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I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin) hatte in ihrer Funktion als
Geschäftsführerin der X. Ltd. (Ltd.) - über deren
Vermögen im Mai 2006 das Insolvenzverfahren eröffnet
wurde - am 26.7.2005 bzw. am 26.9.2005 Lohnsteuer für das
zweite Kalendervierteljahr 2005 angemeldet, ohne diese zum
Fälligkeitszeitpunkt abzuführen. Da für das dritte
und vierte Kalendervierteljahr 2005 sowie für das erste
Kalendervierteljahr 2006 keine Lohnsteuer angemeldet wurde,
schätzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt
- FA - ) die abzuführende Lohnsteuer.
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Mit inzwischen bestandskräftigem
Bescheid vom 14.6.2006 nahm das FA die Klägerin für die
für das Jahr 2005 angemeldeten bzw. geschätzten
Lohnsteuerbeträge sowie den darauf entfallenden
Solidaritätszuschlag als Haftungsschuldnerin nach § 191
Abs. 1, §§ 69, 34 der Abgabenordnung (AO) in
Anspruch.
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Eine im Juli und August 2006
durchgeführte Lohnsteueraußenprüfung ergab, dass
die für das zweite bis vierte Kalendervierteljahr 2005
angemeldeten bzw. geschätzten Lohnsteuerbeträge zu gering
waren. Aus dem Bericht der Lohnsteueraußenprüfung ergibt
sich, dass die Differenz aus nicht versteuerten Spesenzahlungen
resultiert.
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Mit Bescheid vom 15.6.2007 nahm das FA die
Klägerin für diese Lohnsteuerrückstände sowie
den darauf entfallenden Solidaritätszuschlag des Jahres 2005 -
in Höhe der sich nach der Lohnsteueraußenprüfung
ergebenden zusätzlichen Lohnsteuern, die nicht bereits im
Haftungsbescheid vom 14.6.2006 enthalten waren - sowie erstmals
für Lohnsteuerrückstände des Jahres 2006 als
Haftungsschuldnerin nach § 191 Abs. 1, §§ 69, 34 AO
in Anspruch.
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Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren
erhobene Klage hatte teilweise Erfolg. Das Finanzgericht (FG)
urteilte, dass der Haftungsbescheid vom 15.6.2007 rechtswidrig und
daher aufzuheben sei, soweit darin die Klägerin für
Lohnsteuer des Jahres 2005 in Haftung genommen worden ist, im
Übrigen aber rechtmäßig sei. Die Haftung der
Klägerin für Lohnsteuerschulden des Jahres 2005 sei
bereits Gegenstand des Bescheids vom 14.6.2006 gewesen, so dass er
der erneuten Regelung des gleichen Sachverhalts durch Erlass eines
ergänzenden, neben den ersten Haftungsbescheid tretenden
Haftungsbescheids entgegenstehe.
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Mit seiner Revision macht das FA geltend,
durch den zweiten Haftungsbescheid vom 15.6.2007 werde ein
veränderter oder weiterer Sachverhalt - die durch die
Außenprüfung ermittelten, bisher nicht angemeldeten
Lohnsteuerbeträge - erfasst. Es handele sich hierbei um neue
Tatsachen, da die höheren Beträge bei Erlass des ersten
Haftungsbescheids vom 14.6.2006 nicht bekannt gewesen
seien.
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Das FA beantragt sinngemäß die
Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung, soweit darin der
Haftungsbescheid vom 15.6.2007 aufgehoben worden ist, und die
Abweisung der Klage.
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II. Die Revision ist begründet; sie
führt im Umfang des Revisionsantrags zur Aufhebung der
Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz
1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Der angefochtene
Haftungsbescheid ist rechtmäßig (§ 100 Abs. 1 Satz
1 FGO). Die Klägerin wurde zu Recht vom FA als
Haftungsschulderin (§ 69 Satz 1 i.V.m. § 34 Abs. 1 AO) in
Anspruch genommen.
