Mehrjähriges Aktienoptionsprogramm, Tarifbegünstigung: 1. Geldwerte Vorteile aus einem Aktienoptionsprogramm stellen im Regelfall als Anreizlohn eine Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit dar. Abweichend hiervon können Entgelte für frühere Arbeitsleistungen angenommen werden, wenn die Tatumstände ergeben, dass konkrete Arbeitserfolge zusätzlich entlohnt werden sollten. - 2. Mehrjährigkeit erfordert, dass zwischen Einräumung und Erfüllung des Optionsrechts mehr als zwölf Monate liegen und der Arbeitnehmer in diesem Zeitraum auch beschäftigt war. - 3. Der Tarifermäßigung des § 34 Abs. 3 EStG steht weder entgegen, dass wiederholt Aktienoptionen eingeräumt werden, noch, dass die jeweils gewährte Option nicht in vollem Umfang einheitlich ausgeübt wird. - Urt.; BFH 19.12.2006, VI R 136/01; SIS 07 04 74
I. Die Kläger und Revisionskläger
(Kläger) wurden zum Streitjahr (1997) als Ehegatten zusammen
zur Einkommensteuer veranlagt. Streitig ist, ob Arbeitslohn nach
§ 34 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG)
ermäßigt zu besteuern ist, der der Ehefrau
(Klägerin) aufgrund eines 1991 eingeräumten
Aktienbezugsrechts durch dessen Ausübung nach Ausscheiden aus
dem Beschäftigungsverhältnis 1997 zugeflossen ist. Die
Klägerin, die seit 1991 bei der Firma X-GmbH (folgend GmbH)
beschäftigt war, beteiligte sich zum Ende des
Einstellungsmonats am Aktienoptionsprogramm der Muttergesellschaft
der GmbH, was zu einem Bezugsrecht von 325 X-Aktien führte.
Das Optionsrecht konnte innerhalb von zehn Jahren, spätestens
aber innerhalb eines Jahres nach dem Ausscheiden, ausgeübt
werden, und zwar erstmals nach einem Jahr ¼ und danach eine
beliebige Anzahl von Bezugsrechten, wobei eine Ausübung
höchstens zweimal im Kalenderjahr möglich war. Von den
325 Optionen nahm die Klägerin 1993.148 und 1994 32 in
Anspruch. Die nach der Geburt eines Sohnes im September 1993 nur
noch teilzeitbeschäftigte Klägerin ist im September 1996
ausgeschieden. Im August 1997 nahm sie die verbliebenen 145
Optionen in Anspruch, was nach Abzug von Gebühren und Spesen
zu einer Gutschrift von 108.594 DM führte. Diese erfasste der
Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) nach Abzug
des Arbeitnehmer-Pauschbetrages als Einkünfte aus
nichtselbständiger Arbeit.
Der Einspruch, mit dem die Steuerbarkeit
eines geldwerten Vorteils verneint und hilfsweise die Anwendbarkeit
von § 34 Abs. 3 EStG geltend gemacht wurde, hatte keinen
Erfolg. Die Klage, mit der nur noch die Versagung des § 34
Abs. 3 EStG gerügt wurde, wies das Finanzgericht (FG) mit den
in EFG 2002, 134 = SIS 02 82 11 veröffentlichten Gründen
ab.
Mit der Revision tragen die Kläger
vor, das FG gehe selbst davon aus, dass der streitbefangene Betrag
eine Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit
darstelle. Es verneine die Tarifermäßigung aber mit der
Begründung, dass das Merkmal der Außerordentlichkeit,
welches das FG aus der Überschrift zu § 34 EStG ableite,
nicht erfüllt sei. Richtigerweise habe es bei einer
Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit des
Rückgriffs auf die Außerordentlichkeit nicht mehr
bedurft bzw. die Außerordentlichkeit werde bereits durch das
Merkmal Vergütung für mehrjährige Tätigkeit
erfüllt. Sinn der Vorschrift sei, die Tarifprogression zu
beseitigen, die durch eine zusammengeballte Entlohnung einer
Tätigkeit für mehrere Jahre entstehe. Da im Streitfall
die Vergütung für 2,6 Jahre gewährt worden sei,
stehe der Anwendung des § 34 Abs. 3 EStG nichts im Wege, auch
wenn frühere Optionsübungen bereits einen Teil der
Vergütung abgegolten hätten.
Die Kläger beantragen
sinngemäß, den angefochtenen Bescheid unter Aufhebung
der Vorentscheidung dahingehend abzuändern, dass auf die
Einkünfte der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit
§ 34 Abs. 3 EStG angewendet wird.
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen. Dabei tritt das FA der Revision im
Wesentlichen mit den Gründen des FG entgegen.
II. Die Revision ist begründet. Den
Klägern steht die Tarifermäßigung des § 34
Abs. 3 EStG zu.
1. Zwischen den Beteiligten ist zu Recht nicht
streitig, dass Vorteile aus einem für Dienstleistungen
gewährten Aktienoptionsprogramm in dem Jahr zu einem
Lohnzufluss führen, in dem die Ansprüche aus den
Optionsrechten erfüllt werden. Dabei errechnet sich der
Vorteil aus der Differenz zwischen dem üblichen Endpreis der
Aktien am Verschaffungstag und den diesbezüglichen
Aufwendungen des Arbeitnehmers (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH -
vom 20.6.2001 VI R 105/99, BFHE 195, 395, BStBl II 2001, 689 = SIS 01 11 33).
