Veräußerungsgewinn i.S. des § 8 b Abs. 4 UStG 2006: Die Rückausnahme des § 8 b Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 KStG 1999/2002 in den Fassungen des Unternehmensteuerfortentwicklungsgesetzes und des sog. Korb II-Gesetzes setzt voraus, dass weder die in Halbsatz 1 definierten negativen Tatbestandsmerkmale noch das in Halbsatz 2 definierte negative Tatbestandsmerkmal vorliegen. Letzteres umfasst auch den Fall, dass die durch einen nicht von § 8 b Abs. 2 KStG 1999/2002 begünstigten Steuerpflichtigen eingebrachte Beteiligung im Rahmen einer Bargründung entstanden ist. Die Regelungen sind nicht wegen Verstoßes gegen das Gebot der Normenklarheit verfassungswidrig. - Urt.; BFH 18.3.2009, I R 37/08; SIS 09 28 66
I. Streitpunkt ist die Besteuerung von
Gewinnen, die die Klägerin und Revisionsklägerin
(Klägerin) in den Streitjahren 2003 und 2004 durch die
Veräußerung von Geschäftsanteilen an einer GmbH
erzielt hat.
Gesellschafter der durch Bargründung
entstandenen X-GmbH waren A mit einem Anteil von nominal 95.000 DM
und B mit einem Anteil von nominal 5.000 DM. Im Mai 2001
gründeten A und B die Klägerin, ebenfalls eine GmbH, die
mit einem Stammkapital von zunächst 25.000 EUR ausgestattet
war, das von A und B durch Bareinlagen von jeweils 12.500 EUR
aufgebracht wurde. Die Klägerin hatte ein abweichendes
Wirtschaftsjahr zum 31. Juli.
Mit Gesellschafterbeschluss vom 23.7.2001
erhöhten die Gesellschafter das Stammkapital der Klägerin
um 100.000 EUR auf 125.000 EUR. Jeder Gesellschafter übernahm
einen der beiden neuen Anteile zu je 50.000 EUR. A erbrachte seine
Einlage durch Zahlung von 2.500 EUR in bar und durch Einbringung
seines Anteils an der X-GmbH zum Nominalwert als Sacheinlage. B
brachte ebenfalls seinen Anteil an der X-GmbH zum Nominalwert als
Sacheinlage ein und leistete darüber hinaus 47.500 EUR in bar.
Nach dem Inhalt des Kapitalerhöhungsbeschlusses sollte der
Betrag, um den der wirkliche Wert der Anteile an der X-GmbH die
Nennbeträge überstieg, den Gesellschaftern jeweils als
Darlehen gutgeschrieben werden. Tatsächlich wurden bei der
Klägerin aber keine Gutschriften gebildet.
In ihrer Bilanz zum 31.7.2002 aktivierte
die Klägerin die Anteile an der X-GmbH mit Anschaffungskosten
von 53.711 EUR. Der Teilwert der Anteile betrug zu diesem Zeitpunkt
mindestens das Doppelte. In den Streitjahren veräußerte
die Klägerin auf der Grundlage eines im April 2002
abgeschlossenen Kaufvertrags einen Teil der Anteile an der X-GmbH
und erzielte dadurch Veräußerungsgewinne von 814.092 EUR
(2003) und 1.065.659 EUR (2004).
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) erfasste die Veräußerungsgewinne in
den Bemessungsgrundlagen von Körperschaft- und Gewerbesteuer
und erließ entsprechende Bescheide. Die deswegen erhobene
Klage hat das Finanzgericht (FG) Hamburg abgewiesen. Sein Urteil
vom 18.2.2008 3 K 212/06 ist in EFG 2008, 1328 = SIS 08 23 03
abgedruckt.
Gegen das FG-Urteil richtet sich die auf
die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision der
Klägerin.
Die Klägerin beantragt
(sinngemäß), das FG-Urteil aufzuheben und die
angefochtenen Bescheide dahin abzuändern, dass die Gewinne aus
der Veräußerung von Anteilen an der X-GmbH steuerfrei
sind.
