Die Revision der Kläger gegen das Urteil
des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 29.06.2022 - 3 K
59/22 = SIS 23 15 67 wird als unbegründet
zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens haben die
Kläger zu tragen.
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I. Die Kläger und Revisionskläger
(Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr 2018 zur
Einkommensteuer zusammen veranlagt werden. Der Kläger erzielte
Einkünfte aus Gewerbebetrieb aus zwei eigenständigen
Betrieben.
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In den Jahren 2016 und 2017 wurden gegen
den Kläger drei Anklagen wegen Steuerhinterziehung unter
anderem bei seinen gewerblichen Einkünften sowie wegen des
Vorenthaltens von Arbeitsentgelt (§ 266a des Strafgesetzbuchs
- StGB - ) erhoben. Das Landgericht (LG) verband die drei
Verfahren.
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Am 30.07.2018 richtete der Vorsitzende der
zuständigen Strafkammer (R) einen rechtlichen Hinweis an die
Beteiligten des Strafverfahrens. Darin heißt es im Hinblick
auf den Kläger: „Vor diesem Hintergrund regt die Kammer
an, das Verfahren gegen den Angeklagten … insgesamt nach
§ 153a StPO für die Dauer von sechs Monaten
vorläufig einzustellen. Ihm soll die Auflage erteilt werden,
binnen dieser Frist einen Geldbetrag von 25.000 EUR an die
Staatskasse zu zahlen. Die Zahlung soll im Hinblick auf die Anklage
vom 21.1.2016 vermögensabschöpfenden Charakter
haben.“
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Nach Zustimmung der Staatsanwaltschaft und
des Klägers stellte die Strafkammer mit Beschluss vom
03.08.2018 in der Besetzung mit drei Richtern - wobei R durch einen
anderen Richter vertreten wurde - das Strafverfahren
gemäß § 153a Abs. 2 der Strafprozessordnung (StPO)
gegen eine zugunsten der Staatskasse zu leistende Geldauflage
(§ 153a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StPO) von 25.000 EUR
vorläufig ein. Im Einstellungsbeschluss heißt es unter
anderem: „Die Zahlung dient dabei im Hinblick auf den mit der
Anklage vom 21.1.2016 unter dem Aktenzeichen … erhobenen
Vorwurf der Steuerhinterziehung zugleich der Abschöpfung
etwaig erlangter rechtswidriger
Vermögensvorteile.“ Eine Aufgliederung
des genannten Betrags in eine Geldauflage einerseits und eine
Vermögensabschöpfung andererseits findet sich im
Einstellungsbeschluss ebenso wenig wie die Angabe von
Rechtsgrundlagen zur Vermögensabschöpfung. Der
Kläger zahlte den genannten Betrag noch im Streitjahr
2018.
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In ihrer Einkommensteuererklärung
für 2018 erklärten die Kläger die auf die
Geldauflage geleistete Zahlung von 25.000 EUR als
nachträgliche Betriebsausgabe des Klägers zu den
gewerblichen Einkünften. Im angefochtenen
Einkommensteuerbescheid 2018 versagte der Beklagte und
Revisionsbeklagte (Finanzamt - FA - ) den Abzug; auch der Einspruch
wurde zurückgewiesen.
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Mit der Klage begehrten die Kläger
zuletzt den Ansatz von Betriebsausgaben in Höhe von 23.081
EUR, da die Auflage in diesem Umfang
vermögensabschöpfenden Charakter habe. Lediglich ein
Teilbetrag von 1.919 EUR sei wegen Steuerhinterziehung nicht
abziehbar. Die Klage hatte insoweit Erfolg, als das Finanzgericht
(FG) im Schätzungswege einen Teilbetrag von 3.000 EUR zum
Betriebsausgabenabzug zuließ. Im Übrigen wies es die
Klage ab (EFG 2023, 1629 = SIS 23 15 67).
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Mit ihrer Revision rügen die
Kläger die Verletzung materiellen Rechts.