2. Nach § 34 Abs. 3 EStG in der für
das Streitjahr maßgebenden Fassung bemisst sich die
tarifliche Einkommensteuer auf Einkünfte, die die
Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit sind,
nach der sog. Drittelungsregelung.
a) Aktienoptionsrechte werden
regelmäßig nicht gewährt, um dadurch in der
Vergangenheit erbrachte Leistungen abzugelten, sondern um eine
zusätzliche besondere Erfolgsmotivation für die Zukunft
zu bewirken. Dementsprechend stellen sie als Anreizlohn im
Regelfall eine Vergütung für die Laufzeit der Option bis
zu ihrer Erfüllung dar und vergüten eine mehrjährige
Tätigkeit, wenn die tatsächliche Laufzeit mehr als 12
Monate beträgt und der Arbeitnehmer in dieser Zeit auch bei
seinem Arbeitgeber beschäftigt ist. Deshalb ist der geldwerte
Vorteil, ungeachtet der Endbesteuerung im Zuflussjahr, anteilig den
Jahren der Laufzeit zuzuordnen mit der Folge, dass beispielsweise
Vorteilsanteile, die auf Zeiten entfallen, in denen der
Arbeitnehmer nicht unbeschränkt steuerpflichtig war, nach
Maßgabe des einschlägigen Doppelbesteuerungsabkommens
von der inländischen Besteuerung freizustellen und ggf. nur im
Rahmen des Progressionsvorbehalts zu erfassen sind (BFH-Urteile vom
24.1.2001 I R 100/98, BFHE 195, 102, BStBl II 2001, 509 = SIS 01 08 94, und I R 119/98, BFHE 195, 110, BStBl II 2001, 512 = SIS 01 08 95). Diese typischerweise mit einer Aktienoption verfolgte
Zielsetzung tritt lediglich in solchen Fällen in den
Hintergrund, in denen die Umstände des Einzelfalles ergeben,
dass konkrete Arbeitserfolge der Vergangenheit zusätzlich
honoriert werden sollten.
b) Eine Vergütung für eine
mehrjährige Tätigkeit entfällt nicht dann, wenn
Aktienoptionen wiederholt eingeräumt werden. Vielmehr stellen
bei entsprechender Laufzeit die Vorteile aus jeder dieser Optionen
eine Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit
dar. Insbesondere sind solche Vorteile nicht mit Tantiemezahlungen
vergleichbar. Bei Letzteren handelt es sich um
Erfolgsvergütungen, die sich an in der Vergangenheit liegenden
Kennziffern des Unternehmens orientieren und mit denen frühere
Arbeitsleistungen über einen Zeitraum von
regelmäßig nicht mehr als 12 Monaten zusätzlich
honoriert werden. Ihre Besonderheit liegt lediglich darin, dass das
Auszahlungsjahr nicht mit dem Jahr, für welches die
Vergütung erfolgt, übereinstimmt. Eine mehrjährige
Tätigkeit wird dadurch nicht entgolten. Dagegen geht in den
geldwerten Vorteil aus der Gewährung von Aktienoptionen der
Wertzuwachs der Aktien der gesamten Laufzeit bis zur Erfüllung
des Optionsrechts ein. Folglich stellen sie regelmäßig
auch eine Entlohnung für diese Laufzeit dar.
c) Der Anwendung der
Tarifermäßigung des § 34 Abs. 3 EStG steht bei
mehrjähriger Laufzeit nicht entgegen, wenn die jeweils
eingeräumte Option nicht in vollem Umfang einheitlich
ausgeübt wird. Dabei kann dahinstehen, inwieweit die
Rechtsfolgen des § 34 Abs. 1 EStG für die in § 34
Abs. 2 EStG definierten außerordentlichen Einkünfte auf
die hiervon abweichenden Rechtsfolgen des § 34 Abs. 3 EStG
betreffend Vergütungen für eine mehrjährige
Tätigkeit sinngemäß angewendet werden können.
Jedenfalls ist es nicht geboten, die Tarifermäßigung des
§ 34 Abs. 3 EStG bei Aktienoptionen mit unterschiedlichen
Ausübungszeitpunkten mangels Zusammenballung von
Einkünften zu verneinen. Während die
außerordentlichen Einkünfte des § 34 Abs. 1 und 2
EStG der Höhe nach feststehende Einkünfte aus
abgeschlossenen Sachverhalten betreffen, kann bei Aktienoptionen
erst nach deren Ausübung festgestellt werden, ob und in
welcher Höhe geldwerte Vorteile entstehen. Dies hat zur Folge,
dass bei unterschiedlichen Ausübungszeitpunkten der Vorteil je
Option erheblich schwanken kann, was auf Umständen beruht, die
der Optionsberechtigte selbst in aller Regel nicht maßgebend
beeinflussen kann. Deshalb ist es nicht geboten, den Gedanken der
Zweckverfehlung, wenn außerordentliche Einkünfte
entgegen ihrem Charakter auf mehrere Jahre verteilt werden, auf
Aktienoptionen zu übertragen. Letzten Endes wird dadurch auch
eine Gleichbehandlung mit solchen Arbeitnehmern erreicht, die bei
einer geringeren Anzahl von Optionsrechten und einheitlicher
Ausübung zu nämlichen geldwerten Vorteilen gelangen, wie
ein Arbeitnehmer, der nur einen Teil seiner entstandenen
Optionsrechte ausübt.
3. In Anwendung der obigen Grundsätze war
die Tarifermäßigung des § 34 Abs. 3 EStG zu
gewähren, weil auch die Ausübung der im Streitjahr noch
verbliebenen Aktienoptionen zu Einkünften führte, die
eine Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit
darstellten. Dabei kann dahinstehen, welche Bedeutung dem
Ausscheiden der Klägerin im September 1996 zukommt, da die
Laufzeit der Option und die Tätigkeit der Klägerin bei
ihrem Arbeitgeber von der Einräumung im Jahr 1991 bis zum
Ausscheiden bereits mehrere Jahre betragen hatte.