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und
deshalb gemäß § 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. FA und FG haben
die von der Klägerin in den Streitjahren durch den Verkauf von
Anteilen an der X-GmbH erzielten Veräußerungsgewinne zu
Recht als steuerpflichtig angesehen.
1. Grundsätzlich blieben in den
Streitjahren gemäß § 8b Abs. 2 Satz 1 des
Körperschaftsteuergesetzes (KStG 2002) - hinsichtlich der
Gewerbesteuer i.V.m. § 7 Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes -
bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens Gewinne der
Klägerin aus der Veräußerung eines Anteils an einer
Körperschaft oder Personenvereinigung außer Ansatz,
deren Leistungen beim Empfänger zu Einnahmen u.a. i.S. von
§ 20 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG 2002 -
(Dividenden) gehören. Bei den veräußerten
Geschäftsanteilen an der X-GmbH hat es sich - was zwischen den
Beteiligten außer Streit steht - um derartige Anteile
gehandelt.
2. Diesen Grundsatz einschränkend
bestimmt § 8b Abs. 4 Satz 1 KStG 2002 indes, dass § 8b
Abs. 2 KStG 2002 nur anzuwenden ist, soweit die Anteile nicht (Nr.
1, sog. sachliche Sperre) einbringungsgeboren i.S. des § 21
des Umwandlungssteuergesetzes (UmwStG 1995) oder (Nr. 2, sog.
persönliche Sperre) durch eine Körperschaft,
Personenvereinigung oder Vermögensmasse unmittelbar oder
mittelbar über eine Mitunternehmerschaft von einem
Einbringenden, der nicht zu den nach Abs. 2 Begünstigten
gehört, zu einem Wert unter dem Teilwert erworben worden sind.
Die Voraussetzungen der persönlichen Sperre gemäß
§ 8b Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 KStG 2002 liegen hier - was auch die
Revision nicht anders sieht - vor. Denn die Klägerin hat die
Anteile an der X-GmbH von A und B erworben, die als natürliche
Personen nicht zu den von § 8b Abs. 2 KStG 2002
Begünstigten gehörten; nach den den Senat
gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden, von der Revision
nicht angegriffenen Feststellungen des FG erfolgte der
Anteilserwerb zu den Nennbeträgen der Geschäftsanteile,
die niedriger waren als die Teilwerte.
3. Allerdings wurde die zur Steuerpflicht
führende Ausnahmebestimmung des § 8b Abs. 4 Satz 1 KStG
2002 ihrerseits eingeschränkt durch die
Rückausnahmeregelungen (die wiederum die Steuerfreiheit der
Veräußerungsgewinne herbeiführten) des § 8b
Abs. 4 Satz 2 KStG 2002, und zwar für das Streitjahr 2003 in
der durch das Gesetz zur Fortentwicklung des
Unternehmenssteuerrechts vom 20.12.2001
(Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz - UntStFG -, BGBl I 2001,
3858, BStBl I 2002, 35) in das KStG 1999 eingefügten Fassung -
KStG 2002 a.F. - und für das Streitjahr 2004 i.d.F. des
Gesetzes zur Umsetzung der Protokollerklärung der
Bundesregierung zur Vermittlungsempfehlung zum
Steuervergünstigungsabbaugesetz vom 22.12.2003 (sog. Korb
II-Gesetz, BGBl I 2003, 2840, BStBl I 2004, 14) - KStG 2002 n.F. -
. Nach zutreffender Auffassung der Vorinstanz liegen die
Voraussetzungen der Rückausnahmeregelungen im Streitfall
jedoch nicht vor, so dass es bei der Steuerpflichtigkeit der
Veräußerungsgewinne verbleibt.
a) Nach § 8b Abs. 4 Satz 2 KStG 2002 a.F.
