Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des
Abrechnungsbescheids vom 08.10.2021 über
Säumniszuschläge zur Körperschaftsteuer 2016 und
2017 sowie zum Solidaritätszuschlag zur
Körperschaftsteuer 2016 und 2017 wird abgelehnt.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die
Antragstellerin zu tragen.
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I. Die Beteiligten streiten über die
Aussetzung der Vollziehung (AdV) eines Abrechnungsbescheids
über Säumniszuschläge.
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Gegen den Abrechnungsbescheid vom
08.10.2021, in dem Säumniszuschläge zur
Körperschaftsteuer und zum Solidaritätszuschlag zur
Körperschaftsteuer ausgewiesen worden waren, legte die
Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (Antragstellerin) Einspruch
ein und beantragte die AdV.
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Der Antragsgegner und Beschwerdeführer
(Finanzamt - FA - ) lehnte die begehrte AdV mit Bescheid vom
14.10.2021 ab. Hierauf beantragte die Antragstellerin beim
Finanzgericht (FG) Münster die AdV der
Säumniszuschläge aus dem Abrechnungsbescheid in voller
Höhe.
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Das FG gab dem Antrag auf AdV mit seinem in EFG
2022, 1081 = SIS 22 07 81
veröffentlichten Beschluss vom 04.04.2022 - 11 V 2680/21 AO
statt. Der Beschluss wurde dem FA am 04.04.2022 übersandt. Das
FG war der Auffassung, die Rechtmäßigkeit der in dem
Abrechnungsbescheid ausgewiesenen Säumniszuschläge sei
ernstlich zweifelhaft, soweit diese - wie im Streitfall - nach dem
31.12.2018 entstanden seien. Die ernstlichen Zweifel ergäben
sich aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG)
zur Verfassungswidrigkeit der Verzinsung von
Steuernachforderungen und -erstattungen nach § 233a i.V.m.
§ 238 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO).
Säumniszuschläge hätten nicht nur die Funktion eines
Druckmittels, sondern auch die einer Gegenleistung oder eines
Ausgleichs für das Hinausschieben der Zahlung fälliger
Steuern. Ihnen komme mithin auch eine zinsähnliche Funktion
zu.
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Der hiergegen vom FG zugelassenen
Beschwerde des FA vom 14.04.2022 hat das FG mit Beschluss vom
26.04.2022 nicht abgeholfen.
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Das FA macht mit der Beschwerde geltend,
die AdV sei im Streitfall bereits deswegen abzulehnen, weil der
Antragstellerin das besondere Aussetzungsinteresse fehle. Ein
solches besonderes Aussetzungsinteresse sei erforderlich, wenn die
Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen
Verwaltungsaktes auf Bedenken gegen die
Verfassungsmäßigkeit des zugrunde liegenden Gesetzes
beruhten. Zwar werde auch in diesen Fällen dem
Aussetzungsinteresse des Steuerpflichtigen der Vorrang vor dem
öffentlichen Vollzugsinteresse eingeräumt, wenn das
BVerfG eine ähnliche Vorschrift für nichtig erklärt
habe. Das sei vorliegend jedoch nicht der Fall. Die Entscheidung
des BVerfG vom 08.07.2021 - 1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17 (BVerfGE
158, 282 = SIS 21 14 23) zur Höhe der Verzinsung von
Steuernachforderungen und -erstattungen nach § 233a i.V.m.
§ 238 Abs. 1 Satz 1 AO sei nicht auf
Säumniszuschläge übertragbar, weil sich der
Normzweck des § 240 AO erheblich von dem des § 233a AO
unterscheide. Bei Säumniszuschlägen handele es sich nicht
in erster Linie um Zinsen, sondern um ein Sanktionsmittel eigener
Art.
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Das FA beantragt, den Beschluss des FG vom
04.04.2022 - 11 V 2680/21 AO aufzuheben und die AdV
abzulehnen.
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Die Antragstellerin beantragt, die
Beschwerde des FA zurückzuweisen.
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II. Die Beschwerde ist begründet; sie
führt für Aufhebung der Vorentscheidung und zur Ablehnung
des Antrags auf
AdV.
