Nachträgliche Lohnzahlung, Kürzung des Vorwegabzugs: 1. Der Vorwegabzug für Vorsorgeaufwendungen ist auch für Veranlagungszeiträume nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses zu kürzen, wenn in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der früheren Beschäftigung stehender Arbeitslohn nachträglich an den Steuerpflichtigen ausgezahlt wird und der Steuerpflichtige durch arbeitgeberfinanzierte Zukunftssicherungsleistungen oder Altersversorgungsansprüche begünstigt worden war. - 2. Der Einspruchsführer kann eine bereits abgegebene, der Finanzbehörde aber noch nicht zugegangene Erklärung über die Rücknahme des Einspruchs durch Abgabe einer gegenläufigen Erklärung widerrufen, wenn der Widerruf der Behörde spätestens zeitgleich mit der Rücknahmeerklärung zugeht. - 3. Der Finanzbehörde gehen die an ihre Postfachanschrift übersandten Schriftstücke zu, sobald sie von dem abholenden Bediensteten aus dem Postfach entnommen werden. - Urt.; BFH 20.12.2006, X R 38/05; SIS 07 10 72
A. Die Kläger und Revisionsbeklagten
(Kläger) wurden im Streitjahr (2001) als Eheleute zur
Einkommensteuer zusammenveranlagt. Der Kläger hatte bis zum
Ablauf des dem Streitjahr vorangegangenen Veranlagungszeitraums als
Angestellter eines ...-Unternehmens Einkünfte aus
nichtselbständiger Arbeit bezogen und war mit Beendigung
dieses Arbeitsverhältnisses zum 31.12.2000 in den Ruhestand
getreten. Im Streitjahr bezog der Kläger von seinem
früheren Arbeitgeber aufgrund einer ihm zugesagten
betrieblichen Altersversorgung laufende Pensionszahlungen von
insgesamt 171.912 DM. Daneben erhielt er im April 2001 für das
Jahr 2000 eine persönliche Gratifikation von 53.750 DM sowie
eine Erfolgsbeteiligung von 168.900 DM ausgezahlt, für die der
frühere Arbeitgeber jeweils keine
Sozialversicherungsbeiträge einbehalten hatte.
Die in der Einkommensteuererklärung
der Kläger angesetzten Versicherungsbeiträge von 22.481
DM berücksichtigte der Beklagte und Revisionskläger (das
Finanzamt - FA - ) nur teilweise als beschränkt abziehbare
Sonderausgaben. Dabei kürzte er den Vorwegabzug (§ 10
Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes - EStG - ; hier in
der bis Ende 2004 geltenden Fassung - a.F. - ) unter Hinweis auf
die dem Kläger zugeflossenen Lohnzahlungen für
Gratifikation und Erfolgsbeteiligung in voller Höhe.
Während seines früheren
Beschäftigungsverhältnisses als Angestellter hatten beim
Kläger die Kürzungsvoraussetzungen des Buchst. a dieser
Vorschrift vorgelegen.
Gegen den Einkommensteuerbescheid vom
4.6.2002 legte der Kläger mit Schreiben vom 16.6.2002
Einspruch ein, den er mit Schreiben vom 1.7.2002 damit
begründete, dass der Vorwegabzug von 12.000 DM zu Unrecht
nicht berücksichtigt worden sei. Beide Schreiben nennen zwar
den Kläger, nicht aber die Klägerin im Briefkopf. Die
Schreiben sind lediglich vom Kläger unterzeichnet und in der
ersten Person Singular („ich“) abgefasst. Im Betreff
enthalten sie die gemeinsame Steuernummer beider Kläger beim
FA.
Das FA vertrat die Auffassung, der
Einspruch habe keine Aussicht auf Erfolg, weil der Kläger zum
Personenkreis des § 10c Abs. 3 Nr. 2 EStG gehöre
„und somit die Vorsorgepauschale zu kürzen“ sei.
Es wandte sich an beide Kläger mit der Anfrage, ob der
Einspruch aufrechterhalten bleibe. Der Kläger verfasste
daraufhin ein wiederum in der ersten Person Singular gehaltenes und
auf den 21.8.2002 datiertes Schreiben, in dem er erklärte,
seinen Einspruch vom 16.6.2002 zurückzuziehen. Dieses
Schreiben sandte er an die Postfach-Anschrift des FA ab.
Am 22.8.2002 rief der Kläger bei dem
für seinen Steuerfall zuständigen Sachbearbeiter des FA
an. Über den Inhalt dieses Telefongesprächs fertigte der
Sachbearbeiter einen Aktenvermerk mit folgendem Inhalt: „Laut
Anruf des Steuerpflichtigen wurde bereits Einspruchsrücknahme
in Briefkasten geworfen. Steuerpflichtiger will aufgrund neuer
Informationen den Einspruch aber nicht zurücknehmen.
Diesbezüglich kommt neues Schreiben.“
Mit Computerfax vom gleichen Tage teilte
der Kläger dem FA mit, „heute“ habe er dem FA ein
Schreiben mit Datum vom 21.8.2002 zugeschickt, in dem er seinen
Einspruch gegen den Bescheid zur Einkommensteuer 2001
zurückgezogen habe. Dieses Schreiben werde dem FA
„morgen“ zugehen. Den Inhalt dieses Schreibens
widerrufe er und halte seinen Einspruch aufrecht. Das Fax
trägt in der Kopfzeile den durch den Computer des Klägers
erzeugten Datums- und Uhrzeitaufdruck „22.08.2002
14:23:12“ und - in davon abweichendem Schrifttyp - in der
Fußzeile den durch das Faxgerät des FA angebrachten
Datums- und Uhrzeitaufdruck „22-AUG-2002
14:28“.
Das FA versah sowohl das auf dem Postweg
übersandte Rücknahmeschreiben des Klägers vom
21.8.2002 als auch das die Rücknahme widerrufende Computerfax
vom Folgetag jeweils mit seinem Eingangsstempel und mit dem Datum
vom 22.8.2002. Dabei verfuhr das FA bei der Datierung des
Eingangsstempels wie folgt: Die eingehende Post, die am Morgen aus
dem bei der Post unterhaltenen Postfach des FA entnommen worden
war, erhielt - ebenso wie die bei Dienstbeginn im Hausbriefkasten
des FA befindliche Post und die bei Dienstbeginn im
Telefax-Empfangsgerät des FA vorgefundenen Faxschreiben - den
Eingangsstempel mit dem Datum des Vortages. Erst nach der
morgendlichen Leerung des Postfachs, des Hausbriefkastens und des
Telefaxgeräts und nach Erfassung der bis zu diesem Zeitpunkt
eingetroffenen Eingänge wurde der Eingangsstempel auf das
gegenwärtige Datum umgestellt. Sodann wurde die weitere Post
des jeweiligen Tages mit dem aktuellen Tagesdatum versehen.
