung der Bevölkerung mit Wasser, Gas, Elektrizität
oder Wärme, dem öffentlichen Verkehr oder dem
Hafenbetrieb dienen.
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(4) Als Betrieb
gewerblicher Art gilt die Verpachtung eines solchen
Betriebs.
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(5) Zu den
Betrieben gewerblicher Art gehören nicht Betriebe, die
überwiegend der Ausübung der öffentlichen Gewalt
dienen (Hoheitsbetriebe). Für die Annahme eines
Hoheitsbetriebs reichen Zwangs- oder Monopolrechte nicht
aus.“
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bb) Nach h.M. zum
Körperschaftsteuerrecht fällt die langfristige Vermietung
unbeweglichen Vermögens als (bloße)
„Vermögensverwaltung“ nicht unter § 4
Abs. 1 KStG (vgl. z.B. Heger in Gosch,
Körperschaftsteuergesetz, § 4 Rz 50, m.w.N.; Sauter/
Bollweg in Erle/Sauter, KStG, § 4 Rz 13 m.w.N.).
Dieses Ergebnis wird
teilweise aus § 14 der Abgabenordnung (AO) gewonnen, der
ausdrücklich die Vermögensverwaltung von einem
„wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb“
ausnimmt (Satz 1) und u.a. bestimmt, dass eine
Vermögensverwaltung „in der Regel“
vorliegt, wenn unbewegliches Vermögen vermietet oder
verpachtet wird (vgl. Sauter/Bollweg in Erle/Sauter,
a.a.O.). Teilweise wird aus der Fiktion
in § 4 Abs. 4 KStG hergeleitet, dass grundsätzlich die
Vermögensverwaltung nicht unter § 4 Abs. 1 KStG
fällt (vgl. Stadie in Rau/Dürrwächter,
Umsatzsteuergesetz, § 2 Rz 861).
III. Zur Anrufung des EuGH
1. Der BFH legt § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG in
seiner neueren Rechtsprechung unter Beachtung des Art. 4 Abs. 5 der
Richtlinie 77/388/EWG und der zu dieser Bestimmung ergangenen
Rechtsprechung - soweit dies möglich ist - richtlinienkonform
aus (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 27.2.2003 V R 78/01, BFHE 201, 554,
BStBl II 2004, 431 = SIS 03 26 68, unter II.3., m.w.N.; vom
5.2.2004 V R 90/01, BFHE 205, 323, BStBl II 2004, 795 = SIS 04 23 49, unter II.4.b bb, m.w.N.; BFH-Beschluss vom 31.7.2007 V B 44/06,
BFH/NV 2007, 2365 = SIS 08 01 74).
a) Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie 77/388/EWG
lautet:
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„Staaten, Länder, Gemeinden und
sonstige Einrichtungen des öffentlichen Rechts gelten nicht
als Steuerpflichtige, soweit sie die Tätigkeiten ausüben
oder Leistungen erbringen, die ihnen im Rahmen der
öffentlichen Gewalt obliegen, auch wenn sie im Zusammenhang
mit diesen Tätigkeiten oder Leistungen Zölle,
Gebühren, Beiträge oder sonstige Abgaben erheben.
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Falls sie jedoch solche Tätigkeiten
ausüben oder Leistungen erbringen, gelten sie für diese
Tätigkeiten oder Leistungen als Steuerpflichtige, sofern eine
Behandlung als Nicht-Steuerpflichtige zu größeren
Wettbewerbsverzerrungen führen würde.
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Die vorstehend genannten Einrichtungen
gelten in jedem Fall als Steuerpflichtige in Bezug auf die in
Anhang D aufgeführten Tätigkeiten, sofern der Umfang
dieser Tätigkeiten nicht unbedeutend ist.
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Die Mitgliedstaaten können die
Tätigkeiten der vorstehend genannten Einrichtungen, die nach
Art. 13 oder 28 von der Steuer befreit sind, als Tätigkeiten
behandeln, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt
obliegen.“
|
b) Nach der Rechtsprechung des EuGH und des
BFH ist eine juristische Person des öffentlichen Rechts - wie
die IHK - unternehmerisch (wirtschaftlich) tätig, wenn sie auf
privatrechtlicher Grundlage und nicht im Rahmen der eigens für
sie geltenden öffentlich-rechtlichen Regelungen handelt (vgl.
z.B. BFH-Urteile in BFHE 205, 323, BStBl II 2004, 795 = SIS 04 23 49, unter II.4.b bb, m.w.N.; vom 22.9.2005 V R 28/03, BFHE 211,
566, BStBl II 2006, 280 = SIS 05 49 02, unter II.2., m.w.N.).
