Abnutzbares Wirtschaftsgut, Teilwertabschreibung: 1. Nur ein Wertverlust, der mindestens während der halben Restnutzungsdauer des Wirtschaftsgutes andauert, ermöglicht bei abnutzbaren Wirtschaftsgütern eine Teilwertabschreibung (Bestätigung des Senatsurteils vom 14.3.2006 I R 22/05, BFHE 212 S. 526, BStBl 2006 II S. 680 = SIS 06 31 17). - 2. Die verbleibende Nutzungsdauer ist bei Gebäuden nach § 7 Abs. 4 und 5 EStG 1997, bei anderen Wirtschaftsgütern grundsätzlich nach den amtlichen AfA-Tabellen zu bestimmen (Bestätigung des BMF-Schreibens vom 25.2.2000, BStBl 2000 I S. 372 = SIS 00 05 03 Tz. 6). Dies gilt auch dann, wenn der Steuerpflichtige beabsichtigt, das Wirtschaftsgut vor Ablauf seiner betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer zu veräußern. - Urt.; BFH 29.4.2009, I R 74/08; SIS 09 25 84
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin), eine GmbH, errichtete im Jahr 1990 auf einem ihr
gehörenden Grundstück ein Gebäude. Die Absetzungen
für Abnutzung (AfA) nahm sie in der Folgezeit degressiv nach
§ 7 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in
der im Jahr 1990 geltenden Fassung (i.V.m. § 8 Abs. 1 des
Körperschaftsteuergesetzes, § 7 Satz 1 des
Gewerbesteuergesetzes) vor. Das Gebäude wurde in den Jahren
1996 und 1998 erweitert; die Klägerin aktivierte insoweit
nachträgliche Herstellungskosten. Insgesamt beliefen sich die
Herstellungskosten des Gebäudes auf 1.257.505 DM.
Weil dieses Gebäude trotz der
Erweiterungen zu klein war, erwarb die Klägerin am 28.3.2000
ein weiteres Gewerbegrundstück im selben Gewerbegebiet. Sie
errichtete darauf ein Betriebsgebäude, das im Sommer 2001
fertig gestellt wurde. Bis zu diesem Zeitpunkt wurde das bisherige
Betriebsgebäude auf dem alten Grundstück unverändert
betrieblich genutzt. Am 14.1.2005 verkaufte die Klägerin das
alte Grundstück für 350.000 EUR netto.
In ihrem Jahresabschluss für das
Streitjahr 2000 nahm die Klägerin auf das Gebäude eine
Abschreibung auf den niedrigeren Teilwert (sog.
Teilwertabschreibung) in Höhe von 151.660,64 DM vor. Dabei
legte sie für das Gesamtobjekt einen Teilwert von 750.000 DM
zu Grunde. Die Bilanzansätze für den Grund und Boden
(61.183,64 DM) und die Außenanlagen (6.238 DM) ließ sie
unverändert und minderte nur den Ansatz für das
Gebäude.
Der Beklagte und Revisionskläger (das
Finanzamt - FA - ) vertrat die Auffassung, die gemäß
§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG i.d.F. des
Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom 24.3.1999 (BGBl I
1999, 402, BStBl I 1999, 304 - EStG 1997 - ) notwendige dauernde
Wertminderung liege nicht vor, weil der Teilwert nicht während
der Hälfte der restlichen Nutzungsdauer unter dem
planmäßig fortgeschriebenen Buchwert liege. Der dagegen
gerichteten Klage gab das Finanzgericht (FG) Münster statt
(Urteil vom 14.1.2005 9 K 1564/03 K,G, EFG 2005, 683 = SIS 05 19 72). Auf die Revision des FA hob der Senat die erstinstanzliche
Entscheidung mit Urteil vom 14.3.2006 I R 22/05 (BFHE 212, 526,
BStBl II 2006, 680 = SIS 06 31 17) auf und verwies die Sache zur
erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück. Es
bedurfte weiterer Sachverhaltsaufklärung darüber, ob der
Teilwert für das Gebäude tatsächlich nachhaltig
gesunken war und deswegen eine Abschreibung rechtfertigte.