Unter dem 5.12.2002 erließ das FA
eine an beide Kläger gerichtete Einspruchsentscheidung. Der
Einspruch wurde als unzulässig verworfen, weil er durch das
Schreiben des Klägers vom 21.8.2002 wirksam
zurückgenommen worden sei.
Mit ihrer gemeinsam erhobenen Klage zum
Finanzgericht (FG) machten die Kläger geltend, dass das
Rücknahmeschreiben erst am Vormittag des 22.8.2002 in einen
Straßenbriefkasten der Post eingeworfen worden sei. Es
könne daher unmöglich schon vor der Übermittlung des
Computerfax vom gleichen Tage beim FA eingegangen sein. In der
Sache sei die Kürzung des Vorwegabzugs nicht berechtigt, weil
der Kläger im Streitjahr 2001 weder Einkünfte, die eine
Anwartschaft auf eine künftige Altersversorgung
begründeten, bezogen noch eine Berufstätigkeit i.S. des
§ 10c Abs. 3 Nr. 2 EStG ausgeübt habe.
Das FG hat der Klage mit seinem in EFG
2006, 125 = SIS 06 04 31 abgedruckten Urteil stattgegeben und -
ohne die Einspruchsentscheidung des FA ausdrücklich aufzuheben
- die Einkommensteuer für das Streitjahr
antragsgemäß herabgesetzt.
Mit der Revision rügt das FA die
Verletzung materiellen Rechts. Den Klägern habe der volle
Nachweis oblegen, dass der formell ordnungsgemäße
Eingangsstempel des FA hinsichtlich des Beweises für die
Eingangszeit des Rücknahmeschreibens unrichtig gewesen sei.
Diesen Nachweis hätten sie nicht erbracht. Die im Streitjahr
bezogene Gratifikation und die Erfolgsbeteiligung rührten aus
einem Arbeitsverhältnis her, in dessen Rahmen der Kläger
beitragsfreie Pensionsanwartschaften erworben habe. Der insoweit im
Streitjahr bezogene Arbeitslohn gehöre daher zu den Einnahmen
i.S. des § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 Buchst. a EStG a.F. Dass im
Streitjahr selbst keine Anwartschaften zur Altersversorgung mehr
erdient wurden, sei demgegenüber unbeachtlich.
Das FA beantragt, das Urteil der Vorinstanz
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision
zurückzuweisen.
Sie machen geltend, der Bundesfinanzhof
(BFH) sei an die tatsächlichen Feststellungen des FG zum
Ablauf der Geschehnisse gebunden. Angesichts der vom FA
eingeräumten Stempelpraxis für die sog. Morgenpost
könnten auch Schriftstücke unter den auf den 22.8.2002
eingestellten Eingangsstempel fallen, die tatsächlich erst
zwischen 0.00 Uhr und Dienstbeginn am Folgetag beim FA eingegangen
seien. Insoweit habe das FG zu Recht erkannt, dass der
Eingangsstempel sich als unrichtig erwiesen habe. Für die
Nichtanwendbarkeit der zur Kürzung des Vorwegabzugs
berechtigenden Vorschriften sprächen vor allem deren Wortlaut
sowie das Prinzip der Abschnittsbesteuerung. Zum gleichen Ergebnis
führe daneben aber auch die verfahrensökonomische und
verfassungskonforme Auslegung der im Streit stehenden Rechtsnormen.
Die fiskalisch motivierte Rechtsauffassung des FA bewirke eine
intertemporale Kürzungsverhaftung der Einnahmen aus dem
früheren Dienstverhältnis, die mit dem Wortlaut des
Gesetzes und dessen Vereinfachungszweck nicht zu vereinbaren
sei.
B. Die Revision ist zum wesentlichen Teil
begründet. Sie führt, soweit der Rechtsstreit des
Klägers betroffen ist, zur Aufhebung des angefochtenen Urteils
und zur Abweisung der Klage. Soweit die Revision das Verfahren der
Klägerin betrifft, war neben dem Urteil auch die
Einspruchsentscheidung des FA aufzuheben und die Klage im
Übrigen als unzulässig abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Satz
1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
I. Die seitens der Klägerin erhobene
Klage hat nur teilweise Erfolg, da die Klägerin zwar die
Aufhebung der gegen sie ergangenen Einspruchsentscheidung, nicht
jedoch die Änderung des streitigen Einkommensteuerbescheides
beanspruchen kann. Da die Klägerin gegen die Festsetzung der
Einkommensteuer keinen Einspruch eingelegt hat, ist der
Steuerbescheid mit Ablauf der einmonatigen Einspruchsfrist
bestandskräftig geworden. Die Klage ist daher, soweit sie auf
die Änderung des Einkommensteuerbescheides gerichtet ist,
mangels Durchführung eines Vorverfahrens gemäß
§ 44 Abs. 1 FGO als unzulässig abzuweisen. Die der
rechtswidrigen Einspruchsentscheidung innewohnende Beschwer konnte
die Klägerin durch Erhebung einer isolierten Anfechtungsklage
beseitigen.
1. Nach § 357 Abs. 1 Satz 1 der
Abgabenordnung (AO 1977) ist der Einspruch schriftlich einzureichen
oder zur Niederschrift zu erklären; es genügt, wenn aus
dem Schriftstück hervorgeht, wer den Einspruch eingelegt hat
(Satz 2 der Vorschrift).
Nach ständiger Rechtsprechung des BFH
muss sich aus der Rechtsbehelfsschrift hinreichend klar ergeben,
wer die Verwaltungsentscheidung angreift. Bei Zusammenveranlagung
muss feststehen, welcher Ehegatte sich beschwert fühlt und die
Nachprüfung des Steuerbescheides begehrt. Dabei hat ein von
dem einen Ehegatten eingelegter Rechtsbehelf nicht ohne weiteres
die Wirkung eines auch von dem anderen Ehegatten eingelegten
Rechtsbehelfs. Selbst wenn angenommen würde, dass der den
Rechtsbehelf einlegende Ehegatte bereits aufgrund der gemeinsamen,
von beiden Eheleuten unterschriebenen Einkommensteuererklärung
von dem anderen Ehegatten wirksam zur Vornahme aller im
Besteuerungsverfahren erforderlichen Rechtshandlungen
bevollmächtigt worden wäre, so ist für die wirksame
Rechtsbehelfseinlegung des einen Ehegatten auch für den
anderen erforderlich, dass der das Rechtsmittel führende
Ehegatte unmissverständlich zum Ausdruck bringt, er lege den
Rechtsbehelf auch für den anderen Ehegatten ein (BFH-Urteile
vom 27.11.1984 VIII R 73/82, BFHE 143, 32, BStBl II 1985, 296 = SIS 85 08 43; vom 14.1.1997 VII R 66/96, BFHE 182, 262, DStRE 1997, 570
= SIS 97 12 34; vom 30.10.1997 III R 27/93, BFH/NV 1998, 942; vom
26.8.2004 IV R 68/02, BFH/NV 2005, 553 = SIS 05 15 98; zustimmend
das Schrifttum: Klein/Brockmeyer, AO, 9. Aufl., § 357 Rz 5;
Pahlke/Koenig/Pahlke, Abgabenordnung § 357 Rz 18; Tipke in
Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 357 AO
Rz 13; Dumke in Schwarz, AO, § 357 Rz 25a).