Danach war die IHK im Streitfall
unternehmerisch tätig, weil sie die Büroräume und
die Stellplätze auf privatrechtlicher Grundlage Dritten
überlassen hat (vgl. zur Abgrenzung: BFH-Urteil in BFHE 201,
554, BStBl II 2004, 431 = SIS 03 26 68).
2. Es ist fraglich, ob diesem Ergebnis eine
mit Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 4 der Richtlinie 77/388/EWG vereinbare
Ausnahmeregelung entgegensteht. Dies kann ohne eine - allein dem
EuGH vorbehaltene - Auslegung von Gemeinschaftsrecht nicht
beantwortet werden.
a) Wie dargelegt erlaubt Art. 4 Abs. 5
Unterabs. 4 der Richtlinie 77/388/EWG den Mitgliedstaaten,
Tätigkeiten von Einrichtungen des öffentlichen Rechts,
die nach Art. 13 der Richtlinie 77/388/EWG von der Steuer befreit
sind, als Tätigkeiten zu behandeln, die ihnen im Rahmen der
öffentlichen Gewalt obliegen. Die Anwendung von Art. 4 Abs. 5
Unterabs. 4 der Richtlinie 77/388/EWG kommt im Streitfall in
Betracht, weil Art. 13 Teil B Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG
eine Steuerbefreiung für die Vermietung und Verpachtung von
Grundstücken vorsieht, mit Ausnahme bestimmter Geschäfte,
um die es vorliegend nicht geht.
b) Nach der Rechtsprechung des EuGH
können die Mitgliedstaaten nach Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 4 der
Richtlinie 77/388/EWG die Einrichtungen des öffentlichen
Rechts, die nach Art. 13 der Richtlinie 77/388/EWG von der Steuer
befreite Tätigkeiten ausüben, auch dann als
Nichtsteuerpflichtige behandeln, wenn sie diese Tätigkeiten in
gleicher Weise ausüben wie private Wirtschaftsteilnehmer (vgl.
EuGH-Urteil vom 6.2.1997 Rs. C-247/95, Marktgemeinde Welden, Slg.
1997, I-779, BStBl II 1999, 426 = SIS 97 17 39 Randnr. 20).
aa) Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 4 der Richtlinie
77/388/EWG könnte im Streitfall bereits deshalb nicht
anwendbar sein, weil eine „Behandlung“ im Sinne
dieser Bestimmung nicht vorliegt.
Der Senat neigt zu der Auffassung, dass die
Mitgliedstaaten eine steuerbefreite Tätigkeit nur dadurch
gemäß Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 4 der Richtlinie
77/388/EWG als Tätigkeit behandeln können, die den
Einrichtungen des öffentlichen Rechts im Rahmen der
öffentlichen Gewalt obliegt, dass sie dies
ausdrücklich gesetzlich regeln. Dies erscheint nicht
zuletzt aus Gründen der Rechtsklarheit geboten.
(1) Zwar ist der (seinerzeit ebenfalls
für das Umsatzsteuerrecht zuständige) XI. Senat des BFH
zu Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 4 der Richtlinie 77/388/EWG unter
Hinweis auf das EuGH-Urteil Comune di Carpaneto Piacentino u.
Comune di Rivergaro u.a. in Slg. 1989, I-3233, UR 1991, 77 davon
ausgegangen, welche Rechtsetzungstechnik die Mitgliedstaaten beim
Gebrauchmachen der in dieser Bestimmung vorgesehenen Befugnis
wählten, stehe in ihrem Ermessen (vgl. BFH-Urteil vom
11.6.1997 XI R 33/94, BFHE 182, 454, BStBl II 1999, 418 = SIS 97 17 58, unter II.2.).
(2) Der EuGH hat aber in dem vom XI. Senat des
BFH in Bezug genommenen Urteil Comune di Carpaneto Piacentino u.
