Darlehensvertrag zwischen Angehörigen, zivilrechtliche Unwirksamkeit lediglich Indiz: Bei der steuerrechtlichen Anerkennung von Verträgen zwischen nahen Angehörigen ist der zivilrechtlichen Unwirksamkeit des Vertragsabschlusses nur indizielle Bedeutung beizumessen (Anschluss an BFH-Urteil vom 13.7.1999 VIII R 29/97, BFHE 191 S. 250, BStBl 2000 II S. 386 = SIS 00 08 70). - Urt.; BFH 7.6.2006, IX R 4/04; SIS 06 38 96
(Anmerkung der Redaktion:
vgl. auch BMF-Schreiben vom 2.4.2007, IV B 2 - S 2144/0, BStBl 2007
I S. 441 = SIS 07 13 01)
I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) errichtete in den Jahren
1991 bis 1993 drei Mehrfamilienhäuser. Zur Finanzierung der
Herstellungskosten schloss sie mit ihren drei minderjährigen
Enkelkindern Ende August 1991 jeweils Darlehensverträge
ab.
Unterzeichnet wurden die Verträge
durch den Vater als dem gesetzlichen Vertreter seiner Söhne;
ein Ergänzungspfleger wurde nicht eingeschaltet.
Im April 1992 erfolgte eine
Vertragsänderung, welche auf Seiten der Darlehensgeber
wiederum von deren Vater als Vertreter unterzeichnet wurde. Danach
gewährten die Enkel der Klägerin weitere Kredite in
variabler Höhe. In der Folgezeit erfolgten verschiedentlich
Aufstockungen der Darlehenssummen.
Mit notarieller Urkunde vom November 1998
genehmigte der jetzt eingeschaltete Ergänzungspfleger die
Darlehensverträge; danach wurden Grundschulden zur Sicherung
der Darlehen bestellt.
Die Zinsen für den Zeitraum von Ende
August bis 31.12.1991 in Höhe von 6.980 DM hat die
Klägerin am 15.1.1992, die Zinsen für den Zeitraum vom 1.
Januar bis 31.12.1992 in Höhe von 21.385 DM hat sie am
30.12.1992 an die Enkel gezahlt.
Aufgrund einer Außenprüfung
versagte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - )
die steuerliche Anerkennung der Darlehen und erhöhte für
das Streitjahr 1992 die Einkünfte aus Vermietung und
Verpachtung um die gezahlten Darlehenszinsen.
Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg
(vgl. SIS 04 33 59). Das Finanzgericht (FG) führte in seinem
Urteil aus, die Darlehensverträge seien als Vereinbarung
zwischen nahen Angehörigen steuerlich nicht zu
berücksichtigen, da sie nicht formwirksam abgeschlossen worden
seien.
Mit ihrer Revision rügt die
Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.
Die Klägerin beantragt
sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und die
Einkommensteuer 1992 unter Berücksichtigung der
Darlehenszinsen als Werbungskosten bei den Einkünften aus
Vermietung und Verpachtung festzusetzen.
Das FA beantragt sinngemäß, die
Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet; das
angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Sache zur anderweitigen
Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen (§
126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Zu
Unrecht ist das FG davon ausgegangen, dass die
Darlehensverträge bereits auf Grund ihrer Formunwirksamkeit
steuerrechtlich nicht anzuerkennen seien.
1. Nach der Rechtsprechung des
Bundesfinanzhofs (BFH) ist die steuerrechtliche Anerkennung von
Vertragsverhältnissen zwischen nahen Angehörigen u.a.
davon abhängig, dass die Verträge
bürgerlich-rechtlich wirksam vereinbart worden sind und sowohl
die Gestaltung als auch die Durchführung des Vereinbartem dem
zwischen Fremden Üblichen entspricht (vgl. BFH-Urteile vom
3.3.2004 X R 14/01, BFHE 205, 261, BStBl II 2004, 826 = SIS 04 17 27; vom 19.2.2002 IX R 32/98, BFHE 198, 288, BStBl II 2002, 674 =
SIS 02 85 01; vom 13.7.1999 VIII R 29/97, BFHE 191, 250, BStBl II
2000, 386 = SIS 00 08 70, jeweils m.w.N.). Zu nahen
Angehörigen zählen auch Großeltern und Enkelkinder
im Verhältnis zueinander (vgl. BFH-Urteile vom 18.12.1990 VIII
R 290/82, BFHE 163, 423, BStBl II 1991, 391 = SIS 91 09 12, und vom
14.4.1983 IV R 198/80, BFHE 138, 359, BStBl II 1983, 555 = SIS 83 14 09).
a) Die Anforderungen der Rechtsprechung an die
Anerkennung von Verträgen zwischen nahen Angehörigen
gründen auf der Überlegung, dass es innerhalb eines
Familienverbundes typischerweise an einem Interessensgegensatz
ermangelt und somit zivilrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten
steuerrechtlich missbraucht werden können (vgl.