2. Aus dem Einspruchsschreiben wie auch aus
der innerhalb der Einspruchsfrist eingereichten Begründung
geht nicht hervor, dass der Einspruch auch für die
Klägerin eingelegt werden sollte. Der in den Schreiben
verwendete Briefkopf, die Ich-Form, die Unterschrift sowie die
Namensangabe unter dem Schreiben sprechen vielmehr erkennbar
für eine Einspruchseinlegung allein durch den Kläger.
3. Liegt danach ein Einspruch der
Klägerin nicht vor, sind die Sachentscheidungsvoraussetzungen
des § 44 Abs. 1 FGO nicht etwa schon deshalb erfüllt,
weil das FA die Einspruchsentscheidung unzutreffend auch gegen die
Klägerin gerichtet hat. Die Einspruchsentscheidung ist
vielmehr rechtswidrig (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 8.4.1998 VIII R
14/95, BFH/NV 1999, 145 = SIS 98 50 02). Weder kann der
fehlerhaften Einspruchsentscheidung eine konkludente Zustimmung des
FA zur Sprungklage entnommen werden, noch kann auf die
Durchführung eines Vorverfahrens durch rügelose
Einlassung des FA verzichtet werden (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV
2005, 553 = SIS 05 15 98).
4. Gleichwohl war die Klage der Klägerin
nicht in vollem Umfang als unzulässig abzuweisen. Denn der im
finanzgerichtlichen Verfahren gestellte Klageantrag, der auf die
Änderung des Einkommensteuerbescheides in Gestalt der
Einspruchsentscheidung gerichtet war, hatte bei sachgerechter
Auslegung zugleich das Begehren der Klägerin auf (isolierte)
Aufhebung der gegen sie gerichteten Einspruchsentscheidung zum
Inhalt. Insoweit ist ihr Klageantrag begründet. Die
Einspruchsentscheidung vom 5.12.2002 durfte nicht gegen die
Klägerin ergehen, weil diese keinen Einspruch eingelegt
hatte.
Das dem Klagebegehren in vollem Umfang
stattgebende Urteil des FG ist daher, soweit es gegenüber der
Klägerin ergangen ist, aufzuheben. Die Sache ist insoweit
spruchreif. Der Senat kann - was im angefochtenen Urteil zwar dem
Sinn nach, nicht aber ausdrücklich geschehen ist -
klarstellend aussprechen, dass die gegen die Klägerin
gerichtete Einspruchsentscheidung aufgehoben wird (vgl. BFH-Urteil
in BFH/NV 2005, 553 = SIS 05 15 98).
II. Hinsichtlich des vom Kläger
betriebenen Klageverfahrens ist das stattgebende Urteil des FG
aufzuheben und die Klage als unbegründet abzuweisen. Der
angefochtene Einkommensteuerbescheid in Gestalt der
Einspruchsentscheidung verletzt den Kläger nicht in seinen
Rechten.
1. Der erkennende Senat tritt der Vorinstanz
darin bei, dass die strittige Einkommensteuerfestsetzung nicht
durch Rücknahme des Einspruchs bestandskräftig geworden
ist.
Nach Ansicht des FG war die
Rücknahmeerklärung des Klägers vom 21.8.2002
unbeachtlich, weil sie dem FA erst zu einem Zeitpunkt zugegangen
war, als der Kläger die Rücknahme bereits wirksam
widerrufen hatte. Die dieser Auffassung zugrunde liegende
tatsächliche Würdigung des Geschehensablaufs sowie die
daraus gezogenen rechtlichen Schlussfolgerungen lassen keine
Rechtsfehler erkennen.
a) Nach § 362 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 kann
der Einspruch bis zur Bekanntgabe der Entscheidung über den
Einspruch zurückgenommen werden. Die Rücknahme hat den
Verlust des eingelegten Einspruchs zur Folge (§ 362 Abs. 3
Satz 1 AO 1977). Auf die Rücknahme des Einspruchs ist §
357 Abs. 1 und 2 AO 1977 sinngemäß anzuwenden (§
362 Abs. 1 Satz 2 AO 1977). Aus diesem Verweis ergibt sich unter
anderem auch, dass die Rücknahme schriftlich einzureichen oder
zur Niederschrift zu erklären und dass sie bei der
Behörde anzubringen ist, deren Verwaltungsakt angefochten
worden ist. Daraus folgt, dass die Erklärung über die
Rücknahme des Einspruchs nach § 362 AO 1977 erst wirksam
wird, wenn sie der zuständigen Finanzbehörde zugeht.
b) Sowohl im Schrifttum als auch in der
Rechtsprechung der Finanzgerichte wird die Auffassung vertreten,
dass eine bereits abgegebene, der zuständigen Behörde
aber noch nicht zugegangene Rücknahmeerklärung von dem
Einspruchsführer durch Abgabe einer gegenläufigen
Erklärung widerrufen werden kann. In einem solchen Falle soll
der eingelegte Einspruch aufrechterhalten bleiben, wenn der
Widerruf der Behörde vor oder spätestens zeitgleich mit
der Erklärung über die Rücknahme zugeht (vgl. dazu
neben der Vorinstanz auch FG München, Urteil vom 16.3.1999 12
K 616/94, EFG 1999, 654; Birkenfeld in Hübschmann/Hepp/
Spitaler - HHSp -, § 362 AO Rz 102; Dumke in Schwarz, a.a.O.,
§ 362 Rz 7; ähnlich v.Wedel in Beermann/Gosch, AO §
362 Rz 12).
Der erkennende Senat schließt sich
dieser Auffassung an.
aa) Zum einen gelten für die Auslegung,
den Zugang und das Wirksamwerden der Einspruchsrücknahme die
für empfangsbedürftige Willenserklärungen
bestehenden Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB)
entsprechend (BFH-Entscheidungen vom 8.6.2000 IV R 37/99, BFHE 193,
85, BStBl II 2001, 162 = SIS 01 02 72, und vom 3.4.2002 IX B
151/01, BFH/NV 2002, 900 = SIS 02 69 08; Birkenfeld in HHSp, §
362 AO Rz 15, m.w.N.). § 130 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 BGB
bestimmt in diesem Zusammenhang ausdrücklich, dass eine
Willenserklärung, die einer Behörde gegenüber
abzugeben ist, nicht wirksam wird, wenn der Behörde vorher
oder gleichzeitig ein Widerruf zugeht.