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Die Kläger beantragen
sinngemäß,
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das angefochtene Urteil, soweit darin die
Klage abgewiesen wurde, und die Teil-Einspruchsentscheidung vom
15.03.2022 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 2018 vom
19.08.2021 dahingehend zu ändern, dass ein Betrag von weiteren
20.081 EUR als nachträgliche Betriebsausgaben bei den
Einkünften aus Gewerbebetrieb abgezogen wird.
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Das FA beantragt,
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die Revision zurückzuweisen.
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Es ist der Auffassung, der Bundesfinanzhof
(BFH) sei als Revisionsgericht an die vom FG vorgenommene
Schätzung gebunden.
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II. Die Revision ist unbegründet und nach
§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO)
zurückzuweisen.
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Zwar hat das FG zutreffend erkannt, dass
Geldauflagen nach § 153a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, Abs. 2 StPO
gemäß § 12 Nr. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG)
einkommensteuerrechtlich nicht abziehbar sind, für
Vermögensabschöpfungen aber - insoweit ist das FG-Urteil
nur im Ergebnis zutreffend - kein Abzugsverbot besteht (unten 1.).
In rechtsfehlerhafter Weise hat die Vorinstanz jedoch den Beschluss
des LG über die vorläufige Einstellung des
Strafverfahrens dahingehend ausgelegt, dass damit auch eine
Vermögensabschöpfung festgesetzt worden sei (unten 2.).
Danach ist ein Abzug der vom Kläger an die Staatskasse
gezahlten Geldauflage vollständig ausgeschlossen; weil jedoch
nur die Kläger Revision eingelegt haben und eine
Verböserung der erstinstanzlichen Entscheidung zu Lasten des
revidierenden Beteiligten ausgeschlossen ist, sofern nicht auch der
andere Beteiligte Revision einlegt, verbleibt es bei dem vom FG
zuerkannten Betriebsausgabenabzug von 3.000 EUR (unten 3.).
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1. Zahlungen im Strafverfahren sind
ertragsteuerrechtlich nicht abziehbar, wenn sie Sanktionscharakter
haben.
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a) Nach § 12 Nr. 4 EStG in der im
Streitjahr 2018 geltenden und insoweit unverändert gebliebenen
Fassung dürfen in einem Strafverfahren festgesetzte
Geldstrafen, sonstige Rechtsfolgen vermögensrechtlicher Art,
bei denen der Strafcharakter überwiegt, und Leistungen zur
Erfüllung von Auflagen oder Weisungen, soweit die Auflagen
oder Weisungen nicht lediglich der Wiedergutmachung des durch die
Tat verursachten Schadens dienen, weder bei den einzelnen
Einkunftsarten noch vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen
werden. Das Abzugsverbot erstreckt sich nach dem Wortlaut der
Regelung sowie der durch den Begriff
„soweit“ eingeleiteten Rückausnahme
nicht auf allein vermögensabschöpfende
Maßnahmen.
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Der Senat merkt klarstellend an, dass sich das
FG zu Unrecht auf § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 Satz 4 EStG
gestützt hat. Diese Regelung gilt - wie schon aus ihrem
Wortlaut klar hervorgeht - nur für einen in Geldbußen
enthaltenen Abschöpfungsteil. Der Beschluss des LG ist jedoch
in einem Strafverfahren ergangen, so dass allein § 12 Nr. 4
EStG anzuwenden ist (ebenso Lutter, EFG 2023, 1632, 1633).
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b) Geldauflagen nach § 153a Abs. 1 Satz 2
Nr. 2 StPO, gegebenenfalls i.V.m. § 153a Abs. 2 StPO, sind
danach nicht abziehbar. Sie haben Sanktionscharakter.
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aa) Nach § 153a Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr.
2 StPO kann die Staatsanwaltschaft unter dort näher bestimmten
Voraussetzungen vorläufig von der Erhebung der
öffentlichen Klage absehen und zugleich dem Beschuldigten
unter anderem die Auflage erteilen, einen Geldbetrag zugunsten
einer gemeinnützigen Einrichtung oder der Staatskasse zu
zahlen. Nach § 153a Abs. 2 StPO kann, wenn die Klage bereits
erhoben ist, das Gericht mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und
des Angeschuldigten durch nicht anfechtbaren Beschluss das
Verfahren vorläufig einstellen und zugleich dem
Angeschuldigten unter anderem die in § 153a Abs. 1 Satz 1, 2
StPO bezeichneten Auflagen erteilen.
