Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den
Beschluss des Finanzgerichts des Saarlandes vom 30.03.2021 - 1 V
1374/20 = SIS 21 10 23 wird als unbegründet
zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der
Antragsgegner zu tragen.
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I. Streitig ist, ob bei der Antragstellerin
und Beschwerdegegnerin (Antragstellerin) ein Entnahmegewinn nach
§ 4 Abs. 1 Satz 3 und 4 des Einkommensteuergesetzes in der
für das Jahr 2013 (Streitjahr/Erhebungszeitraum) geltenden
Fassung (EStG) anzusetzen ist, weil bei einer personallosen
Betriebsstätte Wirtschaftsgüter nicht mehr dieser,
sondern ab dem 01.01.2013 aufgrund einer Zuordnung nach der sog.
Personalfunktion vollständig der ausländischen
Geschäftsleitungsbetriebsstätte zuzuordnen seien.
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Die Antragstellerin ist eine KG, deren
Kommanditanteile von der KS, einer KG dänischen Rechts,
gehalten werden. Persönlich haftende Gesellschafterin der
Antragstellerin ist die ApS, eine GmbH dänischen Rechts,
Kommanditist eine natürliche Person. Die ApS ist nicht am
Kapital der Antragstellerin beteiligt.
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Die Antragstellerin betreibt seit dem Jahr
2011 auf einem gepachteten Grundstück im Inland
Windenergieanlagen, den „Windpark ...“. Sie
verfügt weder in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland)
noch im Königreich Dänemark (Dänemark) über
eigene Mitarbeiter. Die technische und kaufmännische
Betriebsführung erfolgt durch zwei deutsche Service- bzw.
Verwaltungsgesellschaften auf Grundlage von Betriebsführungs-
und Serviceverträgen. Die Einkünfte aus Gewerbebetrieb
für das Streitjahr, der Gewerbesteuermessbetrag für den
Erhebungszeitraum und der vortragsfähige Gewerbeverlust auf
den 31.12.2013 wurden zunächst erklärungsgemäß
vom vormals zuständigen Finanzamt X auf ... EUR festgestellt
bzw. festgesetzt. Die Bescheide ergingen jeweils unter dem
Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1
der Abgabenordnung (AO).
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Der Antragsgegner und Beschwerdeführer
(das Finanzamt - FA - ) änderte unter dem 17.12.2019 die
streitgegenständlichen Bescheide, stellte die Einkünfte
aus Gewerbebetrieb mit ... EUR fest und passte den
Gewerbesteuermessbetrag sowie den vortragsfähigen
Gewerbeverlust entsprechend an. Das FA ging dabei davon aus, dass
aufgrund der Änderungen und Ergänzungen des § 1 Abs.
5 und 6 des Gesetzes über die Besteuerung bei
Auslandsbeziehungen (Außensteuergesetz) i.d.F. des Gesetzes
zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung
steuerlicher Vorschriften (Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz)
vom 26.06.2013 (BStBl I 2013, 1809, BStBl I 2013, 802 = SIS 13 18 22) - AStG - ab dem 01.01.2013 alle Vermögensgegenstände,
Schulden und Geschäftsvorfälle abweichend von den
Vorjahren erstmals der Geschäftsleitungsbetriebsstätte in
Dänemark zuzuordnen seien. Hierdurch sei das gesamte
Vermögen der Antragstellerin steuerrechtlich
„entstrickt“ worden.
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Über die hiergegen eingelegten
Einsprüche ist noch nicht entschieden worden. Die zugleich
beantragte Aussetzung der Vollziehung (AdV) lehnte das FA unter dem
21.01.2020 ab. Ob die Ablehnungsverfügung auch abgesandt
wurde, ist den Akten nicht zu entnehmen. Unter dem 05.11.2020
änderte es die streitgegenständlichen Bescheide erneut
und ging nunmehr von Einkünften aus Gewerbebetrieb in
Höhe von ... EUR aus.
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Am 27.11.2020 hat die Antragstellerin die
AdV der angefochtenen Bescheide beantragt. Das Finanzgericht des
Saarlandes (FG) hat mit Beschluss vom 30.03.2021 - 1 V 1374/20
(abgedruckt in EFG 2021, 1122 = SIS 21 10 23) die Vollziehung der
Bescheide ausgesetzt und die Beschwerde zugelassen.
