Die Revision der Beklagten gegen das Urteil
des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 25.09.2018 - 8 K
95/18 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
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I. Streitig ist die Auszahlung von
Kindergeld für den Zeitraum August 2014 bis Juni 2017.
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Der Kläger und Revisionsbeklagte
(Kläger) ist im öffentlichen Dienst beschäftigt. Er
ist der Vater einer 1993 geborenen Tochter (R).
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Der Kläger beantragte bei der
Beklagten und Revisionsklägerin (Familienkasse) Kindergeld
für R für den Zeitraum August 2014 bis Januar 2018. Das
Antragsschreiben datiert vom 21.12.2017 und war an die bei der
Beklagten für die Bearbeitung von Kindergeldanträgen
ihrer Mitarbeiter zuständige Stelle (Familienkasse) gerichtet.
Es wurde mit dem Eingangsstempel der Familienkasse vom 02.01.2018
versehen und ausweislich des im Ausdruck der E-Akte ersichtlichen
Scandatums am 03.01.2018 eingescannt.
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Die Familienkasse setzte mit Bescheid vom
17.01.2018 Kindergeld für Juli 2017 bis Januar 2018 fest und
zahlte den Betrag umgehend aus. Mit dem hier streitigen Bescheid
vom 12.03.2018 setzte die Familienkasse auch das Kindergeld
für den Zeitraum August 2014 bis Juni 2017 fest. Im selben
Bescheid verfügte die Familienkasse unter der Überschrift
„Nachzahlung“, dass sich hieraus keine Nachzahlung des
Kindergeldes ergebe. Zur Begründung verwies die Familienkasse
darauf, dass aufgrund der gesetzlichen Änderung nach § 66
Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) Anträge, die nach
dem 31.12.2017 eingingen, rückwirkend nur noch zu einer
Nachzahlung für die letzten sechs Kalendermonate vor Eingang
des Antrages bei der Familienkasse führen
könnten.
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Der Kläger legte Einspruch ein
„gegen die Feststellung, der Antrag vom 21.12.2017 sei erst
am 02.01.2018 […] eingegangen mit der Folge, dass sich wegen
§ 66 Abs. 3 EStG keine Nachzahlung des festgesetzten
Kindergeldes für August 2014 bis Juni 2017 ergebe“.
Zugleich beantragte der Kläger Akteneinsicht.
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Die Familienkasse wies den Einspruch mit
Einspruchsentscheidung vom 13.04.2018 als unbegründet
zurück. Zur Begründung verwies sie auf die Regelung in
§ 66 Abs. 3 EStG, die seit dem 01.01.2018 in Kraft sei. Der
Antrag sei erst am 02.01.2018 bei der Familienkasse
eingegangen.
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Das Finanzgericht (FG) gab der dagegen
gerichteten Klage statt und hob die Nichtauszahlungsverfügung
vom 12.03.2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.04.2018
auf.
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Mit der hiergegen gerichteten Revision
rügt die Familienkasse die Verletzung materiellen
Rechts.
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Die Familienkasse beantragt, das
angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
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II. Die Revision ist unbegründet und
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG ist zu Recht davon
ausgegangen, dass dem Kläger das Kindergeld für die
Monate August 2014 bis Juni 2017 auszuzahlen ist.
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1. Der vom Kläger angefochtene Bescheid
vom 12.03.2018 stellt jedenfalls in der Gestalt, die er durch die
Einspruchsentscheidung vom 13.04.2018 gefunden hat, einen
Abrechnungsbescheid i.S. des § 218 Abs. 2 der Abgabenordnung
(AO) dar.