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bb) Bei einer Zahlung infolge einer
Geldauflage nach § 153a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StPO
(gegebenenfalls i.V.m. § 153a Abs. 2 StPO) handelt es sich
nach Auffassung des Gesetzgebers (Entwurf der Bundesregierung
für ein Gesetz zur Änderung des Einkommensteuergesetzes
und des Körperschaftsteuergesetzes vom 13.04.1984, BT-Drucks.
10/1314, S. 6) und der ständigen höchstrichterlichen
Rechtsprechung um eine vom Wortlaut des § 12 Nr. 4 EStG
erfasste Leistung zur Erfüllung einer Auflage, die nicht
lediglich der Wiedergutmachung dient (BFH-Urteile vom 14.04.1986 -
IV R 260/84, BFHE 146, 411, BStBl II 1986, 518 = SIS 86 13 12,
unter 1.; vom 22.07.1986 - VIII R 93/85, BFHE 147, 346, BStBl II
1986, 845 = SIS 86 21 11, unter 1.d; vom 22.07.2008 - VI R 47/06,
BFHE 222, 448, BStBl II 2009, 151 = SIS 08 41 76, unter II.2.b und
vom 16.09.2014 - VIII R 21/11, BFH/NV 2015, 191 = SIS 14 34 47, Rz
20).
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c) Demgegenüber sind Auflagen zur
Wiedergutmachung des durch die Tat verursachten Schadens nicht von
§ 12 Nr. 4 EStG erfasst. Das betrifft etwa
Bewährungsauflagen nach § 56b Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StGB,
aber auch Auflagen nach § 153a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StPO,
gegebenenfalls i.V.m. § 153a Abs. 2 StPO (BFH-Urteil vom
15.01.2009 - VI R 37/06, BFHE 224, 140, BStBl II 2010, 111 = SIS 09 12 00, unter II.2.b; ebenso FG Münster, Urteil vom 18.12.2023
- 4 K 1382/20, EFG 2024, 774 = SIS 24 03 40,
Nichtzulassungsbeschwerde durch Beschluss vom 11.09.2024 - IV B
5/24 als unbegründet zurückgewiesen, nicht
dokumentiert).
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d) Wegen ihres
vermögensabschöpfenden Charakters sind Zahlungen aufgrund
von Verfallsanordnungen nach §§ 73 bis 73e StGB in der
bis zum 30.06.2017 geltenden Fassung (a.F.) und
Einziehungsanordnungen nach §§ 73 bis 73e StGB in den
seit dem 01.07.2017 geltenden Fassungen ebenfalls von § 12
Abs. 4 EStG nicht erfasst.
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aa) §§ 73 bis 73e StGB a.F. regelten
den Verfall und den erweiterten Verfall. War eine rechtswidrige Tat
begangen worden und hatte der Täter oder Teilnehmer für
die Tat oder aus ihr etwas erlangt, so ordnete das Gericht nach
§ 73 Abs. 1 Satz 1 StGB a.F. dessen Verfall an.
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An die Stelle des Verfalls sind mit
§§ 73 bis 73e StGB in den seit dem 01.07.2017 geltenden
Fassungen die Einziehung und die erweiterte Einziehung von
Taterträgen getreten. Hat der Täter oder Teilnehmer durch
eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, so ordnet
das Gericht nach § 73 Abs. 1 StGB dessen Einziehung an.
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bb) Für den Verfall und den erweiterten
Verfall nach §§ 73 bis 73e StGB a.F. gingen sowohl der
Gesetzgeber - für den Regelfall - (Entwurf der Bundesregierung
für ein Gesetz zur Änderung des Einkommensteuergesetzes
und des Körperschaftsteuergesetzes vom 13.04.1984, BT-Drucks.
