Angehörige, formunwirksamer Vertrag: Der Formunwirksamkeit eines unter nahen Angehörigen abgeschlossenen Vertrages kommt eine Indizwirkung gegen dessen steuerrechtliche Anerkennung zu (Anschluss an BFH-Urteil vom 7.6.2006 IX R 4/04, BFH/NV 2006, 2162 = SIS 06 38 96). (zur Anwendung vgl. BMF-Schreiben vom 23.12.2010, IV C 6 - S 2144/07/10004, BStBl 2011 I S. 37 = SIS 10 42 39) - Urt.; BFH 22.2.2007, IX R 45/06; SIS 07 16 99
I. Die Kläger und Revisionskläger
(Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr (1999) zur
Einkommensteuer zusammen veranlagt wurden. Der Kläger ist
Zahnarzt, die Klägerin Arzthelferin. Zusammen erzielten sie
aus mehreren Unternehmensbeteiligungen Einkünfte aus
Gewerbebetrieb und durch Vermieten verschiedener Objekte
Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Die Kläger
haben sechs Kinder; mit fünf von ihnen schloss der Kläger
im Jahr 1998 inhaltsgleiche Darlehensverträge ab, in denen
sich die Kinder verpflichteten, ihrem Vater jeweils 50.000 DM zur
Verfügung zu stellen. Die Kinder - beim Vertragsabschluss
allesamt noch minderjährig - wurden dabei von ihrer Mutter,
der Klägerin, vertreten. Ein Ergänzungspfleger wurde
zunächst nicht bestellt. Mit dem von seinen Kindern
empfangenen Geld führte der Kläger das Darlehen einer
Hypothekenbank zurück, das er zur Finanzierung seines
vermieteten Objekts X aufgenommen hatte. Die an seine Kinder im
Streitjahr gezahlten Schuldzinsen von insgesamt 12.500 DM machte
der Kläger als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus
der Vermietung dieses Objekts geltend.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) ließ die Schuldzinsen nicht zum Abzug als
Werbungskosten zu, weil die ohne Einschaltung eines
Ergänzungspflegers abgeschlossenen Darlehensverträge
zivilrechtlich nicht wirksam seien. Mit ihrem Einspruch brachten
die Kläger vor, aus Unkenntnis der zivilrechtlichen
Notwendigkeit auf die Bestellung des Ergänzungspflegers
verzichtet zu haben. Weil dessen Mitwirken auch bei der
schenkweisen Übertragung von Geschäftsanteilen an einer
... GmbH an ihre Kinder im Jahre 1993 nach Auskünften des
Vormundschaftsgerichts und des FA nicht erforderlich gewesen sei,
seien sie davon ausgegangen, der Abschluss der
Darlehensverträge hätte erst Recht eine
Ergänzungspflegerbestellung nicht erfordert.
Auf Antrag des Klägers ordnete das
Vormundschaftsgericht im Oktober 2001 die
Ergänzungspflegschaft für die vier (noch)
minderjährigen Kinder an - ein Kind war zwischenzeitlich
volljährig. Es bestimmte den Prozessbevollmächtigten zum
Ergänzungspfleger, der die Darlehensverträge
genehmigte.
Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das
Finanzgericht (FG) führte zur Begründung in seinem in EFG
2006, 1824 = SIS 06 43 28, veröffentlichtem Urteil aus, die
Genehmigungen der Verträge wirkten nur zivilrechtlich, nicht
aber steuerrechtlich zurück. Zwar seien insbesondere nach dem
Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 13.7.1999 VIII R 29/97 (BFHE
191, 250, BStBl II 2000, 386 = SIS 00 08 70) auch tatsächlich
durchgeführte Verträge zwischen nahen Angehörigen,
bei deren Abschluss Formvorschriften nicht beachtet worden seien,
ausnahmsweise dann von vornherein zu berücksichtigen, wenn aus
den besonderen übrigen Umständen des konkreten
Einzelfalls zweifelsfrei abgeleitet werden könne, dass die
Vertragspartner einen ernsthaften Bindungswillen gehabt
hätten. Eine solche Ausnahmesituation liege im Streitfall
nicht vor, weil sich das Erfordernis der Pflegerbestellung aus dem
Wortlaut des Gesetzes (§ 1629 Abs. 2, § 1795 Abs. 1,
§ 1909 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB - )
ergebe.
