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Insolvenzreife, Geschäftsführerhaftung

Insolvenzreife, Geschäftsführerhaftung: 1. Allein der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens befreit den GmbH-Geschäftsführer nicht von der Haftung wegen Nichtabführung der einbehaltenen Lohnsteuer. - 2. Sind im Zeitpunkt der Lohnsteuer-Fälligkeit noch liquide Mittel zur Zahlung der Lohnsteuer vorhanden, besteht die Verpflichtung des Geschäftsführers zu deren Abführung so lange, bis ihm durch Bestellung eines (starken) Insolvenzverwalters oder Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Verfügungsbefugnis entzogen wird. - 3. Die Haftung ist auch nicht ausgeschlossen, wenn die Nichtzahlung der fälligen Steuern in die dreiwöchige Schonfrist fällt, die dem Geschäftsführer zur Massesicherung ab Feststellung der Zahlungsunfähigkeit gemäß § 64 Abs. 1 Satz 1 GmbHG eingeräumt ist (Fortentwicklung der Senatsrechtsprechung im Hinblick auf die geänderte Rechtsprechung des BGH im Urteil vom 14.5.2007 II ZR 48/06, DStR 2007, 1174, HFR 2007, 1242 = SIS 07 28 78). - Urt.; BFH 23.9.2008, VII R 27/07; SIS 08 44 58

Kapitel:
Verschiedenes > Haftung für Steuern
Fundstellen
  1. BFH 23.09.2008, VII R 27/07
    BStBl 2009 II S. 129
    LEXinform 0588932