10/1314, S. 6) als auch die ständige höchstrichterliche
Rechtsprechung - stets - davon aus, dass diese Rechtsfolgen der Tat
keinen Strafcharakter hatten (ausführlich Beschluss des
Bundesverfassungsgerichts vom 14.01.2004 - 2 BvR 564/95, BVerfGE
110, 1, unter C.I.1.b sowie Urteile des Bundesgerichtshofs - BGH -
vom 21.08.2002 - 1 StR 115/02, BGHSt 47, 369, unter II.2.a und vom
16.05.2006 - 1 StR 46/06, BGHSt 51, 65, unter II.2.a).
Dementsprechend war das in § 12 Nr. 4 EStG angeordnete
Abzugsverbot auf den Verfall nicht anwendbar (Senatsurteil vom
14.05.2014 - X R 23/12, BFHE 245, 536, BStBl II 2014, 684 = SIS 14 21 63, Rz 65).
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cc) Dies gilt auch für die Einziehung
nach §§ 73 bis 73e StGB in den seit dem 01.07.2017
anzuwendenden Fassungen (ebenso jedenfalls im Ergebnis Fissenewert
in Herrmann/Heuer/Raupach, § 12 EStG Rz 153). Zwar sind diese
Normen zum 01.07.2017 systematisch neu geordnet worden. Der
Wortlaut der grundlegenden Regelung über die Einziehung
(§ 73 Abs. 1 StGB) unterscheidet sich aber nicht erheblich vom
Wortlaut der grundlegenden Regelung über den Verfall (§
73 Abs. 1 Satz 1 StGB a.F.). Vor allem aber ist der Normzweck
unverändert geblieben (vgl. Entwurf der Bundesregierung
für ein Gesetz zur Reform der strafrechtlichen
Vermögensabschöpfung vom 12.08.2016, BR-Drucks. 418/16,
S. 66).
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2. Rechtsfehlerhaft hat das FG den
Einstellungsbeschluss vom 03.08.2018 dahin ausgelegt, dass damit
auch eine Vermögensabschöpfung festgesetzt worden
sei.
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a) Ob eine Zahlung Sanktionscharakter hat oder
anderen Zwecken dient, hängt von dem Inhalt der
zugrundeliegenden behördlichen oder gerichtlichen Entscheidung
ab.
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aa) Für die Auslegung dieser
Entscheidungen kommt es nicht auf subjektive Vorstellungen der mit
dem Strafverfahren befassten Personen, sondern auf ihren Inhalt und
die objektiven Gegebenheiten an (vgl. BFH-Entscheidungen vom
28.01.2005 - VIII B 117/03, BFH/NV 2005, 1110 = SIS 05 26 23, unter
4. und vom 22.07.2008 - VI R 47/06, BFHE 222, 448, BStBl II 2009,
151 = SIS 08 41 76, unter II.2.b).
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bb) Im Streitfall kann der Senat offenlassen,
ob das Revisionsgericht Beschlüsse anderer Gerichte - ebenso
wie Verwaltungsakte (dazu BFH-Urteile vom 25.07.2019 - IV R 47/16,
BFHE 265, 273, BStBl II 2020, 142 = SIS 19 13 99, Rz 36 und vom
26.08.2021 - V R 11/20, BFHE 273, 415, BStBl II 2022, 202 = SIS 22 00 93, Rz 36) - ohne Bindung an die Auslegung des FG in eigener
Zuständigkeit auslegen kann oder ob die Auslegung derartiger
Beschlüsse von der grundsätzlichen Bindungswirkung des
§ 118 Abs. 2 FGO erfasst wird. Denn auch eine solche
Bindungswirkung entfällt, wenn das Tatsachengericht die
für die Auslegung erforderlichen Begleitumstände nicht
erforscht hat (vgl. BFH-Urteile vom 09.10.2013 - I R 15/12, BFH/NV
2014, 907 = SIS 14 13 67, Rz 14 und vom 14.02.2019 - V R 22/17,
BFHE 264, 83, BStBl II 2019, 350 = SIS 19 03 78, Rz 27). Dies ist
hier der Fall, so dass der BFH die notwendige Auslegung selbst
vornehmen kann, wenn weitere tatsächliche Feststellungen nicht
in Betracht kommen (vgl. Senatsurteil vom 14.01.2004 - X R 37/02,
BFHE 205, 96, BStBl II 2004, 493 = SIS 04 10 81, unter II.4.,
m.w.N.).
