Die Revision des Beklagten gegen das Urteil
des Finanzgerichts Köln vom 21.4.2016 11 K 1694/11 wird als
unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.
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I. Der Kläger und Revisionsbeklagte
(Kläger) bewirtschaftete in den Streitjahren 2004 und 2005
einen Aussiedlerhof und baute Gemüse, Zuckerrüben,
Kartoffeln und Getreide an. Er war zudem alleiniger
Gesellschafter-Geschäftsführer der A-GmbH (GmbH). Der
Kläger veräußerte das von ihm selbst erzeugte
Gemüse an die GmbH, die es wusch, entstielte, verpackte und
verkaufte.
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Im Anschluss an eine
Umsatzsteuersonderprüfung ging der Beklagte und
Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) davon aus, dass
zwischen dem Kläger und der GmbH eine Organschaft bestanden
habe. Daher seien die Eingangs- und Ausgangsumsätze der GmbH
dem Kläger zuzurechnen.
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Gegen die Umsatzsteuerbescheide für
beide Streitjahre vom 28.6.2010 legte der Kläger Einspruch ein
und machte geltend, dass sich aus der Organschaft ergebe, dass die
Umsätze der GmbH nach § 24 des Umsatzsteuergesetzes
(UStG) der Durchschnittssatzbesteuerung unterlägen. § 24
Abs. 2 Satz 3 UStG sei als unionsrechtswidrige Regelung
unbeachtlich. Zudem sei er als Organträger und Steuerschuldner
auch keine Kapitalgesellschaft. Der Einspruch hatte keinen
Erfolg.
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Demgegenüber gab das Finanzgericht
(FG) der Klage statt. Entgegen der Auffassung des FA sei § 24
UStG auch insoweit anzuwenden, als die GmbH vom Kläger im
Rahmen von nichtsteuerbaren Innenumsätzen erworbene
Erzeugnisse geliefert habe. Letzteres ergebe sich daraus, dass der
Kläger im Rahmen seines landwirtschaftlichen
(Einzel-)Unternehmensteils Gemüse gezüchtet und angebaut
habe. Diese aus seiner landwirtschaftlichen Urproduktion stammenden
landwirtschaftlichen Erzeugnisse habe er teilweise an die GmbH
verkauft. Insoweit lägen aufgrund der Organschaft unstreitig
Innenumsätze vor. Die GmbH habe als Organgesellschaft das vom
Kläger als Organträger im Rahmen seines
landwirtschaftlichen (Einzel-)Unternehmensteils erzeugte
Gemüse gesäubert, entstielt, verpackt und an Dritte
verkauft. Insoweit habe die GmbH als Organgesellschaft
Außenumsätze ausgeführt, die als
Verarbeitungstätigkeiten landwirtschaftliche Dienstleistungen
darstellten und dem Kläger als Organträger zuzurechnen
seien. Gegenüber den Dritterwerbern stellten sich die durch
die GmbH bewirkten Lieferungen als einheitliche Leistungen des
Klägers als Organträger dar. Diese dem Kläger als
einheitliche Leistungen zuzurechnenden Lieferungen der GmbH an
Dritte unterlägen der Durchschnittssatzbesteuerung. Dem stehe
nicht entgegen, dass die GmbH auch Drittware verkauft habe. Soweit
die GmbH als Organgesellschaft Produkte vermarktet habe, die der
Organträger (selbst) durch Urproduktion erzeugt habe, handele
es sich um Umsätze, die gemäß § 24 Abs. 1 Satz
1 UStG „im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen
Betriebs“ des (einen) Unternehmens des Organträgers
ausgeführt worden seien. Dieser land- und forstwirtschaftliche
„Betrieb“ i.S. des § 24 Abs. 1 Satz 1 UStG umfasse
sowohl den Unternehmensteil, der sich aus den vom Organträger
selbst ausgeübten Tätigkeiten (Umsätzen) ergibt,
d.h. Zucht und Anbau des Gemüses, als auch aus dem
Unternehmensteil, der sich aus den zivilrechtlich von der GmbH
(Organgesellschaft) entfalteten Tätigkeiten, im Streitfall dem
Säubern, Entstielen, Verpacken und Vermarkten des vom
Kläger in eigener Person angebauten Gemüses
zusammensetze. Beide Tätigkeitsbereiche zusammen bildeten den
land- und forstwirtschaftlichen Betrieb i.S. des § 24 Abs. 1
Satz 1 UStG, der nach Abs. 3 der Vorschrift als „ein in der
Gliederung des Unternehmens gesondert geführter Betrieb zu
behandeln“ sei und somit - im Unterschied zu den
„anderen Umsätzen“ i.S. des § 24 Abs. 3 UStG
- der Durchschnittssatzbesteuerung unterliege. § 24 Abs. 2
Satz 3 UStG stehe dem nicht entgegen. Im Übrigen sei die
Vorschrift auch nicht „betriebsbezogen“, sondern
„umsatzbezogen“ auszulegen.