Hiergegen richtet sich die Revision der
Kläger, mit der sie Verletzung materiellen Rechts rügen.
Der BFH habe in seinem Urteil vom 7.6.2006 IX R 4/04 (BFH/NV 2006,
2162 = SIS 06 38 96) klargestellt, dass die zivilrechtliche
Unwirksamkeit nur ein Indiz für die steuerrechtliche
Beurteilung sei. Der diesem Urteil zu Grunde liegende Sachverhalt
entspreche dem Streitfall.
Die Kläger beantragen, das
angefochtene Urteil und die Einspruchsentscheidung des FA vom
15.5.2002 aufzuheben und die Einkommensteuer für das
Streitjahr unter Abänderung des Bescheides vom 5.4.2001 unter
Berücksichtigung von zusätzlichen Werbungskosten in
Höhe von 12.750 DM auf 93.590 DM herabzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision
abzuweisen.
In der Konsequenz des BFH-Urteils in BFH/NV
2006, 2162 = SIS 06 38 96, würde auch das bloße
schuldhafte Nichtkennen für die Annahme eines
Ausnahmetatbestands ausreichen. Soweit allerdings Angehörige
bewusst einen zivilrechtlich unwirksamen Vertrag abgeschlossen
hätten, könne die Vereinbarung nicht ernsthaft gewollt
sein. Ob Formvorschriften aber bewusst oder unbewusst nicht
beachtet würden, könne das FA regelmäßig nicht
ermitteln. Bei Anwendung des BFH-Urteils in BFH/NV 2006, 2162 = SIS 06 38 96, sei zu erwarten, dass aus Kostengründen auf die
Einschaltung eines Ergänzungspflegers von vornherein
verzichtet werde.
II. Die Revision ist unbegründet und
deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Zutreffend hat das FG die
Darlehensverträge auf Grund ihrer Formunwirksamkeit
steuerrechtlich nicht anerkannt.
1. Nach der BFH-Rechtsprechung sind
Vertragsverhältnisse zwischen nahen Angehörigen
steuerrechtlich nur anzuerkennen, wenn die Verträge
bürgerlich-rechtlich wirksam vereinbart worden sind und sowohl
die Gestaltung als auch die Durchführung des Vereinbarten dem
zwischen Fremden Üblichen entsprechen (vgl. z.B. BFH-Urteil in
BFHE 191, 250, BStBl II 2000, 386 = SIS 00 08 70, m.w.N.). Diese
Anforderungen gründen auf der Überlegung, dass es
innerhalb eines Familienverbundes typischerweise an einem
Interessensgegensatz fehlt und zivilrechtliche
Gestaltungsmöglichkeiten steuerrechtlich missbraucht werden
können (vgl. Bundesverfassungsgericht - BVerfG -, Beschluss
vom 7.11.1995 2 BvR 802/90, BStBl II 1996, 34 = SIS 96 01 13). Im
Interesse einer effektiven Missbrauchsbekämpfung ist es daher
geboten und zulässig, an den Beweis des Abschlusses und an den
Nachweis der Ernstlichkeit von Vertragsgestaltungen zwischen nahen
Angehörigen strenge Anforderungen zu stellen (vgl. BVerfG,
Beschlüsse vom 16.7.1991 2 BvR 769/90, HFR 1992, 23; vom
20.11.1984 1 BvR 1406/84, HFR 1985, 283; vom 22.7.1970 1 BvR
285/66, 445/67 und 192/69, BVerfGE 29, 104 ff., 118 = SIS 70 03 61).