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Der Senat lässt dahinstehen, ob es sich
bereits bei dem unter der Überschrift
„Nachzahlung“ im Bescheid vom 12.03.2018
enthaltenen Abrechnungsteil um einen förmlichen
Abrechnungsbescheid i.S. des § 218 Abs. 2 AO handelt oder -
wie vom FG angenommen - nur um eine Nichtzahlungsverfügung
(einen Abrechnungsbescheid ablehnend etwa FG Münster vom
26.09.2019 - 8 K 2081/18 Kg, juris = SIS 19 17 77, Rz 28, unter
Hinweis auf das Fehlen einer Streitigkeit, die die Verwirklichung
der Ansprüche i.S. des § 218 Abs. 1 AO betrifft). Denn
jedenfalls regelte die Familienkasse mit dieser Verfügung
gegenüber dem Kläger den Zeitraum, für den nach
ihrer Auffassung ein Auszahlungsanspruch bestand (ebenso FG
Düsseldorf vom 10.04.2019 - 10 K 3589/18 Kg, juris = SIS 19 10 69, Rz 11). Durch den dagegen gerichteten Einspruch entstand auch
eine Streitigkeit zwischen der Familienkasse und dem Kläger,
über welche die Familienkasse durch die Einspruchsentscheidung
vom 13.04.2018 entschied. Unerheblich ist dabei, dass die
Familienkasse ihre Entscheidung nicht ausdrücklich als
Abrechnungsbescheid oder als Bescheid nach § 218 Abs. 2 AO
bezeichnete (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 07.08.1990 -
VII R 120/89, BFH/NV 1991, 569, unter II.2.a). Denn aus der
Begründung der Einspruchsentscheidung ergibt sich, dass die
Familienkasse nicht über die Festsetzung, sondern über
den Auszahlungsanspruch entschieden hat, wenn es dort heißt:
„Mit der angefochtenen Entscheidung wurde ... das
Kindergeld ... für den Zeitraum … August 2014 bis Juni
2017 in gesetzlicher Höhe festgesetzt. Da der Kindergeldantrag
am 02.01.2018 eingegangen ist, erfolgte aufgrund der gesetzlichen
Änderung nach § 66 Abs. 3 EStG für den Zeitraum
August 2014 bis Juni 2017 keine Auszahlung des Kindergeldes.
Hiergegen richtet sich der Einspruch ...“.
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2. Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist
die Annahme des FG, dass der Kindergeldantrag des Klägers vom
21.12.2017 erst am 02.01.2018 bei der Familienkasse eingegangen
ist.
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Das FG ist zu Recht von der ständigen
BFH-Rechtsprechung ausgegangen, wonach dem Eingangsstempel der
Finanzbehörden als öffentlicher Urkunde im Rahmen freier
richterlicher Beweiswürdigung ein hoher Beweiswert im Hinblick
auf die Zeit und den Ort des Eingangs eines Schreibens bei der
Finanzbehörde zukommt (z.B. BFH-Urteile vom 07.07.1998 - VIII
R 83/96, BFH/NV 1999, 475 = SIS 98 52 85, Rz 9; vom 20.12.2006 - X
R 38/05, BFHE 216, 297, BStBl II 2007, 823 = SIS 07 10 72, Rz 36,
m.w.N.). Tatsachen, die den nach § 418 Abs. 2 der
Zivilprozessordnung zulässigen (Gegen-)Beweis der
Unrichtigkeit dieser öffentlichen Urkunde begründen, hat
das FG nicht festgestellt. Hieran ist der BFH mangels
zulässiger und begründeter Revisionsrügen gebunden
(§ 118 Abs. 2 FGO).
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3. Weiter ist auch die Annahme des FG nicht zu
beanstanden, dass der Kläger einen Auszahlungsanspruch
für die Monate August 2014 bis Juni 2017 hat und die
Familienkasse die Auszahlung nicht unter Berufung auf § 66
Abs. 3 EStG begrenzen darf.
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a) Nach § 66 Abs. 3 EStG i.d.F. des
Gesetzes zur Bekämpfung der Steuerumgehung und zur
Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften
(Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz - StUmgBG - ) vom 23.06.2017
(BGBl I 2017, 1682) wird das Kindergeld rückwirkend nur
für die letzten sechs Monate vor Beginn des Monats gezahlt, in
dem der Antrag auf Kindergeld eingegangen ist. Die Neuregelung ist
am 01.01.2018 in Kraft getreten (Art. 11 Abs. 2 StUmgBG) und
gemäß § 52 Abs. 49a Satz 7 EStG i.d.F. des Art. 7
Nr. 6 Buchst. c StUmgBG nur auf Anträge anzuwenden, die nach
dem 31.12.2017 eingehen.