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Mit der Beschwerde rügt das FA die
Verletzung materiellen Rechts. Das FA beantragt
sinngemäß, den Beschluss des FG aufzuheben und den
Antrag der Antragstellerin auf AdV als unbegründet
zurückzuweisen.
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Die Antragstellerin beantragt
sinngemäß, die Beschwerde des FA
zurückzuweisen.
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II. Die Beschwerde des FA ist zulässig,
aber unbegründet.
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1. Die Beschwerde gegen die Entscheidung des
FG über die AdV nach § 69 Abs. 3 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) ist zulässig.
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a) Sie ist statthaft, weil sie vom FG
ausdrücklich zugelassen wurde (§ 128 Abs. 3 Satz 1
FGO).
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b) Der Zulässigkeit der Beschwerde steht
nicht entgegen, dass sie durch das FA nicht innerhalb der Frist des
§ 129 Abs. 1 FGO begründet worden ist.
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Die Beschwerdeschrift wurde am 13.04.2021 und
damit innerhalb der zweiwöchigen Frist des § 129 Abs. 1
FGO eingelegt. Sie enthält einen bestimmten Antrag und
bezeichnet auch die angefochtene Entscheidung. Dass die
Beschwerdebegründungsschrift erst am 01.06.2021 beim FG
einging, berührt das Verfahren nicht. Denn aus § 129 FGO
ergibt sich nicht die Verpflichtung, die Beschwerde zu
begründen und die Begründungsschrift innerhalb einer
bestimmten Frist dem Gericht einzureichen (vgl. Beschluss des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 25.04.1968 - VI B 47/67, BFHE 92, 469,
BStBl II 1968, 608 = SIS 68 04 17). Es reicht aus, dass das
Begehren des Beschwerdeführers aufgrund der Antragstellung und
der Begründung des Antrags auf AdV im finanzgerichtlichen
Verfahren hinreichend deutlich erkennbar ist (BFH-Beschluss vom
12.01.2021 - II B 61/19, BFH/NV 2021, 529 = SIS 21 03 15).
Entsprechendes gilt, wenn - wie im Streitfall - das Begehren des FA
als Beschwerdeführer aus der Antragstellung im
Beschwerdeverfahren sowie aus dem Vorbringen in der Vorinstanz
hervorgeht.
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2. Die Beschwerde
des FA ist jedoch unbegründet. Es bestehen - wie vom FG
zutreffend angenommen - ernstliche Zweifel an der
Rechtmäßigkeit der Bescheide vom
05.11.2020.
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a) Nach § 69 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 2
FGO ist die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ganz
oder teilweise auszusetzen, wenn ernstliche Zweifel an der
Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes
bestehen. Ernstliche Zweifel i.S. von § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO
liegen bereits dann vor, wenn bei summarischer Prüfung des
angefochtenen Bescheides neben für seine
Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige
Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit
in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der
Beurteilung entscheidungserheblicher Tatfragen bewirken
(ständige Rechtsprechung seit BFH-Beschluss vom 10.02.1967 -
III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182 = SIS 67 01 06;
zuletzt Senatsbeschlüsse vom 18.05.2021 - I B 75/20 (AdV),
BFH/NV 2021, 1489 = SIS 21 15 36, und I B 76/20 (AdV), BFH/NV 2021,
1491 = SIS 21 15 37). Die Entscheidung hierüber ergeht bei der
im AdV-Verfahren gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des
Sachverhalts, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der
Aktenlage ergibt (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 07.09.2011 - I B
157/10, BFHE 235, 215, BStBl II 2012, 590 = SIS 11 37 51, Rz 12,
m.w.N.). Zur Gewährung der AdV ist es nicht erforderlich, dass
die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe im Sinne
einer Erfolgswahrscheinlichkeit überwiegen (Senatsbeschluss in
BFHE 235, 215, BStBl II 2012, 590 = SIS 11 37 51, Rz 12).
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b) Nach dieser
Maßgabe ergeben sich ernstliche Zweifel, ob das FA zu
Recht einen Entnahmegewinn nach § 4 Abs. 1 Satz 3 und 4 EStG
gesondert festgestellt und in die Festsetzung des
Gewerbesteuermessbetrags bzw. Feststellung des vortragsfähigen
Gewerbeverlustes mit einbezogen hat.
