Gemeinnützigkeit, ermäßigter USt-Satz, Satzungserfordernisse: 1. Der ermäßigte Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 UStG für gemeinnützige Körperschaften ist nur zu gewähren, wenn die Vereinssatzung die formellen Anforderungen an die sog. Vermögensbindung nach § 61 AO erfüllt. - 2. Hierzu ist erforderlich, dass die Vereinssatzung eine Regelung sowohl hinsichtlich der Auflösung und der Aufhebung als auch bei Zweckänderung enthält. - Urt.; BFH 23.7.2009, V R 20/08; SIS 09 29 85
I. Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger) ist ein eingetragener Verein. Vereinszweck ist die
Reinzucht einer bestimmten Hunderasse. Er fördert alle
Bestrebungen, die der Erfüllung dieses Zwecks dienen wie die
Erhaltung und Festigung des Rassehundes, seines Wesens, seiner
Konstitution und seines formvollendeten Erscheinungsbildes.
§ 63 der im Streitjahr 1997 geltenden
Vereinssatzung enthielt keine Regelung für den Fall der
Aufhebung und Zweckänderung des Vereins, sondern
lautete:
„Auflösung:
1.
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Wird die Auflösung des Vereins
beschlossen, so hat der Vorstand die laufenden Geschäfte zu
beendigen.
|
2.
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Die Mitgliederversammlung beschließt
zugleich mit einfacher Stimmenmehrheit über die Verwendung des
Vereinsvermögens. Dieses muss entweder einem als
gemeinnützig anerkannten Tierschutzverein oder einer anderen
als gemeinnützig anerkannten kynologischen Organisation
–die Zustimmung des zuständigen Finanzamtes
vorausgesetzt- zufließen.“
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Nachdem der Kläger seine Umsätze
mit dem begünstigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 8
des Umsatzsteuergesetzes 1993 (UStG) erklärt hatte, besteuerte
der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) die
Umsätze nach dem Regelsteuersatz. Zur Begründung
führte das FA aus, die Vereinssatzung genüge nicht den
gemeinnützigkeitsrechtlichen Anforderungen, weil entgegen
§ 61 der Abgabenordnung (AO) die Vermögensbindung zwar
für den Fall der Auflösung, nicht aber für den Fall
der Änderung oder bei Wegfall des Vereinszwecks bestimmt
sei.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab.
Der begünstigte Steuersatz sei nicht anwendbar, weil nach den
Vorschriften des Gemeinnützigkeitsrechts (§§ 55, 61
AO) „in der Satzung“ geregelt sein müsse, dass bei
Auflösung, Aufhebung und Zweckänderung des Vereins das
Vermögen nur für steuerbegünstigte Zwecke verwendet
werde. Daran fehle es, weil § 63 der Satzung keine Regelung
für den Fall der Zweckänderung enthalte. Auf der
Grundlage der Satzung könne nicht geprüft werden, was in
diesem Falle mit dem Vereinsvermögen geschehen solle. Da
§ 61 AO eindeutig sei und gerade die Beachtung der Form
verlange, liege hierin auch keine
unverhältnismäßige Überspannung der
Anforderungen.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit
der vom Senat zugelassenen Revision. Die Begründung des FG sei
widersprüchlich, weil es einerseits die Regelungen in der
Vereinssatzung der Vermögensbindung nach § 61 AO
(Auflösung, Aufhebung oder Zweckänderung) als
„absolut eindeutige“ formelle Voraussetzungen
bezeichne, selbst aber nur das Fehlen der Satzungsregelung zur
Zweckänderung (und nicht bei Aufhebung) beanstande. Auch in
der Mustersatzung der Finanzverwaltung (Anwendungserlass zur
Abgabenordnung vom 31.8.1987 - AEAO -, Anlage 1 zu § 60 AO,
BStBl I 1987, 664, 678) seien zwar Auflösung und
Zweckänderung, nicht dagegen die Aufhebung genannt. Im AEAO zu
§ 61 AO sei zudem bestimmt, dass die Vermögensbindung
„vor allem“ bei der Auflösung des Vereins aus der
Satzung hervorgehen müsse. Dies lasse darauf schließen,
dass der Bundesminister der Finanzen - BMF - ) Ausnahmen zulasse.
