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Ausbildung und Verkauf von Blindenführhunden führt zu gewerblichen Einkünften

Ausbildung und Verkauf von Blindenführhunden führt zu gewerblichen Einkünften: 1. Die Betreiberin einer Blindenführhundeschule erzielt Einkünfte aus Gewerbebetrieb. - 2. Eine "unterrichtende oder erzieherische Tätigkeit" i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG erfordert ein Tätigwerden gegenüber Menschen. - 3. Aus Art. 20 a GG folgt keine über den Wortlaut hinausgehende Anwendung des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG bei der Ausbildung von Blindenführhunden. - Urt.; BFH 9.5.2017, VIII R 11/15; SIS 17 12 41

Kapitel:
Unternehmensbereich > Gewerbesteuer
Fundstellen
  1. BFH 09.05.2017, VIII R 11/15 (ECLI:DE:BFH:2017:U.090517.VIIIR11.15.0)
    BStBl 2017 II S. 911

    Anmerkungen:
    zur Veröffentlichung in BStBl II bestimmt nach BMF-Online vom 24.8.2017
    -/- in NWB 30/2017 S. 2244
    B. Kaminski in AktStR 4/2017 S. 589
    B. Kaminski in Stbg 12/2017 S. M 20
    F. Werth in BFH/PR 10/2017 S. 323
Normen
[EStG] § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2
[GG] Art. 20 a
Vorinstanz / Folgeinstanz:
  • vor: FG Münster, 12.09.2014, SIS 14 31 92, Unterrichtende Tätigkeit, Freiberufliche Einkünfte, Gewerbliche Einkünfte
Zitiert in... / geändert durch...
  • BFH 17.11.2022, SIS 23 01 66, Umsätze eines Vereins für Verkehrserziehung: 1. § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG ist entsprechend Art. 132 Abs. ...
  • BFH 29.9.2020, SIS 21 02 83, Zum Begriff der erzieherischen Tätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG: 1. Eine erzieherische Tä...
  • BFH 20.11.2018, SIS 19 03 80, Tätigkeit eines Heileurythmisten als ähnlicher Beruf i.S. von § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG: 1. Der Absch...
Anmerkung RiFG Dr. Bleschick

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 12.9.2014 4 K 69/14 G wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

 

1

I. Streitig ist, ob der Betrieb einer Blindenführhundeschule dem Grunde nach einen Gewerbebetrieb i.S. von § 2 Abs. 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) darstellt.

 

 

2

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt seit dem Jahr 1996 eine Blindenführhundeschule. Sie bildet jährlich drei bis fünf Hunde zu Blindenführhunden aus.

 

 

3

Üblicherweise ist es vom Ablauf so, dass sehbehinderte Menschen zunächst Kontakt zur Klägerin aufnehmen, um abzustimmen, welche Hunderasse den eigenen Charaktereigenschaften sowie den örtlichen Begebenheiten am ehesten entspricht. Dabei werden auch die sonstigen Eigenschaften und Hintergrundinformationen des sehbehinderten Menschen wie z.B. Wohnort berücksichtigt. In der Regel erfolgt eine verbindliche Bestellung nach Erstellung eines Kostenvoranschlags. Danach erwirbt die Klägerin - im eigenen Namen und auf eigene Rechnung - einen Welpen, den sie selbst aufzieht oder in eine Patenfamilie gibt. Zu späterer Zeit beginnt die Ausbildung mit der Eingewöhnung des Hundes in das bestehende Rudel. Hieran schließt das Training im Führgeschirr an, gefolgt vom Gehorsams- und Hindernistraining. Bereits während der Ausbildung kommt es zu ersten Kontakten zwischen dem auszubildenden Hund und dem zukünftigen Besitzer. Am Ende der Ausbildung steht die Übergabephase des Hundes an den Sehbehinderten, die bis zu einem Monat andauern kann und in der die Klägerin einführend und prozessbegleitend zur Seite steht. Die Übergabephase schließt mit einer Prüfung am Wohnort des Sehbehinderten ab. Diese Prüfung wird von einem - regelmäßig von den Krankenkassen bestellten - sog. Gespannprüfer abgenommen. Nach der Ausbildung und Prüfung veräußert die Klägerin den Blindenführhund an die jeweilige Krankenkasse des sehbehinderten Menschen, die den Hund als medizinisches Hilfsmittel i.S. von § 33 Abs. 1 Satz 1 des Fünften Buchs Sozialgesetzbuch anerkennt. Die Krankenkasse überträgt die Haltereigenschaft des Blindenführhundes sodann auf den sehbehinderten Menschen. Weitere Nachschulungen erfolgen, wenn nach der Einarbeitungsphase und nach der Gespannprüfung noch weiterer Betreuungs- und Nachschulungsbedarf besteht.

