Wiedergutmachungszahlung an Tatopfer, Werbungskosten: 1. Das Abzugsverbot des § 12 Nr. 4 EStG greift nicht, wenn das Strafgericht dem Steuerpflichtigen zur Wiedergutmachung des durch die Tat verursachten Schadens eine Geldauflage nach § 56 b Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StGB erteilt. - 2. § 12 Nr. 4 EStG begründet nur für Auflagen und Weisungen ein Abzugsverbot, die als strafähnliche Sanktionen die Aufgabe haben, Genugtuung für das begangene Unrecht zu schaffen. - 3. Ausgleichszahlungen an das geschädigte Tatopfer fallen dagegen nicht unter das Abzugsverbot des § 12 Nr. 4 EStG. Solche Zahlungen sind nach den allgemeinen Grundsätzen als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abzugsfähig. - 4. Der Anwendungsbereich des § 12 Nr. 4 EStG wird nicht dadurch eröffnet, dass die Auflage nach § 56 b Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StGB, den durch die Tat verursachten Schaden wieder gut zu machen, zugleich der Genugtuung für das begangene Unrecht dient. - Urt.; BFH 15.1.2009, VI R 37/06; SIS 09 12 00
I. Die Kläger und Revisionsbeklagten
(Kläger) werden zur Einkommensteuer des Streitjahres (2001)
zusammen veranlagt. Der Kläger bezieht als Diplom-Ingenieur
bei der Baufirma A AG, Niederlassung B, Einkünfte aus
nichtselbständiger Arbeit. Im Zusammenhang mit
unzulässigen Preisabsprachen unter Baufirmen wurde der
Kläger mit rechtskräftigem Urteil des Landgerichts (LG)
wegen versuchten gemeinschaftlichen Betrugs und in zwei Fällen
des Betrugs zu einer Gesamtstrafe von zehn Monaten verurteilt; die
Strafe wurde gemäß § 56 Abs. 1, Abs. 3 des
Strafgesetzbuchs (StGB) zur Bewährung ausgesetzt. Mit
Beschluss vom gleichen Tage wurde die Bewährungszeit auf zwei
Jahre festgesetzt und dem Kläger u.a. zur Auflage gemacht, zu
Gunsten eines Geschädigten als Schadenswiedergutmachung einen
Geldbetrag von 100.000 DM zu bezahlen. Der Kläger
erfüllte die Auflage am 18.12.2001, nachdem ihm sein
Arbeitgeber einen entsprechenden Geldbetrag zur Verfügung
gestellt hatte.
In der Einkommensteuererklärung
für das Streitjahr setzte der Kläger den ihm vom
Arbeitgeber erstatteten Betrag in Höhe von 100.000 DM als
zusätzlichen Arbeitslohn an; andererseits machte er den an den
Geschädigten bezahlten Betrag in Höhe von 100.000 DM als
Werbungskosten bei seinen Einkünften aus
nichtselbständiger Arbeit geltend, die vom Beklagten und
Revisionskläger (Finanzamt - FA - ) nicht berücksichtigt
wurden.
Das Finanzgericht (FG) gab der nach
erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klage mit den in EFG 2006, 1666
= SIS 06 39 91 veröffentlichten Gründen statt.
Mit der Revision rügt das FA die
Verletzung materiellen und formellen Rechts.
Das FA beantragt, das Urteil des FG
München vom 18.10.2005 aufzuheben und die Klage
abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
Das FG hat die dem Kläger vom LG
auferlegte Zahlung zu Recht als Werbungskosten bei den
Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit
berücksichtigt. Es ist dabei von zutreffenden rechtlichen
Erwägungen ausgegangen. Seine tatsächliche Würdigung
ist naheliegend; sie verstößt nicht gegen Denkgesetze
und Erfahrungssätze.
1. Das FG ging - wie zwischen den Beteiligten
auch nicht streitig ist - zutreffend davon aus, dass die dem
Kläger vom LG erteilte Auflage Folge schuldhafter Handlungen
ist, die im Rahmen der beruflichen Aufgabenerfüllung des
Klägers liegen (vgl. dazu Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH -
vom 18.10.2007 VI R 42/04, BFHE 219, 197, BStBl II 2008, 223 = SIS 08 02 15, unter B.II.1.), und damit als durch den Beruf des
Klägers veranlasst (§ 9 Abs. 1 Satz 1 des
Einkommensteuergesetzes - EStG - ) anzusehen ist.
2. Dem Werbungskostenabzug der festgesetzten
Geldauflage steht im Streitfall die Vorschrift des § 12 Nr. 4
EStG nicht entgegen.
a) § 12 Nr. 4 EStG bestimmt, dass in
einem Strafverfahren festgesetzte Geldstrafen, sonstige
Rechtsfolgen vermögensrechtlicher Art, bei denen der
Strafcharakter überwiegt, und Leistungen zur Erfüllung
von Auflagen und Weisungen, soweit die Auflagen und Weisungen nicht
lediglich der Wiedergutmachung des durch die Tat verursachten
Schadens dienen, weder bei den einzelnen Einkunftsarten noch beim
Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden dürfen.
b) Das Abzugsverbot des § 12 Nr. 4 EStG
greift folglich nur bei Auflagen und Weisungen, die als
strafähnliche Sanktionen die Aufgabe haben, Genugtuung
für das begangene Unrecht zu schaffen. Zahlungen zum Ausgleich
von Schäden fallen dagegen nicht unter das Abzugsverbot.