Comune di Rivergaro u.a. in Slg. 1989, 3233, UR 1991, 77 (zu Art. 4
Abs. 5 Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG) in Randnrn. 17 und 18
Folgendes ausgeführt:
|
„Was die Umsetzung der Regel des
Artikels 4 Absatz 5 Unterabsatz 1 in das nationale Recht betrifft,
so ist daran zu erinnern, daß, da es sich um eine durch eine
Richtlinie auferlegte Ergebnispflicht handelt, es gemäß
Artikel 189 Absatz 3 EWG-Vertrag Sache jedes Mitgliedstaats ist,
die Form und die Mittel zu wählen, die zur Erreichung des
Ergebnisses geeignet sind.
|
|
|
|
Daraus ergibt sich, dass die
Mitgliedstaaten zwar dafür zu sorgen haben, daß die
Tätigkeiten oder Leistungen, die die öffentlichen
Einrichtungen im Rahmen der öffentlichen Gewalt ausüben
oder erbringen, nicht der Mehrwertsteuer unterliegen, sofern sie
nicht unter die Ausnahmen der Unterabsätze 2 und 3 fallen,
daß sie aber zu diesem Zweck die Rechtsetzungstechnik
wählen können, die ihnen am geeignetsten erscheint. So
können sie sich z.B. darauf beschränken, die in der
Sechsten Richtlinie enthaltene Formulierung oder einen
gleichwertigen Ausdruck in das nationale Recht zu übernehmen,
oder sie können ein Verzeichnis der Tätigkeiten
aufstellen, für die die Rechtssubjekte des öffentlichen
Rechts nicht als Steuerpflichtige anzusehen sind.“
|
(3) Der EuGH hat ferner im Urteil Câmara
Municipal do Porto in Slg. 2000, I-11435, UR 2001, 108 = SIS 01 05 43 auf die ständige Rechtsprechung des EuGH verwiesen, nach
der eine bloße Verwaltungspraxis, die die Verwaltung
naturgemäß beliebig ändern könne und die nur
unzureichend bekannt sei, nicht als rechtswirksame Erfüllung
der Verpflichtungen aus dem Vertrag zur Gründung der
Europäischen Gemeinschaft (EG) angesehen werden könne (Rz
33, m.w.N.). Der Finanzminister eines Mitgliedstaats könne
durch ein nationales Gesetz ermächtigt werden, festzulegen,
was unter dem Begriff der größeren
Wettbewerbsverzerrungen i.S. von Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der
Richtlinie 77/388/EWG und was unter „in nicht
unbedeutendem Umfang ausgeführten Tätigkeiten“
i.S. von Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 3 der Richtlinie 77/388/EWG zu
verstehen ist, sofern seine Entscheidung von den nationalen
Gerichten überprüft werden kann (Rz 35).
(4) Diese gemeinschaftsrechtlichen
Voraussetzungen an eine statthafte
„Rechtsetzungstechnik“ der Mitgliedstaaten im
Rahmen von Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie 77/388/EWG dürften
hinsichtlich der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken
durch juristische Personen des öffentlichen Rechts derzeit
nicht gegeben sein.
Ob und in welchem Umfang diese Tätigkeit
als unternehmerisch im Sinne des Umsatzsteuerrechts anzusehen ist,
ergibt sich weder aus § 2 Abs. 3 UStG noch aus § 1 Abs. 1
Nr. 6, § 4 KStG noch aus einer in diesen Vorschriften
enthaltenen entsprechenden gesetzlichen Ermächtigung an die
Verwaltung. Maßgebend insoweit ist vielmehr - wie dargelegt -
allein die „Auslegung“ des weder in
§ 2 Abs. 3 UStG noch in § 1 Abs. 1 Nr. 6, § 4 KStG
erwähnten Begriffs der
„Vermögensverwaltung“.
bb) Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 4 der Richtlinie
77/388/EWG könnte aber auch deshalb im Streitfall nicht
anwendbar sein, weil - wie das FG im Einzelnen ausgeführt hat
- größere Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten der IHK
eintreten würden, wenn ihre Vermietungsumsätze an Dritte
als nicht steuerbar behandelt würden. Fraglich ist, ob es
für die Anwendung der Bestimmung auf Wettbewerbsverzerrungen
zu Lasten der IHK ankommen kann.
(1) Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 4 der Richtlinie
77/388/EWG bezweckt nicht eine Beschränkung der Befreiung von
der Steuerpflicht (im Sinne des UStG: Steuerbarkeit) nach Art. 4
Abs. 5 Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG, sondern
ermöglicht vielmehr den Mitgliedstaaten, diese Befreiung
(Nichtbesteuerung) auf bestimmte Tätigkeiten der Einrichtungen
des öffentlichen Rechts zu erstrecken, die diesen
Einrichtungen zwar nicht im Rahmen der öffentlichen Gewalt
obliegen, jedoch gemäß Unterabs. 4 der Richtlinie
77/388/EWG als derartige Tätigkeiten behandelt werden
können (vgl. EuGH-Urteil Câmara Municipal do Porto in
Slg. 2000, I-11435, UR 2001, 108 = SIS 01 05 43 Randnr. 42).
