Doppelte Haushaltsführung, Arbeitszimmer: 1. Im Rahmen der Mehraufwendungen für doppelte Haushaltsführung sind Kosten für ein in der Wohnung am Beschäftigungsort gelegenes Arbeitszimmer, sofern die Abzugsvoraussetzungen dem Grunde nach gegeben sind, gesondert zu beurteilen und in den gesetzlichen Grenzen zu berücksichtigen. - 2. Aufwendungen, die für eine Wohnung am Beschäftigungsort mit einem häuslichen Arbeitszimmer entstehen, sind nur insoweit abziehbar, wie sie nicht auf das Arbeitszimmer entfallen und die durch die Merkmale Wohnfläche und ortsüblicher Durchschnittsmietzins bestimmte Grenze des Notwendigen nicht überschreiten. - Urt.; BFH 9.8.2007, VI R 23/05; SIS 07 29 05
I. Die Kläger und Revisionsbeklagten
(Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr 1996 mit
Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zur
Einkommensteuer zusammen veranlagt wurden. In ihrer
Einkommensteuererklärung machten sie u.a. Mietaufwendungen in
Höhe von 26.520 DM geltend, die dem Kläger im Rahmen
einer doppelten Haushaltsführung für eine
Drei-Zimmer-Wohnung in D entstanden waren, für die sie eine
Wohnfläche von 92,73 qm angegeben hatten.
In der Einspruchsentscheidung, in der der
Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) die
Einkommensteuer aus anderen Gründen herabsetzte, hielt das FA
Mietaufwendungen nur in Höhe von 17.136 DM für
angemessen, weil für eine einzelne Person eine 60 qm
große Wohnung ausreiche.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit
den in EFG 2005, 1677 = SIS 05 43 80 veröffentlichten
Gründen im Wesentlichen statt und hielt insbesondere die
Mietaufwendungen für doppelte Haushaltsführung in voller
Höhe für angemessen.
Dagegen wendet sich das FA mit der
Revision. Die Vorentscheidung stelle zur Begründung der
Mehraufwendungen für doppelte Haushaltsführung
hinsichtlich der Angemessenheit der Wohnung entscheidend darauf ab,
dass ein Raum dieser Wohnung beruflich genutzt worden sei, obwohl
er nach ausdrücklicher Feststellung nicht die Voraussetzung
für die steuerliche Anerkennung als Arbeitszimmer
erfülle. Folge man dieser Auffassung, seien auch nach den
gesetzlichen Vorschriften vom Abzug ausgeschlossene Aufwendungen
für ein häusliches Arbeitszimmer über diesen Umweg
nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 des Einkommensteuergesetzes
(EStG) begünstigt.
Das FA beantragt, das Urteil der Vorinstanz
insoweit aufzuheben, als danach auch die auf den als Arbeitszimmer
bezeichneten Raum entfallenden Mietaufwendungen als abziehbare
Kosten der doppelten Haushaltsführung anerkannt worden waren,
und die Klage insoweit abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet. Die
Vorentscheidung hält revisionsrechtlicher Prüfung nicht
stand, soweit das FG die vom Kläger geltend gemachten
Mietaufwendungen für doppelte Haushaltsführung in vollem
Umfang als notwendig angesehen hat. Zur Feststellung des als
notwendig zu berücksichtigenden Wohnaufwandes wird die
Vorentscheidung - soweit mit der Revision noch angegriffen -
aufgehoben und der Rechtsstreit an das FG zurückverwiesen
(§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -
).
1. Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5
Sätze 1 und 2 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung sind
Werbungskosten auch notwendige Mehraufwendungen, die einem
Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlass begründeten
doppelten Haushaltsführung entstehen. Eine doppelte
Haushaltsführung liegt vor, wenn der Arbeitnehmer
außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand
unterhält, beschäftigt ist und auch am
Beschäftigungsort wohnt.
a) Während Aufwendungen für den
Haushalt des Steuerpflichtigen grundsätzlich nach § 32a
Abs. 1 Nr. 1 EStG abgegolten und nach § 12 Nr. 1 Satz 1 EStG
nicht abziehbar sind, weisen § 4 Abs. 5 Nr. 6a EStG a.F. und
§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG - wenn die Voraussetzungen einer
doppelten Haushaltsführung gegeben sind - die Kosten für
das Wohnen am Beschäftigungsort dem Grunde nach dem
betrieblich oder beruflich veranlassten Mehraufwand zu, dessen
Abzug der Höhe nach auf das Notwendige beschränkt wird.
Die Beschränkung auf das Notwendige begrenzt den Abzug auf das
nach objektiven Maßstäben zur Zweckverfolgung
Erforderliche. Zwar sind betrieblich oder beruflich veranlasste
Aufwendungen grundsätzlich unabhängig davon, ob sie
notwendig, angemessen, üblich oder zweckmäßig sind,
in voller Höhe als Betriebsausgaben oder Werbungskosten
abziehbar (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs - BFH - vom
29.4.1999 IV R 40/97, BFHE 188, 374, BStBl II 1999, 828 = SIS 99 15 21, m.w.N.). Wenn ihr Abzug aber durch das Gesetz auf das
Notwendige begrenzt ist, bestimmt sich dieser nicht nach den
subjektiven Vorstellungen des Steuerpflichtigen, sondern nach
objektiven Maßstäben.