gilt § 8b Abs. 4 Satz 1 KStG 2002 nicht,
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(Nr. 1) wenn der in Abs. 2 bezeichnete Vorgang
später als sieben Jahre nach der Einbringung stattfindet
oder
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(Nr. 2) soweit die Anteile nicht unmittelbar
oder mittelbar auf einer Einbringung i.S. des § 20 Abs. 1 Satz
1 oder § 23 Abs. 1 bis 3 UmwStG 1995 (Halbsatz 1) oder auf
einer Einbringung durch einen nicht von Abs. 2 begünstigten
Steuerpflichtigen (Halbsatz 2) innerhalb der in Nr. 1 bezeichneten
Frist beruhen.
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aa) Ein Rückausnahmetatbestand greift
demnach in Bezug auf das Streitjahr 2003 nicht ein. Denn ein Fall
des § 8b Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 KStG 2002 a.F. liegt nicht vor,
weil die Veräußerung der Anteile innerhalb der Frist von
sieben Jahren nach dem Zeitpunkt der Einbringung der Anteile in die
Klägerin erfolgt ist. Auch der Fall des § 8b Abs. 4 Satz
2 Nr. 2 KStG 2002 a.F. ist nicht gegeben. Zwar hat es sich bei der
Einbringung der Anteile in die Klägerin nicht um eine solche
nach § 20 Abs. 1 Satz 1 oder nach § 23 Abs. 1 bis 3
UmwStG 1995, sondern um eine Einbringung nach § 20 Abs. 1 Satz
2 UmwStG 1995 (Einbringung von mehrheitsvermittelnden Anteilen an
einer Kapitalgesellschaft) gehandelt; die (negativen)
Tatbestandsmerkmale des Halbsatzes 1 des § 8b Abs. 4 Satz 2
Nr. 2 KStG 2002 a.F. sind damit nicht gegeben. Jedoch scheitert die
Steuerfreiheit daran, dass die Anteile an der X-GmbH auf einer
Einbringung durch A und B, d.h. durch nicht von § 8b Abs. 2
KStG 2002 begünstigte Steuerpflichtige beruhte, so dass ein
Fall gegeben ist, in dem nach Halbsatz 2 des § 8b Abs. 4 Satz
2 Nr. 2 KStG 2002 a.F. die Rückausnahme nicht zur Anwendung
kommen soll.
bb) Das vorstehend beschriebene Ergebnis
beruht auf einem Verständnis des § 8b Abs. 4 Satz 2 Nr. 2
Halbsatz 2 KStG 2002 a.F., nach dem für das Eingreifen der
Rückausnahme kumulativ sowohl die Voraussetzungen des
Halbsatzes 1 als auch jene des Halbsatzes 2 vorliegen müssen;
d.h. es dürfen weder die im Halbsatz 1 als
steuerbefreiungsschädlich definierten Tatbestände noch
der im Halbsatz 2 als steuerbefreiungsschädlich beschriebene
Tatbestand gegeben sein, um zur Steuerfreiheit zu gelangen. Diese
Auslegung, die einhellig als der vom Gesetzgeber gewollte
Norminhalt angesehen wird (vgl. Schreiben des Bundesministeriums
der Finanzen vom 28.4.2003, BStBl I 2003, 292 = SIS 03 22 94, Tz.