Die Notwendigkeit einer Satzungsregelung zu den beiden anderen
Änderungsgründen (Aufhebung und Zweckänderung) werde
auch in den AO-Kommentaren nicht erwähnt. Die Nichtnennung der
beiden Alternativen sei ausnahmsweise dann unschädlich, wenn
dies bei dem konkreten Verein „keiner praktischen
Bedeutung“ zukomme. Während das Niedersächsische FG
(Urteile vom 31.10.1991 VI 283/87 und vom 20.10.1992 VI 247/88,
beide veröffentlicht in JURIS) die gesetzliche Vorgabe als
eindeutig und nicht interpretationsfähig angesehen habe, habe
das FG Hamburg (Urteil vom 12.11.2002 VII 122/01, DStRE 2003, 634 =
SIS 03 25 70) entschieden, dass nur „die bei der Aufstellung
der Satzung nahe liegenden Fälle“ geregelt sein
müssten. Nach dieser Entscheidung sei eine Zweckänderung
bei einem nach der Satzung bestehenden Mehrheitserfordernis von 2/3
fernliegend. Umso mehr gelte dies für den Kläger, nach
dessen Satzung (§ 25) die Zustimmung aller Mitglieder für
eine Änderung des Vereinszwecks erforderlich sei. Bei
Aufstellung der Satzung sei daher die Alternative „Wegfall
ihres bisherigen Zwecks“ als fernliegend nicht in Betracht
gezogen worden und das Fehlen einer entsprechenden Regelung
führe ausnahmsweise nicht zur Aberkennung der
Gemeinnützigkeit.
Der Kläger beantragt, unter Aufhebung
des angefochtenen FG-Urteils den Umsatzsteuerbescheid 1997 vom
16.12.2004 in der Form der Einspruchsentscheidung vom 12.12.2005
dahingehend zu ändern, dass die erklärten
steuerpflichtigen Umsätze mit dem ermäßigten
Steuersatz besteuert werden.
Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
Eine Zweckänderung des klagenden
Vereins sei im Unterschied zu dem vom FG Hamburg entschiedenen
Fall, in dem der weit gefasste Vereinszweck in der zeitlich
unbegrenzten „Förderung der systematischen und
vergleichbaren Musikwissenschaft“ bestand, durchaus
möglich. Hierauf hat der Kläger erwidert, der Wegfall der
Förderung einer bestimmten Hunderasse als Vereinszweck sei
„noch weitaus unwahrscheinlicher“.
II. Die Revision ist unbegründet; sie war
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG hat zu Recht die
Umsätze des Klägers nicht als steuerbegünstigt nach
§ 12 Abs. 2 Nr. 8 UStG angesehen, weil die Regelungen der
Vereinssatzung über die Vermögensbindung nicht den
Anforderungen des § 61 AO genügen.
1. Nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 UStG
unterliegen die Leistungen der gemeinnützigen
Körperschaften (§ 51 bis § 68 AO) - hier wegen
Förderung der Tierzucht (§ 52 Abs. 2 Nr. 23 AO) - dem
ermäßigten Steuersatz. Nach § 59 AO wird der
ermäßigte Steuersatz u.a. gewährt, wenn sich
„aus der Satzung“ der Körperschaft ergibt,
welchen Zweck sie verfolgt und dieser Zweck den Anforderungen der
§§ 52 bis 55 AO entspricht. In Ausfüllung dieser
Anforderungen an die sog. formelle Satzungsmäßigkeit
bestimmt § 61 Abs. 1 AO, dass eine Vermögensbindung i.S.
des § 55 Abs. 1 Nr. 4 AO nur vorliegt, „wenn der
Zweck, für den das Vermögen bei Auflösung oder
Aufhebung der Körperschaft oder bei Wegfall ihres bisherigen
Zwecks verwendet werden soll, in der Satzung so genau bestimmt ist,
dass aufgrund der Satzung
geprüft werden kann, ob der
Verwendungszweck steuerbegünstigt ist“.
Eine Ausnahme für die
satzungsmäßige Vermögensbindung galt nach dem im
Streitjahr geltenden § 62 AO nur für Betriebe
gewerblicher Art von Körperschaften des öffentlichen
Rechts, staatlich beaufsichtigte Stiftungen, für durch
Körperschaften des öffentlichen Rechts verwaltete
unselbständige Stiftungen und für geistliche
Genossenschaften, zu denen der Kläger nicht gehört.