bb) Zum anderen wird die Rücknahme
aufgrund der mit ihr verbundenen unmittelbaren Gestaltungswirkung
auf das Einspruchsverfahren nach allgemeiner Ansicht jedenfalls
dann nicht wirksam erklärt, wenn der Einspruchsführer in
der Rücknahmeerklärung widersprüchliche Angaben zur
Reichweite der Rücknahme gemacht oder die Rücknahme mit
einer Bedingung verknüpft hat (vgl. Tipke in Tipke/Kruse,
a.a.O., § 362 AO Rz 6; Klein/Brockmeyer, a.a.O., § 362 Rz
4). Der Sachverhalt stellt sich aus Sicht der Behörde nicht
anders dar, wenn sich vergleichbare Einschränkungen zwar nicht
aus dem Rücknahmeschreiben selbst, wohl aber aus einem
weiteren Schriftstück des Einspruchsführers ergeben. Das
gilt insbesondere dann, wenn dieses zweite Schreiben seinem Sinn
nach die Rücknahme für hinfällig erklärt, die
Absicht zur Fortsetzung des Einspruchsverfahrens erkennen
lässt und der Finanzbehörde im Zeitpunkt des Zugangs der
Rücknahme bereits vorliegt oder ihr jedenfalls zeitgleich mit
der Rücknahme zugegangen ist.
cc) Ist danach der vorherige oder
gleichzeitige Widerruf der Einspruchsrücknahme
grundsätzlich möglich, so ist für die Wirksamkeit
des Widerrufs ferner zu beachten, dass sowohl für die
Rücknahme- als auch für die Widerrufserklärung die
bürgerlich-rechtlichen Regelungen über den Zugang
empfangsbedürftiger Willenserklärungen entsprechend
gelten. Danach ist eine empfangsbedürftige
Willenserklärung in dem Zeitpunkt zugegangen, in dem die
zuständige Finanzbehörde zu den
behördenüblichen Zeiten die Möglichkeit der
Kenntnisnahme vom Inhalt des Schriftstücks erhalten konnte
(vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2002, 900 = SIS 02 69 08). Das ist
indessen noch nicht mit dem Einsortieren der Sendung in das
Postschließfach der Behörde der Fall; an die
Postfachanschrift des FA gerichtete Schreiben gehen vielmehr erst
mit der Abholung der Sendung durch einen Amtsträger der
Behörde zu (Birkenfeld in HHSp, § 362 AO Rz 23). Wird das
Schriftstück der Behörde dagegen per Telefax
übermittelt, ist regelmäßig bereits mit seiner
vollständigen Übermittlung an das Empfangsgerät des
FA von der Möglichkeit zur Kenntnisnahme auszugehen, sofern in
der Behörde zu diesem Zeitpunkt noch Dienstbetrieb
herrscht.
c) Unter Anwendung dieser
Rechtsgrundsätze hat das FG das tatsächliche Geschehen
des Streitfalls dahingehend gewürdigt, dass dem FA das den
Widerruf enthaltende Computerfax vom 22.8.2002 zeitlich eher
zugegangen ist als die Rücknahmeerklärung des
Klägers vom 21.8.2002. An diese Feststellungen ist der
erkennende Senat gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO). Sie enthalten
keinen Rechtsirrtum, verstoßen nicht gegen Denkgesetze oder
Erfahrungssätze und beruhen auch nicht auf einem
Verfahrensmangel.
aa) Dass die Widerrufserklärung dem FA
noch am 22.8.2002 zugegangen war, wird bereits durch die auf eine
Übertragung am frühen Nachmittag dieses Tages
hindeutenden Sende- und Empfangsvermerke der beiden an dem
Übermittlungsvorgang beteiligten Faxgeräte hinreichend
plausibel belegt und vom FA im Übrigen auch nicht
substantiiert in Abrede gestellt.
bb) Soweit das FG aus der Adressierung an die
Postfachanschrift des FA und aus verschiedenen anderen sich aus der
Darstellung des Klägers ergebenden Anhaltspunkten darauf
geschlossen hat, dass das vom Kläger mit Datum vom 21.8.2002
erstellte Rücknahmeschreiben erst in den Morgenstunden des
23.8.2002 aus dem bei der Briefpost unterhaltenen Postfach des FA
entnommen worden ist, ist die Beweiswürdigung schlüssig.
Dass der angenommene Geschehensablauf denkgesetzlich ausgeschlossen
sei, hat auch das FA nicht behauptet.
cc) Entgegen der Ansicht des FA ist es aus
Rechtsgründen nicht zu beanstanden, dass das FG dem Umstand,
dass das FA die Rücknahmeerklärung (ebenfalls) mit seinem
Eingangsstempel vom 22.8.2002 versehen hatte, nur den Beweiswert
beigemessen hat, das Schriftstück sei der Finanzbehörde
in dem Zeitraum zwischen der Umstellung des Stempeldatums vom
21.8.2002 auf den 22.8.2002 und der Umstellung des Stempeldatums
vom 22.8.2002 auf den Folgetag zugegangen und könne daher auch
erst in den Morgenstunden des 23.8.2002 aus dem Postfach des FA
entnommen worden sein.
Nach ständiger höchstrichterlicher
Rechtsprechung kommt dem Eingangsstempel der Finanzbehörden
als öffentlicher Urkunde im Rahmen freier richterlicher
Beweiswürdigung ein hoher Beweiswert zu. Im Regelfall erbringt
er nach allgemeinen Erfahrungssätzen den vollen Beweis
für die darin beurkundeten Tatsachen (BFH-Entscheidungen vom
19.7.1995 I R 87, 169/94, BFHE 178, 303, BStBl II 1996, 19 = SIS 96 03 46; vom 17.10.1972 VIII R 36-37/69, BFHE 108, 141, BStBl II
1973, 271 = SIS 73 01 52; vom 12.3.1998 III B 9/97, BFH/NV 1998,
1232 = SIS 98 16 99; vom 9.8.2004 VI B 79/02, BFH/NV 2004, 1548 =
SIS 04 38 96). Indessen kann die Beweiskraft nur so weit reichen,
wie die zur Beurkundung befugte Person die Tatsachen selbst
verwirklicht oder aufgrund eigener Wahrnehmung zutreffend
festgestellt hat (vgl. § 418 Abs. 3 der Zivilprozessordnung -
ZPO - ; vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom
20.2.1992 2 BvR 884/91, NJW Rechtsprechungs-Report Zivilrecht -
NJW-RR - 1992, 1084; Entscheidungen des BFH vom 8.6.2005 X B 54/04,
BFH/NV 2005, 1620 = SIS 05 37 70, sowie des Bundesgerichtshofs -
BGH - vom 6.5.2004 IX ZB 43/03, NJW 2004, 2386 = SIS 04 28 91, und
vom 13.10.1993 XII ZR 120/92, NJW-RR 1994, 564; Zöller/Geimer,
ZPO, 26. Aufl., § 418 Rz 3).