32; Gosch, Körperschaftsteuergesetz, 1. Aufl., § 8b Rz
295; Frotscher in Frotscher/Maas, Körperschaftsteuergesetz und
Umwandlungssteuergesetz, § 8b KStG Rz 76; Blümich/ Menck,
Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz,
Gewerbesteuergesetz, § 8b KStG Rz 122b; Watermeyer in
Herrmann/ Heuer/Raupach, Einkommensteuergesetz,
Körperschaftsteuergesetz, § 8b KStG Rz 91;
Dötsch/Pung in Dötsch/Jost/Pung/Witt, Die
Körperschaftsteuer, § 8b KStG Rz 191; Kröner in
Ernst & Young, Körperschaftsteuergesetz, § 8b Rz 202;
Streck/ Binnewies, Körperschaftsteuergesetz, 7. Aufl., §
8b Rz 116; Gröbl/Adrian in Erle/Sauter,
Körperschaftsteuergesetz, 2. Aufl., § 8b Rz 220; Widmann
in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 20 UmwStG
[StSenkG/UntStFG - grüne Blätter - ] Rz 13.1 f.;
Füger/Rieger, Finanzrundschau - FR - 2003, 589, 594;
Rödder/Schumacher, DStR 2001, 1634, 1640; Haun/Winkler, GmbHR
2002, 192, 198) ist mit dem Wortlaut der Norm vereinbar und
entspricht Sinn und Zweck der Regelung.
aaa) Der Wortlaut des § 8b Abs. 4 Satz 2
Nr. 2 KStG 2002 a.F. lässt eine solche Auslegung entgegen der
Auffassung der Revision zu. Er ist zwar infolge der vom Gesetzgeber
gewählten Methode, nicht positiv zu beschreiben, in welchen
Fällen § 8b Abs. 4 Satz 1 KStG 2002 a.F. nicht eingreift,
sondern im Wege einer doppelten Verneinung negativ zu bestimmen,
wann die Nichtgeltung des Satzes 1 nicht eingreifen soll,
sprachlich nur schwer nachzuvollziehen. Versteht man aber den
Aufbau der Vorschrift entsprechend der zutreffenden Auslegung des
FG dahin, dass sich die Eingangsformulierung des Satzes 2
(„soweit die Anteile nicht ...“) auf beide mit
„oder“ verbundenen Halbsätze bezieht
(Blümich/Menck, a.a.O., § 8b KStG Rz 122b), dann ergibt
sich, dass auch bei Vorliegen nur des in Halbsatz 2 beschriebenen
negativen Tatbestandsmerkmals die Steuerfreiheit ausgeschlossen
sein soll. Zu dem gleichen Ergebnis kommen diejenigen, die das die
Halbsätze verknüpfende „oder“ als
„oder nicht“ lesen (vgl. Dötsch/Pung in
Dötsch/Jost/Pung/Witt, a.a.O., § 8b Rz 191;
Rödder/Schumacher, DStR 2001, 1634, 1640).
bbb) Allein diese Lesart entspricht dem
Gesetzeszweck. Ihr ist deshalb im Vergleich zu der
Auslegungsmöglichkeit, nach der bereits das Nichtvorliegen
entweder des Halbsatzes 1 oder des Halbsatzes 2 zur Steuerfreiheit
führt, der Vorzug zu geben. Ausweislich der Begründung
des Regierungsentwurfs des Gesetzes zur Fortentwicklung des
Unternehmenssteuerrechts (BTDrucks 14/6882, S. 36) sollte mit der
Ergänzung des § 8b Abs. 4 Satz 2 KStG 1999 eine bis dahin
vorhandene Lücke bei der Einbringung der Beteiligung an einer
Kapitalgesellschaft durch natürliche Personen geschlossen
werden (vgl. zur Lückenhaftigkeit der vorherigen Gesetzeslage
z.B. Rödder in Schaumburg/Rödder,
Unternehmenssteuerreform 2001, 2000, S. 559; Gosch, a.a.O., §
8b Rz 431 f.). Die Rückausnahme des bisherigen § 8b Abs.