Wenn diese Tätigkeiten damit solchen
Tätigkeiten gleichgestellt sind, die den Einrichtungen des
öffentlichen Rechts im Rahmen der öffentlichen Gewalt
obliegen, so können sie nur dann als Nicht-Steuerpflichtige
gemäß Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1 der Richtlinie
77/388/EWG behandelt werden, „wenn sie auch die
Voraussetzungen des UnterAbs. 2 dieser Bestimmung
erfüllen“ (vgl. EuGH-Urteile Marktgemeinde Welden in
Slg. 1997, I-779, BStBl II 1999, 426 = SIS 97 17 39 Randnr. 21;
Câmara Municipal do Porto in Slg. 2000, I-11435, UR 2001, 108
= SIS 01 05 43 Randnr. 43).
Das bedeutet, dass steuerbefreite
Tätigkeiten von Einrichtungen des öffentlichen Rechts
gemäß Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 4 der Richtlinie
77/388/EWG von den Mitgliedstaaten - ebenso wie die von Art. 4 Abs.
5 Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG erfassten Tätigkeiten
- nur dann als nichtsteuerbar behandelt werden dürfen, wenn
diese Behandlung nicht zu größeren
Wettbewerbsverzerrungen führen würde.
(2) Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der Richtlinie
77/388/EWG enthält als Ausnahme von der Behandlung der
Einrichtungen des öffentlichen Rechts als
Nicht-Steuerpflichtige für diejenigen Tätigkeiten oder
Leistungen, die diese im Rahmen der öffentlichen Gewalt
ausüben oder erbringen, einen Wettbewerbsvorbehalt (vgl.
BFH-Urteil in BFHE 201, 554, BStBl II
2004, 431 = SIS 03 26 68, unter II.3.d aa, m.w.N.).
Denn nach dem Wortlaut des Art. 4 Abs. 5
Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG kommt es darauf an, ob die
Behandlung einer Einrichtung des öffentlichen Rechts als
Nicht-Steuerpflichtige „zu größeren
Wettbewerbsverzerrungen führen würde“. Es
reicht aber - entsprechend dem Zweck der Bestimmung, die
Steuerneutralität zu gewährleisten - nach der
Rechtsprechung des EuGH aus, wenn die Tätigkeiten von
Einrichtungen des öffentlichen Rechts - im Wettbewerb mit
ihnen - auch von Privaten ausgeübt werden können und ihre
Behandlung als Nicht-Steuerpflichtige „zu
größeren Wettbewerbsverzerrungen führen
kann“. Dementsprechend kommt es auch nach der
Rechtsprechung des BFH insoweit auf den
„tatsächlichen oder potentiellen“
Wettbewerb an (BFH-Urteil in BFHE 201,
554, BStBl II 2004, 431 = SIS 03 26 68, unter II.3.d bb,
m.w.N.).
(3) Der Wettbewerbsvorbehalt des Art. 4 Abs. 5
Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG enthält nach dem
Wortlaut der Bestimmung keine Einschränkungen; vielmehr kommt
es danach - ganz allgemein - auf den Eintritt größerer
Wettbewerbsverzerrungen an, bei wem auch immer diese eintreten.
Diese Voraussetzung kann nicht nur dann
gegeben sein, wenn durch die Behandlung einer Tätigkeit einer
juristischen Person als nicht steuerbar der Wettbewerb zu Lasten
konkurrierender privater Unternehmer gestört ist. Eine
Wettbewerbsstörung kann auch dadurch eintreten, dass die
Behandlung als Nichtsteuerpflichtiger die Einrichtung des
öffentlichen Rechts im Wettbewerb mit privaten Unternehmen
benachteiligt.
(4) Zwar bezweckt Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2
der Richtlinie 77/388/EWG - wie das FA zu Recht ausführt - in
erster Linie den Schutz der Privatwirtschaft vor unbesteuerten
Tätigkeiten von Einrichtungen des öffentlichen Rechts.
Dies schließt aber nicht aus, dass diese Bestimmung auch
zugunsten von juristischen Personen des öffentlichen Rechts
anwendbar ist.
(5) Von diesem Verständnis geht
möglicherweise auch das EuGH-Urteil Marktgemeinde Welden in
Slg. 1997, I-779, BStBl II 1999, 426 = SIS 97 17 39 aus.