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b) Vorliegend hat das FG die Erforschung des
Inhalts des Einstellungsbeschlusses des LG und der objektiven
Gegebenheiten in rechtsfehlerhafter Weise unterlassen. Der Senat
kann den Beschluss selbst auslegen, da alle hierfür
erforderlichen Tatsachen festgestellt sind. Es handelt sich um eine
Einstellung unter Auflage nach § 153a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2,
Abs. 2 StPO (dazu aa), nicht aber um eine Einstellung nach §
153a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, Abs. 2 StPO (dazu bb) oder um eine
Einziehung nach § 73 StGB (dazu cc), und schließlich
kann die Einstellung auch nicht in einen abziehbaren bezifferbaren
Teil nach § 153a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, Abs. 2 StPO und einen
nicht abziehbaren bezifferbaren Teil nach § 153a Abs. 1 Satz 2
Nr. 2, Abs. 2 StPO aufgespalten werden (dazu dd).
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aa) Das FG hat im Ausgangspunkt zu Recht den
Beschluss des LG vom 03.08.2018 über die vorläufige
Einstellung des unter anderem gegen den Kläger geführten
Strafverfahrens dahingehend ausgelegt, dass damit eine Geldauflage
nach § 153a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, Abs. 2 StPO erteilt worden
ist. Die einzige darin erwähnte gesetzliche Grundlage ist
„§ 153a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2
StPO“.
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bb) Daraus ergibt sich im Umkehrschluss, dass
der Beschluss nicht in dem Sinne verstanden werden kann, die
Einstellung beruhe auf § 153a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, Abs. 2
StPO, zumal er auch inhaltlich keine Elemente enthält, die auf
eine Einstellung nach dieser Vorschrift hindeuten.
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cc) Die Vorstellung des Klägers und des
FG, der Beschluss sei zumindest zu einem gewissen Teil eine
Einziehungsentscheidung nach § 73 StGB, ist aus denselben
Gründen und auch deshalb nicht zutreffend, weil eine solche
Entscheidung in der gegebenen Prozesssituation aus
Rechtsgründen nicht ergehen konnte.
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(1) § 73 StGB als Rechtsgrundlage
für eine Einziehungsentscheidung wird im Beschluss des LG
schon nicht erwähnt. Auch der Rechtsbegriff
„Einziehung“ wird nicht verwendet.
Ferner wird nicht unter das zentrale Tatbestandsmerkmal des §
73 StGB („etwas erlangt“) subsumiert;
vielmehr ist nur von „etwaig erlangten“
Vermögensvorteilen die Rede. Dies alles ist viel zu unklar
gehalten, um annehmen zu können, damit habe das LG eine
Einziehung nach § 73 StGB angeordnet.
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34
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(2) Vor allem aber hat das FG den objektiven
Umstand übersehen, dass nach dem Wortlaut des § 73 Abs. 1
StGB (a.F. und aktueller Fassung), der eine „rechtswidrige
Tat“ voraussetzt(e), eine auf diese Vorschrift
gestützte Einziehungsentscheidung eine von der Anklage
umfasste und vom Tatrichter festgestellte Tat erfordert
(ständige höchstrichterliche Rechtsprechung; vgl. zu
§ 73 StGB in der bis zum 30.06.2017 geltenden Fassung
BGH-Entscheidungen vom 28.03.1979 - 2 StR 700/78, BGHSt 28, 369;
vom 07.01.2003 - 3 StR 421/02, Neue Zeitschrift für Strafrecht
- NStZ - 2003, 422, unter 2.d aa; vom 04.06.2003 - 5 StR 30/03,
NStZ 2004, 400, unter 2.b, und vom 06.06.2018 - 4 StR 569/17, NJW
2018, 3325, Rz 18; ebenso zum - insoweit gleichlautenden - §
73 StGB in der seit dem 01.07.2017 geltenden Fassung BGH-Beschluss
vom 08.11.2018 - 4 StR 297/18, NStZ 2019, 271, Rz 8).