Im zweiten Rechtsgang ist zwischen den
Beteiligten unstreitig geworden, dass der erzielbare Verkaufspreis
für das Gesamtgrundstück zum Bilanzstichtag 800.000 DM
betrug. Davon entfallen auf das Gebäude 732.749 DM. Die
Teilwerte von Grund und Boden und Außenanlagen entsprechen
den Buchwerten.
Das FG Münster gab der Klage mit in
EFG 2008, 1631 = SIS 08 36 41 veröffentlichtem Urteil vom
27.6.2008 9 K 3138/06 K,G zum Teil statt. Es hielt eine
Teilwertabschreibung des Gebäudes auf 732.749 DM für
gerechtfertigt.
Mit seiner Revision rügt das FA eine
Verletzung materiellen Rechts.
Es beantragt, das angefochtene Urteil des
FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der
Klage. Das FG hat zu Unrecht angenommen, dass zum Bilanzstichtag
31.12.2000 eine Abschreibung des streitbefangenen Gebäudes auf
den niedrigeren Teilwert von 732.749 DM gerechtfertigt ist.
1. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG 1997
muss ein Steuerpflichtiger, der seinen Gewinn nach § 4 Abs. 1
EStG 1997 ermittelt, die abnutzbaren Wirtschaftsgüter seines
Anlagevermögens mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten,
vermindert um die AfA, erhöhte Absetzungen,
Sonderabschreibungen, Abzüge nach § 6b EStG 1997 und
ähnliche Abzüge ansetzen. Stattdessen kann er den
Teilwert des Wirtschaftsgutes ansetzen, wenn dieser aufgrund einer
voraussichtlich dauernden Wertminderung niedriger als die
fortgeschriebenen Anschaffungs- oder Herstellungskosten ist (§
6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG 1997).
a) Wie der Senat in seinem Urteil in BFHE 212,
526, BStBl II 2006, 680 = SIS 06 31 17 entschieden hat, ist in
diesem Sinne von einer voraussichtlich dauernden Wertminderung
auszugehen, wenn der Wert des Wirtschaftsgutes zum Bilanzstichtag
mindestens für die halbe Restnutzungsdauer unter dem
planmäßigen Restbuchwert liegt. Dies gilt auch dann,
wenn es sich um ein langlebiges Wirtschaftsgut handelt.
b) Die verbleibende Nutzungsdauer von
Gebäuden ist nach § 7 Abs. 4 und 5 EStG 1997, bei anderen
Wirtschaftsgütern grundsätzlich nach den amtlichen
AfA-Tabellen zu bestimmen (vgl. Schreiben des Bundesministeriums
der Finanzen vom 25.2.2000, BStBl I 2000, 372 = SIS 00 05 03 Tz.
6). Das gilt auch dann, wenn der Steuerpflichtige beabsichtigt, das
Wirtschaftsgut vor Ablauf seiner betriebsgewöhnlichen
Nutzungsdauer zu veräußern. In diesem Fall ist eine
Teilwertabschreibung ebenfalls nur möglich, wenn der Teilwert
mindestens während der Hälfte des
betriebsgewöhnlichen Zeitraums unter seinem fortgeschriebenen
Buchwert liegt.
aa) § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG 1997
schränkt das Vorsichtsprinzip ein (vgl. BTDrucks 14/23, S. 5,
170, 171). Zwar können nicht realisierte Verluste durch Ansatz
des niedrigeren Teilwerts ausgewiesen werden. Bei bloßen
Wertschwankungen ist jedoch - anders als nach der Rechtslage vor
Inkrafttreten des § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG 1997 - eine
Verlustantizipation nicht möglich. Nur ein anhaltender
Wertverlust ermöglicht bei abnutzbaren Wirtschaftsgütern
den Ausweis des niedrigeren Teilwerts, wobei als
„anhaltend“ eine Wertminderung anzusehen ist,
die mindestens während der halben Restnutzungsdauer des
Wirtschaftsguts andauert (Senatsurteil in BFHE 212, 526, BStBl II
2006, 680 = SIS 06 31 17). In allen anderen Fällen wird das
Absinken des Teilwerts erst mit dessen Realisation
gewinnwirksam.
bb) Beabsichtigt der Steuerpflichtige, ein
Wirtschaftsgut zu verkaufen, dessen Teilwert unter den
fortgeschriebenen Buchwert zum mutmaßlichen
Veräußerungszeitpunkt gesunken ist, droht ein
endgültiger Verlust, wenn keine Anhaltspunkte für einen
alsbaldigen Wiederanstieg des Teilwerts vorliegen.