In dem diesem Urteil zugrunde liegenden
Streitfall hatte die Gemeinde ein Gebäude errichtet und sodann
an eine Brauerei zum Betrieb einer Gaststätte verpachtet. Sie
verzichtete gemäß § 9 UStG 1980 auf die
Steuerbefreiung der Verpachtungsumsätze gemäß
§ 4 Nr. 12 Buchst. a UStG 1980 und machte für die
Streitjahre (1988 und 1989) die auf die Kosten für die
Errichtung des Neubaus entfallende Umsatzsteuer, soweit sie die
Gaststätte betraf, als Vorsteuer geltend.
Der EuGH führte hierzu aus, soweit eine
Einrichtung des öffentlichen Rechts gemäß Art. 4
Abs. 5 Unterabs. 4 der Richtlinie 77/388/EWG so behandelt werde,
als habe sie eine Tätigkeit im Rahmen der öffentlichen
Gewalt ausgeübt, sei es Sache des nationalen Gerichts, ggf. zu
beurteilen, ob die Voraussetzungen des Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2
der Richtlinie 77/388/EWG vorliegen (vgl. EuGH-Urteil Marktgemeinde
Welden in Slg. 1997, I-779, BStBl II 1999, 426 = SIS 97 17 39
Randnr. 21).
(6) Der Senat vermag auch nicht der Ansicht
des FA zu folgen, aus den Urteilen des EuGH Comune di Carpaneto
Piacentino u. Comune di Rivergaro u.a. in Slg. 1989, I-3233, UR
1991, 77, und aus dem EuGH-Urteil Câmara Municipal do Porto
in Slg. 2000, I-11435, UR 2001, 108 = SIS 01 05 43 ergebe sich
zweifellos, dass Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der Richtlinie
77/388/EWG nur dann anwendbar sei, sofern die Behandlung der
öffentlichen Hand als Nicht-Steuerpflichtige zu Nachteilen bei
den mit ihr in Konkurrenz stehenden anderen Steuerpflichtigen
führe.
Eine solche Einschränkung lässt sich
den vom FA hierzu angeführten Passagen aus diesen
EuGH-Urteilen nicht entnehmen. Im Übrigen ging es in diesen
Urteilen um die Steuerbarkeit der von der öffentlichen Hand
ausgeführten Umsätze und nicht, wie bei der Marktgemeinde
Welden, um den Vorsteuerabzug der öffentlichen Hand.
(7) Andererseits hat der EuGH mit Urteil vom
2.6.2005 Rs. C-378/02, Waterschap Zeeuws Vlaanderen (Slg. 2005,
I-4685, BFH/NV Beilage 2005, 323, UR 2005, 437 = SIS 05 30 09
Randnrn. 42 und 43 zu Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der Richtlinie
77/388/EWG) ausgeführt:
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„Das WZV ist außerdem der
Auffassung, dass die Unmöglichkeit eines Abzugs der
entrichteten Vorsteuer zu einer größeren
Wettbewerbsverzerrung führe, die die Anwendung der in Artikel
4 Absatz 5 Unterabsatz 2 der Sechsten Richtlinie vorgesehenen
Ausnahme rechtfertige, wonach Einrichtungen des öffentlichen
Rechts als Steuerpflichtige zu gelten hätten. Um das Bestehen
einer Wettbewerbsverzerrung zu veranschaulichen, vergleicht das WZV
die Lage eines Marktteilnehmers mit der einer Einrichtung des
öffentlichen Rechts und trägt vor, dass der
Marktteilnehmer unter vergleichbaren Umständen die entrichtete
Vorsteuer von der eingenommenen Mehrwertsteuer abziehen
könne.
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Dieses Argument ist ebenfalls
zurückzuweisen. Denn die etwaige Wettbewerbsverzerrung hat
unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens ihren
Ursprung eher in der Ausübung des Rechts, für die
Besteuerung des Verkaufs und der Vermietung des betroffenen
Grundstücks zu optieren, durch die Einrichtung des
öffentlichen Rechts als in der Anwendung der Regelung, wonach
Einrichtungen des öffentlichen Rechts nicht als
Steuerpflichtige gelten, soweit sie Leistungen erbringen, die ihnen
im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen. Wie der
Generalanwalt in Nummer 38 seiner Schlussanträge
ausgeführt hat, kann diese Regelung zwar bis zu einem gewissen
Grad mit der Anwendung der Grundsätze der Neutralität und
der Gleichbehandlung kollidieren; diese Auswirkung ist aber der
Existenz von Ausnahmen vom Mehrwertsteuersystem
eigen.“
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IV. Rechtsgrundlage für die Vorlage an
den EuGH ist Art. 234 Abs. 3 EG.
V. Die Aussetzung des Verfahrens beruht auf
§ 74 der Finanzgerichtsordnung.