4 Satz 1 KStG 1999 sollte eingeschränkt werden,
„damit natürliche Personen die
Halbeinkünftebesteuerung eines Veräußerungsgewinns
nicht über eine Beteiligungseinbringung umgehen
können“. Genau um diese als Privatholding-Modell
bezeichnete Konstellation geht es im Streitfall: Würde allein
schon das Nichtvorliegen der negativen Tatbestandsmerkmale des
§ 8b Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 Halbsatz 1 KStG 2002 a.F. zur
Steuerfreiheit des Veräußerungsgewinns führen,
hätten A und B über die Gründung der Klägerin
und die Einbringung der Anteile an der X-GmbH in diese bei
anschließender Veräußerung der Anteile im Ergebnis
erreichen können, dass der Veräußerungsgewinn, der
im Falle einer unmittelbaren Veräußerung der Anteile
durch A und B der sofortigen Besteuerung nach dem seinerzeitigen
Halbeinkünfteverfahren (§ 3 Nr. 40 EStG 2002) unterlegen
hätte, erst im Falle einer etwaigen späteren
Gewinnausschüttung durch die Klägerin zu versteuern
gewesen wäre. Ein solches Ergebnis sollte mit der Neufassung
des § 8b Abs. 4 Satz 2 KStG 1999 erklärtermaßen
verhindert werden.
cc) Der in § 8b Abs. 4 Satz 2 Nr. 2
Halbsatz 2 KStG 2002 a.F. beschriebene
steuerbefreiungsschädliche Tatbestand setzt nicht voraus, dass
es sich bei den Gesellschaftsanteilen um vor der Einbringung in die
veräußernde Kapitalgesellschaft einbringungsgeborene
Anteile i.S. von § 21 UmwStG 1995 handeln muss. Das FG hat
sich zu Recht nicht denjenigen (vgl. Widmann in Widmann/Mayer,
a.a.O., § 20 UmwStG [StSenkG/UntStFG - grüne Blätter
- ] Rz 20.2; Haun/Winkler, GmbHR 2002, 192, 197; Füger/Rieger,
FR 2003, 589, 595 f.) angeschlossen, die die Bestimmung nicht
für einschlägig halten, wenn - wie im Streitfall - die
von einem nicht von § 8b Abs. 2 KStG 2002 begünstigten
Steuerpflichtigen unter dem Teilwert eingebrachte Beteiligung im
Rahmen einer Bargründung entstanden ist (dagegen auch Gosch,
a.a.O., § 8b Rz 434; Dötsch/Pung in Dötsch/Jost/
Pung/Witt, a.a.O., § 8b Rz 204; Frotscher in Frotscher/Maas,
a.a.O., § 8b Rz 76d). Soweit es in § 8b Abs. 4 Satz 2 Nr.
2 Halbsatz 2 KStG 2002 a.F. heißt, „soweit die
Anteile ... auf einer Einbringung ... beruhen“, wird
hiermit kein Einbringungsvorgang im Hinblick auf den
ursprünglichen Anteilserwerb durch den nicht nach Abs. 2
begünstigten Steuerpflichtigen vorausgesetzt. Vielmehr ist mit
der „Einbringung“ der Einbringungsvorgang in die
veräußernde Kapitalgesellschaft gemeint, der nach §
8b Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 KStG 2002 a.F. den Grund für die
Ausnahme von der Steuerfreiheit des § 8b Abs. 2 KStG 2002
bildet. Der dagegen erhobene Einwand, bei diesem Verständnis
würde § 8b Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 Halbsatz 2 KStG 2002 a.F.
im Fall des § 8b Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 KStG 2002 stets zur
Steuerpflicht führen, so dass die Regelung lediglich den
Ausschluss der Steuerfreiheit wiederholen würde und damit
„sinnlos“ wäre (Widmann in Widmann/Mayer,
a.a.O., § 20 UmwStG [StSenkG/ UntStFG - grüne
Blätter - ] Rz 20.2) trifft nicht zu. Denn ohne die Regelung
des § 8b Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 Halbsatz 2 KStG 2002 a.F.
käme § 8b Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 Halbsatz 1 KStG 2002 a.F.
zum Zuge, unter dessen Tatbestand die Einbringung indes nicht
fällt (s. oben II.3.a aa) und der somit zur Steuerfreiheit der
Veräußerung auch innerhalb der Sieben-Jahres-Frist
führen würde.