    Anmerkungen:
    zur Veröffentlichung in BStBl II bestimmt nach BMF-Online vom 29.1.2009
    T.C. in DStZ 3/2009 S. 65
    R.R. in NWB 4/2009 S. 196
    R.R. in BFH/PR 3/2009 S. 111
    R.R. in StC 3/2009 S. 13
    A.J. in HFR 2/2009 S. 103
    PM BFH in Stbg 3/2009 S. M 14
    erl in StuB 14/2009 S. 551
    N.B. in AktStR 3/2009 S. 449
Normen
[EStG] § 41 a
[GmbHG] § 64
[AO 1977] § 34, § 69
[FGO] § 118
[StGB] § 266 a
[InsO] § 17, § 18, § 21, § 22, § 129, § 130
[BGB] § 823 Abs. 2
Vorinstanz / Folgeinstanz:
  • vor: FG Münster, 22.06.2007, SIS 09 11 64, Haftung, Lohnsteuer, Insolvenz, Schadensersatz
Zitiert in... / geändert durch...
  • BFH 15.11.2022, SIS 23 04 13, Geschäftsführerhaftung, Überwachungsverschulden, eigenes Unvermögen: Der Geschäftsführer einer GmbH kann ...
  • FG Münster 12.8.2022, SIS 22 20 11, Haftungsinanspruchnahme einer nominellen Geschäftsführerin bzw. Liquidatorin für Steuerschulden: 1. Die S...
  • FG Berlin-Brandenburg 28.9.2021, SIS 22 02 03, Haftungsinanspruchnahme des Geschäftsführers einer GmbH bei Auszahlung der Nettolöhne, Unterlassen des Lo...
  • OVG Nordrhein-Westfalen 12.4.2021, SIS 21 10 93, Unzureichende Zahlungsmittel des Vertreters des Steuerschuldners, längerer Zeitraum mit mehreren Fälligke...
  • FG Düsseldorf 12.3.2021, SIS 21 09 56, Lohnsteuerhaftung des vorläufigen Sachwalters mit Kassenführungsbefugnis im Schutzschirmverfahren, Verfüg...
  • FG München 23.7.2020, SIS 20 13 60, Biersteuer: 1. Die steuerliche Pflicht zur Mittelvorsorge bereits vor Fälligkeit der Steuer betrifft alle...
  • FG München 29.5.2020, SIS 20 12 26, Lohnsteuerhaftung der Geschäftsführerin einer insolventen GmbH: 1. Die Nichtabführung einzubehaltender un...
  • BFH 22.10.2019, SIS 20 04 21, Geschäftsführerhaftung nach Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters: 1. Wird die Eröffnung des I...
  • FG Münster 30.4.2019, SIS 19 10 80, Verfassungsmäßigkeit des Zinssatzes i.H. von 6 %: Der Zinssatz in Höhe von 6 % gemäß § 238 AO ist auch an...
  • BFH 18.9.2018, SIS 18 19 28, Zum Einwendungsausschluss des Geschäftsführers einer GmbH bei unterlassenem Widerspruch gegen die Forderu...
  • BFH 29.8.2018, SIS 18 17 65, Zum Einwendungsausschluss des § 166 AO bei unterlassenem Widerspruch gegen eine Forderungsanmeldung des F...
  • FG Münster 16.5.2018, SIS 18 10 71, Geschäftsführerhaftung bei vorläufiger Eigenverwaltung: 1. Geschäftsführer sind grundsätzlich auch für Ze...
  • BFH 26.9.2017, SIS 17 22 44, Geschäftsführerhaftung für Einfuhrumsatzsteuer nach Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters, Gru...
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  • FG Berlin-Brandenburg 3.9.2015, SIS 15 24 66, Geschäftsführerhaftung bei ungekürzter Lohnzahlung trotz Kenntnis der Zahlungsschwierigkeiten der GmbH, k...
  • FG Köln 6.11.2014, SIS 15 07 30, Umfang der Haftung eines Geschäftsführers bei späterer (hypothetischer) Anfechtung nach §§ 129 ff. InsO: ...
  • FG Köln 25.2.2014, SIS 14 17 75, Lohnsteuerhaftung des GmbH-Geschäftsführers nach Insolvenzantrag: 1. Die Lohnsteuer-Haftung des GmbH-Gesc...
  • FG Rheinland-Pfalz 10.12.2013, SIS 14 09 78, Haftung des Mitgeschäftsführers einer geschäftsführenden Komplementär-GmbH für Lohnsteuerschulden der KG:...
  • FG München 10.11.2011, SIS 12 01 82, Haftung des Geschäftsführers einer GmbH: Es ist nicht gerechtfertigt, den Antragsteller für die Umsatzste...
  • BFH 15.2.2011, SIS 11 13 37, Zulässigkeit eines ergänzenden Haftungsbescheids nach Lohnsteueraußenprüfung: Das Finanzamt ist zum Erlas...
  • BGH 25.1.2011, SIS 11 08 74, Geschäftsführerhaftung, Insolvenzreife: Der Geschäftsführer haftet nicht nach § 64 Satz 1 GmbHG, wenn er ...
  • BFH 19.2.2010, SIS 10 15 52, Pflicht des Geschäftsführers einer insolventen GmbH auf den vorläufigen Insolvenzverwalter einzuwirken: 1...
  • FG Köln 17.6.2009, SIS 10 24 30, Haftung für Steuerverbindlichkeiten und Säumniszuschläge bei einer GmbH: Der Geschäftsführer einer GmbH m...
  • BFH 15.6.2009, SIS 09 29 27, Haftung bei nicht fristgerechter Entrichtung von Stromsteuer: 1. Die Verpflichtung eines gesetzlichen Ver...
Fachaufsätze
  • LIT 01 72 90 R. Rüsken, NWB 4/2009 S. 196: Lohnsteuerabführungspflicht bei drohender Insolvenz - Erneuter Kurswechsel des BFH durch Urteil vom 23.9....

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war zusammen mit einem weiteren Gesellschafter Geschäftsführer einer GmbH. Neben ihm und dem anderen Geschäftsführer hielt ein dritter Gesellschafter die übrigen 75 % der Gesellschaftsanteile (Mehrheitsgesellschafter).