Bundesverfassungsgericht - BVerfG -, Beschluss vom 7.11.1995 2 BvR
802/90, BStBl II 1996, 34 = SIS 96 01 13). Im Interesse einer
effektiven Missbrauchsbekämpfung ist es daher geboten und
zulässig, an den Beweis des Abschlusses und an den Nachweis
der Ernstlichkeit von Vertragsgestaltungen zwischen nahen
Angehörigen strenge Anforderungen zu stellen (vgl. BVerfG,
Beschlüsse vom 16.7.1991 2 BvR 769/90, HFR 1992, 23; vom
20.11.1984 1 BvR 1406/84, Deutsche Steuer-Zeitung/ Eildienst -
DStZ/E - 1985, 38, HFR 1985, 283; vom 22.7.1970 1 BvR 285/66,
445/67 und 192/69, BVerfGE 29, 104 ff. = SIS 70 03 61, 118).
b) Die Beachtung der zivilrechtlichen
Formerfordernisse bei Vertragsabschluss und die Kriterien des
Fremdvergleiches aber bilden lediglich Beweisanzeichen (Indizien)
bei der im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu treffenden
Entscheidung, ob die streitigen Aufwendungen in einem sachlichen
Zusammenhang mit der Erzielung von Einkünften stehen oder dem
nicht steuerbaren privaten Bereich (§ 12 des
Einkommensteuergesetzes - EStG - ) zugehörig sind (vgl.
BFH-Urteil in BFHE 205, 261, BStBl II 2004, 826 = SIS 04 17 27;
Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. III, S. 1312; Stadie,
Allgemeines Steuerrecht, Rz. 236; Ruppe in Herrmann/ Heuer/Raupach,
Einf. ESt Anm. 459). Insbesondere die zivilrechtliche Wirksamkeit
des Vertragsabschlusses darf nicht zu einem eigenen
Tatbestandsmerkmal dergestalt verselbständigt werden, dass
allein die Nichtbeachtung zivilrechtlicher Formvorschriften die
steuerrechtliche Nichtanerkennung des Vertragsverhältnisses
zur Folge hat (vgl. BVerfG, Beschluss in BStBl II 1996, 34 = SIS 96 01 13). Diese verfassungsgerichtlichen Vorgaben hat der BFH im
Urteil in BFHE 191, 250, BStBl II 2000, 386 = SIS 00 08 70
aufgenommen und entschieden, dass die zivilrechtliche Unwirksamkeit
eines Vertragsabschlusses zwischen nahen Angehörigen nicht
ausnahmslos zum Ausschluss der steuerlichen Anerkennung des
Vertragsverhältnisses führen darf. Dem schließt
sich der erkennende Senat für den Streitfall an.
c) Danach sind die streitigen Darlehenszinsen
nicht bereits deshalb vom Abzug als Werbungskosten (§ 9 Abs. 1
Satz 1 und Satz 3 Nr. 1 EStG) bei den Einkünften der
Klägerin aus Vermietung und Verpachtung gemäß
§ 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ausgeschlossen, weil die zu
Grunde liegenden Darlehensverträge gemäß §
1629 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 1795 Abs. 1 Nr. 1 des
Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zunächst schwebend
unwirksam waren (MünchKomm BGB/Wagenitz, 4. Aufl., § 1795
RdNr. 38). Denn stellt die zivilrechtliche Unwirksamkeit nur ein
Beweisanzeichen gegen die Ernsthaftigkeit der getroffenen
Vereinbarung dar (vgl. BFH-Urteile vom 30.1.1980 I R 194/77, BFHE
130, 265, BStBl II 1980, 449 = SIS 80 02 38; vom 19.9.1974 IV R
95/73, BFHE 113, 558, BStBl II 1975, 141 = SIS 75 00 81), so ist
angesichts der tatsächlichen Durchführung der
Verträge indiziell auch zu würdigen, dass die Parteien
nach Erkennen der Unwirksamkeit zeitnah auf eine Genehmigung durch
den Ergänzungspfleger hinwirkten.
2. Diesen Maßstäben entspricht die
Vorentscheidung nicht; sie ist daher aufzuheben. Die Sache ist
nicht spruchreif. Das FG wird die Darlehensverträge der
Klägerin mit ihren Enkelkindern insgesamt neu zu beurteilen
haben.