b) Nach § 8b Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 Halbsatz
2 KStG 2002 n.F. gilt für das Streitjahr 2004 nichts anderes.
Die Bestimmung unterscheidet sich von § 8b Abs. 4 Satz 2 Nr. 2
Halbsatz 2 KStG 2002 a.F. nur dadurch, dass das beide
Halbsätze verbindende „oder“ durch ein
„und“ ersetzt wurde. Nach der Begründung
des Regierungsentwurfs des sog. Korb II-Gesetzes handelte es sich
dabei um eine Klarstellung; es sollte durch die Verwendung des
„und“ anstelle des „oder“
offenbar deutlich gemacht werden, dass - wie nach dem oben Gesagten
schon bei der Verwendung des „oder“ als
Auslegungsvariante naheliegend - die in den Halbsätzen
genannten Voraussetzungen kumulativ vorliegen müssen, um zu
der Rückausnahme des § 8b Abs. 4 Satz 1 KStG 2002 zu
gelangen, d.h. bei Vorliegen auch nur eines der dort als
steuerbefreiungsschädlich benannten Tatbestände die
Steuerpflicht eintritt. Ob das vom Gesetzgeber Gewollte anhand der
Verwendung des „und“ sprachlich besser zum
Ausdruck kommt, mag bezweifelt werden (kritisch z.B.
Dötsch/Pung in Dötsch/Jost/ Pung/Witt, a.a.O., § 8b
Rz 191; Füger/Rieger, BB 2005, 517; Gröbl/Adrian in
Erle/Sauter, a.a.O., § 8b Rz 219). Doch lässt sich auch
nach dieser Fassung der Wortlaut der Norm noch mit dem vom
Gesetzgeber verfolgten Zweck vereinbaren, wenn man weiterhin die
Eingangsformulierung des Satzes 2 („soweit die Anteile
nicht ...“) auch auf den im Halbsatz 2 definierten
Tatbestand bezieht und das neu eingefügte
„und“ somit im Sinne von „und
nicht“ liest.
4. Der Senat ist nicht davon überzeugt,
dass die Regelung des § 8b Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 Halbsatz 2 KStG
2002 in den hier in Rede stehenden Fassungen wegen Verletzung des
Grundsatzes der Normenklarheit verfassungswidrig ist. Eine
Aussetzung des Verfahrens und die Einholung einer Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) gemäß Art. 100 Abs. 1
Satz 1 des Grundgesetzes (GG) i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 des
Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht ist deshalb nicht
möglich.
a) Das aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20
Abs. 3, Art. 19 Abs. 4 GG) folgende Bestimmtheitsgebot verlangt vom
Gesetzgeber, Vorschriften so genau zu fassen, wie dies nach der
Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf
den Normzweck möglich ist. Der Betroffene muss die Rechtslage
anhand der gesetzlichen Regelung so erkennen können, dass er
sein Verhalten danach auszurichten vermag. Die Anforderungen im
Einzelfall richten sich nach Art und Schwere des jeweiligen
Eingriffs. Je schwerwiegendere Auswirkungen ein Gesetz hat, desto
höher sind die an die Gesetzesbestimmtheit und -klarheit zu
stellenden Anforderungen (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 3.3.2004
1 BvF 3/92, BVerfGE 110, 33, 53; vom 9.4.2003 1 BvL 1/01, 1 BvR
1749/01, BVerfGE 108, 52 = SIS 03 38 38; vom 2.6.2008 1 BvR 349/04,
1 BvR 378/04, NVwZ 2008, 1229; BVerfG-Urteil vom 19.3.2003 2 BvL
9-12/98, BVerfGE 108, 1, 20; Beschluss des Bundesfinanzhofs - BFH -
vom 6.9.2006 XI R 26/04, BFHE 214, 430, BStBl II 2007, 167 = SIS 06 44 12). Für den Bereich des Steuerrechts müssen nach der
Rechtsprechung des BVerfG die steuerbegründenden
Tatbestände so bestimmt sein, dass der Steuerpflichtige die
auf ihn entfallende Steuerlast vorausberechnen kann (z.B.