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aa) Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1
EStG - für die Gewerbesteuer i.V.m. § 7 Satz 1 des
Gewerbesteuergesetzes in der im Erhebungszeitraum geltenden Fassung
- ist Gewinn der Unterschiedsbetrag zwischen dem
Betriebsvermögen am Schluss des Wirtschaftsjahres und dem
Betriebsvermögen am Schluss des vorangegangenen
Wirtschaftsjahres, vermehrt um den Wert der Entnahmen und
vermindert um den Wert der Einlagen. Nach § 4 Abs. 1 Satz 2
EStG sind Entnahmen alle Wirtschaftsgüter (Barentnahmen,
Waren, Erzeugnisse, Nutzungen und Leistungen), die der
Steuerpflichtige dem Betrieb für sich, für seinen
Haushalt oder „für andere betriebsfremde
Zwecke“ im Laufe des Wirtschaftsjahres entnommen hat.
Nach § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG steht einer Entnahme
„für betriebsfremde Zwecke“ der Ausschluss
oder die Beschränkung des Besteuerungsrechts Deutschlands
hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung oder der
Nutzung eines Wirtschaftsguts gleich. Ein Ausschluss oder eine
Beschränkung des Besteuerungsrechts hinsichtlich des Gewinns
aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts liegt
insbesondere dann vor, wenn ein bisher einer inländischen
Betriebsstätte des Steuerpflichtigen zuzuordnendes
Wirtschaftsgut einer ausländischen Betriebsstätte
zuzuordnen ist (§ 4 Abs. 1 Satz 4 EStG).
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bb) Zutreffend ist das FG davon ausgegangen,
dass es sich bei dem „Windpark ...“ um eine
inländische Betriebsstätte i.S. von § 12 Satz 1 AO
handelt, auch wenn er im Inland über kein eigenes Personal
verfügt. Dies ist zwischen den Beteiligten nicht streitig und
bedarf keiner weiteren Ausführungen.
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cc) Ebenfalls zutreffend ist das FG davon
ausgegangen, dass die Wirtschaftsgüter des Windparks bis zum
31.12.2012 der Betriebsstätte im Inland und nicht der
Geschäftsleitungsbetriebsstätte in Dänemark
zuzurechnen waren. Hierfür reicht ein ganz überwiegender
Veranlassungszusammenhang der Wirtschaftsgüter der
Windenergieanlage mit der Produktion und dem Vertrieb von Strom
aus. Der im Streitfall einschlägige § 49 Abs. 1 Nr. 2
Buchst. a EStG fordert keine tatsächliche Zugehörigkeit
der Wirtschaftsgüter zu der im Inland gelegenen
Betriebsstätte (vgl. Senatsurteil vom 12.06.2013 - I R 47/12,
BFHE 242, 107, BStBl II 2014, 770 = SIS 13 29 92, sowie
Senatsurteil vom 08.09.2010 - I R 74/09, BFHE 231, 84, BStBl II
2014, 788 = SIS 10 36 87). Es bedarf insoweit (nur) einer
wirtschaftlichen Veranlassung und der daraus abgeleiteten Zuordnung
der Wirtschaftsgüter zu der Betriebsstätte. Die
Zuordnungsmaßstäbe richten sich nach allgemeinen
Verursachungs- und Veranlassungsgesichtspunkten. Maßstab ist
die wirtschaftliche Zugehörigkeit der Wirtschaftsgüter zu
der in der einzelnen Betriebsstätte entfalteten betrieblichen
Tätigkeit (vgl. z.B. Senatsurteil vom 29.11.2017 - I R 58/15,
BFHE 260, 209 = SIS 18 02 89, m.w.N.).
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dd) Dass sich an dieser Zuordnung (s. cc)
durch die Umsetzung des sog. „Authorised OECD
Approach“ (AOA) in § 1 Abs. 5 und 6 AStG ab dem
01.01.2013 etwas geändert hat, ist zweifelhaft (s.a.
Mychajluk, EFG 2021, 1127; Möller, DStR kurzgefasst 2021,
239).
