Alkoholfahrt mit Geschäftswagen, 1 %-Regelung: 1. Verzichtet der Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer auf Schadensersatz nach einem während einer beruflichen Fahrt alkoholbedingt entstandenen Schaden am auch zur privaten Nutzung überlassenen Firmen-PKW, so ist der dem Arbeitnehmer aus dem Verzicht entstehende Vermögensvorteil nicht durch die 1 v.H.-Regelung abgegolten. - 2. Der als Arbeitslohn zu erfassende Verzicht auf Schadensersatz führt nur dann zu einer Steuererhöhung, wenn die Begleichung der Schadensersatzforderung nicht zum Werbungskostenabzug berechtigt. Ein Werbungskostenabzug kommt nicht in Betracht, wenn das auslösende Moment für den Verkehrsunfall die alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit war. - Urt.; BFH 24.5.2007, VI R 73/05; SIS 07 21 05
I. Zwischen den Beteiligten ist streitig,
ob der Verzicht des Arbeitgebers auf die Geltendmachung eines
Schadensersatzanspruchs gegen den Arbeitnehmer wegen eines bei
einer Fahrt unter Alkoholeinfluss am betrieblichen PKW entstandenen
Unfallschadens zu Arbeitslohn führt oder ob die 1
v.H.-Regelung in § 8 Abs. 2 Sätze 2 ff. i.V.m. § 6
Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auch
insoweit Abgeltungswirkung entfaltet.
Der Kläger und Revisionsbeklagte
(Kläger) bezog im Streitjahr (1997) Einkünfte aus
nichtselbständiger Arbeit aus der Tätigkeit als
Gesellschafter-Geschäftsführer der X-GmbH (GmbH).
Mit Bescheid vom 6.8.1998 veranlagte der
Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) den
Kläger zunächst erklärungsgemäß.
Im Rahmen einer bei der GmbH
durchgeführten Lohnsteuer-Außenprüfung wurde
festgestellt, dass der Kläger am 10.4.1997 bei einer
betrieblich veranlassten Fahrt mit dem auch für Privatfahrten
überlassenen firmeneigenen PKW (Typ BMW 730i) unter
Alkoholeinfluss einen Verkehrsunfall verursacht hatte, der zum
Totalschaden führte. Eine Schadensersatzforderung gegen den
Kläger in Höhe der Differenz zwischen dem Zeitwert des
Kraftfahrzeugs zum Unfallzeitpunkt und dem noch im April 1997
erzielten Verkaufserlös hatte die GmbH nicht geltend
gemacht.
Das FA änderte daraufhin den
Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr nach § 173
Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) und erhöhte dabei die
Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit um die Differenz
zwischen Zeitwert des PKW und Verkaufserlös.
Der Einspruch des Klägers hatte keinen
Erfolg. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit den in EFG 2006,
253 = SIS 06 06 26 veröffentlichten Gründen
statt.
Mit der Revision rügt das FA die
Verletzung materiellen Rechts. Die Auffassung des FG
berücksichtige nicht die von der Rechtsprechung aufgestellten
Rechtssätze betreffend die Erlangung eines geldwerten
Vorteils. Der Bundesfinanzhof (BFH) habe in seinem Urteil vom
27.3.1992 VI R 145/89 (BFHE 168, 99, BStBl II 1992, 837 = SIS 92 16 33) entschieden, dass ein Forderungsverzicht des Arbeitgebers gegen
den Arbeitnehmer als geldwerter Vorteil und damit als Teil des
Arbeitslohns anzusehen sei, weil der Verzicht des Arbeitgebers auf
die Schadensersatzforderung eine Verbesserung der
Vermögenslage des Arbeitnehmers zur Folge habe. In einem
solchen Fall gelte die Annahme, dass aus dem
Beschäftigungsverhältnis herrührende Gründe den
Erlass veranlasst hätten, sofern keine abweichenden
persönlichen Gründe vorgetragen würden, was beim
vorliegenden Sachverhalt nicht der Fall sei.
Diese Erwägungen gälten auch nach
Einführung der 1 v.H.-Regelung. Denn diene die
Pauschalierungsregelung der vereinfachten steuerlichen Erfassung
typischer Aufwendungen, so folge daraus im Umkehrschluss, dass
außergewöhnliche Aufwendungen von der Pauschalierung
nicht erfasst sein sollten. Die Kosten einer weitgehenden
Beschädigung eines Kraftfahrzeugs durch grob fahrlässige
Verursachung eines Unfalls aufgrund Fahrens unter Alkoholeinfluss
könne nicht unter den Begriff der typischen Aufwendungen
subsumiert werden.