Steht daher - wie im Streitfall - fest, dass
der mit der Kennzeichnung der eingehenden Postsendungen mit dem
Eingangsstempel betraute Beamte des FA sämtliche bis zum
Dienstbeginn dem Hausbriefkasten, dem Postfach und dem
Telefaxgerät entnommenen Schriftstücke mit dem Datum des
Vortages versehen und den Eingangsstempel erst nach Bearbeitung
dieser Eingänge taggenau auf das Datum des jeweiligen
Arbeitstages umgestellt hat, so erbringt der Eingangsstempel vom
22.8.2002 den genannten Beweis lediglich für die Tatsache,
dass der den Stempel führende Bedienstete das
Rücknahmeschreiben zu einem nicht näher spezifizierten
Zeitpunkt innerhalb der Zeitspanne vom Dienstbeginn am 22.8.2002
bis zum Dienstbeginn am 23.8.2002 in der Eingangspost des FA
vorgefunden hat. Dazu steht die vom FG vorgenommene Würdigung
des tatsächlichen Geschehensablaufs nicht in Widerspruch.
2. Nicht beizutreten ist der Auffassung des
FG, dem Kläger sei der Vorwegabzug ungekürzt zu belassen,
weil sein früherer Arbeitgeber die persönliche
Gratifikation sowie die Erfolgsbeteiligung im Streitjahr ohne
Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen ausgezahlt und
der Kläger auch nicht zum Personenkreis des § 10c Abs. 3
Nr. 1 oder 2 EStG gehört habe.
Das FA hat den Vorwegabzug zu Recht
gekürzt. Der Kläger hatte auf der Grundlage des
früher bestehenden Beschäftigungsverhältnisses einen
persönlichen Versorgungsstatus erreicht, der nach Wortlaut,
Systematik und Sinn der gesetzlichen Vorschriften in dem Umfang, in
dem dem Kläger aufgrund dieses
Beschäftigungsverhältnisses Arbeitslohn aus
nichtselbständiger Tätigkeit - mit Ausnahme von
Versorgungsbezügen - zufließt, einen Vorwegabzug
ausschließt. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitslohn
nachträglich in einem späteren Veranlagungszeitraum
ausgezahlt wird, in dessen Verlauf Ausgaben des Arbeitgebers
für die Zukunftssicherung des Klägers i.S. des § 3
Nr. 62 EStG nicht mehr erbracht oder Ansprüche und
Anwartschaften auf Altersversorgung i.S. des § 10c Abs. 3 Nr.
1 oder 2 EStG nicht mehr erworben werden.
a) Vorsorgeaufwendungen werden nach § 10
Abs. 3 EStG a.F. „je Kalenderjahr“ mit
bestimmten Höchstbeträgen, unter anderem mit einem
Grundhöchstbetrag und mit einem Vorwegabzug von - bezogen auf
den Streitfall - 12.000 DM berücksichtigt. Der Vorwegabzug ist
gemäß Nr. 2 Satz 2 dieser Vorschrift zu kürzen um
16 v.H. der Summe der Einnahmen
-
|
aus nichtselbständiger Arbeit i.S. des
§ 19 EStG - ohne Versorgungsbezüge i.S. des § 19
Abs. 2 EStG -, „wenn für die Zukunftssicherung des
Steuerpflichtigen Leistungen i.S. des § 3 Nr. 62 (EStG)
erbracht werden oder der Steuerpflichtige zum Personenkreis des
§ 10c Abs. 3 Nr. 1 oder 2 (EStG) gehört“
(Buchst. a), sowie
|
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„aus der Ausübung eines Mandats
im Sinne des § 22 Nr. 4 (EStG)“ (Buchst. b).
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§ 10c Abs. 3 Nrn. 1 und 2 EStG
umschreiben einen Personenkreis von Arbeitnehmern, „die
während des ganzen oder eines Teils des
Kalenderjahrs“
-
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„in der gesetzlichen
Rentenversicherung versicherungsfrei oder auf Antrag des
Arbeitgebers von der Versicherungspflicht befreit waren und denen
für den Fall ihres Ausscheidens aus der Beschäftigung auf
Grund des Beschäftigungsverhältnisses eine
lebenslängliche Versorgung oder an deren Stelle eine Abfindung
zusteht oder die in der gesetzlichen Rentenversicherung
nachzuversichern sind“ (Nr. 1 der Vorschrift) oder
die
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„nicht der gesetzlichen
Rentenversicherungspflicht unterliegen, eine Berufstätigkeit
ausgeübt und im Zusammenhang damit auf Grund vertraglicher
Vereinbarungen Anwartschaftsrechte auf eine Altersversorgung ganz
oder teilweise ohne eigene Beitragsleistung erworben
haben“ (Nr. 2 der Vorschrift).
|
Zum Personenkreis des § 10c Abs. 3 EStG
gehören mithin diejenigen Steuerpflichtigen, die für ihre
Absicherung im Alter nicht in vollem Umfang selbst aufkommen
müssen, weil jedenfalls auch ihr Arbeitgeber Vorsorge für
ihre Altersversorgung trifft.
b) Der Vorwegabzug hat den Sinn, - nur - jenen
Steuerpflichtigen eine zusätzliche Steuerentlastung zu
gewähren, die im Gegensatz zu Arbeitnehmern und Beamten ihre
gesamte Altersvorsorge aus eigenem Einkommen finanzieren
müssen (BVerfG-Urteil vom 6.3.2002 2 BvL 17/99, BVerfGE 105,
73, BStBl II 2002, 618 = SIS 02 04 93, unter C.V.1.b der
Gründe, unter Bezugnahme auf BTDrucks 3/2573, S. 17, 21;
BTDrucks 8/292, S. 21; s. ferner BTDrucks 11/2157, S. 144;
BFH-Entscheidungen vom 16.10.2002 XI R 25/01, BFHE 200, 554, BStBl
II 2004, 546 = SIS 03 07 68, und vom 5.7.2005 XI B 101/04, BFH/NV
2005, 1854 = SIS 05 41 12; Kulosa in Herrmann/Heuer/ Raupach,
§ 10 EStG Anm. 362). Bei Steuerpflichtigen, die nicht der
gesetzlichen Rentenversicherungspflicht unterliegen, denen jedoch
ohne eigene Beitragsleistung eine betriebliche Pensionsanwartschaft
zugesagt wird, soll der Vorwegabzug gekürzt werden (vgl.
