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I. Streitig ist, ob die Voraussetzungen
einer doppelten Haushaltsführung vorliegen.
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Die Kläger und Revisionskläger
(Kläger), in den Streitjahren (2001 bis 2003) zusammen zur
Einkommensteuer veranlagte, seit 2009 allerdings geschiedene
Eheleute, wohnten in den Streitjahren gemeinsam mit ihren beiden
Kindern und den Eltern des Klägers in F. Die Kläger
erzielten jeweils Einkünfte aus nichtselbständiger
Arbeit.
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Die Kläger machten mit den
Einkommensteuererklärungen der Streitjahre Aufwendungen
für doppelte Haushaltsführung des Klägers geltend.
Der Kläger war seit 1998 bei der P GmbH als Arbeitnehmer
beschäftigt. Bis Ende 1999 war er wöchentlich an zwei bis
drei Werktagen auch leitend in der Niederlassung der P GmbH in D
tätig. Nachdem die P GmbH dem Kläger Anfang 2000 die
Leitung ihrer Niederlassung in D übertragen hatte, stellte sie
ihm zunächst bis Juni 2000 auf ihre Kosten in D auch eine
Unterkunft zur Verfügung. Ab Juli 2000 sollte sich der
Kläger dann am Beschäftigungsort selbst um eine
Unterkunft kümmern.
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Nachdem zwischen dem Kläger und einer
Frau E, die ebenfalls schon bei einem Unternehmen der P-Gruppe
beschäftigt gewesen war, schon seit dem Jahr 1998 eine rein
freundschaftliche und kollegiale Verbindung bestanden hatte,
mieteten der Kläger und Frau E gemeinsam zum 1.7.2000 in D
eine Dreizimmerwohnung. Man wollte dadurch die Mietkosten gering
halten und Frau E finanziell unterstützen. Frau E, die sich
nach ihrer Scheidung beruflich verändern wollte, war auf ein
Angebot des Klägers hin ab August 2000 als Assistentin der
Geschäftsleitung in D tätig. Frau E bezog daraufhin mit
ihren damals sieben und neun Jahre alten Kindern die Wohnung in D.
Der Kläger hatte zunächst die monatliche Miete in
Höhe von 2.130 DM getragen, teilweise hatte Frau E ihren
Anteil daran dem Kläger überwiesen, teilweise den Anteil
mit verauslagten Kosten für Lebensmittel verrechnet.
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Der Kläger und Frau E kündigten
die Wohnung in D zum 31.7.2001 im Wesentlichen wegen schulischer
Probleme der Kinder von Frau E und dem Wunsch, mit den Kindern in
einer ländlicheren Umgebung zu wohnen. Der Kläger und
Frau E erwarben daraufhin im von D 24 km entfernt gelegenen K
jeweils zur Hälfte ein Haus, das sie im August 2001 bezogen
und im Jahr 2007 wieder veräußerten.
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Die für die Streitjahre jeweils
geltend gemachten Aufwendungen für doppelte
Haushaltsführung des Klägers ergaben sich insbesondere
aus den Mietkosten für die in D gelegene Wohnung sowie
für Schuldzinsen, Energiekosten und Grundbesitzabgaben
für das Haus in K. Nachdem der Beklagte und Revisionsbeklagte
(das Finanzamt - FA - ) die Aufwendungen für doppelte
Haushaltsführung allerdings zunächst mit unter
Nachprüfungsvorbehalt ergangenen Einkommensteuerbescheiden
teilweise berücksichtigt hatte, ließ er in den hier
streitigen Einkommensteuerbescheiden die Aufwendungen nicht mehr
zum Abzug zu.
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Die dagegen nach erfolglosem
Einspruchsverfahren erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) aus
den in EFG 2011, 1968 = SIS 11 20 83 veröffentlichten
Gründen abgewiesen. Das FA sei zu Recht davon ausgegangen,
dass die vom Kläger am Beschäftigungsort in D
zunächst gemeinsam mit der Zeugin E gemietete Wohnung und das
nahe des Beschäftigungsortes in K gemeinsam mit der Zeugin E
im Jahr 2001 erworbene Haus nicht ausschließlich aus
beruflichem Anlass angemietet und gekauft worden seien, sondern
dass eine nicht untergeordnete private Mitveranlassung sowohl
für die Anmietung der Wohnung als auch den Kauf der Immobilie
eine wesentliche Rolle gespielt habe.
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Mit der dagegen eingelegten Revision
rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts
(§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 des Einkommensteuergesetzes - EStG -
).
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Die Kläger beantragen, das Urteil des
FG Rheinland-Pfalz vom 30.11.2010 aufzuheben und die
Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2001 bis 2003 vom
2.1.2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12.2.2007
dahingehend abzuändern, dass bei den Einkünften des
Klägers aus nichtselbständiger Arbeit als Kosten
doppelter Haushaltsführung weitere Werbungskosten in Höhe
von 11.405,06 DM im Jahr 2001, in Höhe von 9.694,20 EUR im
Jahr 2002 und in Höhe von 12.628 EUR im Jahr 2003
berücksichtigt werden.