Demgegenüber sind Wertverluste bei abnutzbaren
Wirtschaftsgütern, die bis zu ihrem wirtschaftlichen Verbrauch
im Betriebsvermögen bleiben, immer nur vorübergehend,
weil sie sich spätestens dann ausgleichen, wenn die
Wirtschaftsgüter abgeschrieben sind. Das Gesetz differenziert
für die Berechtigung zu einer Teilwertabschreibung gleichwohl
nicht danach, ob und ggf. wie wahrscheinlich der Eintritt eines
endgültigen Verlustes ist. Maßgeblich ist vielmehr
allein, ob die eingetretene Wertminderung voraussichtlich dauernd,
d.h. über einen längeren Zeitraum, anhalten wird oder
nicht. Diese Frage kann aber nicht unterschiedlich beantwortet
werden, je nachdem, ob das Wirtschaftsgut bis zum Ablauf seiner
betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer im Betriebsvermögen
verbleibt oder vor diesem Zeitpunkt veräußert werden
soll.
Die Nutzungsdauer eines Wirtschaftsgutes wird
durch die objektive Nutzbarkeit unter Berücksichtigung der
besonderen betriebstypischen Beanspruchung bestimmt und nicht durch
davon losgelöste Vorstellungen der Beteiligten.
Dementsprechend mindert sich die betriebsgewöhnliche
Nutzungsdauer nicht dadurch, dass der Steuerpflichtige das
Wirtschaftsgut vor Beendigung seines technischen oder
wirtschaftlichen Wertverzehrs veräußert (Urteil des
Bundesfinanzhofs vom 18.9.2003 X R 54/01, BFH/NV 2004, 474 = SIS 04 11 03, m.w.N.; vgl. auch Senatsurteil vom 23.9.2008 I R 47/07, BFHE
223, 56 = SIS 09 03 35, dort zur tatsächlichen Nutzungsdauer
und Nutzbarkeit eines zunächst als Musterhaus genutzten
Gebäudes nach dem Ausscheiden aus dem Betrieb).
cc) Eine hiervon abweichende Auslegung liefe
auch dem durch das Senatsurteil in BFHE 212, 526, BStBl II 2006,
680 = SIS 06 31 17 beabsichtigten Zweck zuwider, die
Voraussetzungen einer Teilwertabschreibung bei abnutzbaren
Wirtschaftsgütern anhand einfacher, im Besteuerungsverfahren
handhabbarer Kriterien zu bestimmen. Ob der Steuerpflichtige zum
Bilanzstichtag tatsächlich bereits beabsichtigt hat, das
Wirtschaftsgut zu veräußern, und ggf. innerhalb welchen
Zeitraums dies geschehen soll, lässt sich, wenn
überhaupt, nur schwer und mit erheblichem Aufwand ermitteln.
Zudem wären, wenn - wie hier - mehrere Bilanzstichtage
zwischen Teilwertabschreibung und tatsächlicher
Veräußerung des Wirtschaftsguts liegen, bei gleich
bleibendem Teilwert zu den nachfolgenden Bilanzstichtagen
Wertzuschreibungen in Höhe der jährlich vorgenommenen AfA
erforderlich.
2. Der Teilwert des Gebäudes zum
Bilanzstichtag in Höhe von 732.479 DM lag bereits zum
31.12.2004 über dem fortgeschriebenen Buchwert von 730.719 DM,
so dass eine Teilwertabschreibung angesichts einer typisierten
betriebsgewöhnlichen Restnutzungsdauer des Gebäudes von
14 Jahren nicht gerechtfertigt ist. Das FG ist von anderen
Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Sein Urteil ist daher
aufzuheben und die Klage abzuweisen.