Die besonderen Anforderungen der
Rechtsprechung bilden Beweisanzeichen (Indizien) bei der im Rahmen
einer Gesamtbetrachtung zu treffenden Entscheidung, ob die
streitigen Aufwendungen in einem sachlichen Zusammenhang mit dem
Erzielen von Einkünften stehen oder dem nicht steuerbaren
privaten Bereich (§ 12 des Einkommensteuergesetzes - EStG - )
zugehörig sind (vgl. BFH-Urteil vom 3.3.2004 X R 14/01, BFHE
205, 261, BStBl II 2004, 826 = SIS 04 17 27). Lassen die
Vertragsbeteiligten zivilrechtliche Formerfordernisse unbeachtet,
so führt dieses Beweisanzeichen gegen die Ernsthaftigkeit der
getroffenen Vereinbarung - anders als z.B. das Nichterfüllen
eines gesetzlichen Tatbestandsmerkmals - nicht allein und
ausnahmslos dazu, das Vertragsverhältnis steuerrechtlich nicht
anzuerkennen (BFH-Urteil in BFH/NV 2006, 2162 = SIS 06 38 96,
m.w.N.; vgl. auch BVerfG, Beschluss in BStBl II 1996, 34 = SIS 96 01 13). Die Indizwirkung gegen den vertraglichen Bindungswillen
wird aber verstärkt, wenn den Vertragspartnern die
Nichtbeachtung der Formvorschriften insbesondere bei klarer
Zivilrechtslage angelastet werden kann (vgl. dazu im Einzelnen
BFH-Urteil in BFHE 191, 250, BStBl II 2000, 386 = SIS 00 08 70).
2. Diesen Grundsätzen entspricht die
angefochtene Entscheidung. Sie hat die streitigen Darlehenszinsen
nicht allein deshalb vom Abzug als Werbungskosten (§ 9 Abs. 1
Satz 1 und Satz 3 Nr. 1 EStG) bei den Einkünften des
Klägers aus Vermietung und Verpachtung gemäß §
21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ausgeschlossen, weil die zu Grunde
liegenden Darlehensverträge gemäß § 1629 Abs.
1 Satz 1 i.V.m. § 1795 Abs. 1 Nr. 1 BGB zunächst
schwebend unwirksam waren, sondern hat in Übereinstimmung mit
der Rechtsprechung des BFH maßgebend darauf abgestellt, dass
die Nichtbeachtung der Formvorschriften den Klägern anzulasten
war. Diese Würdigung ist revisionsrechtlich nicht zu
beanstanden. Insbesondere durfte das FG angesichts der schon aus
dem Wortlaut der einschlägigen Vorschriften des BGB
abzuleitenden klaren Rechtslage dem Vertrauen des Klägers in
eine (behauptete) bloß fernmündliche Auskunft von Seiten
eines Notariats keine Bedeutung beimessen.
3. Entgegen der Revision liegt der Streitfall
anders als der Fall, der dem BFH-Urteil in BFH/NV 2006, 2162 = SIS 06 38 96, zu Grunde lag. Denn dort hatte das FG das Nichtbeachten
der bürgerlich-rechtlichen Formvorschrift wie ein gesetzliches
Tatbestandsmerkmal gehandhabt und hat - anders als die Vorinstanz
unter ausdrücklicher Bezugnahme auf das BFH-Urteil in BFHE
191, 250, BStBl II 2000, 386 = SIS 00 08 70 - keine
Gesamtwürdigung der Umstände angestellt.
Weil das FG im Streitfall die Voraussetzungen
für die verstärkte Indizwirkung bejahte, kommt es nicht
mehr darauf an, ob die Parteien nach Erkennen der Unwirksamkeit
zeitnah auf eine Genehmigung durch den Ergänzungspfleger
hinwirkten.