BTDrucks 8/292, S. 21). Korrespondierend hiermit steht den
Steuerpflichtigen, die ihre Altersversorgung in voller Höhe
selbst finanzieren müssen, der Vorwegabzug ungekürzt zu
(vgl. auch BTDrucks 11/2157, S. 144; Senatsurteil vom 26.9.2006 X R
3/05, DStR 2007, 102, BFH/NV 2007, 323 = SIS 07 03 11, zur
Veröffentlichung bestimmt, m.w.N.). Daher wird der Vorwegabzug
zunächst zwar allen Steuerpflichtigen in voller Höhe
gewährt; anschließend wird er in einem zweiten Schritt
jedoch bei dem Personenkreis gekürzt, der nach der Wertung des
Gesetzgebers einer solchen Begünstigung ganz oder teilweise
nicht bedarf (BFH-Urteil vom 16.10.2002 XI R 61/00, BFHE 200, 540,
BStBl II 2003, 183 = SIS 03 10 89, m.w.N.).
c) Der erkennende Senat hat mit Urteilen vom
17.5.2006 X R 19/05 (BFH/NV 2006, 2049 = SIS 06 41 43) und vom
26.9.2006 X R 7/05 (BFH/NV 2007, 34 = SIS 06 48 09) entschieden,
dass der Vorwegabzug zu kürzen ist, wenn der Arbeitslohn aus
einem aktiven Beschäftigungsverhältnis stammt, in dessen
Rahmen der Steuerpflichtige durch Ausgaben des Arbeitgebers
für seine Zukunftssicherung i.S. des § 3 Nr. 62 EStG oder
durch den Erwerb von Altersversorgungsansprüchen i.S. des
§ 10c Abs. 3 Nr. 1 oder 2 EStG begünstigt worden ist.
Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitslohn nachträglich in
einem späteren Veranlagungszeitraum ausgezahlt wird, in dessen
Verlauf derartige Ausgaben nicht mehr erbracht oder derartige
Ansprüche und Anwartschaften nicht mehr erworben werden (in
diesem Sinne bereits BFH-Urteile vom 4.3.1998 X R 109/95, BFH/NV
1998, 1466, und vom 3.12.2003 XI R 11/03, BFHE 204, 461, BStBl II
2004, 709 = SIS 04 13 67).
Es entspricht der Absicht des Gesetzgebers,
aus dem Umstand, dass überhaupt Zukunftssicherungsleistungen
i.S. des § 3 Nr. 62 EStG erbracht oder Anwartschaftsrechte auf
eine Altersversorgung ohne eigene Beitragsleistung erworben werden,
im Wege einer generalisierenden Regelung darauf zu schließen,
dass ein weiterer Vorwegabzug nicht geboten ist (vgl. BFH-Urteile
vom 16.10.2002 XI R 71/00, BFHE 200, 544, BStBl II 2003, 343 = SIS 03 17 04, und in BFHE 200, 540, BStBl II 2003, 183 = SIS 03 10 89).
Dieser pauschalierende Gedanke greift auch in Fällen, in denen
zeitlich nach Beendigung des mit der Gewährung
vorwegabzugsschädlicher Vorteile verbundenen
Beschäftigungsverhältnisses Arbeitslohn ausgezahlt wird,
der - wie im Streitfall die Gratifikation und die
Erfolgsbeteiligung - mit der früheren aktiven Tätigkeit
in engem wirtschaftlichen Zusammenhang steht. Für diese
Auslegung spricht zudem, dass sie die bisherige
höchstrichterliche Rechtsprechung zu § 10 Abs. 3 Nr. 2
Satz 2 Buchst. a EStG a.F. sachgerecht fortentwickelt. Wegen der
weiteren Begründung wird auf die Urteile in BFH/NV 2006, 2049
= SIS 06 41 43 und in BFH/NV 2007, 34 = SIS 06 48 09 Bezug
genommen.
d) An dieser Auffassung hält der Senat
fest.
aa) Die Auffassung des Senats wird durch den
Wortlaut des § 10 Abs. 3 EStG a.F. und des § 10c EStG
gestützt, die durch eine Verweisung zu einem Regelungsverbund
verklammert sind.
Zwar könnte die Formulierung des §
10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 Buchst. a EStG a.F. in der Zeitform der
Gegenwart („wenn ... Leistungen ... erbracht
werden“) im Kontext mit dem einleitenden Hinweis auf das
Kalenderjahr die vom Kläger beanspruchte, dem
Jahressteuerprinzip (§ 2 Abs. 7 EStG) folgende Auslegung
nahelegen, dass vorwegabzugsschädlich nur solche Leistungen
des Arbeitgebers zur Altersvorsorge sind, die in demjenigen
Veranlagungszeitraum erbracht werden, für den der Abzug der
Vorsorgeaufwendungen begehrt wird. Ein solches Verständnis ist
indes nicht zwingend. Denn die Bezugnahme auf das Kalenderjahr kann
sich in der Regelung eines Zeitrahmens für den
Höchstbetrag erschöpfen. Dann aber ist der im
Präsens gehaltene Wortlaut des § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2
Buchst. a Halbsatz 2 EStG a.F. dahin zu verstehen, dass die
fraglichen Leistungen und Ansprüche vom Arbeitgeber im Rahmen
des konkreten Beschäftigungsverhältnisses erbracht bzw.
eingeräumt werden müssen und aufgrund dieser
Verpflichtung auch tatsächlich - zu irgendeinem Zeitpunkt -
erbracht oder eingeräumt werden (in diesem Sinne auch
BFH-Urteil vom 21.1.2004 XI R 38/02, BFHE 205, 419, BStBl II 2004,
650 = SIS 04 22 12, unter II.2.d der Gründe).
Diese Deutung wird bestätigt durch die
Tatbestandselemente des Gesetzeswortlauts, die den
Versorgungsstatus des Steuerpflichtigen, auf den nach dem bereits
dargelegten Sinn der hier streitigen Vorschriften die Kürzung
des Vorwegabzugs abhebt, beschreiben. So nimmt § 10 Abs. 3
Satz 2 Nr. 2 Buchst. a EStG a.F. Bezug auf den durch § 10c
Abs. 3 Nr. 1 und 2 EStG definierten
„Personenkreis“. Dieser wird durch den
Einleitungssatz des § 10c Abs. 3 EStG zunächst dadurch
gekennzeichnet, dass für ihn „während des ganzen
oder eines Teils des Kalenderjahrs“ keine
Sozialversicherungsbeiträge gezahlt werden. Eine weitere
Eingrenzung normiert das Gesetz mittels zusätzlicher
(„und“) Bezugnahme auf Merkmale, mit denen ein
personenbezogener Sicherungsstatus beschrieben wird. In diesem
Zusammenhang sind rechtserheblich
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der Anspruch auf eine lebenslängliche
Versorgung „auf Grund des
Beschäftigungsverhältnisses“ im Falle des
Ausscheidens aus diesem,
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der Anspruch auf eine die genannte
lebenslängliche Versorgung ersetzende Abfindung,
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der Anspruch auf Nachversicherung in der
gesetzlichen Rentenversicherung oder
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die im Zusammenhang mit einer ausgeübten
Berufstätigkeit vertraglich erworbenen Anwartschaftsrechte auf
eine Altersversorgung.