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Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur
Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen
Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Im Streitfall tragen die vom FG
bisher getroffenen Feststellungen nicht dessen Entscheidung, dass
eine Berücksichtigung der vom Kläger geltend gemachten
Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung
ausscheidet. Die tatsächlichen Feststellungen des FG
ermöglichen allerdings noch keine abschließende
Beurteilung, ob und in welcher Höhe Mehraufwendungen für
doppelte Haushaltsführung zu berücksichtigen sind.
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1. Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 1
EStG i.d.F. des Steueränderungsgesetzes 2003 (StÄndG
2003) vom 15.12.2003 (BGBl I 2003, 2645), der nach § 52 Abs.
23b EStG i.d.F. des StÄndG 2003 auch in den Streitjahren
anzuwenden ist, gehören zu den Werbungskosten auch notwendige
Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus
beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung
entstehen, und zwar unabhängig davon, aus welchen Gründen
die doppelte Haushaltsführung beibehalten wird. Nach § 9
Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG liegt eine doppelte
Haushaltsführung vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb
des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält,
beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort wohnt.
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Die Errichtung des Zweithaushalts am
Beschäftigungsort ist beruflich veranlasst, wenn er der
Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen i.S. des § 9
Abs. 1 Satz 1 EStG dient. Das ist der Fall, wenn der Arbeitnehmer
den Zweithaushalt begründet, um von dort aus seinen
Arbeitsplatz aufsuchen zu können. Dann ist es insoweit auch
unerheblich, ob der Arbeitnehmer diesen zweiten Haushalt allein
führt oder gemeinsam mit Freunden oder Arbeitskollegen. Das
Einkommensteuerrecht sieht insoweit keine weitere Motivforschung
für die gewählte Wohnform am Beschäftigungsort vor.
So hat der Senat schon in seinen Urteilen in den so genannten
Wegverlegungsfällen entschieden, dass durch die
Begründung einer doppelten Haushaltsführung zum ohnehin
vorhandenen Haupthaushalt ein Zweithaushalt hinzukommt, ohne dass
die Motive einer „Aufspaltung“ der
Haushaltsführung oder der Wahl des Ortes des Haupthausstands
über die berufliche Veranlassung der doppelten
Haushaltsführung entscheiden (Urteile des Bundesfinanzhofs -
BFH - vom 5.3.2009 VI R 23/07, BFHE 224, 420, BStBl II 2009, 1016 =
SIS 09 16 38; VI R 58/06, BFHE 224, 413, BStBl II 2009, 1012 = SIS 09 16 39; VI R 31/08, BFH/NV 2009, 1256 = SIS 09 21 45).
Maßgebend ist vielmehr, ob der zweite Haushalt am
Beschäftigungsort konkreten beruflichen Zwecken dient. Dies
ist der Fall, wenn der Steuerpflichtige den Zweithaushalt
gegründet hatte, um von dort aus seine Arbeitsstätte
schnell und unmittelbar aufsuchen zu können. Liegen diese
Voraussetzungen vor, ist die doppelte Haushaltsführung
beruflich veranlasst.
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2. Das FG ist von anderen Grundsätzen
ausgegangen; die Vorentscheidung ist aufzuheben.
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Das FG ist zwar zutreffend davon ausgegangen,
dass die doppelte Haushaltsführung dann beruflich veranlasst
ist, wenn am Beschäftigungsort aus beruflichen Gründen
eine Zweitwohnung unterhalten wird. Aber solche beruflichen
Gründe i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG
liegen auch dann vor, wenn der Arbeitnehmer den zweiten Haushalt am
Beschäftigungsort etwa in einer Wohngemeinschaft einrichtet.
Es ist dann auch unerheblich, aus welchen Gründen sich der
Steuerpflichtige für diese Wohnform entscheidet. Die Wohnform
kann reine Zweckgemeinschaft sein oder auch auf persönlichen
und freundschaftlichen Beziehungen zwischen den Mitbewohnern
gründen, ohne dass die Wohnung am Beschäftigungsort schon
dadurch ihre Qualifikation als aus beruflichen Gründen
unterhaltende Zweitwohnung verliert, einerlei, ob zwischen den
Mitbewohnern solche Beziehungen schon bestehen oder sich solche
erst entwickeln. Denn insoweit ist zu beachten, dass die
Lebensführung des Steuerpflichtigen am Beschäftigungsort
grundsätzlich unerheblich ist. Erst wenn sich auch der
Mittelpunkt der Lebensinteressen des Steuerpflichtigen an den
Beschäftigungsort verlagert und die Wohnung dort zum Ort der
eigentlichen Haushaltsführung wird, entfällt deren
berufliche Veranlassung. Die Rechtsauffassung des FG lässt
insoweit unbeachtet, dass das Wohnen am Beschäftigungsort
ohnehin stets auch von privaten Motiven mitbestimmt ist. Schon die
Grundentscheidung, statt täglich zu pendeln eine Wohnung am
Beschäftigungsort einzurichten, gründet auf auch privaten
Überlegungen. Entsprechendes gilt für die (Aus-)Wahl der
Wohnung am Beschäftigungsort, die nach den individuellen
Vorlieben des Arbeitnehmers ganz unterschiedliche Zuschnitte und
Ausstattungen aufweisen kann. Das Einkommensteuerrecht zieht hier
die Grenze zu den privaten Aufwendungen, indem es Fahrtkosten nur
begrenzt zum Abzug zulässt (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz
4 EStG) und Unterkunftskosten am Beschäftigungsort nicht nach
den Vorlieben des Arbeitnehmers, sondern nur im Umfang notwendiger
Mehraufwendungen berücksichtigt (BFH-Urteile in BFHE 224, 420,
BStBl II 2009, 1016 = SIS 09 16 38; in BFHE 224, 413, BStBl II
2009, 1012 = SIS 09 16 39; jeweils m.w.N.).