 

Die Lohnsteueranmeldung der GmbH für Juli 2001 über insgesamt umgerechnet ca. 79.250 EUR ging am 6.8.2001 beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA - ) ein. Am 10.8.2001 stellten die Geschäftsführer Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH, einen Monat später wurde ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt und am 31.10.2001 das Insolvenzverfahren eröffnet.

 

Wegen der am Tag des Eröffnungsantrags fälligen, nicht abgeführten Lohnsteuer für Juli 2001 nahm das FA die Geschäftsführer gemäß §§ 69, 34, 35 der Abgabenordnung (AO) in Haftung. Nach erfolglosem Einspruch legte der Kläger im Klageverfahren dar, dass ihm keine grob fahrlässige Pflichtverletzung vorzuwerfen sei, weil der Mehrheitsgesellschafter die rund 8 Mio. EUR Schulden der GmbH durch Darlehen mit Rangrücktritt gesichert und die Liquidität noch durch Zahlung eines Teilbetrags von 350.000 DM auf ein am 29.6.2001 vereinbartes Darlehen über 950.000 DM aufrechterhalten habe, bevor er eine Woche später, am 3.8.2001, überraschend bekannt gegeben habe, die weitere Finanzierung nicht länger abdecken zu können. Am 31.7.2001 seien liquide Mittel in Höhe von (umgerechnet) ca. 69.000 EUR und am 31.8.2001 in Höhe von ca. 147.000 EUR vorhanden gewesen, außerdem habe bei der Hausbank kurzfristig ein Darlehen aufgenommen werden können. Im Zeitpunkt des Insolvenzantrags habe die GmbH somit über genügend Mittel verfügt, die Lohnsteuer 7/2001 zu zahlen. Lediglich aufgrund der bei der Insolvenzrichterin und dem späteren Insolvenzverwalter (Insolvenzverwalter) am Tage der Antragstellung eingeholten - unter Beweis gestellten - Auskünfte hätten er und der Mitgeschäftsführer sich nicht länger berechtigt gefühlt, Zahlungen für die GmbH anzuweisen.

 

Das Finanzgericht (FG) hob den Bescheid auf, soweit der Kläger für Säumniszuschläge in Haftung genommen worden war, wegen der Hauptforderungen blieb die Klage erfolglos. Das FG urteilte, der Kläger habe pflichtwidrig und grob fahrlässig unterlassen, die für den Monat Juli 2001 einbehaltene und angemeldete Lohnsteuer bis zum 10. des Folgemonats an das FA abzuführen. Daran ändere die Stellung des Insolvenzantrags am 10.8.2001 nichts, da die bloße Antragstellung auf die Verfügungsbefugnis des Geschäftsführers keinen Einfluss habe. Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe habe der Kläger nicht glaubhaft gemacht. So habe die Vernehmung der Insolvenzrichterin zwar bestätigt, dass am 10.8.2001 ein Gespräch stattgefunden habe, der Inhalt sei jedoch unklar geblieben, da sie sich an den Vorfall nicht mehr habe erinnern können. Auch habe die Beweisaufnahme nicht ergeben, dass der Insolvenzverwalter dem Kläger anlässlich des Gesprächs am 13.8.2001 untersagt habe, die Lohnsteuer 7/2001 zu zahlen. Abgesehen davon, dass Geschehnisse nach dem Fälligkeitstag und damit nach Vollendung der grob fahrlässigen Pflichtverletzung die Haftung nicht nachträglich entfallen lassen könnten, habe sich der Insolvenzverwalter nicht konkret an dieses Gespräch erinnert. Die von ihm für möglich gehaltene Aussage, er selbst würde - wenn er in der Position des Geschäftsführers wäre - im Hinblick auf eine mögliche Insolvenzanfechtung oder eine etwaige Schadenersatzpflicht nach § 64 Abs. 2 des Gesetzes über die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) nicht mehr zahlen, habe beim Kläger allenfalls den Eindruck erwecken können, es sei besser, die Lohnsteuer nicht zu zahlen. Wenn dem so gewesen sei, beruhe die Nichtzahlung der Lohnsteuer jedoch auf der freien Entscheidung des Klägers und nicht auf einem Irrtum über seine Verfügungsberechtigung. Zudem lege die Aussage des für die Bezahlung der Verbindlichkeiten der GmbH seinerzeit zuständigen Mitarbeiters ein mögliches Motiv für die Nichtzahlung der Lohnsteuer und damit eine bewusste Entscheidung, nicht aber einen Rechtsirrtum des Klägers offen, nämlich in Absprache mit dem Insolvenzverwalter jegliche Schmälerung der Insolvenzmasse durch irgendwelche Zahlungen zu unterlassen und dafür mehr Zeit für die Suche nach neuen Investoren zu bekommen.