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1. Entgegen der Auffassung des FG war das FA
nicht durch den ersten Haftungsbescheid gehindert, in dem zweiten
Haftungsbescheid auch die in der Lohnsteueraußenprüfung
für das zweite bis vierte Quartal 2005 ermittelten weiteren
Lohnsteuern zu erfassen.
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a) Der Senat hat in seinem Urteil vom
25.5.2004 VII R 29/02 (BFHE 205, 539, BStBl II 2005, 3 = SIS 04 32 20) entschieden, dass für die Zulässigkeit eines neben
einen bereits bestehenden Haftungsbescheid gegenüber einem
bestimmten Haftungsschuldner tretenden weiteren Haftungsbescheids
entscheidend ist, ob dieser den gleichen Gegenstand regelt wie der
bereits ergangene Haftungsbescheid oder ob die
Haftungsinanspruchnahme für verschiedene Sachverhalte oder zu
verschiedenen Zeiten entstandene Haftungstatbestände erfolgen
soll. Nur im letzten Fall handele es sich um Haftungsfälle,
die nicht voneinander abhingen und zu rechtlich selbständigen
Haftungsansprüchen führten, die Gegenstand verschiedener
Haftungsbescheide sein könnten. Gegenstand eines
Haftungsbescheids, mit dem der Haftungsschuldner aufgrund eines
bestimmten Haftungstatbestands für eine Jahressteuerschuld des
Steuerschuldners in Anspruch genommen werden soll, sei stets der
gesamte zum 31. Dezember des Kalenderjahres entstandene
Steueranspruch und nicht ein Teilanspruch.
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In dem entschiedenen
Fall war der Gesellschafter-Geschäftsführer in einem
ersten Haftungsbescheid nur hinsichtlich eines Teilbetrags der
festgesetzten Umsatzsteuer, der nicht von der Vollziehung
ausgesetzt war, in Haftung genommen worden. Mit dem zweiten
Haftungsbescheid wurde der bei Erlass des ersten Haftungsbescheids
von der Vollziehung ausgesetzte Restbetrag der
Gesamtrückstände eingefordert. Bei dieser
Sachverhaltskonstellation hat der Senat den Erlass eines
ergänzenden Haftungsbescheids für unzulässig
angesehen, weil der erste Bescheid über denselben Sachverhalt
entschieden hat wie auch der zweite und die Inanspruchnahme
auf eine zu niedrige Haftungssumme auf einer
rechtsirrtümlichen Beurteilung des Sachverhalts oder
einer fehlenden Ermessensentscheidung beruhte.
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b) Die Sachverhaltskonstellation im Streitfall
unterscheidet sich hiervon wesentlich: Während im Urteil in BFHE 205, 539, BStBl II 2005, 3 = SIS 04 32 20
den Haftungsbescheiden eine festgesetzte Jahressteuerschuld zu
Grunde lag, betraf im Streitfall der erste Haftungsbescheid
lediglich angemeldete bzw. geschätzte Lohnsteuern,
während der zweite Haftungsbescheid die Lohnsteuer erfasste,
die auf die - erst durch die Lohnsteueraußenprüfung
ermittelten und nicht versteuerten - Spesenzahlungen entfiel. Erst
durch die - nach Erlass des ersten Haftungsbescheids
durchgeführte - Lohnsteueraußenprüfung wurde
festgestellt, dass an die Arbeitnehmer der Ltd. Spesen gezahlt
worden sind, die zu Unrecht nicht der Lohnsteuer unterworfen
wurden. Dieser Sachverhalt war dem FA im Gegensatz zu der
Konstellation in BFHE 205, 539,
BStBl II 2005, 3 = SIS 04 32 20 bei Erlass des ersten
Haftungsbescheids - dem die unrichtige Anmeldung für das
zweite und die Schätzungsbescheide für das dritte und
vierte Kalendervierteljahr 2005 zu Grunde lagen - nicht bekannt und
konnte folglich bei Erlass des Bescheids auch nicht
berücksichtigt werden. Somit lag seitens des FA im Streitfall,
anders als im Urteil in BFHE 205, 539, BStBl II 2005, 3 = SIS 04 32 20, bei der Inanspruchnahme auf eine zu niedrige Haftungssumme
durch den ersten Haftungsbescheid weder eine
rechtsirrtümliche Sachverhaltsbeurteilung noch eine
fehlende Ermessensentscheidung, sondern eine unvollständige
Sachverhaltskenntnis zu Grunde.