2. Nach der Rechtsprechung des
Bundesfinanzhofs (BFH) hat die gesetzlich vorgeschriebene
Festlegung der künftigen Vermögensverwendung die Funktion
eines Buchnachweises (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 10.11.1998 I R
95/97, BFH/NV 1999, 739 = SIS 98 57 06; vom 26.2.1992 I R 47/89,
BFH/NV 1992, 695; vom 5.8.1992 X R 165/88, BFHE 169, 3, BStBl II
1992, 1048 = SIS 92 23 33; vom 19.4.1989 I R 3/88, BFHE 156, 381,
BStBl II 1989, 595 = SIS 89 14 47; vom 13.12.1978 I R 39/78, BFHE
127, 330, BStBl II 1979, 482 = SIS 79 02 40). Fehlerhafte
Satzungsbestimmungen können daher weder durch außerhalb
der Satzung getroffene Vereinbarungen noch durch Regelungen in
anderen Satzungen ergänzt werden. Ohne Bedeutung ist auch eine
den steuerbegünstigten Zwecken tatsächlich entsprechende
Geschäftsführung des Vereins (BFH-Urteil vom 21.7.1999 I
R 2/98, BFH/NV 2000, 297 = SIS 00 52 01), denn die
Berücksichtigung außerhalb der Satzung liegender
Begleitumstände oder des nicht in der Satzung manifestierten
Willens der Mitglieder würde dem Gebot des Buchnachweises
widersprechen (BFH-Beschluss vom 3.9.1999 I B 75/98, BFH/NV 2000,
301 = SIS 00 52 05). Daher müssen Regelungen über die
Vermögensbindung sowohl bei Auflösung oder Aufhebung der
Körperschaft oder bei Wegfall ihres bisherigen Zwecks in der
Satzung selbst getroffen werden (ebenso Fischer in
Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 61 AO Rz 2).
3. Ausnahmen können entgegen der
Rechtsansicht des Klägers im Anschluss an das FG Hamburg
(a.a.O.) auch nicht für den Fall zugelassen werden, dass der
Wegfall des bisherigen Zwecks „so fern liegend ist, dass
er gar nicht in den Gesichtskreis der Gründungsmitglieder
getreten ist“ oder für den Fall, dass eine
Änderung des Vereinszwecks nur einstimmig oder mit 2/3
Mehrheit beschlossen werden kann. Denn derartige Ausnahmeregelungen
genügen nicht dem Erfordernis der Satzung als Buchnachweis und
sind wegen Unbestimmtheit mit dem Ziel einer einfachen und
vorhersehbaren Steuerrechtsanwendung nicht zu vereinbaren. Dies
gilt gerade im Streitfall, in dem nach § 63 der Vereinssatzung
über die Verwendung des Vereinsvermögens bereits mit
einfacher Stimmenmehrheit, nach § 25 der Vereinssatzung
Satzungsänderungen mit 2/3 der Stimmen, die Auflösung mit
4/5 und eine Änderung des Vereinszwecks nur einstimmig
beschlossen werden kann.
4. Etwas anderes ergibt sich auch nicht
daraus, dass der Gesetzgeber mit Wirkung vom 1.1.2009 in § 60
Abs. 1 Satz 2 AO (eingefügt durch Art. 10 Nr. 5 des
Jahressteuergesetzes 2009 vom 19.12.2008, BGBl I 2008, 2794) durch
Bezug auf die Mustersatzung bestimmt hat, dass die Satzung
Festlegungen für die „Auflösung oder Aufhebung
der Körperschaft oder bei Wegfall der steuerbegünstigten
Zwecke“ enthalten muss. Daraus folgt nicht, dass vor dem
1.1.2009 die Regelungen des § 61 AO zur Vermögensbindung
entgegen der Rechtsprechung des BFH unverbindlich waren. Vielmehr
sollte durch die Gesetzesänderung (strenger als nach dem
BFH-Urteil vom 14.7.2004 I R 94/02, BFHE 206, 350, BStBl II 2005,
721 = SIS 04 35 56) klargestellt werden, dass die formelle
Satzungsbindung auch die Begriffe „ausschließlich
und unmittelbar“ enthalten muss (von Wedelstädt, DB
2009, 84, 85).
5. Der Kläger kann sich schließlich
nicht darauf berufen, dass die Mustersatzung des BMF (BStBl I 1987,
678) bei Vereinen in § 5 des Mustertextes lediglich die
Auflösung und die Zweckänderung, nicht aber die Aufhebung
nennt („Bei Auflösung des Vereins oder bei Wegfall
steuerbegünstigter Zwecke fällt das Vermögen des
Vereins …“). Denn der BFH ist bei der
Gesetzesauslegung nicht an Verwaltungsvorschriften gebunden
(BFH-Urteil vom 31.7.2008 V R 21/06, BFH/NV 2009, 95 = SIS 08 42 93). Ob im Streitfall ein Erlass der Steuerschuld nach § 227
AO geboten ist, weil der Steuerpflichtige im Vertrauen auf die
Richtigkeit von Verwaltungsanweisungen Dispositionen getroffen hat,
war im vorliegenden Verfahren nicht zu entscheiden. Hierbei
wäre allerdings auch zu berücksichtigen, dass der
Kläger neben der fehlenden Regelung bei Aufhebung des Vereins
auch keine Regelung zur Zweckänderung getroffen hat, die in
der Mustersatzung ausdrücklich vorgesehen ist.