Abnutzbares Wirtschaftsgut, Teilwert: Die für den Ansatz des niedrigeren Teilwerts gem. § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG 1997 i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 erforderliche voraussichtlich dauernde Wertminderung liegt bei abnutzbaren Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens vor, wenn der Teilwert des Wirtschaftsgutes zum Bilanzstichtag mindestens für die halbe Restnutzungsdauer unter dem planmäßigen Restbuchwert liegt (Bestätigung des BMF-Schreibens vom 25.2.2000, BStBl 2000 I S. 372 = SIS 00 05 03). - Urt.; BFH 14.3.2006, I R 22/05; SIS 06 31 17
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin), eine GmbH, hat die Betriebsverpachtung und die
Erbringung von Dienstleistungen zum Unternehmensgegenstand. Sie ist
Organträgerin der X-GmbH.
Im Jahr 1990 errichtete sie ein
Gebäude, das sie in den Jahren 1996 und 1998 erweiterte. In
ihrer Bilanz zum 31.12.2000 nahm sie auf das Gebäude eine
Teilwertabschreibung in Höhe von 151.660,64 DM vor, die sie
ausgehend von einem Teilwert für den Grund und Boden, die
Außenanlagen und die Gebäude von insgesamt 750.000 DM
ermittelte.
Nach einer Betriebsprüfung gelangte
der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) zu
der Auffassung, die gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2
des Einkommensteuergesetzes i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes
1999/2000/2002 - StEntlG 1999/2000/ 2002 - vom 24.3.1999 (BGBl I
1999, 402, BStBl I 1999, 304) - im Folgenden: EStG 1997 -
notwendige dauernde Wertminderung liege nicht vor. Nach dem
Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 25.2.2000
(BStBl I 2000, 372 = SIS 00 05 03) sei von einer dauernden
Wertminderung nur dann auszugehen, wenn der Wert zum Bilanzstichtag
mindestens für die halbe Restnutzungsdauer unter dem
planmäßigen Restbuchwert des Wirtschaftsgutes liege.
Diese Voraussetzung sei hier nicht gegeben.
Das Finanzgericht (FG) Münster gab der
Klage mit Urteil vom 14.1.2005 9 K 1564/03 K,G, veröffentlicht
in EFG 2005, 683 = SIS 05 19 72, statt.
Mit seiner Revision rügt das FA eine
Verletzung des § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG 1997.
Das FA beantragt, das Urteil des FG
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet.
Das FA hat während des
Revisionsverfahrens den angefochtenen
Körperschaftsteuerbescheid aufgrund eines verminderten
Verlustrücktrages aus dem Veranlagungszeitraum 2001
geändert.
Streitgegenstand ist nach § 68 Satz 1 der
Finanzgerichtsordnung (FGO), der nach § 121 Satz 1 FGO auch im
Revisionsverfahren gilt, der geänderte
Körperschaftsteuerbescheid geworden. Da sich der
tatsächliche Streitstoff dadurch nicht verändert und ein
neuer Sachverhalt nicht ergeben hat, ist eine Zurückverweisung
der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung nach
§ 127 FGO nicht erforderlich. Die Sache ist aber deshalb an
das FG zurückzuverweisen, weil der Senat aufgrund der
tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz nicht beurteilen
kann, ob die Klägerin zu Recht zum Bilanzstichtag 31.12.2000
eine Teilwertabschreibung auf das in Rede stehende Gebäude
vorgenommen hat (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO).
1. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG 1997
muss ein Steuerpflichtiger, der seinen Gewinn nach § 4 Abs. 1
oder nach § 5 Abs. 1 EStG 1997 ermittelt, die abnutzbaren
Wirtschaftsgüter seines Anlagevermögens mit den
Anschaffungs- oder Herstellungskosten, vermindert um die
Absetzungen für Abnutzung (AfA), erhöhte Absetzungen,
Sonderabschreibungen, Abzüge nach § 6b EStG 1997 und
ähnliche Abzüge ansetzen. Stattdessen kann er den
Teilwert des Wirtschaftsgutes ansetzen, wenn dieser aufgrund einer
voraussichtlich dauernden Wertminderung niedriger als die
fortgeschriebenen Anschaffungs- oder Herstellungskosten ist (§
6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG 1997).
a) Teilwert ist der Betrag, den ein Erwerber
des ganzen Betriebs im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das
einzelne Wirtschaftsgut ansetzen würde; dabei ist davon
auszugehen, dass der Erwerber den Betrieb fortführt (§ 6
Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG 1997). Geht es um die Bewertung bebauter
Grundstücke, so sind die Teilwerte für Grund und Boden
einerseits und Gebäude andererseits jeweils gesondert zu
ermitteln (Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs -
BFH - vom 16.7.1968 GrS 7/67, BFHE 94, 124, BStBl II 1969, 108 =
SIS 69 00 74).