Entgegen der Auffassung des FG fehle es
nicht an einem für eine Sachentnahme erforderlichen
Entnahmewillen des Klägers. Entnommen worden sei der durch den
Schaden geminderte Verkaufswert des Kraftfahrzeugs. Dieser Wert
werde auch in der Konstellation des vorliegenden Falls aus dem
Betriebsvermögen überführt, indem der Arbeitgeber
auf die Geltendmachung des Ersatzanspruchs verzichte. Der geldwerte
Vorteil sei im Übrigen schon allein deshalb vom Bereich der
Privatnutzung zu trennen, weil der Schaden anlässlich einer
beruflichen Fahrt eingetreten sei.
Das FA beantragt sinngemäß, die
Klage unter Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils
abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur
Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1
Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
Entgegen der Ansicht der Vorinstanz ist dem
Kläger durch den Verzicht der GmbH auf die Geltendmachung der
Schadenersatzforderung zusätzlicher Arbeitslohn i.S. des
§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG)
zugeflossen. Zur Klärung der Frage, ob und in welcher
Höhe ein Werbungskostenabzug in Betracht kommt, wird die
Vorentscheidung aufgehoben und der Rechtsstreit an das FG
zurückverwiesen.
1. Der Verzicht des Arbeitgebers auf die
Geltendmachung einer aus einem Verkehrsunfall herrührenden
Schadensersatzforderung gegen den Arbeitnehmer stellt eine
Vermögensmehrung dar, die als Arbeitslohn zu erfassen ist (s.
Urteil des erkennenden Senats in BFHE 168, 99, BStBl II 1992, 837 =
SIS 92 16 33).
Das FG ist bei seiner Entscheidung
unzutreffend davon ausgegangen, dass auf den Streitfall die 1
v.H.-Regelung nach § 8 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 6 Abs. 1
Nr. 4 Satz 2 EStG Anwendung findet. Dabei kann dahinstehen, ob
diese ausschließlich der Bewertung dienende Regelung schon
deshalb nicht zur Anwendung kommt, weil sie nur die private Nutzung
eines betrieblichen Kraftfahrzeugs „zu privaten
Fahrten“ zum Gegenstand hat. Denn jedenfalls werden durch
die 1 v.H.-Regelung Unfallkosten nicht abgegolten. Nach der
Rechtsprechung des Senats sind „Aufwendungen“
i.S. des § 8 Abs. 2 Satz 4 EStG nur solche Kosten, die
unmittelbar dem Halten und dem Betrieb des Fahrzeugs zu dienen
bestimmt sind und im Zusammenhang mit seiner Nutzung typischerweise
anfallen (Senatsentscheidung vom 14.9.2005 VI R 37/03, BFHE 211,
215, BStBl II 2006, 72 = SIS 05 47 53). Dazu zählen
Unfallkosten nicht (Schmidt/Drenseck, EStG, 26. Aufl., § 8 Rz
41).
2. Der als Arbeitslohn zu erfassende Erlass
einer Schadensersatzforderung kann im Rahmen der
Einkommensteuerveranlagung des Arbeitnehmers nur dann zu einer
Steuererhöhung führen, wenn und soweit die Begleichung
der Schadensersatzforderung nicht zum Werbungskostenabzug
berechtigt hätte. Denn sonst wären von dem Arbeitslohn in
Höhe der Schadensersatzforderung Aufwendungen für die
Schadensersatzforderung als Werbungskosten abzuziehen, und es
könnte mithin eine Saldierung vorgenommen werden.
Auch ein grob fahrlässiger oder
vorsätzlicher Verstoß gegen Verkehrsvorschriften ist
für die Abziehbarkeit der dadurch entstandenen Aufwendungen
als Werbungskosten unschädlich. Etwas anderes gilt allerdings
dann, wenn das auslösende Moment für einen Verkehrsunfall
die alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit ist (BFH-Urteile in BFHE
168, 99, BStBl II 1992, 837 = SIS 92 16 33; vom 6.4.1984 VI R
103/79, BFHE 141, 35, BStBl II 1984, 434 = SIS 84 11 33; vom
28.11.1977 GrS 2-3/77, BFHE 124, 33, BStBl II 1978, 105 = SIS 78 00 63; Schmidt/Drenseck, a.a.O., § 9 Rz 23). Das FG hat zu dieser
Frage - auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung zu Recht - keine
Feststellungen getroffen. Diese wird es im zweiten Rechtsgang
nachholen müssen. Ebenso ist zu klären, wie hoch die
Schadensersatzforderung der GmbH gegenüber dem Kläger
war.