Kleinunternehmer, schwankende Umsätze: § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG 1999 gilt nach seinem Sinn und Zweck grundsätzlich auch dann, wenn bereits zu Beginn des Jahres voraussehbar ist, dass der Jahresumsatz wieder unter die Grenze von 17.500 EUR sinken wird. - Urt.; BFH 18.10.2007, V B 164/06; SIS 08 05 55
I. Im Jahr 2002 und dem Streitjahr (2003)
führte der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger)
jeweils nur einen Umsatz aus. Die Hauptauftraggeberin des
Klägers hatte im Jahre 2003 ihren Geschäftsbetrieb
eingestellt, so dass weitere Aufträge durch diese nicht mehr
zu erwarten waren.
Die Bruttoumsätze des Klägers
beliefen sich im Kalenderjahr 2003 und den Vorjahren auf:
2001
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0
EUR
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2002
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42.340,00 EUR
|
2003
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8.700,00 EUR
|
Für das Kalenderjahr 2002 erhob der
Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA - ) keine
Umsatzsteuer, weil der Kläger die Umsatzgrenzen des § 19
Abs. 1 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG 1999) i.d.F. des
Art. 14 Nr. 7 des Gesetzes zur Umrechnung und Glättung
steuerlicher Euro-Beträge vom 19.12.2000 (BGBl I 2000, 1790,
BStBl I 2001, 3) nicht überschritten hatte.
In seiner Umsatzsteuererklärung
für das Kalenderjahr 2003 ging der Kläger davon aus, dass
er weiterhin Kleinunternehmer sei, weil er die Umsatzgrenze des
§ 19 Abs. 1 Satz 1 UStG 1999 i.d.F. des Art. 5 des Gesetzes
zur Förderung der Kleinunternehmer und zur Verbesserung der
Unternehmensfinanzierung (Kleinunternehmerförderungsgesetz)
vom 31.7.2003 (BGBl I 2003, 1550, BStBl I 2003, 398) von 17.500 EUR
im Kalenderjahr 2003 nicht überschritten habe.
Abweichend hiervon setzte das FA mit
Bescheid über Umsatzsteuer vom 29.6.2005 die Umsatzsteuer
für das Kalenderjahr 2003 auf 1.200 EUR fest. Zur
Begründung verwies es darauf, dass der Umsatz im Kalenderjahr
2002 mehr als 17.500 EUR betragen habe und somit die sog.
Kleinunternehmerregelung nicht zur Anwendung komme. Den Einspruch
des Klägers wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom
10.11.2005 als unbegründet zurück.
Die hiergegen erhobene Klage des
Klägers hatte keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) ließ die
Revision gegen sein Urteil nicht zu.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit
der Nichtzulassungsbeschwerde, die er auf grundsätzliche
Bedeutung der Rechtssache und Erforderlichkeit einer Entscheidung
des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Fortbildung des Rechts sowie zur
Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung stützt.
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision zuzulassen, wenn die
Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr. 1 der
Vorschrift) oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung
einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH
erfordert (Nr. 2 der Vorschrift). Die Nichtzulassung kann mit der
Beschwerde angefochten werden (§ 116 Abs. 1 FGO). In der
Beschwerdebegründung müssen die Voraussetzungen des
§ 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 Satz 3
FGO).
2. Eine Rechtssache hat grundsätzliche
Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn die für
die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das
Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und
Handhabung des Rechts berührt. Die Zulassung der Revision
kommt nur wegen einer klärungsbedürftigen und
klärbaren Rechtsfrage in Betracht. An der
Klärungsbedürftigkeit fehlt es, wenn sich die streitige
Rechtsfrage ohne weiteres aus dem Gesetz beantworten lässt
oder bereits aufgrund der Rechtsprechung geklärt ist (vgl.
BFH-Beschluss vom 16.10.1998 V B 56/98, BFH/NV 1999, 227 = SIS 98 56 48, m.w.N.).
Der Kläger misst der Rechtsfrage
grundsätzliche Bedeutung zu, ob von der Erhebung der
Umsatzsteuer für das laufende Kalenderjahr auch dann abzusehen
ist, wenn zwar die Umsätze des Vorjahres die Grenze des §
19 Abs. 1 Satz 1 UStG 1999 i.d.F. des Art. 5 des
Kleinunternehmerförderungsgesetzes von 17.500 EUR
überschreiten, nicht jedoch diejenigen des laufenden
Kalenderjahres. Diese Rechtsfrage lässt sich ohne weiteres aus
dem Gesetz beantworten.
a) Nach dem Wortlaut des § 19 Abs. 1 Satz
1 UStG 1999 wird die für die Umsätze i.S. des § 1
Abs. 1 Nr. 1 UStG 1999 geschuldete Umsatzsteuer nicht erhoben, wenn
der in Satz 2 bezeichnete Umsatz zuzüglich der darauf
entfallenden Steuer im vorangegangenen Kalenderjahr 17.500 EUR
nicht überstiegen hat und im laufenden Kalenderjahr 50.000 EUR
voraussichtlich nicht übersteigen wird.