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c) Im Urteil in BFHE 205, 539, BStBl II 2005,
3 = SIS 04 32 20 hat der Senat ausdrücklich offengelassen, ob
eine Nachforderung weiterer Haftungsbeträge ohne vorherige
Rücknahme oder Widerruf eines bereits ergangenen
Haftungsbescheids nach Maßgabe der allgemeinen
Grundsätze des Vertrauensschutzes zulässig wäre und
für die Fälle in Betracht kommen könnte, in denen
die Haftungsinanspruchnahme durch Erlass eines weiteren Bescheids
veränderten Sachverhalten angepasst werden soll, so z.B. bei
einer Erhöhung der Steuerschuld, für die der
Haftungsschuldner in Anspruch genommen worden ist, infolge des
Bekanntwerdens neuer Tatsachen oder eines
Rechtsbehelfsverfahrens.
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d) Der Streitfall gibt Anlass, insoweit die
Senatsrechtsprechung fortzuentwickeln:
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aa) Der vom Senat in BFHE 205, 539, BStBl II
2005, 3 = SIS 04 32 20 aufgestellte Rechtssatz, wonach einem
weiteren - ergänzenden - Haftungsbescheid ein erster
Haftungsbescheid entgegensteht, in dem der Haftungsbetrag zu
niedrig festgesetzt worden ist, obwohl die Steuerschuld, für
die gehaftet werden soll, tatsächlich mit einem höheren
Betrag entstanden ist, ist vor dem Hintergrund der konkret
entschiedenen Sachverhaltskonstellation zu verstehen. Ihm kann
jedoch keine allgemein gültige Aussage dahingehend zukommen,
dass in einem solchen Fall stets eine spätere weitere
Haftungsinanspruchnahme ausgeschlossen sein soll. Es kann
nämlich Fallkonstellationen geben, in denen - wie im
Streitfall - die Erhöhung der Steuerschuld auf neuen Tatsachen
beruht, die das FA mangels Kenntnis im ersten Haftungsbescheid
nicht berücksichtigen konnte. In solchen Fällen hält
der Senat einen ergänzenden Haftungsbescheid für
zulässig.
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bb) Auch nach Maßgabe der allgemeinen
Grundsätze des Vertrauensschutzes (vgl. Senatsurteil in BFHE
205, 539, BStBl II 2005, 3 = SIS 04 32 20) ist in der Konstellation
des Streitfalls der Erlass des zweiten Haftungsbescheids nicht zu
beanstanden, auch wenn dem ersten Haftungsbescheid kein
ausdrücklicher Vorbehalt zu entnehmen war, zunächst nur
einen Teilbetrag der Steuerschuld geltend machen zu wollen (vgl.
dazu Rüsken, Entscheidungen des Bundesfinanzhofs für die
Praxis der Steuerberatung 2004, 413 f.). Da die Lohnsteueranmeldung
unter dem Vorbehalt der Nachprüfung steht (§§ 168,
164 AO) und eine Schätzung naturgemäß ungewiss ist,
musste die als Haftungsschuldnerin in Anspruch genommene
Klägerin bei einer Erhöhung der Lohnsteuerschuld infolge
einer Außenprüfung mit einem ergänzenden
Nachforderungsbescheid rechnen.
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Auf Vertrauensschutz kann sich die
Klägerin darüber hinaus schon deshalb nicht berufen, weil
sie durch die unzutreffende Lohnsteueranmeldung für das zweite
Kalendervierteljahr 2005 und durch die fehlenden
Lohnsteueranmeldungen für das dritte und vierte
Kalendervierteljahr 2005 die zu geringe erste
Haftungsinanspruchnahme selbst verursacht hat. Daran ändert
auch nichts, dass das FA das Ergebnis der
Lohnsteueraußenprüfung nicht abgewartet und erst danach
einen einzigen - das Ergebnis der Lohnsteueraußenprüfung
berücksichtigenden „umfassenden“ -
Haftungsbescheid erlassen hat. Allein aus der zeitlichen Nähe
zwischen dem ersten Haftungsbescheid (14.6.2006) und der
Lohnsteueraußenprüfung (Juli und August 2006) kann eine
erhöhte Schutzwürdigkeit der Klägerin und damit die
Unzulässigkeit des zweiten ergänzenden Haftungsbescheids
nicht hergeleitet werden.