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aaa) Um die Betriebsstätte wie ein
eigenständiges und unabhängiges Unternehmen zu behandeln,
ordnet § 1 Abs. 5 Satz 3 AStG „in einem ersten
Schritt“ an, dass neben Chancen und Risiken sowie einem
angemessenen Eigenkapital die Funktionen des Unternehmens, die
durch ihr Personal ausgeübt werden (Personalfunktionen) sowie
die Vermögenswerte des Unternehmens, die sie zur Ausübung
der ihr zugeordneten Funktionen benötigt, der
Betriebsstätte zuzuordnen sind. Die Finanzverwaltung versteht
die gesetzliche Regelung dahin, dass ausgehend von den in der
Betriebsstätte ausgeübten Personalfunktionen die
Vermögenswerte des Unternehmens zu bestimmen sind, die der
Betriebsstätte zuzuordnen sind (vgl. die sog.
Verwaltungsgrundsätze Betriebsstättengewinnaufteilung -
VWG BsGa -, Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen - BMF -
vom 22.12.2016, BStBl I 2017, 182 = SIS 17 02 39, Rz 444).
Würden in der Betriebsstätte keine Personalfunktionen
ausgeübt, weil diese - wie im Streitfall -
„personallos“ betrieben werde, seien dieser auch
keine Vermögenswerte zuzuordnen.
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Auf den Streitfall bezogen bedeutet dies nach
Auffassung des FA, dass die bisher der inländischen
Betriebsstätte zugeordneten Windenergieanlagen ab dem
01.01.2013 der Betriebsstätte der Gesellschafterin der
Antragstellerin in Dänemark zuzuordnen sind. Aufgrund dieser
(neuen) Zuordnung der Windenergieanlage komme es zu einer
Überführung der Vermögenswerte. Folglich sei
gemäß § 4 Abs. 1 Satz 3 und 4 EStG von einer
Entnahme „für betriebsfremde Zwecke“ i.S.
des § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG auszugehen, die mit dem gemeinen
Wert der entnommenen Wirtschaftsgüter anzusetzen sei (§ 6
Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 Halbsatz 2 EStG).
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bbb) Ob § 1 Abs. 5 Satz 3 AStG eine
entsprechende Rechtsfolge begründen kann, ist
höchstrichterlich noch nicht entschieden worden und wird
zwischen Finanzverwaltung und dem Schrifttum uneinheitlich
beantwortet. Dies reicht bereits für ernstliche Zweifel an der
Rechtmäßigkeit der Festsetzung/Feststellungen aus.
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Soweit sich das FA für seine Auffassung
auf Rz 451 VWG BsGa beruft, wonach im Fall einer
Zuordnungsänderung ggf. eine Entstrickung ausgelöst
werden kann, wird dem im Schrifttum entgegengehalten, dass die
Entstrickungsvorschriften eine Zuordnung nach Personalfunktionen
nicht kennen (vgl. Ditz in Wassermeyer/Andresen/Ditz,
Betriebsstätten-Handbuch, 2. Aufl., Rz 6.134). Die allgemeine
Entstrickungsregelung in § 4 Abs. 1 Satz 3 und 4 EStG und die
Neuregelung in § 1 Abs. 5 AStG stünden in ihrem
„tatbestandlich-systematischen Ausgangspunkt“
wie in ihren Rechtswirkungen „unverbunden“
nebeneinander; § 1 Abs. 5 AStG sei als
Einkünftekorrekturvorschrift zu qualifizieren, die allgemeine
Entstrickungsregelung in § 4 Abs. 1 Satz 3 und 4 EStG hingegen
als allgemeine Gewinnermittlungsvorschrift (Gosch in
Drüen/Hey/Mellinghoff [Hrsg.], 100 Jahre Steuerrechtsprechung
in Deutschland 1918-2018, Festschrift für den Bundesfinanzhof,
2018, S. 1027, 1041; Ditz, Internationale Steuer-Rundschau - ISR -
2013, 261).