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Die Regelung ist damit im Streitfall
anwendbar, da der Antrag des Klägers nach den Feststellungen
des FG erst am 02.01.2018 bei der Familienkasse eingegangen
ist.
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b) Zu Recht ist das FG davon ausgegangen, dass
die Vorschrift das Festsetzungsverfahren und nicht das
Erhebungsverfahren betrifft.
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aa) Insofern beruft sich die Familienkasse zur
Begründung ihrer Gegenauffassung zu Unrecht auf den Wortlaut
der Vorschrift. Hierin wird zwar das Wort
„gezahlt“ verwendet, was darauf hindeuten
könnte, dass die Vorschrift nur die Auszahlung des
Kindergeldes regelt und damit dem Erhebungsverfahren zuzuordnen
wäre. Dieser Begriff lässt jedoch keine klare Zuordnung
zum Erhebungsverfahren zu, weil er vom Gesetzgeber sowohl innerhalb
derselben Norm (§ 66 Abs. 2 EStG) als auch innerhalb der
§§ 64 und 65 EStG in Regelungszusammenhängen
verwendet wird, die eindeutig dem Festsetzungsverfahren zuzuordnen
sind. Demgegenüber verwendet der Gesetzgeber
üblicherweise die Begriffe „ausgezahlt“
oder „Auszahlung“, wenn er den dem
Erhebungsverfahren zuzuordnenden Auszahlungsvorgang beschreiben
will, so etwa in § 70 Abs. 1, § 72 Abs. 1 Satz 1, §
74 Abs. 1 Sätze 1, 2 und 4 EStG. Entsprechend hat der
Gesetzgeber im Rahmen des Gesetzes gegen illegale
Beschäftigung und Sozialleistungsmissbrauch (SozialMissbrG)
vom 11.07.2019 (BGBl I 2019, 1066) die Formulierung in dem an die
Stelle des § 66 Abs. 3 EStG getretenen neuen § 70 Abs. 1
Satz 2 EStG dahingehend geändert, dass „Die
Auszahlung von festgesetztem Kindergeld“ rückwirkend
nur für die letzten sechs Monate vor Beginn des Monats
erfolgt, in dem der Antrag auf Kindergeld eingegangen ist (BTDrucks
19/8691, S. 67).
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bb) Für eine Zuordnung zum
Festsetzungsverfahren spricht dagegen die systematische Verortung
der Regelung in § 66 EStG. Die Vorschriften der §§
62 bis 69 EStG befassen sich mit den materiellen Voraussetzungen
des Kindergeldanspruchs und Fragen der Festsetzung desselben. In
den §§ 70 und 72 erfolgt der Übergang vom
Festsetzungs- in das Erhebungsverfahren, während die
§§ 74 bis 76 EStG ausschließlich Fragen der
Erhebung betreffen. Diese Sichtweise wird auch dadurch
bestätigt, dass der Gesetzgeber im Rahmen des SozialMissbrG
die Auszahlungsbeschränkung von § 66 Abs. 3 EStG nach
§ 70 Abs. 1 EStG verschoben hat. Zur Begründung
führte er u.a. an, dass die Regelung sich nunmehr in § 70
EStG „Festsetzung und Zahlung von Kindergeld“
befinde und die Auszahlungsbeschränkung somit nicht mehr im
Bereich der materiell-rechtlichen Voraussetzungen für den
Anspruch auf Kindergeld (§§ 62 bis 66 EStG) enthalten sei
(BTDrucks 19/8691, S. 67).
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cc) Auch die Entwurfsbegründung zum
StUmgBG (BTDrucks 18/12127) vom 26.04.2017 bringt keinen
eindeutigen Willen des Gesetzgebers zum Ausdruck und spricht eher
für eine materiell-rechtliche, im Festsetzungsverfahren zu
berücksichtigende Wirkung der Ausschlussfrist.