b) Es entspricht der ständigen
Rechtsprechung des BFH und der überwiegenden Auffassung der
Finanzgerichte und der Literatur, den notwendigen Mehraufwand auf
den angemessenen Bedarf zu beschränken. Die Grenze für
den notwendigen Wohnbedarf hat sich dabei am Abzugszweck -
Berücksichtigung des zusätzlichen Wohnbedarfs am
Beschäftigungsort - zu orientieren, also daran, welcher
Wohnungszuschnitt für einen Steuerpflichtigen als Einzelperson
erforderlich ist, der von dort seiner Arbeit nachgeht, aber an
einem anderen Ort, an dem sich auch sein Lebensmittelpunkt
befindet, seinen Haupthausstand beibehalten hat (vgl. BFH-Urteil
vom 14.10.2004 VI R 82/02, BFHE 207, 292, BStBl II 2005, 98 = SIS 04 41 15, m.w.N.; BFH-Beschlüsse vom 24.6.2005 VI B 25/05
BFH/NV 2005, 1560 = SIS 05 37 12; vom 19.7.2004 VI B 160/03, BFH/NV
2005, 39 = SIS 05 04 04).
aa) Im Hinblick auf die von
Beschäftigungsort zu Beschäftigungsort erheblich
schwankenden Wohnkosten sieht der Senat nicht eine
betragsmäßige feste Obergrenze als sachgerecht an,
sondern hält Mehraufwendungen für notwendig, soweit sie
sich für eine Wohnung mit einer Wohnfläche bis zu 60 qm
bei einem ortsüblichen Mietzins je qm für eine nach Lage
und Ausstattung durchschnittliche Wohnung (Durchschnittsmietzins)
ergeben. Zur weiteren Begründung hinsichtlich des angemessenen
Wohnbedarfs verweist der Senat auf sein zur Veröffentlichung
bestimmtes Urteil vom 9.8.2007 VI R 10/06 = SIS 07 29 04.
bb) Bei der Bemessung der notwendigen
Mehraufwendungen wegen einer aus beruflichem Anlass
begründeten doppelten Haushaltsführung i.S. des § 9
Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG sind allerdings die Aufwendungen gesondert
zu beurteilen, die auf ein steuerrechtlich anzuerkennendes
häusliches Arbeitszimmer entfallen, das sich in der Wohnung am
Beschäftigungsort befindet. Denn soweit einem
Steuerpflichtigen durch ein einkommensteuerrechtlich zu
berücksichtigendes Arbeitszimmer Aufwand entsteht, ist dieser
nicht durch den Wohnzweck der doppelten Haushaltsführung,
sondern durch die berufliche Nutzung als Arbeitszimmer
veranlasst.
cc) Dementsprechend sind einerseits die Kosten
für das Arbeitszimmer, sofern die Abzugsvoraussetzungen dem
Grunde nach gegeben sind, in den Grenzen des § 9 Abs. 5 i.V.m.
§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG neben dem Mehraufwand für
doppelte Haushaltsführung zu berücksichtigen.
Andererseits sind die Aufwendungen, die für eine zwecks
doppelter Haushaltsführung unterhaltene Wohnung entstehen, nur
insoweit abziehbar, wie sie nicht auf das Arbeitszimmer entfallen
und soweit sie nicht die durch die Merkmale Wohnfläche und
ortsüblicher Durchschnittsmietzins bestimmte Grenze des
Notwendigen überschreiten (vgl. Senatsurteil vom 9.8.2007 VI R
10/06 = SIS 07 29 04, unter II. 2. a bb der Gründe).
2. Gemessen daran hat die Würdigung des
FG, die Aufwendungen für die Unterbringung des Klägers am
Beschäftigungsort seien i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5
EStG in vollem Umfang „notwendig“ gewesen,
keinen Bestand. Insbesondere weil die zu beurteilende Wohnung eine
Wohnfläche von deutlich mehr als 60 qm aufwies, bestand
Veranlassung zu prüfen, ob die Grenze des Notwendigen
überschritten war.
a) Es bestand auch nicht die Möglichkeit,
einen Teil der Wohnung als nicht Wohnzwecken dienend wegen
ausschließlich anderweitiger beruflicher Nutzung gesondert zu
beurteilen. Denn nach den insoweit bindenden Feststellungen des FG
liegen für den im oberen Teil der Wohnung des Klägers
befindlichen 10,61 qm großen Raum die Voraussetzungen
für die steuerrechtliche Anerkennung als Arbeitszimmer nach
§ 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG nicht
vor. Überdies läge auch nach Abzug dieser Fläche und
unter nur hälftiger Einbeziehung der Terrasse die verbleibende
Fläche - ungeachtet der insoweit widersprüchlichen
Feststellungen zur Wohnungsgröße - noch immer deutlich
über der oben beschriebenen Angemessenheitsgrenze.
b) Angesichts der erfolgten typisierenden
Auslegung des Merkmals der Notwendigkeit kommt es auf das Vorliegen
individueller Umstände wie Mangel an kleineren Wohnungen,
Eilbedürftigkeit der Wohnungswahl und Ähnliches nicht
an.
3. Die Sache ist nicht entscheidungsreif. Das
FG wird Feststellungen zum ortsüblichen Durchschnittsmietzins
zu treffen haben, sowie dazu, ob Letzterer bei einer
Wohnfläche von 60 qm die tatsächlich angesetzten
Aufwendungen übersteigt. Das FG wird bei seiner erneuten
Entscheidung sodann auch zu berücksichtigen haben, dass das FA
seinen Revisionsantrag auf die auf den als Arbeitszimmer
bezeichneten Raum entfallenden Mietaufwendungen begrenzt hatte und
daher das Urteil des Finanzgerichts im Übrigen
rechtskräftig geworden ist (vgl. BFH-Urteil vom 15.10.1998 IV
R 8/98, BFHE 187, 201, BStBl II 1999, 333 = SIS 99 05 22).