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Der Senat teilt bei summarischer Prüfung
diese Sichtweise. § 1 Abs. 5 AStG steht im unmittelbaren
Kontext zu dessen Abs. 1 und knüpft damit tatbestandlich an
eine Einkünfteminderung an, die durch eine Vereinbarung nicht
fremdvergleichsgerechter Bedingungen (Verrechnungspreise) entsteht
(vgl. Gosch in Drüen/Hey/Mellinghoff [Hrsg.], a.a.O., S. 1027,
1035 f.). Dem Wortlaut des § 1 Abs. 5 AStG und insbesondere
dessen Satz 3 lässt sich nicht entnehmen, dass außerhalb
des Anwendungsbereichs des § 1 AStG und insbesondere für
die allgemeine Gewinnermittlung nach §§ 4 ff. EStG eine
Veranlassungsprüfung (allein) nach den in den jeweiligen
Unternehmensteilen ausgeübten Personalfunktionen vorzunehmen
wäre. Eine entsprechende „Ausstrahlwirkung“
kann in § 1 Abs. 5 AStG auch nicht hineingelesen werden.
Hierfür spricht auch die systematische Stellung der Vorschrift
im AStG.
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Soweit die Finanzverwaltung in Tz. 2.2.4.1 des
BMF-Schreibens zur Anwendung der Doppelbesteuerungsabkommen auf
Personengesellschaften vom 26.09.2014 (BStBl I 2014, 1258 = SIS 14 27 65) davon ausgeht, dass hinsichtlich der Zuordnung von
Wirtschaftsgütern einer Personengesellschaft die
Grundsätze des § 1 Abs. 5 AStG „in
Grundzügen“ mit der Rechtsprechung des BFH zum
funktionalen Zusammenhang übereinstimmen, bestehen bereits
Zweifel, ob im Rahmen einer solchen Betrachtungsweise allein auf
eine Zuordnung von Wirtschaftsgütern nach
„Personalfunktionen“ abzustellen wäre. Der
bisherigen Rechtsprechung des Senats hierzu mag eine
funktionsgetragene Betrachtungsweise zugrunde liegen, ihr ist aber
jedenfalls nicht zu entnehmen, dass allein die Personalfunktion als
maßgebender Zuordnungsparameter anzusehen wäre (vgl.
hierzu Gosch in Drüen/Hey/Mellinghoff [Hrsg.], a.a.O., S.
1027, 1038; Ditz, ISR 2013, 261).
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Selbst wenn man unter Verweis auf § 1
Abs. 5 AStG maßgebend auf eine Zuordnung von
Wirtschaftsgütern nach der
„Personalfunktion“ abstellen würde,
bestehen Zweifel, ob im Streitfall die Windenergieanlagen der
Geschäftsleitungsbetriebsstätte in Dänemark
zuzuordnen wären, weil nur dort Personalfunktionen
ausgeübt werden. Denn es ist fraglich, ob § 1 Abs. 5 Satz
3 AStG dahin auszulegen ist, dass die maßgebende
Personalfunktion ausschließlich durch Personal ausgeübt
werden kann, das bei dem Unternehmen als (eigene) Arbeitnehmer
angestellt ist. In der Literatur wird jedenfalls angezweifelt, dass
das in einer Funktion für das Unternehmen tätige Personal
mit diesem arbeitsvertraglich verbunden sein muss. Dem Wortlaut der
Norm lasse sich ein Ausschluss von Personal, das durch
Arbeitnehmerüberlassungsvertrag oder Dienstleistungsvertrag in
dieser Funktion tätig werde, nicht entnehmen (Andresen in
Wassermeyer/Andresen/Ditz, a.a.O., Rz 4.70). Damit würde im
Streitfall das Personal der deutschen Service- bzw.
Verwaltungsgesellschaften, das auf der Grundlage von
Betriebsführungs- und Serviceverträgen die technische und
die kaufmännische Betriebsführung der Windenergieanlagen
übernimmt, für die Zuordnung von Wirtschaftsgütern
eine Funktion in der inländischen Betriebsstätte
ausüben. Mithin wäre dort von einer Personalfunktion
auszugehen. Soweit dazu § 2 Abs. 3 und 4 der Verordnung zur
Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes auf Betriebsstätten
nach § 1 Abs. 5 des Außensteuergesetzes
(Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung - BsGaV - )
ausdrücklich regelt, dass nur „eigenes“
Personal eine entsprechende Personalfunktion ausüben kann und
eigenes Personal nur dann anzunehmen sei, wenn es aufgrund einer
gesellschaftsvertraglichen oder arbeitsvertraglichen Vereinbarung
mit dem Unternehmen für das Unternehmen tätig wird, weist
der Senat darauf hin, dass die Regelungen der BsGaV
gemäß § 40 BsGaV erst für Wirtschaftsjahre,
die nach dem 31.12.2014 beginnen - und damit nicht für das
Streitjahr - zur Anwendung kommen. Soweit die Finanzverwaltung
davon ausgeht, dass die Regelungen der BsGaV für
Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2012, aber vor dem 01.01.2015,
beginnen, herangezogen werden können, weist der Senat zudem
darauf hin, dass das Gesetz nicht das für eine
Einschränkung adäquate Tatbestandsmerkmal
„eigenes (Personal)“ verwendet.