Diese Voraussetzungen waren im Kalenderjahr
2003 nicht erfüllt, da der maßgebende Vorjahresumsatz
(zuzüglich Steuer) 17.500 EUR überstiegen hat.
b) § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG 1999 gilt nach
seinem Sinn und Zweck grundsätzlich auch dann, wenn bereits zu
Beginn des Jahres voraussehbar ist, dass der Jahresumsatz wieder
unter die Grenze von 17.500 EUR absinken wird (ebenso Birkenfeld,
Umsatzsteuer-Handbuch, § 223 Rz 64 und 71; Heidner in
Bunjes/Geist, UStG, 8. Aufl., § 19 Rz 5; Hundt in
Hundt-Eßwein/Schuhmann, UStG, Kommentar zum
Umsatzsteuergesetz, 2. Aufl., § 19 Rz 7; Zugmaier in
Hartmann/Metzenmacher, Umsatzsteuergesetz, E § 19 Rz 35 und
39; Westenberger in Offerhaus/Söhn/Lange, § 19 UStG Rz 26
f.; Widmann in Plückebaum/Malitzky/Widmann,
Umsatzsteuergesetz, Kommentar, § 19 Rz 23; Mößlang
in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 19 Rz 14; offengelassen
in BFH/NV 1999, 227 = SIS 98 56 48).
Durch das Abstellen auf den Gesamtumsatz des
vorangegangenen Kalenderjahres wird erreicht, dass der Unternehmer
bereits zu Beginn des laufenden Kalenderjahres darüber
Kenntnis hat, ob von ihm aufgrund der Umsatzfreigrenze von 17.500
EUR Umsatzsteuer erhoben wird oder nicht und ob er Umsatzsteuer in
Rechnung stellen darf und Umsatzsteuervorauszahlungen zu leisten
hat.
Die zusätzlich eingefügte 50.000
EUR-Grenze (voraussichtlicher Umsatz des laufenden Kalenderjahres)
soll lediglich verhindern, dass die vorgesehene Regelung zu einer
nicht mehr vertretbaren ungleichmäßigen Besteuerung
führt (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des
Finanzausschusses zu dem von der Bundesregierung eingebrachten
Entwurf eines Umsatzsteuergesetzes - UStG 1979 -, BTDrucks 8/1779,
BTDrucks 8/2827, 1, 77 f.; Zugmaier in Hartmann/Metzenmacher,
a.a.O., E § 19 Rz 2). Sie findet in Kalenderjahren, in denen
der Unternehmer sein Unternehmen beginnt, keine Anwendung. In
diesen Fällen ist die Umsatzgrenze von 17.500 EUR für das
laufende Kalenderjahr maßgeblich (vgl. BFH-Urteil vom
22.11.1984 V R 170/83, BFHE 142, 316, BStBl II 1985, 142 = SIS 85 02 20). Der voraussichtliche Gesamtumsatz ist dabei gegebenenfalls
entsprechend der Vorschrift des § 19 Abs. 3 Sätze 3 und 4
UStG 1999 auf einen für das restliche Jahr prognostizierten
Gesamtjahresumsatz umzurechnen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 142, 316,
BStBl II 1985, 142 = SIS 85 02 20). Ebenso hat die Umsatzgrenze von
50.000 EUR keine eigene Bedeutung, wenn der Vorjahresumsatz bereits
die Grenze von 17.500 EUR übersteigt (vgl. BFH-Urteil vom
15.10.1992 V R 91/87, BFHE 169, 548, BStBl II 1993, 209 = SIS 93 04 41). Bedeutung hat die Umsatzgrenze nur für den Fall, dass die
Umsätze des vorangegangenen Jahres geringer sind als 17.500
EUR, aber im laufenden Jahr voraussichtlich 50.000 EUR
übersteigen.
Die vom Kläger vertretene Auffassung,
dass die Steuer nicht erhoben werden darf, wenn der Umsatz im
vorangegangenen Kalenderjahr zwar 17.500 EUR überstiegen hat
und im laufenden Kalenderjahr 17.500 EUR voraussichtlich nicht
übersteigen wird (vgl. Stadie in Rau/Dürrwächter,
Umsatzsteuergesetz, § 19 Rz 29; Conradi, DStR 1980, 618, 619),
findet daher keine Stütze im Gesetz (vgl. Widmann in
Plückebaum/Malitzky/ Widmann, a.a.O., § 19 Rz 23).
3. Eine Entscheidung des BFH ist auch weder
zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung erforderlich (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO).
a) Mangels Klärungsbedürftigkeit der
vom Kläger herausgestellten Rechtsfrage (dazu bereits unter
II. 2.) ist eine Revision zur Fortbildung des Rechts nicht
geboten.
b) Ebenso ist eine Revisionszulassung auch
nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten. Die
Vorentscheidung weicht nicht von der Rechtsprechung des BFH ab; das
FG kommt unter Berücksichtigung des BFH-Urteils in BFHE 169,
548, BStBl II 1993, 209 = SIS 93 04 41 zu dem Ergebnis, dass die
Voraussetzungen des § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG 1999 aufgrund
Überschreitens der Vorjahresumsatzgrenze von 17.500 EUR im
Kalenderjahr 2003 nicht erfüllt sind.