 

Entschuldigungsgründe für den Kläger ergäben sich auch nicht daraus, dass die öffentlich-rechtliche Verpflichtung zur Steuerzahlung möglicherweise mit privatrechtlichen Schadenersatzverpflichtungen gemäß § 64 Abs. 2 GmbHG konkurriere (Hinweis auf Beschluss des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 21.12.1998 VII B 175/98, BFH/NV 1999, 745 = SIS 98 57 11).

 

Die Kausalität der Nichtzahlung der Lohnsteuer für den Steuerausfall entfalle schließlich nicht schon wegen hypothetischer Anfechtung der Lohnsteuerzahlung durch den Insolvenzverwalter nach § 130 Abs. 1 der Insolvenzordnung (InsO), zumal Zahlungsunfähigkeit i.S. des § 17 Abs. 2 InsO am 10.8.2001 noch nicht vorgelegen habe.

 

Mit der Revision beruft sich der Kläger zunächst auf die fehlende Kausalität der Nichtabführung der Lohnsteuer für den Steuerausfall. Diese Zahlung hätte vom Insolvenzverwalter später gemäß § 130 InsO angefochten werden können, weil im Zeitpunkt der Fälligkeit der Lohnsteuer wegen der gekündigten weiteren Kreditierung durch den Mehrheitsgesellschafter am 3.8.2001 und Ausbleiben der für diese Woche avisierten Zahlung der - u.a. - durch die Fälligkeit der Lohnsteuer gegebene Liquiditätsbedarf nicht mehr habe gedeckt werden können. Weiter legt der Kläger unter Berufung auf das Senatsurteil vom 27.2.2007 VII R 67/05 (BFHE 216, 491 = SIS 07 24 96) dar, dass vom Zeitpunkt der Fälligkeit der Lohnsteuer und zugleich der Zahlungsunfähigkeit der GmbH an in der Nichtabführung für einen Zeitraum von drei Wochen kein grob fahrlässiges Verhalten des Klägers gelegen habe, da er sich in diesem Zeitraum noch innerhalb der Schonfrist des § 64 Abs. 1 GmbHG (zur Massesanierung) befunden habe. Zwar seien am 10.8.2001 noch liquide Mittel vorhanden gewesen, um die Lohnsteuer für den Monat Juli 2001 zu zahlen, aber bezogen auf die Gesamtverbindlichkeiten habe Zahlungsunfähigkeit im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) bestanden, weil die innerhalb von drei Wochen nicht zu beseitigende Liquiditätslücke mehr als 10 % der fälligen Gesamtverbindlichkeiten betragen habe (Hinweis auf das BGH-Urteil vom 24.5.2005 IX ZR 123/04, BGHZ 163, 134 = SIS 05 44 22).

 

Schließlich macht der Kläger geltend, dass das FG bei gehöriger Würdigung der Zeugenaussagen zu dem Ergebnis habe kommen müssen, dass er sich aufgrund seiner Rückfragen bei der Richterin und dem Insolvenzverwalter in einem entschuldbaren Rechtsirrtum darüber befunden habe, dass ihm Zahlungen an Gläubiger untersagt seien. Nach seinem Verständnis sei er nach den von ihm eingeholten Informationen seitens zweier kompetenter Personen nicht mehr in der Situation gewesen, eine freie Entscheidung über die Zahlung oder Nichtzahlung der Lohnsteuer zu treffen.