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Schließlich hat der Senat Zweifel, ob
unter der Geltung des § 1 Abs. 5 AStG die Grundsätze zur
Zuordnung von Wirtschaftsgütern nach der Personalfunktion bei
sog. personallosen Betriebsstätten überhaupt anwendbar
sind. In der Literatur wird darauf hingewiesen, dass das Prinzip
der Zuordnung von Wirtschaftsgütern nach der Personalfunktion
bei solchen Betriebsstätten dazu führen würde, dass
ausgerechnet die Wirtschaftsgüter, die die personallose
Betriebsstätte begründen, der
Geschäftsleitungsbetriebsstätte zuzuordnen wären
(vgl. Leonhardt/Tcherveniachki in
Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, Außensteuerrecht,
§ 1 AStG Rz 2939.7; Ditz/Tcherveniachki, ISR 2020, 145). Es
wird deshalb für notwendig erachtet, dass bei personallosen
Betriebsstätten - abweichend von der Zuordnung nach der
maßgeblichen Personalfunktion - diesen jedenfalls die
Wirtschaftsgüter zugerechnet werden müssen, die sie
begründen und die letztlich der dort ausgeübten
Unternehmensfunktion dienen (Ditz/Tcherveniachki, ISR 2020, 145;
Andresen in Wassermeyer/Andresen/ Ditz, a.a.O., Rz 11.33; Melhem/Dembrowski, IStR 2015, 912). Dies kann möglicherweise auf § 1 Abs. 5
Satz 2 Halbsatz 2 AStG gestützt werden, da insoweit
„die Zugehörigkeit der Betriebsstätte zum
Unternehmen ... eine andere Behandlung (erfordert)“. Die
Finanzverwaltung scheint jedenfalls für den Fall einer
Betriebsstätte ohne maßgebliche Personalfunktion unter
Hinweis auf Tz. 75 des Berichts über die Zurechnung von
Gewinnen zu Betriebsstätten der OECD vom 22.07.2010 (abrufbar
unter
www.oecd.org/ctp/transfer-pricing/attributes-of-profits-permanent-establishments-german.pdf),
wonach bei Betriebsstätten ohne maßgebliche
Personalfunktion die Nutzung als Grundlage für die Zuordnung
des wirtschaftlichen Eigentums von materiellen
Wirtschaftsgütern dienen soll, von einer
„anderen“ Zuordnung von Wirtschaftsgütern
auszugehen (vgl. VwG BsGa Rz 6a, neu eingefügt durch
BMF-Schreiben vom 17.12.2019, BStBl I 2020, 84 = SIS 19 19 13;
hierzu Leonhardt/Tcherveniachki in
Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, a.a.O., § 1 AStG Rz
2939.1 ff.; Ditz/Tcherveniachki, ISR 2020, 145), was angesichts des
nicht eindeutigen Gesetzeswortlauts („Zugehörigkeit
... zum Unternehmen“) aber wiederum nicht unzweifelhaft
ist.
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ee) Auf dieser Grundlage ist im
anhängigen Verfahren nicht mehr der weiteren Frage
nachzugehen, ob der Tatbestand der genannten
Entstrickungsregelungen auch zur Anwendung kommt, wenn das
Besteuerungsrecht Deutschlands durch rein staatliches Handeln
(hier: eine gesetzliche Regelung) ausgeschlossen oder
eingeschränkt wird (sog. passive Entstrickung; vgl. zur
Problematik Musil in Herrmann/Heuer/Raupach, § 4 EStG Rz
230).
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 2 FGO.
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