BVerfG-Beschlüsse vom 23.10.1986 2 BvL 7, 8/84, BVerfGE 73,
388, 400; vom 12.10.1978 2 BvR 154/74, BVerfGE 49, 343, 362;
BFH-Beschluss in BFHE 214, 430, BStBl II 2007, 167 = SIS 06 44 12,
m.w.N.).
b) § 8b Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 Halbsatz 2
KStG 2002 a.F. und n.F. ist wegen der angewendeten Technik der
doppelten Verneinung und der sprachlich ungenauen Verwendung der
Begriffe „oder“ bzw. „und“
aus sich heraus schwer verständlich. Das gilt insbesondere
für die neue Fassung der Vorschrift, die aus ihrem Wortlaut
heraus nicht eindeutig erkennen lässt, ob die im Streitfall
vorliegende Privatholding-Konstruktion
steuerbefreiungsschädlich sein soll oder nicht. Die in der
Literatur deswegen vorgebrachten Bedenken (z.B. Dötsch/Pung in
Dötsch/ Jost/Pung/Witt, a.a.O., § 8b Rz 176:
„sehr umständlich und kaum noch
verständlich“; Kröner in Ernst & Young,
a.a.O., § 8b Rz 188: „zweifelhaft,
missverständlich und sprachlich missglückt“),
die bis zur Erhebung verfassungsrechtlicher Bedenken reichen
(Gosch, a.a.O., § 8b Rz 293; Gröbl/Adrian in Erle/
Sauter, a.a.O., § 8b Rz 175), sind deshalb nicht ohne
Berechtigung. Die Zweifel an der Normklarheit reichen jedoch nicht
so weit, dass der Senat von der Verfassungswidrigkeit der
Bestimmung in dem für eine Vorlage nach Art. 100 GG
erforderlichem Maße (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom
28.5.1963 2 BvL 5/63, BVerfGE 16, 188; vom 11.7.1967 1 BvL 11/67,
BVerfGE 22, 175) überzeugt ist.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass die
gesetzgeberische Zielsetzung, die nach § 8b KStG 1999 i.d.F.
des Gesetzes zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der
Unternehmensbesteuerung vom 23.10.2000 (BGBl I 2000, 1433, BStBl I
2000, 1428) vorhandene Lücke in Bezug auf die Besteuerung von
Anteilsveräußerungen nach mehrheitsvermittelnder
Einbringung durch natürliche Personen zu schließen,
bereits vorlegislatorisch bekannt war (vgl. z.B. Seibt, DStR 2000,
2061, 2064; Bericht der Bundesregierung zur Fortentwicklung des
Unternehmenssteuerrechts vom 8.5.2001, Beilage zu FR Heft 11/2001,
S. 7 f.) und in der Gesetzesbegründung des Gesetzes zur
Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts klar zum Ausdruck
gekommen ist (s. oben II.3.a bb bbb). Soweit vor diesem Hintergrund
eine dem erkennbaren Gesetzeszweck entsprechende Auslegung anhand
des Wortlauts der Norm zumindest möglich ist, führt die
Unklarheit der Gesetzesfassung nach Auffassung des Senats nicht
zwingend zum Verdikt der Verfassungswidrigkeit.
5. Die Klägerin kann die Steuerfreiheit
der Veräußerungsgewinne nicht auf
Vertrauensschutzgesichtspunkte stützen. Das folgt jedenfalls
daraus, dass der als Vertrauensschutz auslösender
Dispositionsakt in Betracht kommende (vgl. Seer/Drüen, GmbHR
2002, 1093, 1099) Vertrag über die die Steuerpflicht
auslösenden Anteilsveräußerungen im April 2002
abgeschlossen wurde. Zu diesem Zeitpunkt war das am 20.12.2001
beschlossene Gesetz zur Fortentwicklung des
Unternehmenssteuerrechts bereits in Kraft und konnte sich die
Klägerin auf die Gesetzesänderung einrichten.