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So wird zunächst ausgeführt, die
Regelung solle verhindern, dass für einen mehrjährigen
Zeitraum in der Vergangenheit rückwirkend Kindergeld
ausgezahlt werden könne. Dies kann auch dahin verstanden
werden, dass Kindergeld rückwirkend nur beschränkt
festgesetzt und in der Folge auch nur beschränkt ausgezahlt
werden soll. Gleiches gilt für den Hinweis, die Regelung
bewirke, dass das Kindergeld über die zurückliegenden
sechs Monate hinaus nicht mehr zur Auszahlung gelangen
könne.
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In diese Richtung deuten auch die weiteren
Ausführungen, wonach die Regelung abweichend von der
regulären Festsetzungsfrist von vier Jahren gemäß
§ 169 AO vorsehe, dass Kindergeld rückwirkend nur noch
sechs Monate ausgezahlt werden könne. Die Regelungen zur
Festsetzungsfrist (§§ 169 ff. AO) sind in dem mit
„Steuerfestsetzung“ überschriebenen 1.
Unterabschnitt des Vierten Teils Dritter Abschnitt der
Abgabenordnung enthalten. Der Ablauf der Festsetzungsfrist
schließt nach § 169 Abs. 1 Satz 1 AO eine
Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung aus.
Dementsprechend müsste eine in § 66 Abs. 3 EStG bestimmte
Abweichung von dieser regulären Festsetzungsfrist ebenfalls im
Festsetzungsverfahren Berücksichtigung finden.
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Auch soweit der Gesetzgeber darauf hinweist,
dass der materiell-rechtliche Anspruch hierdurch nicht berührt
werde, was insbesondere für an das Kindergeld anknüpfende
Annexleistungen im außersteuerlichen Bereich von Bedeutung
sei, ergibt sich daraus keine Zuordnung der Norm zum
Erhebungsverfahren. Denn diese Formulierung kann auch dahin
verstanden werden, dass die Annexleistungen nicht an die
rechtzeitige Beantragung und Festsetzung des Kindergeldes, sondern
nur an die sonstigen materiellen Voraussetzungen des
Kindergeldanspruchs anknüpfen und deshalb auch für die
Zeiträume bestehen bleiben sollen, für die wegen des
Eingreifens der Ausschlussfrist kein Kindergeld festgesetzt
wird.
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dd) Für die Auffassung der Familienkasse
lässt sich auch nicht die erst in der nachfolgenden
Legislaturperiode abgegebene Begründung zum Entwurf des
SozialMissbrG (BTDrucks 19/8691, S. 65 vom 25.03.2019)
anführen. Vielmehr wird die dortige Aussage, dass § 66
Abs. 3 EStG nicht das Festsetzungsverfahren betreffe, sondern im
Erhebungsverfahren anzuwenden sein sollte, durch die
Gesetzesänderung widerlegt. Denn dadurch hat der Gesetzgeber
selbst bestätigt, dass ein derartiger gesetzgeberischer Wille
aufgrund des bisherigen Wortlauts und des systematischen Standorts
der Vorschrift im Gesetz keinen hinreichenden Niederschlag gefunden
hat. Diese inhaltlichen Änderungen des Gesetzes können
auch nicht deshalb außer Betracht bleiben, weil die
Begründung des Gesetzentwurfs die Gesetzesänderung in den
Mantel einer Klarstellung gekleidet hat.
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ee) Eine Zuordnung des § 66 Abs. 3 EStG
zum Festsetzungsverfahren widerspricht auch nicht dem Sinn und
Zweck der Norm. Denn die Norm kann ihre Wirkung, den
Anspruchsteller zu einer zeitnahen Stellung seines
Kindergeldantrags zu bewegen und der Familienkasse dadurch die
notwendige Aufklärung des Sachverhalts zu ermöglichen,
auch dann entfalten, wenn bei verspäteter Antragstellung
bereits die Festsetzung über den Sechsmonatszeitraum hinaus
abgelehnt wird. Damit entfällt auch die darüber
hinausgehende Auszahlung des Kindergeldes an den
Kindergeldberechtigten.