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Hiergegen wendet sich das FA mit der
Revision. § 24 UStG sei betriebs- nicht aber
unternehmensbezogen auszulegen. Die Organschaft sei auf
Innenleistungen beschränkt. Durch die Einbeziehung einer
Organschaft in den Anwendungsbereich des § 24 UStG werde der
Wettbewerb verfälscht. Unternehmen, die landwirtschaftliche
Erzeugnisse von Dritten zukauften, würden benachteiligt.
Discountern würde die Anwendung von § 24 UStG
ermöglicht. Die Organschaft solle nur das Entstehen einer
nichtabzugsfähigen Vorsteuer vermeiden. Abweichendes ergebe
sich auch nicht aus dem Unionsrecht.
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Das FA beantragt, das Urteil des FG
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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Nach der Rechtsprechung des
Bundesfinanzhofs (BFH) sei die Organschaft auch bei der
Umsatzqualifikation zu berücksichtigen. Es komme zu einer
Verschmelzung zu einem Steuerpflichtigen.
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II. Die Revision des FA ist unbegründet
und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Ist der Inhaber eines
landwirtschaftlichen Betriebs Organträger, so unterliegen auch
die Lieferungen der Erzeugnisse dieses Betriebs durch die
Organgesellschaft der Besteuerung nach Durchschnittssätzen
(§ 24 UStG). Daher hat das FG im Ergebnis zutreffend
entschieden, dass der Kläger aufgrund der zwischen ihm und
seiner GmbH bestehenden Organschaft berechtigt ist, die
Umsätze der GmbH nach § 24 UStG zu versteuern, soweit die
GmbH vom Kläger hergestellte landwirtschaftliche Erzeugnisse
geliefert hat.
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1. § 24 Abs. 1 Satz 1 UStG gilt für
die im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs
ausgeführten Umsätze. Als derartiger Betrieb gilt
gemäß § 24 Abs. 2 Nr. 1 UStG insbesondere die
Landwirtschaft. Unionsrechtlich beruhte dies in den Streitjahren
auf Art. 25 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17.5.1977
zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten
über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG).
Danach könnten die Mitgliedstaaten auf landwirtschaftliche
Erzeuger, bei denen die Anwendung der normalen
Mehrwertsteuerregelung oder ggf. der vereinfachten Regelung nach
Art. 24 der Richtlinie 77/388/EWG auf Schwierigkeiten stoßen
würde, als Ausgleich für die Belastung durch die
Mehrwertsteuer, die auf die von Pauschallandwirten bezogenen
Gegenstände und Dienstleistungen bezahlt wird, eine
Pauschalregelung anwenden.
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Im Streitfall unterhielt der Kläger
unstreitig einen derartigen Betrieb. Führte er Lieferungen mit
Erzeugnissen dieses Betriebs aus, war er unstreitig zur Anwendung
von § 24 Abs. 1 UStG berechtigt.
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2. Dies gilt auch für die Umsätze,
die die GmbH als Organgesellschaft des Klägers mit den
Erzeugnissen des Klägers ausgeführt hat.
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a) Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG wird eine
gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbständig
ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der
tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und
organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers
eingegliedert ist. Unionsrechtlich beruhte dies in den Streitjahren
auf Art. 4 Abs. 4 UA 2 der Richtlinie 77/388/EWG. Danach steht es
jedem Mitgliedstaat frei, im Inland ansässige Personen, die
zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige
finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng
miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen zu
behandeln.
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Im Streitfall liegen die Voraussetzungen der
Organschaft vor, was zwischen den Beteiligten nicht streitig ist.
Der Kläger ist Alleingesellschafter und
Geschäftsführer der GmbH, die zudem beim Warenabsatz der
vom Kläger erzeugten Produkte tätig ist, so dass die
Eingliederungsvoraussetzungen in finanzieller, organisatorischer
und wirtschaftlicher Art erfüllt sind. Dem Kläger und der
GmbH kommt zudem bei eigenständiger Betrachtung
Unternehmereigenschaft zu.
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b) Die durch § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG
angeordnete Unselbständigkeit der Organgesellschaft führt
dazu, dass deren Tätigkeit dem Organträger zuzurechnen
ist. Bestätigt wird dies durch § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2
und 3 UStG. Danach beschränken sich die Wirkungen der
Organschaft auf Innenleistungen zwischen den im Inland gelegenen
Unternehmensteilen des Organkreises, die als ein Unternehmen zu
behandeln sind. Aus der ausdrücklichen Nennung der
Innenleistungen in § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 UStG folgt nicht,
dass die Organschaft im Verhältnis zu Dritten ohne Bedeutung
ist. Denn der in § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 3 UStG ebenso
ausdrücklich angeordneten Behandlung der inländischen
Unternehmensteile kommt nach ständiger Rechtsprechung des BFH
Vorrang zu (BFH-Urteil vom 29.10.2008 XI R 74/07, BFHE 223, 498,
BStBl II 2009, 256 = SIS 08 43 30, unter II.2.d).