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2. Auch im Übrigen ist der zweite
Haftungsbescheid rechtmäßig.
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a) Die Klägerin hat durch die
Nichtabführung der einzubehaltenden und anzumeldenden
Lohnsteuer die ihr als Geschäftsführerin der Ltd.
obliegenden steuerlichen Pflichten zumindest grob fahrlässig
verletzt (vgl. Senatsurteil vom 23.9.2008 VII R 27/07, BFHE 222,
228, BStBl II 2009, 129 = SIS 08 44 58, sowie Klein/Rüsken,
AO, 10. Aufl., § 69 Rz 46, 71, m.w.N.). Denn als
Geschäftsführerin und gesetzlicher Vertreterin der Ltd.
i.S. des § 34 Abs. 1 AO oblag ihr die Pflicht zur Einbehaltung
und fristgerechten Abführung der angemeldeten
Lohnsteuerabzugsbeträge (§ 38 Abs. 3 Satz 1 und §
41a des Einkommensteuergesetzes - EStG - ).
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b) Zwischen der schuldhaften Pflichtverletzung
der Klägerin und dem Eintritt des durch die Nichtentrichtung
der Lohnsteuer entstandenen Vermögensschadens besteht auch ein
adäquater Kausalzusammenhang.
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c) Die Pflicht der Klägerin zur
Entrichtung der Lohnsteuer entfällt auch nicht aufgrund
etwaiger Liquiditätsprobleme der Ltd. Zwar hat das FG
offengelassen, ab welchem Zeitpunkt sich die Ltd. in einem
Liquiditätsengpass befand. Der erkennende Senat kann die Frage
gleichwohl dahingestellt lassen, ob und zu welchen Zeitpunkten in
den Jahren 2005 und 2006 die Ltd. über ausreichende
finanzielle Mittel verfügte, aufgrund derer die Klägerin
in der Lage war, die einzubehaltende und anzumeldende Lohnsteuer zu
entrichten. Jedenfalls hätte ein - vom FG nicht festgestellter
- Liquiditätsengpass der Ltd. ihre Pflicht, die Lohnsteuer
abzuführen, nicht entfallen lassen; ggf. hätten die
Löhne entsprechend gekürzt ausgezahlt werden müssen
(Senatsurteil vom 27.2.2007 VII R 67/05, BFHE 216, 491, BStBl II
2009, 348 = SIS 07 24 96).
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d) Unerheblich ist auch, dass offensichtlich
die Lohnsteueranmeldungen nicht gemäß § 164 Abs. 2
AO aufgrund der Ergebnisse der Lohnsteueraußenprüfung
geändert worden sind. Denn der Haftungsanspruch entsteht
unabhängig von der Fälligkeit oder der Festsetzung der
Steuer, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, der zum Entstehen
der Steuerschuld führt (§ 38 AO); daher kommt es auf die
Festsetzung der Steuerschuld nicht an (vgl. Senatsurteil in BFHE
205, 539, BStBl II 2005, 3 = SIS 04 32 20, m.w.N.). Lohnsteuer
entsteht nach § 38 Abs. 2 Satz 2 EStG in dem Zeitpunkt, in dem
der Arbeitslohn dem Arbeitnehmer zufließt. Der Anspruch auf
Abführung der Lohnsteuer, der Grundlage der Steuerfestsetzung
ist, entsteht somit nicht erst mit der Abgabe der
Lohnsteueranmeldung (Urteil des Bundesfinanzhofs vom 7.7.2004 VI R
171/00, BFHE 206, 562, BStBl II 2004, 1087 = SIS 04 37 80).
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