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ff) Überdies steht dieses
Verständnis der Bestimmung auch im Einklang mit der Auslegung
des wortgleichen § 66 Abs. 3 EStG in der im Zeitraum 1996 bis
1997 geltenden Fassung durch den BFH. Seinerzeit war die Vorschrift
schon einmal durch das Jahressteuergesetz 1996 vom 11.10.1995 (BGBl
I 1995, 1250) eingeführt, wenig später jedoch durch das
Erste Gesetz zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch
und anderer Gesetze vom 16.12.1997 (BGBl I 1997, 2970) wieder
abgeschafft worden. Insoweit wurde im Urteil vom 24.10.2000 - VI R
65/99 (BFHE 193, 361, BStBl II 2001, 109 = SIS 01 02 32, unter 1.)
ausgeführt, dass der „Kindergeldanspruch“
des Klägers „durch § 66 Abs. 3
ausgeschlossen“ ist. Hieraus ergibt sich, dass der BFH
§ 66 Abs. 3 EStG bereits hinsichtlich der Frage
berücksichtigte, ob ein Kindergeldanspruch festzusetzen ist.
Zudem verwies der BFH auf die nach § 163 AO bestehende
Möglichkeit einer abweichenden Festsetzung der
Steuervergütung aus Billigkeitsgründen, was ebenfalls
darauf schließen lässt, dass bereits die reguläre
Festsetzung und nicht erst die Auszahlung durch § 66 Abs. 3
EStG als ausgeschlossen erachtet wurde. Soweit die Familienkasse
geltend macht, aus der Begründung zum Entwurf des StUmgBG
ergebe sich, dass der Gesetzgeber an dieser Auslegung nicht habe
festhalten wollen, kann dem nicht gefolgt werden. Zum einen ist
nicht ersichtlich, dass in der Begründung des Gesetzentwurfs
eine Auseinandersetzung mit dieser Rechtsprechung erfolgte. Zum
anderen wäre kaum erklärlich, warum der Gesetzgeber dann
ein abweichendes Verständnis im Gesetzeswortlaut nicht zum
Ausdruck gebracht, sondern eine wortlautidentische Regelung
gewählt haben sollte.
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gg) Schließlich spricht sich auch die
überwiegende Meinung im Fachschrifttum für eine
materiell-rechtliche, im Festsetzungsverfahren zu
berücksichtigende Wirkung des § 66 Abs. 3 EStG aus
(Helmke in Helmke/Bauer, Familienleistungsausgleich, Kommentar,
Fach A, I. Kommentierung, § 66 Rz 18; Hildesheim in
Bordewin/Brandt, § 66 EStG Rz 41; Avvento in Kirchhof, EStG,
18. Aufl., § 66 Rz 7; Blümich/Selder, § 66 EStG Rz
36; Wendl in Herrmann/Heuer/Raupach, § 66 EStG Rz 20; a.A.
Bauhaus in Korn, § 66 EStG Rz 13; offengelassen in
Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 38. Aufl., § 66 Rz 6).
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c) Weiter ist auch die Annahme des FG nicht zu
beanstanden, dass die durch die Familienkasse entgegen § 66
Abs. 3 EStG vorgenommene rückwirkende Festsetzung des
Kindergeldes für den Zeitraum August 2014 bis Juni 2017
konstitutiv wirkt und infolge der eingetretenen Bestandskraft auch
die Familienkasse bindet.
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aa) Nach der Rechtsprechung des BFH kommt es
im Abrechnungsverfahren allein auf die formelle Bescheidlage an
(BFH-Urteil vom 30.03.2010 - VII R 17/09, BFH/NV 2010, 1412 = SIS 10 21 03, Rz 7; Senatsurteil vom 15.07.2010 - III R 32/08, BFH/NV
2010, 2237 = SIS 10 35 55, Rz 14 f.). Danach bestand im Streitfall
ein Kindergeldanspruch auch für den Zeitraum August 2014 bis
Juni 2017, da die Familienkasse mit Bescheid vom 12.03.2018
Kindergeld für den Zeitraum August 2014 bis Juni 2017
festgesetzt hat.
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bb) Da das FG keine Auszahlungshindernisse
festgestellt hat, ergibt sich demnach im Streitfall ein
Auszahlungsanspruch des Klägers für den Zeitraum August
2014 bis Juni 2017 in Höhe von 6.608 EUR.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 2 FGO.
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