 

Das FA weist darauf hin, dass seit dem BFH-Urteil vom 5.6.2007 VII R 65/05 (BFHE 217, 233, BStBl II 2008, 273 = SIS 07 31 56) geklärt sei, dass hypothetische Kausalverläufe die Haftungsinanspruchnahme nach §§ 69, 34 AO nicht in Frage stellen könnten und der BGH zwischenzeitlich unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung entschieden habe, dass ein Geschäftsführer, der bei Insolvenzreife der Gesellschaft Lohnsteuer abführe, „erlaubte“ Zahlungen leiste und damit der Gesellschaft gegenüber nicht nach § 64 Abs. 2 GmbHG erstattungspflichtig sei. Demnach habe sich der Kläger in keiner die Nichtabführung der Lohnsteuer entschuldigenden Pflichtenkollision befunden. Die Pflichtverletzung beruhe demzufolge auch nicht auf einem aus den bei der Richterin und dem Insolvenzverwalter eingeholten Informationen herrührenden, entschuldbaren Rechtsirrtum, zumal diese Personen nach Aktenlage und dem Ergebnis der Beweisaufnahme keine Anweisungen erteilt, sondern lediglich Ratschläge bzw. Empfehlungen abgegeben hätten.

 

II. Die Revision ist begründet. Das Urteil des FG verletzt Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ).

 

Das FG hat zutreffend erkannt, dass der Kläger als Geschäftsführer der GmbH zur Abführung der einbehaltenen und angemeldeten Lohnsteuer 7/2001 am 10.8.2001 verpflichtet war. Unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Streitfalles kann die Nichterfüllung dieser Pflicht aber nicht als grob fahrlässig gewertet werden.

 

1. Gemäß § 69 Satz 1 i.V.m. § 34 Abs. 1 AO haften die gesetzlichen Vertreter einer GmbH, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt worden sind. Den Geschäftsführer einer GmbH trifft - u.a. - die Pflicht, für eine fristgerechte Anmeldung und Abführung der von der GmbH geschuldeten Lohnsteuer zu sorgen (§ 41a Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes).

 

a) Durch den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens am Tag der Fälligkeit der Lohnsteuer war der Kläger rechtlich nicht gehindert, die Lohnsteuer abzuführen. Allein der Antrag schränkt den Geschäftsführer in seiner Verfügungsbefugnis nicht ein. Der vorläufige Insolvenzverwalter ist erst einen Monat später bestellt worden.

 

b) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats stellt die Nichtabführung einzubehaltender und anzumeldender Lohnsteuer zu den gesetzlichen Fälligkeitszeitpunkten im Regelfall eine zumindest grob fahrlässige Verletzung der Geschäftsführerpflichten dar (vgl. Senatsentscheidung in BFHE 216, 491 = SIS 07 24 96, m.w.N.). Zahlungsschwierigkeiten der GmbH ändern weder etwas an dieser Pflicht des GmbH-Geschäftsführers, noch schließen sie sein Verschulden bei Nichterfüllung der steuerlichen Pflichten der GmbH aus.

 

c) Die Pflichtverletzung des Geschäftsführers begründet allerdings dann keine Haftung nach §§ 69, 34 AO, wenn der Steuerausfall mangels ausreichender Zahlungsmittel der GmbH unabhängig davon eintritt, ob Steueranmeldungen fristgerecht eingereicht und die geschuldeten Steuerbeträge innerhalb der gesetzlich hierfür bestimmten Fristen entrichtet worden sind (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. Urteil in BFHE 216, 491 = SIS 07 24 96; vom 6.3.2001 VII R 17/00, BFH/NV 2001, 1100 = SIS 01 72 03, m.w.N.).