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Alle diese Merkmale beschreiben
unterschiedliche Versorgungssituationen, denen indes gemeinsam ist,
dass sie ihren Rechtsgrund in einer in der Vergangenheit - vor dem
jeweiligen Veranlagungszeitraum - ausgeübten
Berufstätigkeit („auf Grund des
Beschäftigungsverhältnisses“) haben, und die
sich in künftigen bzw. gegenwärtigen Ansprüchen oder
Anwartschaftsrechten konkretisieren und dadurch den
Versorgungsstatus der Steuerpflichtigen nachhaltig verbessern. Es
reicht hiernach aus, dass den Steuerpflichtigen ein
Versorgungsanspruch oder eine Anwartschaft auf Altersversorgung
„zusteht“ oder dass sie einen derartigen Status
- § 10c Abs. 3 Nr. 2 EStG verwendet die Vergangenheitsform des
Perfekt - „erworben haben“. Insbesondere
letztere Formulierung verweist auf eine in die Gegenwart
hineinwirkende Verwirklichung zeitlich vor dem
Veranlagungszeitraum, für den der Abzug von
Vorsorgeaufwendungen als Sonderausgaben begehrt wird. Hieraus folgt
- bezogen auf den Streitfall - im Umkehrschluss, dass eine aufgrund
eines Beschäftigungsverhältnisses oder einer
Berufstätigkeit verbesserte Versorgungssituation nicht
deswegen ihre wirtschaftliche und rechtliche Bedeutung verliert,
weil das Beschäftigungsverhältnis, aufgrund dessen
Zukunftssicherungsleistungen nach § 3 Nr. 62 EStG erbracht
worden sind, geendet hat und solche Leistungen aktuell nicht mehr
zu zahlen sind.
bb) Dieser Auslegung nach dem Wortlaut
entspricht es, dass § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 Buchst. b EStG
a.F., der in sachlichem Zusammenhang mit dem vorangegangenen
Buchst. a und mit § 10c EStG steht, lediglich auf den Zufluss
von Einnahmen „aus der Ausübung eines
Mandats“ abstellt, ohne dass vorausgesetzt würde,
dass das Mandat im Zeitpunkt des Zuflusses noch besteht. Es liegt
auf der Hand, dass etwa die in § 22 Nr. 4 EStG erwähnten
Versorgungsabfindungen, Nachversicherungsbeiträge,
Übergangs- und Überbrückungsgelder dem
Steuerpflichtigen erst nach Beendigung des Mandats zufließen.
Ihre wirtschaftliche Bedeutung für den Versorgungsstatus des
ausgeschiedenen Abgeordneten hängt nicht davon ab, in welchen
Veranlagungszeitraum der Zufluss fällt.
cc) Die anhand des Wortlauts und der
gesetzlichen Systematik gewonnene Rechtsauffassung des Senats
entspricht dem dargelegten Zweck der Vorschriften zum Vorwegabzug
(vorstehend zu 2.b) und findet ihre Bestätigung durch die
historische Gesetzesentwicklung.
aaa) Die Umschreibung des von der Kürzung
betroffenen Personenkreises sowie den Umfang der Kürzung hat
der Gesetzgeber in der Vergangenheit wiederholt geändert. So
wurde bei Arbeitnehmern der Vorwegabzug nach § 10 Abs. 3 Nr. 2
Satz 2 Buchst. a EStG in der bis zum Veranlagungszeitraum 1989
geltenden Fassung zunächst um den vom Arbeitgeber
tatsächlich geleisteten gesetzlichen Beitrag zur gesetzlichen
Rentenversicherung sowie um vergleichbare Zuschüsse
gekürzt; bei Steuerpflichtigen, die einem Personenkreis
angehörten, der im Wesentlichen demjenigen des heutigen §
10c Abs. 3 Nr. 1 oder 2 EStG vergleichbar war, verminderte sich der
Vorwegabzug um einen bestimmten Vomhundertsatz der Einnahmen aus
der Beschäftigung oder Tätigkeit.
bbb) Zum Zwecke der Vereinfachung für den
Steuerpflichtigen und für die Finanzverwaltung hat der
Gesetzgeber diese Kürzung im Zuge des Steuerreformgesetzes
(StRG) 1990 vom 25.7.1988 (BGBl I 1988, 1093, BStBl I 1988, 224) in
ein pauschaliertes Verfahren umgewandelt, in dem sich der
Kürzungsbetrag wegen Entlastung bei der Alters- und
Krankenversorgung von einer einheitlichen Bemessungsgrundlage mit
unterschiedlichen Vomhundertsätzen errechnete.
Maßgeblich war seither nicht mehr die Entlastung im konkreten
Einzelfall. Die Höhe des Vomhundertsatzes hing vom jeweiligen
Altersversorgungs- und Krankenversicherungssystem ab (vgl. BTDrucks
11/2157, S. 144 f.). Bemessungsgrundlage für alle
Kürzungstatbestände war nach § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz
2 Halbsatz 2 EStG i.d.F. des StRG 1990 der Arbeitslohn aus der
Beschäftigung, „mit der die Alters- oder
Krankenversorgung zusammenhängt“.
ccc) Da der Gesetzgeber feststellen musste,
dass durch die Neuregelung der erhoffte Vereinfachungszweck unter
Berücksichtigung der Belange der Automation der
Finanzverwaltung nicht eingetreten war, wurde die
Kürzungsregelung durch das Missbrauchsbekämpfungs- und
Steuerbereinigungsgesetz (StMBG) vom 21.12.1993 (BGBl I 1993, 2310,
BStBl I 1994, 50) erneut geändert und damit in die hier
auslegungsbedürftige Fassung überführt. Ziel der
Änderung war es, die Kürzung des
Sonderausgaben-Vorwegabzugs durch eine pauschalierende und
typisierende Regelung grundlegend zu vereinfachen und den
Kürzungssatz einheitlich auf 16 v.H. festzulegen (BTDrucks
12/5630, S. 57 f.; BTDrucks 12/5764, S. 18 f.).
Dabei gingen zunächst sowohl der
Gesetzentwurf der damaligen Koalitionsfraktionen (BTDrucks 12/5630,
S. 8) als auch der Gesetzentwurf der Bundesregierung (BTDrucks
12/5764, S. 7) von folgendem Wortlaut des § 10 Abs. 3 Nr. 2
Satz 2 EStG aus:
„Diese Beträge sind um 16 vom
Hundert der Summe der Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit
nach § 19 (EStG), ausgenommen solcher nach § 19 Abs. 2
Satz 2 (EStG), und aus Mandatsausübung nach § 22 Nr. 4
(EStG) zu kürzen“.
Nach der im Entwurf gebrauchten Formulierung
hätte sich die Kürzungsregelung also auf sämtliche
nicht als Versorgungsbezüge einzustufenden
Arbeitslohnzahlungen und damit offenkundig auch auf die hier
streitige Fallgestaltung der nachträglichen Zahlung
erstreckt.