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Die Organschaft bewirkt zudem nicht nur eine
Zurechnung von Umsätzen, sondern beeinflusst auch die
Höhe der für den Organträger entstehenden Steuer. So
kommt es z.B. für den Vorsteuerabzug des Organträgers auf
die Verhältnisse des gesamten Organkreises an. Bezieht der
Organträger eine Leistung, die er an eine Organgesellschaft
weitergibt, bestimmt sich der Vorsteuerabzug nach der Verwendung
der Leistung bei der Organgesellschaft. Darüber hinaus
beeinflusst die Behandlung als ein Unternehmen auch die
steuerrechtliche Qualifikation der durch den Organkreis erbrachten
Umsätze. Liefert der Organträger z.B. ein
Grundstück, das durch die Organgesellschaft bebaut wird,
führt die Behandlung als ein Unternehmen dazu, dass - ebenso
wie wenn sich eine Person zur Lieferung eines noch zu bebauenden
Grundstücks verpflichtet - eine einheitliche Leistung vorliegt
(BFH-Urteil in BFHE 223, 498, BStBl II 2009, 256 = SIS 08 43 30,
unter II.2.d). Ebenso führt die Übertragung eines an eine
Organgesellschaft vermieteten Grundstücks auf den
Organträger nicht zu einer
Geschäftsveräußerung, da der Organträger
umsatzsteuerrechtlich keine Vermietungstätigkeit fortsetzt,
sondern das Grundstück im Rahmen seines Unternehmens selbst
nutzt (BFH-Urteil vom 6.5.2010 V R 26/09, BFHE 230, 256, BStBl II
2010, 1114 = SIS 10 31 62, Leitsatz 3).
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c) Danach führt die organschaftliche
Zusammenfassung von Organträger und Organgesellschaft im
Anwendungsbereich von § 24 UStG dazu, dass Umsätze im
Sinne dieser Vorschrift auch dann vorliegen, wenn die
landwirtschaftliche Erzeugertätigkeit und die Lieferung der so
erzeugten Gegenstände durch unterschiedliche Unternehmen des
Organkreises ausgeführt werden.
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Allerdings kommt es hierfür entgegen der
Auffassung des FG nicht darauf an, dass die GmbH auch
landwirtschaftliche Dienstleistungen erbrachte. Im Hinblick auf die
Lieferung der vom Kläger erzeugten Waren ist dies unerheblich.
Im Übrigen liegen auch keine landwirtschaftlichen
Dienstleistungen vor, da die GmbH derartige Dienstleistungen nicht
gegenüber Dritten gegen Entgelt ausgeführt hat.
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d) Bestätigt wird dies dadurch, dass
§ 24 UStG umsatz-, nicht aber betriebsbezogen auszulegen
ist.
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Dies ergibt sich bereits aus dem
Gesetzeswortlaut von § 24 Abs. 1 UStG, wonach es um die im
Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs
„ausgeführten Umsätze“ geht, wie auch
aus Art. 25 der Richtlinie 77/388/EWG, der nur die Lieferung
landwirtschaftlicher Erzeugnisse und landwirtschaftlicher
Dienstleistungen erfasst (BFH-Urteil vom 13.11.2013 XI R 2/11, BFHE
243, 462, BStBl II 2014, 543 = SIS 14 00 07, unter II.4.b aa).
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e) Aufgrund der Rechtsform des Klägers
als Einzelunternehmer kommt es auf § 24 Abs. 2 Satz 3 UStG
nicht an. Dies gilt auch für die GmbH als Organgesellschaft,
die aufgrund der organschaftlichen Zusammenfassung nach § 2
Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 und 3 UStG wie eine feste Niederlassung des
Klägers zu behandeln ist, so dass über unionsrechtliche
Zweifel an dieser Vorschrift (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 16.4.2008
XI R 73/07, BFHE 221, 484, BStBl II 2009, 1024 = SIS 08 27 41)
nicht zu entscheiden war.
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f) Die hiergegen gerichteten Einwendungen des
FA greifen nicht durch. So ist es ohne Bedeutung, ob auch
„Discounter“ Umsätze nach § 24 UStG
ausführen können. Erfüllen sie die Voraussetzungen
hierfür, ist dies zu bejahen, ohne dass es darauf ankommt, ob
es sich rechtlich um eine Person mit einer Vielzahl fester
Niederlassungen oder um einen Organkreis handelt.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 2 FGO.
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