 

aa) Es ist indes nicht festgestellt, dass ausreichende Zahlungsmittel für die Begleichung der Lohnsteuer nicht vorhanden waren. Der Kläger hat vielmehr selbst eingeräumt, dass bei Fälligkeit der Lohnsteuer 7/2001 der GmbH noch die erforderlichen Mittel zur Zahlung der angemeldeten Lohnsteuer zur Verfügung standen.

 

bb) Es ist auch nicht erheblich, dass nach der Rechtsprechung des BGH regelmäßig von Zahlungsunfähigkeit auszugehen ist, wenn die Liquiditätslücke des Schuldners 10 % oder mehr seiner fälligen Gesamtverbindlichkeiten beträgt, sofern nicht ausnahmsweise mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Liquiditätslücke demnächst vollständig oder fast vollständig beseitigt wird (BGH-Urteil in BGHZ 163, 134 = SIS 05 44 22), denn für die Frage, ob die Pflichtverletzung des Geschäftsführers für den Steuerausfall kausal ist, weil der Fiskus mangels ausreichender Zahlungsmittel und vollstreckbaren Vermögens der GmbH ohnehin leer ausgegangen wäre, kommt es allein darauf an, ob bei Fälligkeit der Steuerforderung der geschuldete Betrag zur Auszahlung verfügbar ist. Das aber war auch nach dem Vorbringen der Revision am 10.8.2001 trotz der behaupteten Liquiditätslücke der Fall.

 

cc) Die Haftung des Geschäftsführers entfällt auch nicht infolge einer im Falle der Entrichtung der Lohnsteuer zum Fälligkeitstermin möglichen Anfechtung der Zahlung durch den Insolvenzverwalter nach §§ 129 ff. InsO. Die bloße Möglichkeit der Insolvenzanfechtung hindert nicht, den durch die pflichtwidrige Nichtabführung eingetretenen Steuerausfall dem Geschäftsführer zuzurechnen (keine Berücksichtigung von hypothetischen Kausalverläufen vgl. BFH-Urteil vom 19.9.2007 VII R 39/05, BFH/NV 2008, 18 = SIS 08 04 46, m.w.N).

 

d) Der Senat hat erwogen, ob die Lohnsteuerabführungspflicht des Geschäftsführers mit der Stellung des Insolvenzantrags suspendiert sein könnte.

 

In seinem Urteil in BFHE 216, 491 = SIS 07 24 96 hat der Senat entschieden, dass das zivilrechtliche Zahlungsverbot des § 64 Abs. 2 Satz 1 GmbHG eine Haftung wegen Nichtzahlung fälliger Steuern allenfalls innerhalb der dreiwöchigen Schonfrist, die dem Geschäftsführer zur Massesicherung ab Feststellung der Zahlungsunfähigkeit gemäß § 64 Abs. 1 Satz 1 GmbHG eingeräumt ist, ausschließt. Das könnte es jedenfalls in Fällen wie dem vorliegenden, in dem der Geschäftsführer nach den Feststellungen des FG den Insolvenzantrag wegen drohender Zahlungsunfähigkeit „freiwillig“ gestellt hat (Eröffnungsgrund nach § 18 InsO), im Sinne eines „Erst-recht-Schlusses“ nahelegen, auch hier eine dreiwöchige Suspendierung der Lohnsteuerabführungspflicht anzunehmen.