b) Der Ansatz des niedrigeren Teilwerts (im
steuerlichen Sprachgebrauch die Teilwertabschreibung oder
gemäß § 253 Abs. 2 Satz 3 des Handelsgesetzbuchs -
HGB - die außerplanmäßige Abschreibung) erfordert
eine voraussichtlich dauernde Wertminderung. Der Begriff der
voraussichtlich dauernden Wertminderung ist dem Handelsrecht
entlehnt (§ 253 Abs. 2 Satz 3, § 279 Abs. 1 Satz 2 HGB).
Von ihr ist nach herrschender Meinung, welcher sich der Senat
anschließt, auszugehen, wenn der Wert des Wirtschaftsgutes
den planmäßigen Rest des Buchwerts als die
Bewertungsobergrenze während eines erheblichen Teils der
Nutzungsdauer im Unternehmen nicht erreichen wird (z.B.
BMF-Schreiben in BStBl I 2000, 372 = SIS 00 05 03, Tz. 4;
BFH-Urteil vom 27.11.1974 I R 123/73, BFHE 114, 415, BStBl II 1975,
294 = SIS 75 01 73; Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und
Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl., HGB § 253 Tz. 477;
Groh, DB 1999, 978, 982; Fischer in Kirchhof, EStG, 6. Aufl.,
§ 6 Rn. 108; Baetge, Bilanzen, 4. Aufl., S. 267;
Hoyos/Schramm/ M. Ring in Beck Bil-Komm., § 253 HGB Anm. 295;
Adler/ Coenenberg, Jahresabschluss und Jahresabschlussanalyse, 17.
Aufl., S. 190, sowie w.N. bei Kessler, DB 1999, 2577, 2579 Fn. 25;
anders Schlotter, Teilwertabschreibung und Wertaufholung zwischen
Steuerbilanz und Verfassungsrecht, 2005, S. 359 ff.; Hommel/Berndt,
DStR 2000, 1745, die kein vermögens-, sondern ein
ausschüttungsorientiertes Verständnis vertreten).
Allerdings gehen die Auffassungen
darüber, was unter einem „erheblichen Teil der
Restnutzungsdauer“ zu verstehen ist, auseinander.
Während ein Teil des Schrifttums (z.B. Karrenbauer/
Döring/Buchholz in Küting/Weber, Handbuch der
Rechnungslegung, § 253 HGB Rz. 166; Thiele/Breithaupt in
Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzrecht, § 253 HGB Rz. 316; Fischer
in Kirchhof, ebenda; Hoyos/Schramm/M. Ring, a.a.O., § 253 HGB
Anm. 295; Winkeljohann in Herrmann/Heuer/Raupach, § 6 EStG
Anm. 562) und die Finanzverwaltung (BMF-Schreiben in BStBl I 2000,
372 = SIS 00 05 03, Tz. 6) für Wirtschaftsgüter des
abnutzbaren Anlagevermögens von einer voraussichtlich
dauernden Wertminderung ausgehen, wenn der Wert des jeweiligen
Wirtschaftsgutes zum Bilanzstichtag mindestens für die halbe
Restnutzungsdauer unter dem planmäßigen Restbuchwert
liegt, sind andere der Auffassung, das handelsrechtliche
Vorsichtsprinzip gebiete bei sehr langlebigen
Wirtschaftsgütern einen kürzeren Prognosezeitraum von
höchstens fünf Jahren (z.B. Baetge/Brockmeyer in Leffson,
Handwörterbuch unbestimmter Rechtsbegriffe im Bilanzrecht, S.
382; Dietrich, DStR 2000, 1629, 1631; Richter,
Rechnungslegungsgrundsätze nach HGB und IFRS, Handbuch des
Jahresabschlusses in Einzeldarstellungen, Abt. II/1 (2004), Rn.
259; Schlotter, a.a.O., S. 363 f.).
2. Der Senat folgt der ersten Auffassung.
Bereits der Wortlaut spricht dafür, eine
„dauernde Wertminderung“ nur dann anzunehmen,
wenn der Teilwert des Wirtschaftsgutes während seiner
mutmaßlichen Nutzungsdauer im Betrieb überwiegend unter
seinem Buchwert liegt. Andernfalls liegt eine bloße
Wertschwankung vor.