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Angesichts dessen scheidet der Abzug der
Aufwendungen für die doppelte Haushaltsführung entgegen
der Auffassung des FG hier nicht schon deshalb aus, weil der
Kläger den Zweithaushalt am Beschäftigungsort mit einer
Berufskollegin in einer Art Wohngemeinschaft führte.
Unerheblich ist dabei sowohl der vom FG festgestellte Umstand, dass
der Kläger und Frau E freundschaftlich verbunden gewesen
waren, als auch, dass der Kläger Frau E finanziell
unterstützt hatte, indem er teilweise die auf sie entfallenden
Anteile an den Kosten der Wohnung in D und später an denen des
Hauses in K getragen hatte. Und es ist auch nichts dazu
festgestellt, dass für den Kläger in den Streitjahren die
Wohnungen in D und K zum Ort seiner eigentlichen
Haushaltsführung wurden, indem er den Mittelpunkt seiner
Lebensinteressen dorthin verlagert hätte.
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Das FA kann sich für seine gegenteilige
Auffassung auch nicht auf das Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom
31.5.2005 6 K 2444/02 zur Einkommensteuer 2000 berufen, das mit dem
die Nichtzulassungsbeschwerde ablehnenden Beschluss des BFH vom
25.9.2006 VI B 69/05 (BFH/NV 2007, 83 = SIS 06 48 49)
rechtskräftig geworden war. Denn damit ist jedenfalls nicht
bindend festgestellt, dass in den Jahren 2001 bis 2003 keine aus
beruflichem Anlass begründete doppelte Haushaltsführung
vorgelegen hätte.
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3. Die Sache ist allerdings nicht spruchreif.
Denn nach dem Vorbringen des Klägers, zu dem das FG allerdings
auf Grundlage seiner Rechtsauffassung bisher nur teilweise
Feststellungen getroffen hatte, liegen im Streitfall dem Grunde
nach die Voraussetzungen einer beruflich veranlassten doppelten
Haushaltsführung vor. Danach hatte der Kläger in den
Streitjahren mit Ehefrau, Kindern und seinen Eltern in F gewohnt
und dort, am Familienwohnsitz, seinen Haupthausstand. Weiter hatte
der Kläger sowohl von der im Jahre 2000 in D angemieteten
Wohnung als auch von dem ein Jahr später in K bezogenen Haus
jeweils unter der Woche seinen Arbeitsplatz in D aufgesucht, aber
die Wochenenden bei der Familie am Familienwohnsitz verbracht. Nach
diesem Vorbringen hat eine aus beruflichem Anlass begründete
doppelte Haushaltsführung vorgelegen, der Kläger wohnte
an seinem Haupthausstand in F bei seiner Familie, die Wohnungen in
D und K waren solche am Beschäftigungsort i.S. des § 9
Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG. Denn sie dienten dem Zweck, dass
der Kläger seine Arbeitsstätte in D schnell und
unmittelbar hatte aufsuchen können und nicht von seinem 120 km
entfernt gelegenen Haupthausstand in F täglich nach D pendeln
musste.
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Das FG wird im zweiten Rechtsgang die
entsprechenden Feststellungen nachzuholen haben. Dabei wird auch zu
prüfen sein, ob und in welcher Höhe dem Kläger durch
die Wohnungen in D und K notwendige Mehraufwendungen für die
doppelte Haushaltsführung entstanden waren und in welcher
Höhe sie angesichts der Begrenzung auf einen
durchschnittlichen Mietzins einer 60 qm Wohnung zu
berücksichtigen sind (BFH-Urteile in BFHE 224, 420, BStBl II
2009, 1016 = SIS 09 16 38; vom 9.8.2007 VI R 10/06, BFHE 218, 380,
BStBl II 2007, 820 = SIS 07 29 04, m.w.N.; VI R 23/05, BFHE 218,
376, BStBl II 2009, 722 = SIS 07 29 05).
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