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35
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Insbesondere bei einer Einstellung des
Strafverfahrens ist die Verhängung von Rechtsfolgen nach
§ 73 StGB daher nicht zulässig (für Einstellungen
nach § 154 Abs. 2 StPO BGH-Beschlüsse vom 07.01.2003 - 3
StR 421/02, NStZ 2003, 422, unter 2.d bb; vom 01.08.2018 - 1 StR
326/18, Zeitschrift für Wirtschafts- und Steuerstrafrecht -
wistra - 2019, 97 = SIS 19 05 82, Rz 7 und vom 08.11.2018 - 4 StR
297/18, NStZ 2019, 271, Rz 8, 11). Denn in Einstellungsfällen
unterbleibt die gerichtliche Feststellung einer rechtswidrigen Tat
gerade. Hierfür kommt es - entgegen der Auffassung der
Kläger - nicht darauf an, ob es sich um die vorläufige
oder die endgültige Einstellung des Strafverfahrens
handelt.
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36
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Dementsprechend ist im Einstellungsbeschluss
des LG vom 03.08.2018 auch nicht von der Verwirklichung einer
rechtswidrigen Tat der Steuerhinterziehung die Rede, sondern
lediglich von einem „erhobenen Vorwurf der
Steuerhinterziehung“.
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(3) Zwar sieht die - vom FG nicht
erwähnte - Vorschrift des § 76a Abs. 3 StGB die
Möglichkeit vor, eine Einziehung auch dann anzuordnen, wenn
das Verfahren nach einer Vorschrift eingestellt wird, die dies -
wie es bei § 153a StPO der Fall ist - nach dem Ermessen der
Staatsanwaltschaft oder des Gerichts oder im Einvernehmen beider
zulässt. Dabei handelt es sich aber um ein selbständiges
Verfahren, welches voraussetzt, dass die Staatsanwaltschaft ihren
auf eine selbständige Einziehung gerichteten Willen durch
einen entsprechenden Antrag nach § 435 Abs. 1 Satz 1 StPO
kundtut (zum Ganzen BGH-Entscheidungen vom 21.06.1990 - 1 StR
477/89, BGHSt 37, 55, unter V., und vom 08.11.2018 - 4 StR 297/18,
NStZ 2019, 271, Rz 11, m.w.N.). In einem solchen Antrag muss
angegeben werden, welche Tatsachen die Zulässigkeit der
selbständigen Einziehung begründen (BGH-Beschluss vom
12.12.2017 - 3 StR 558/17, NStZ 2018, 559). Es würde daher
noch nicht einmal genügen, wenn in der ursprünglichen
Anklageschrift auf die Einziehung hingewiesen worden wäre
(Gaede in Löwe/Rosenberg, StPO, 27. Aufl. 2022, § 435 Rz
60), was vorliegend indes ohnehin nicht der Fall war. Dafür,
dass die Staatsanwaltschaft im Streitfall einen Antrag nach §
435 Abs. 1 Satz 1 StPO gestellt haben und das LG nach § 76a
Abs. 3 StGB verfahren sein könnte, lässt sich weder den
Feststellungen des FG noch dem Akteninhalt oder dem Vorbringen der
Beteiligten irgendein Anhaltspunkt entnehmen.
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38
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(4) Nichts Gegenteiliges kann aus den
BGH-Entscheidungen vom 25.03.2021 - 1 StR 28/21 (wistra 2021, 395 =
SIS 21 15 31) und vom 08.03.2022 - 1 StR 360/21 (wistra 2022, 338 =
SIS 22 13 51) hergeleitet werden, auf die sich die Kläger
berufen. Darin geht es um die Frage, unter welchen Voraussetzungen
die Einziehung zulässig ist, wann nämlich eine
verkürzte Steuer ein „erlangtes
Etwas“ ist. Der BGH hat in diesen
Entscheidungen betont, dass sich der abzuschöpfende
Vermögensvorteil tatsächlich
„messbar“ im Vermögen des
Tatbeteiligten niederschlagen muss. Dass im Streitfall der
Beschluss des LG vom 03.08.2018 nicht als Einziehungsanordnung zu
qualifizieren ist, steht jedoch in keinem Zusammenhang mit diesen
Überlegungen, sondern hat prozessrechtliche Gründe. Ob in
einer anderen strafprozessualen Verfahrenskonstellation eine
Einziehung hätte stattfinden können, ist unerheblich.