Zudem sollte, wie die Gesetzesmaterialien
(vgl. BTDrucks 14/23, S. 5, 170, 171 und BTDrucks 14/443, S. 18)
zeigen, trotz Übernahme des Begriffes der „dauernden
Wertminderung“ aus § 253 Abs. 2 Satz 3 HGB durch die
Neufassung des § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG 1997 durch das
Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/ 2002 das Vorsichtsprinzip zu
Gunsten des Prinzips der Besteuerung nach der wirtschaftlichen
Leistungsfähigkeit zurückgedrängt werden (vgl.
Kessler, DB 1999, 2577, 2579; Albert, Steuer und Bilanzen - StuB -
1999, 591). Unabhängig davon wiegt das Vorsichtsprinzip bei
Anlagegegenständen, die der Abnutzung unterliegen, ohnehin
weniger schwer, weil Verluste im Anlagevermögen
regelmäßig nicht in naher Zukunft realisiert und
Wertminderungen bei der Abnutzung unterliegenden Anlagen durch die
AfA allmählich wieder aufgeholt werden (Kropff in
Geßler/ Hefermehl/Eckhardt/Kropff, Aktiengesetz, § 154
a.F. Rn. 36 zur außerplanmäßigen
Abschreibung).
Der Senat hält auch den Einwand für
nicht zutreffend, eine Prognose über einen längeren
Zeitraum als fünf Jahre sei generell nicht möglich.
Vielmehr werden häufig auch bei langlebigen
Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens die Umstände,
die zur Wertminderung geführt haben, und die Eigenart des
Wirtschaftsgutes (vgl. Senatsurteil in BFHE 114, 415, BStBl II
1975, 294 = SIS 75 01 73) einen hinreichend sicheren Schluss
zulassen, ob die Wertminderung voraussichtlich über die halbe
Restnutzungsdauer im Betrieb anhalten wird.
Schließlich ist es im
Besteuerungsverfahren als Massenverfahren gerechtfertigt, bei
abnutzbaren Wirtschaftsgütern auf eine an der Eigenart des
Wirtschaftsgutes ausgerichtete Prognose im Einzelfall zu
verzichten, sondern typisierend dann von einer dauerhaften
Wertminderung auszugehen, wenn der Teilwert zum Bilanzstichtag
mindestens für die halbe Restnutzungsdauer unter dem
planmäßigen Restbuchwert liegt (vgl. BMF-Schreiben in
BStBl I 2000, 372 = SIS 00 05 03, Tz. 6). Die Differenz zwischen
Teilwert und Buchwert zum Bilanzstichtag sowie der Zeitraum,
innerhalb dessen sich diese Differenz durch planmäßige
Abschreibungen ausgleichen wird, kann bei abnutzbaren
Wirtschaftsgütern ein Indiz dafür sein, ob ein
Wertverlust voraussichtlich „dauernd“ anhalten
wird.
Der Streitfall bietet keine Veranlassung zu
prüfen, ob eine andere Beurteilung dann angebracht ist, wenn
der Steuerpflichtige belegt oder glaubhaft macht, dass das
Wirtschaftsgut künftig seinen Buchwert nicht erlösen wird
(vgl. Hommel/Berndt, FR 2000, 1305; Wüstemann, Schmalenbachs
Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung 1995, 1039;
Schlotter, a.a.O., S. 359 ff.).
3. Das FG ist von anderen rechtlichen
Grundsätzen ausgegangen und hat seiner Entscheidung allein
einen Prognosezeitraum von fünf Jahren zugrunde gelegt. Das
Urteil war daher aufzuheben. Die Sache ist jedoch nicht
spruchreif.
Nach den Feststellungen des FG hat die
Klägerin lediglich auf das Gebäude eine
Teilwertabschreibung vorgenommen. Ob diese zu Recht erfolgt ist,
beurteilt sich danach, ob der Teilwert für dieses
Wirtschaftsgut nachhaltig gesunken ist. Das FG hat jedoch den
Teilwert des Gebäudes zuzüglich des Grund und Bodens und
der Außenanlagen zum Bilanzstichtag 31.12.2000 mit dem
Buchwert dieser drei Wirtschaftsgüter zum 31.12.2005
verglichen. Dies verstößt gegen das Gebot der
Einzelbewertung (§ 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB). Es handelt sich um
drei verschiedene Wirtschaftsgüter, die getrennt daraufhin zu
untersuchen sind, ob eine Teilwertabschreibung gerechtfertigt ist
(BFH-Beschluss in BFHE 94, 124, BStBl II 1969, 108 = SIS 69 00 74;
BFH-Urteil vom 25.6.1985 VIII R 274/81, BFH/NV 1986, 22 = SIS 85 23 09).
Die Sache ist an das FG
zurückzuverweisen, damit dieses die erforderlichen
Feststellungen nachholen kann.