Die in der endgültigen Gesetzesfassung
des StMBG eingefügte Einschränkung:
„wenn für die Zukunftssicherung
des Steuerpflichtigen Leistungen im Sinne des § 3 Nr. 62
(EStG) erbracht werden oder der Steuerpflichtige zum Personenkreis
des § 10c Abs. 3 Nr. 1 oder 2 (EStG)
gehört“,
beruhte auf einer Beschlussempfehlung des
Finanzausschusses. Mit ihr war die Absicht verfolgt worden,
Steuerpflichtige von der Kürzung des Vorwegabzugs auszunehmen,
„denen Anwartschaftsrechte auf Altersversorgung ohne
eigene Beitragsleistung nicht zustehen“ (BTDrucks
12/6078, S. 121). Der Beschlussempfehlung lässt sich jedoch
nichts dafür entnehmen, dass mit ihr insgesamt zu der vor 1990
geltenden Regelung zurückgekehrt und die Kürzung von der
Entlastungswirkung der im gleichen Kalenderjahr erbrachten
Arbeitgeberleistungen im konkreten Einzelfall abhängig gemacht
werden sollte.
ddd) Es gibt mithin keine Anhaltspunkte
dafür, dass der Gesetzgeber durch die Neufassung des § 10
Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 EStG ab dem Veranlagungszeitraum 1993 von der
bis einschließlich 1992 bestehenden Anknüpfung der
Kürzung an das Beschäftigungsverhältnis
abrücken wollte. Wie der Gesetzesbegründung zu entnehmen
ist (BTDrucks 12/5764, S. 18 f.), bezweckte die
Gesetzesänderung durch das StMBG vielmehr nur eine aus
technischen Gründen der Datenerfassung notwendig gewordene
Vereinfachung der Kürzung des Vorwegabzugs in der Weise, dass
nunmehr vor allem ein einheitlicher prozentualer Kürzungssatz
eingeführt und auf eine zeitanteilige Berechnung verzichtet
werden sollte.
dd) Für die Auslegung des Senats spricht
schließlich auch, dass es anderenfalls in den von der
Streitfrage betroffenen Fällen allein vom Zeitpunkt der
Zahlung und damit unter Umständen von bloßen
Zufälligkeiten abhinge, ob sich die Einnahme auf die Höhe
des Vorwegabzugs auswirkt oder nicht. Erfolgte die Auszahlung noch
im gleichen Kalenderjahr, in dem der Steuerpflichtige letztmals
laufenden Arbeitslohn bezogen hat, würde die
Bemessungsgrundlage für die Kürzung dadurch in voller
Höhe verbreitert, während es beim ungeminderten
Vorwegabzug zu bleiben hätte, wenn die (Nach-)Zahlung erst im
folgenden Veranlagungszeitraum zufließt. Eine solche
Unterscheidung wäre im Hinblick darauf, dass bereits die
Zahlung als solche - unabhängig vom Zeitpunkt ihrer Vornahme -
in Zusammenhang mit einem Beschäftigungsverhältnis steht,
dessentwegen der Steuerpflichtige aufgrund erbrachter
Arbeitgeberleistungen zur Zukunftssicherung oder aufgrund vom
Arbeitgeber erworbener Anwartschaften auf Altersversorgung
gegenüber Selbständigen bereits begünstigt ist,
nicht sachgerecht.
e) Entgegen der Auffassung des FG steht diese
Auslegung nicht im Widerspruch zu dem in den Entscheidungen des BFH
in BFHE 204, 461, BStBl II 2004, 709 = SIS 04 13 67 und vom
26.2.2004 XI R 54/03 (BFHE 205, 442, BStBl II 2004, 720 = SIS 04 23 45) herangezogenen Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 des
Grundgesetzes.
Zutreffend ist zwar, dass die systematische
Unterscheidung der Einkunftsarten in § 2 Abs. 1 EStG nach der
Rechtsprechung des BVerfG, der sich der BFH angeschlossen hat, eine
Ungleichbehandlung in den (steuerlichen) Rechtsfolgen nicht
rechtfertigen kann (BVerfG-Beschluss vom 30.9.1998 2 BvR 1818/91,
BVerfGE 99, 88, FR 1998, 1028 = SIS 98 23 05, unter B.I.2. der
Gründe). Unrichtig ist indessen die These des FG, der
Steuerpflichtige werde durch die genannte Auslegung allein deshalb
schlechter gestellt, weil seine nicht
sozialversicherungspflichtigen Einnahmen der Einkunftsart der
nichtselbständigen Arbeit zugeordnet seien. Dass der
Steuerpflichtige aufgrund der empfangenen (Nach-)Zahlung eine
Kürzung des Vorwegabzugs hinnehmen muss, die er vermieden
hätte, wenn er statt der (Nach-) Zahlung eine einer anderen
Einkunftsart zuzurechnende Einnahme hätte verbuchen
können, hat seinen Grund nicht in der Zuordnung zu der
Einkunftsart der „nichtselbständigen
Arbeit“ an sich. Die Unterscheidung beruht vielmehr auf
dem Umstand, dass der Steuerpflichtige wegen der nur bei dieser
Einkunftsart (und in ähnlicher Form bei den ebenfalls von der
Kürzungsregelung betroffenen Abgeordnetenbezügen i.S. des
§ 22 Nr. 4 EStG) zu erbringenden Arbeitgeberleistungen eines
ungekürzten Vorwegabzugs nicht bedarf. Diese Überlegung
gilt auch dann, wenn diese Arbeitgeberleistungen oder die
vergleichbaren Ansprüche auf Altersversorgung nur im Rahmen
eines aktiven Beschäftigungsverhältnisses in der
Vergangenheit erbracht oder eingeräumt worden sind und die
spätere (Nach-)Zahlung in wirtschaftlicher Hinsicht gerade im
Rahmen dieses aktiven Beschäftigungsverhältnisses erdient
worden ist.
f) Nach den zwischen den Beteiligten
unstreitigen Feststellungen des FG haben die
Kürzungsvoraussetzungen des § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2
Buchst. a EStG a.F. in der Person des Klägers während
seiner aktiven Tätigkeit für den ehemaligen Arbeitgeber
vorgelegen. Unter dieser Voraussetzung war der Vorwegabzug nach
Maßgabe der genannten Rechtsgrundsätze - wie im
angefochtenen Bescheid geschehen - um 16 v.H. der im Streitjahr
aufgrund dieser Tätigkeit empfangenen Gratifikations- und
Tantiemenzahlungen zu kürzen. Mithin war die Klage, soweit sie
der Kläger erhoben hat, als unbegründet abzuweisen.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 1, § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO. Der Klägerin waren
die Kosten auch insoweit aufzuerlegen, als sie im Verfahren obsiegt
hat. Zwar ist die gegen sie ergangene Einspruchsentscheidung als
rechtswidrig aufzuheben. Der Streitwert des Begehrens auf isolierte
Aufhebung einer Entscheidung, die einen (tatsächlich gar nicht
eingelegten) Einspruch als unzulässig verwirft, ist jedoch im
Verhältnis zu demjenigen der weitergehenden Klage auf
Abänderung des Steuerbescheides und Herabsetzung der
Einkommensteuer nur geringfügig.