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39
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dd) Schließlich ist es auch nicht
möglich, den Beschluss dahin zu verstehen, dass er sich aus
einem bezifferbaren, wenn auch gegebenenfalls zu schätzenden,
Anteil nach § 153a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, Abs. 2 StPO und einem
weiteren Anteil nach § 153a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, Abs. 2 StPO
zusammensetzt.
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(1) Zwar könnte grundsätzlich ein
einheitlicher Beschluss verschiedene Arten von Auflagen oder
Weisungen kombinieren. Dies muss der Beschluss jedoch erkennen
lassen, woran es im Streitfall aus allen vorbezeichneten
Gründen fehlt.
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(2) Aus Nr. 93 Abs. 1 der - die Gerichte als
bloße Verwaltungsanweisung ohnehin nicht bindenden -
Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren (RiStBV)
folgt nichts anderes. Diese Regelung lautet:
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„Bei einer Einstellung nach § 153a
StPO prüft der Staatsanwalt, ob eine Wiedergutmachungsauflage
(§ 153a Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 StPO) in Betracht kommt.
Dabei achtet der Staatsanwalt auch darauf, dass die Auflagen einen
durch die Straftat erlangten Vermögensvorteil abschöpfen.
Im Übrigen sollen unredlich erzielte Vermögensvorteile
bei der Festsetzung einer Geldauflage nach § 153a Absatz 1
Satz 2 Nummer 2 StPO berücksichtigt werden. In geeigneten
Fällen können Auflagen miteinander kombiniert
werden.“
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Dabei befassen sich Satz 1 und 2 der Nr. 93
Abs. 1 RiStBV mit Wiedergutmachungsauflagen nach § 153a Abs. 1
Satz 2 Nr. 1 StPO, für die kein ertragsteuerrechtliches
Abzugsverbot gilt (vgl. oben 1.c).
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Zwar sieht Nr. 93 Abs. 1 Satz 3 RiStBV vor,
dass bei der Festsetzung einer Geldauflage nach § 153a Abs. 1
Satz 2 Nr. 2 StPO unredlich erzielte Vermögensvorteile
„berücksichtigt“ werden sollen.
Demgegenüber lässt § 12 Nr. 4 EStG den Abzug von
Leistungen zur Erfüllung von Auflagen und Weisungen nur zu,
soweit diese „lediglich“ der
Wiedergutmachung des durch die Tat verursachten Schadens dienen.
Eine bloße „Berücksichtigung“
von Vermögensvorteilen bei der Bemessung einer Geldauflage
führt aber nicht zu der Wertung, dass die Auflage dann
„lediglich“ der Wiedergutmachung dient.
Dies gilt umso mehr, als Nr. 93 Abs. 1 Satz 4 RiStBV für
entsprechend geeignete Fälle ausdrücklich eine
Kombination aus einer - ertragsteuerrechtlich abziehbaren -
Wiedergutmachungsauflage nach § 153a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StPO
und einer - ertragsteuerrechtlich nicht abziehbaren - Geldauflage
nach § 153a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StPO vorsieht.
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3. Danach stellt sich das angefochtene Urteil
insoweit als rechtsfehlerhaft dar, als das FG einen Teilbetrag der
Geldauflage von 3.000 EUR zum Betriebsausgabenabzug zugelassen hat.
Das Urteil ist gleichwohl nicht aufzuheben, sondern die Revision
der Kläger zurückzuweisen, da nur diese Revision
eingelegt haben, während das FA die erstinstanzliche
Entscheidung akzeptiert hat. In einem solchen Fall ist eine
Verböserung der erstinstanzlichen Entscheidung zu Lasten des
revidierenden Beteiligten ausgeschlossen (BFH-Urteil vom 05.06.2008
- IV R 73/05, BFHE 222, 277, BStBl II 2008, 965 = SIS 08 38 85,
unter II.2.).
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 2 FGO.
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