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1. Nach § 128 Abs. 3 i.V.m. § 69
Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist
die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder
teilweise auszusetzen, wenn ernstliche Zweifel an der
Rechtmäßigkeit dieses Verwaltungsaktes bestehen.
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a) Ernstliche Zweifel im Sinne von § 69
Abs. 2 Satz 2 FGO liegen dann vor, wenn bei summarischer
Prüfung des angefochtenen Bescheids neben für seine
Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige
Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit
in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der
Beurteilung entscheidungserheblicher Tatfragen bewirken. Es ist
nicht erforderlich, dass die für die Rechtswidrigkeit
sprechenden Gründe im Sinne einer Erfolgswahrscheinlichkeit
überwiegen. Ernstliche Zweifel können auch
verfassungsrechtliche Zweifel hinsichtlich einer dem angefochtenen
Verwaltungsakt zugrunde liegenden Norm sein (ständige
Rechtsprechung, vgl. z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs -
BFH - vom 26.09.2022 - XI B 9/22 (AdV), BFHE 276, 467 = SIS 22 17 99, Rz 16 und vom 23.05.2022 - V B 4/22 (AdV), BFHE 276, 535 = SIS 22 12 06, Rz 28, jeweils m.w.N.).
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b) Unter Berücksichtigung dieser
Grundsätze bestehen im Streitfall keine ernstlichen Zweifel an
der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlich festgelegten
Höhe des Säumniszuschlags. Der Antrag auf AdV war daher
abzulehnen.
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aa) Gemäß § 240 Abs. 1 Satz 1
AO ist, wenn eine Steuer nicht bis zum Ablauf des
Fälligkeitstages entrichtet wird, für jeden angefangenen
Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 % des
abgerundeten rückständigen Steuerbetrags zu entrichten;
abzurunden ist auf den nächsten durch 50 EUR teilbaren
Betrag.
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bb) Diese Regelung verstößt nach
der hier gebotenen summarischen Prüfung weder gegen den
Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG - ) noch
gegen das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG).
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(1) Der VII. Senat des BFH hat mit Urteilen
vom 23.08.2022 - VII R 21/21 (BFHE 278, 1, BStBl II 2023, 304 = SIS 23 02 31, Rz 38 ff.) und vom 15.11.2022 - VII R 55/20 (BFHE 278,
403, BStBl II 2023, 621 = SIS 23 05 18, Rz 19 ff.) entschieden,
dass auch bei einem strukturellen Niedrigzinsniveau gegen die in
§ 240 Abs. 1 Satz 1 AO festgelegte Höhe des
Säumniszuschlags keine verfassungsrechtlichen Bedenken
bestehen.
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Insbesondere lassen sich den genannten
Urteilen zufolge weder die vom BVerfG in seinem Beschluss vom
08.07.2021 - 1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17 (BVerfGE 158, 282 = SIS 21 14 23) herausgearbeiteten Grundsätze, nach denen die
Verzinsung von Steuernachforderungen und -erstattungen nach
§§ 233a, 238 AO in Höhe von 0,5 % pro Monat für
Verzinsungszeiträume ab dem 01.01.2014 mit Art. 3 Abs. 1 GG
unvereinbar ist, auf den Säumniszuschlag übertragen, noch
verstößt die Höhe des Säumniszuschlags gegen
das Übermaßverbot und verletzt daher auch nicht das
Rechtsstaatsprinzip nach Art. 20 Abs. 3 GG.
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(2) Der beschließende Senat folgt dieser
Rechtsprechung und nimmt wegen der Einzelheiten darauf Bezug. Zwar
betreffen die genannten Entscheidungen des VII. Senats
Zeiträume vor dem 31.12.2018. Die tragenden Gründe der
vom VII. Senat vorgenommenen - eigenständigen -
verfassungsrechtlichen Prüfung gelten aber gleichermaßen
für Zeiträume ab dem 01.01.2019.
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Die vom VIII. Senat im AdV-Verfahren insoweit
geäußerten Zweifel (BFH-Beschluss vom 11.11.2022 - VIII
B 64/22 (AdV), BFHE 278, 36 = SIS 22 20 30) sind nach Auffassung
des beschließenden Senats durch die - im Hauptsacheverfahren
ergangenen - Entscheidungen des VII. Senats überholt.
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2. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 1 FGO.
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