Solche Zahlungen sind nach den allgemeinen Grundsätzen als
Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten abzugsfähig. Dies gilt
auch für Auflagen, die im strafgerichtlichen Verfahren zur
Wiedergutmachung von verursachten Schäden gemäß
§ 56b Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StGB, § 59a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1
StGB, § 153a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 der Strafprozessordnung
(StPO) und § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Jugendgerichtsgesetzes
(JGG) auferlegt werden (Arndt, in: Kirchhof/ Söhn/Mellinghoff,
EStG, § 12 Rz E 9 b; Nolde in Herrmann/ Heuer/Raupach, §
12 EStG Rz 112; Schmidt/Drenseck, EStG, 27. Aufl., § 12 Rz 55;
Kurzeja in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar,
§ 12 Rz 217; Rundshagen in Korn, § 12 EStG Rz 54;
Blümich/Lindberg, § 12 EStG Rz 152; Dürr in
Frotscher, EStG, 6. Aufl., Freiburg 1998 ff., § 12 Rz 148;
Bordewin, FR 1984, 405<410>; a.A. Claßen in Lademann,
EStG, § 12 EStG Rz 76). Die im Rahmen solcher Auflagen zu
erbringenden Leistungen dürfen nur angeordnet werden, sofern
das unmittelbar geschädigte Tatopfer dem Grunde und der
Höhe nach einen entsprechenden zivilrechtlichen
Schadensersatzanspruch hat (Hubrach in Strafgesetzbuch Leipziger
Kommentar, 12. Aufl. 2008, § 56b Rz 5). Auflagen zur
Schadenswiedergutmachung zeichnen damit lediglich die
zivilrechtliche Schadensersatzpflicht nach, auf die sie angerechnet
werden. Erweist sich der durch eine Auflage festgesetzte Betrag
aufgrund eines späteren Zivilurteils als zu hoch, kann der
Täter deshalb den zuviel gezahlten Betrag vom
Geschädigten zurückfordern (Hubrach, a.a.O., § 56b
Rz 7). Soweit die Leistung von Schadensersatz nicht als
ausreichende Genugtuung angesehen wird, bleibt nach herrschender
Meinung in der strafrechtlichen Literatur nur, dem Täter
weitere Auflagen, beispielsweise nach § 56b Abs. 2 Satz 1 Nr.
2 bis Nr. 4 StGB zu erteilen, nicht aber eine die Grenzen der
zivilrechtlichen Ersatzpflichten überschreitende
Wiedergutmachung aufzuerlegen (Hubrach, a.a.O., § 56b Rz 5
ff.; Fischer, StGB, 55. Aufl. 2008, § 56b Rz 6;
Lackner/Kühl, StGB, 26. Aufl. 2007, § 56b Rz 3 a;
Jescheck/Weigend, Lehrbuch des Strafrechts, 5. Aufl. 1996, S. 834).
Strafgerichtliche Auflagen gemäß § 56b Abs. 2 Satz
1 Nr. 1 StGB, § 59a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StGB, § 153a Abs.
1 Satz 2 Nr. 1 StPO und § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 JGG zielen
damit lediglich auf die Schadenswiedergutmachung.
c) Der Anwendungsbereich des § 12 Nr. 4
EStG ist nicht dadurch eröffnet, dass die Auflage, den durch
die Tat verursachten Schaden wieder gut zu machen, zugleich der
Genugtuung für das begangene Unrecht dient (§ 56b Abs. 1
Satz 1 StGB; Stree in Schönke/Schröder, StGB, 27. Aufl.
2006, § 56b Rz 5).
Denn dem Täter wird durch eine solche
Auflage kein besonderes Opfer abverlangt. Der Ausgleich für
das begangene Unrecht erschöpft sich in der bloßen,
einer strafbewehrten Schadenswiedergutmachung immanenten,
Erfüllung zivilrechtlicher Ersatzpflichten. Das in § 12
Nr. 4 EStG geregelte Abzugsverbot greift dagegen nur insoweit, als
die wirtschaftliche Belastung durch eine Auflage finalen
Sanktionscharakter hat (Rundshagen, a.a.O.).
d) Ein Betriebsausgaben- oder
Werbungskostenabzug strafgerichtlich auferlegter
Schadensersatzzahlungen führt auch nicht zu einer von der
Rechtsordnung zu missbilligenden (Doppel-)Begünstigung eines
Straftäters. Betrieblich oder beruflich veranlasster
Schadensersatz ist Erwerbsaufwand, der einkünftemindernd zu
berücksichtigen ist. Für die steuerliche Beurteilung
macht es keinen Unterschied, ob der Ersatzanspruch auflagenbewehrt
oder ohne strafrichterliche Auflage erfüllt wird.
e) Nach diesen Grundsätzen ist die
Entscheidung des FG nicht zu beanstanden. Das FG hat den
Sachverhalt dahingehend gewürdigt, dass dem Kläger die
Auflage lediglich zur Wiedergutmachung des durch die Tat
verursachten Schadens nach § 56b Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StGB
erteilt worden sei. Es hat dies insbesondere damit begründet,
dass das LG bei der Erteilung der Auflage ausdrücklich auf die
„Schadenswiedergutmachung“ abgestellt und
berücksichtigt habe, dass dem Zahlungsempfänger durch das
strafwürdige Verhalten des Klägers ein über dem
auferlegten Zahlungsbetrag liegender Schaden entstanden sei.
Diese Würdigung ist naheliegend. Sie
verstößt weder gegen Denkgesetze noch
Erfahrungssätze, so dass der Senat hieran mangels
zulässiger und begründeter Revisionsrügen
gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden ist (BFH-Urteil vom
19.6.2008 VI R 12/07, BFH/NV 2008, 1997 = SIS 08 41 22,
m.w.N.).
3. Die Rüge des FA, die Vorinstanz habe
den Sachverhalt mangelhaft aufgeklärt, wurde nicht
schlüssig erhoben (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 5.3.2008 X R
48/06, BFH/NV 2008, 1463 = SIS 08 31 69, unter II. 2. der
Gründe).