 

Allerdings hat der BGH inzwischen entschieden (Urteil vom 14.5.2007 II ZR 48/06, DStR 2007, 1174, HFR 2007, 1242 = SIS 07 28 78), dass selbst für diesen Zeitraum die zivilrechtliche Haftung des Geschäftsführers wegen Steuerabführung entfalle, weil dem organschaftlichen Vertreter nicht angesonnen werden könne, die Massesicherungspflicht nach § 92 Abs. 3 des Aktiengesetzes (AktG), § 64 Abs. 2 GmbHG zu erfüllen und fällige Leistungen an die Sozialkassen oder die Steuerbehörden nicht zu erbringen, wenn er sich dadurch einer persönlichen deliktischen Haftung aus § 823 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs i.V.m. § 266a des Strafgesetzbuchs (StGB), aus §§ 34, 69 AO oder der Bestrafung nach § 266a StGB aussetze; sein die entsprechenden sozial- und steuerrechtlichen Vorschriften befolgendes Verhalten muss deswegen im Rahmen der bei § 92 Abs. 3 AktG, § 64 Abs. 2 GmbHG anzustellenden Prüfung als mit den Pflichten eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar angesehen werden.

 

2. Die Auffassung des FG, dass die Pflichtverletzung des Klägers auch im Streitfall die grobe Fahrlässigkeit indiziert, weil er keine Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe glaubhaft machen konnte, hält jedoch der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

 

Die subjektive Voraussetzung der Haftung nach § 69 AO, die zumindest grobe Fahrlässigkeit bei der die Haftung begründenden Pflichtverletzung, ist zwar regelmäßig zu bejahen, wenn die auf die ausgezahlten Löhne entfallenden Lohnsteuern nicht abgeführt werden. Die objektive Pflichtwidrigkeit des Verhaltens eines gesetzlichen Vertreters indiziert im Allgemeinen den Schuldvorwurf (ständige Rechtsprechung, Senatsbeschluss vom 25.7.2003 VII B 240/02, BFH/NV 2003, 1540 = SIS 03 49 35, m.w.N.). Das schließt allerdings nicht aus, dass besondere, vom Kläger glaubhaft zu machende Gründe im Einzelfall die Pflichtverletzung entschuldigen oder nur den Vorwurf leichter Fahrlässigkeit rechtfertigen.

 

Die Feststellung der Voraussetzungen der groben Fahrlässigkeit ist Sache des Tatsachengerichts und mit der Revision nur bedingt angreifbar. Der Nachprüfung durch das Revisionsgericht unterliegt nur die Frage, ob das FG den Rechtsbegriff der groben Fahrlässigkeit verkannt oder bei der Beurteilung des Grades der Fahrlässigkeit wesentliche Umstände außer Betracht gelassen hat. Grobe Fahrlässigkeit liegt allgemein vor, wenn der Schuldner bei seinem Handeln ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt oder beiseite schiebt und dasjenige unbeachtet lässt, was sich im gegebenen Fall jedermann aufgedrängt hätte, so dass von einer subjektiv schlechthin unentschuldbaren Pflichtverletzung auszugehen ist (vgl. BGH-Beschluss vom 27.9.2007 IX ZB 243/06, Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht 2007, 1150, m.w.N.). Nach der BFH-Rechtsprechung zu § 69 AO ist dementsprechend grobe Fahrlässigkeit anzunehmen, wenn der Geschäftsführer die ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten und Verhältnissen zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße und in nicht entschuldbarer Weise verletzt hat (vgl. Beschluss vom 18.1.2008 VII B 63/07, BFH/NV 2008, 754 = SIS 08 17 27, m.w.N.).

 

Diese Grundsätze hat das FG bei der Beurteilung des klägerischen Verhaltens als grob fahrlässige Verletzung der Lohnsteuerabführungspflicht nicht hinreichend beachtet. Es hat unter den im Streitfall gegebenen besonderen Umständen zu hohe Anforderungen an die Sorgfalt gestellt, die von einem Geschäftsführer zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten erwartet werden konnte (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2008, 754 = SIS 08 17 27; Urteil vom 23.2.2000 VIII R 80/98, BFH/NV 2000, 978 = SIS 00 57 63).

 

Der Würdigung der Beweisaufnahme durch das FG ist zu entnehmen, dass es als Rechtfertigungs- bzw. Entschuldigungsgrund nur einen Rechtsirrtum des Klägers über seine Verfügungsberechtigung nach Stellung des Insolvenzantrags in Betracht gezogen hat. Es hat nur dazu Beweis erhoben, ob die Insolvenzrichterin und/oder der Insolvenzverwalter dem Kläger auf Nachfrage geraten haben, er solle nunmehr alle Zahlungen unterlassen. Nachdem die Beweisaufnahme diese Auskunft nicht zur Überzeugung des FG ergeben hat, hat es nicht hinreichend in Betracht gezogen, ob angesichts der seinerzeit noch nicht aufgelösten Pflichtenkollision zwischen Massesicherung und Steuerzahlung, der sich ein Geschäftsführer in insolvenzreifer Zeit ausgesetzt sah, die nachgewiesenen Aktivitäten des Klägers in der finanziellen Krise seiner GmbH geeignet und ausreichend waren, um die grobe Fahrlässigkeit der Nichtabführung der Lohnsteuer auszuschließen. Aus Rechtsgründen bestand dazu Veranlassung, da das FG selbst dem Kläger attestiert hat, sich mit der frühen Antragstellung sehr umsichtig verhalten zu haben. Dabei ist zu berücksichtigen, dass im Streitjahr 2001 in der zivilrechtlichen Rechtsprechung (vgl. BGH-Urteil vom 8.1.2001 II ZR 88/99, BGHZ 146, 262) die Auffassung bestand, dass sich der Geschäftsführer, der in insolvenzreifer Zeit Steuern an das FA abführt, der GmbH gegenüber in voller Höhe gemäß § 64 Abs. 2 GmbHG schadenersatzpflichtig macht. Andererseits war gefestigte Rechtsprechung des erkennenden Senats, dass die öffentlich-rechtliche Verpflichtung zur Steuerzahlung nicht dadurch entfällt, dass sie möglicherweise mit einer privatrechtlichen Schadenersatzverpflichtung gemäß § 64 GmbHG konkurriert (Urteil vom 20.4.1993 VII R 67/92, BFH/NV 1994, 142; Beschluss in BFH/NV 1999, 745 = SIS 98 57 11). Dem Kläger, der sich angesichts dieser unterschiedlichen Normbefehle einer vermeintlich unabwendbaren Haftungsdrohung ausgesetzt sah, kann jedenfalls nicht der Vorwurf grober Fahrlässigkeit gemacht werden, wenn er die Pflicht zur Lohnsteuerabführung angesichts dieser Unklarheit über seine Pflichten entsprechend den von dem erkennenden Senat in BFHE 216, 491 = SIS 07 24 96 angestellten Überlegungen nicht unverzüglich erfüllte, sondern - ohne überhaupt die ihm dort eingeräumte Drei-Wochen-Frist in Anspruch zu nehmen - die Maßnahmen des Insolvenzgerichts abwartete.

 

Auch ein diesbezüglich eingeholter seriöser Rechtsrat hätte nur ergeben können, dass bei noch vorhandener Liquidität der GmbH die abgabenrechtliche Haftung des Geschäftsführers jedenfalls bis zur Stellung des Insolvenzantrags von der bisherigen BFH-Rechtsprechung grundsätzlich bejaht worden war, während die Möglichkeit einer Haftungsfreistellung im Falle eines am Tag der Fälligkeit der Steuerschuld gestellten Insolvenzantrags in der Rechtsprechung noch nicht behandelt, folglich auch noch nicht abgelehnt worden war. Dass der Kläger diesen Weg eingeschlagen hat in der Annahme, durch die Stellung des Insolvenzantrags von seinen Zahlungspflichten - auch gegenüber dem Fiskus - frei zu kommen, muss in dieser besonderen Situation bei der Beurteilung des Verschuldens des Klägers zu seinen Gunsten berücksichtigt werden und schließt im Streitfall ausnahmsweise die haftungsbegründende grobe Fahrlässigkeit i.S. der §§ 69, 34 AO aus.