 

 

4

Der wesentliche Teil des Preises entfällt auf die Ausbildung des Hundes. Vereinzelt kommt es vor, dass bereits während der Einschulung oder nachträglich festgestellt wird, dass das Gespann Mensch/Tier nicht hinreichend funktioniert und die Klägerin den Lehrgang abbricht oder einen veräußerten Hund wieder zurücknimmt. Die bis dahin entstandenen Kosten gehen dennoch zulasten des Auftraggebers.

 

 

5

Die Klägerin erklärte den Gewinn des Streitjahres (2011) als einen solchen aus Gewerbebetrieb. Auf Grundlage der eingereichten Gewerbesteuererklärung setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) einen Gewerbesteuermessbetrag für das Jahr 2011 fest.

 

 

6

Einspruch und Klage gegen den Gewerbesteuermessbetragsbescheid hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit Urteil vom 12.9.2014 4 K 69/14 G ab. Die Entscheidung ist veröffentlicht in den EFG 2014, 2063 = SIS 14 31 92.

 

 

7

Die Klägerin meint, das FG habe den Begriff des Unterrichts und der Erziehung fehlerhaft einschränkend ausgelegt. Tiere genössen einen besonderen Wesens- und Schutzrang im Recht (vgl. Art. 20a des Grundgesetzes - GG -, § 90a des Bürgerlichen Gesetzbuchs, § 1 des Tierschutzgesetzes). Die Grenze, bei der kein Unterricht mehr möglich sei, verlaufe daher nicht bei der Abgrenzung Mensch/Tier, sondern an der Grenze der Aufnahme- und Lernfähigkeit, die bei Hunden gegeben sei.

 

 

8

Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil der Vorinstanz und den Gewerbesteuermessbetragsbescheid für das Jahr 2011 vom 17.5.2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 5.12.2013 aufzuheben.

 

 

9

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

 

10

II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass die von der Klägerin erzielten Einkünfte als Ausbilderin von Blindenführhunden gewerbliche Einkünfte i.S. des § 2 Abs. 1 GewStG i.V.m. § 15 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und nicht freiberufliche Einkünfte i.S. des § 18 EStG sind.

 

 

11

1. Nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG gehören zur freiberuflichen Tätigkeit die selbständig ausgeübte wissenschaftliche, künstlerische, schriftstellerische, unterrichtende oder erzieherische Tätigkeit, sowie die selbständige Tätigkeit in einem der dort aufgezählten Berufe oder in einem diesen ähnlichen Beruf. Die Klägerin übte im Streitjahr keinen freien Beruf in diesem Sinne aus.

 

 

12

a) Sie war bei der Ausbildung der Blindenführhunde weder erzieherisch noch unterrichtend tätig. Steuerrechtlich wird der Begriff des Unterrichts und der Erziehung von Menschen von der Dressur von Tieren unterschieden. Dies folgt - entgegen der Auffassung des FG - nicht aus einer einschränkenden Auslegung des Gesetzeswortlauts im Sinne einer teleologischen Reduktion der Vorschrift, sondern aus einer typisierenden Betrachtungsweise (s. hierzu Beschluss des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 15.1.2008 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1, BFH/NV 2008, Beilage 3, 247 = SIS 08 25 65). Der Gesetzgeber wollte durch die Verwendung der Begriffe „unterrichten“ und „erziehen“ die freiberufliche Tätigkeit gegenüber Menschen von der Tätigkeit gegenüber Tieren, bei denen von „dressieren“, „abrichten“ und „trainieren“ gesprochen wird, abgrenzen (Urteil des Reichsfinanzhofs vom 13.8.1941 VI 259/41, RStBl 1941, 678).

 

 

13

b) Von diesem Begriffsverständnis geht auch die ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) und die herrschende Meinung in der Literatur aus.

 

 

14

aa) Erziehung bedeutet danach die planmäßige Tätigkeit zur körperlichen, geistigen und sittlichen Formung junger Menschen zu tüchtigen und mündigen Menschen (vgl. BFH-Urteile vom 11.6.1997 XI R 2/95, BFHE 183, 450, BStBl II 1997, 687 = SIS 97 22 58; vom 17.5.1990 IV R 14/87, BFHE 161, 361, BStBl II 1990, 1018 = SIS 90 22 03, und vom 21.11.1974 II R 107/68, BFHE 115, 64, BStBl II 1975, 389 = SIS 75 02 32). Die Ausbildung von Tieren wird von dem Tatbestandsmerkmal, das auf die Schulung des Charakters und der Bildung der Persönlichkeit junger Menschen gerichtet ist, nicht erfasst (so auch explizit Brandt in Herrmann/Heuer/ Raupach - HHR -, § 18 EStG Rz 130; s.a. Schmidt/Wacker, EStG, 36. Aufl., § 18 Rz 84; Blümich/Hutter, § 18 EStG Rz 108; Stuhrmann, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 18 Rz B 80 f.; Pfirrmann in Kirchhof, EStG, 16. Aufl., § 18 Rz 53).

 

 

15

bb) Unterricht ist die Vermittlung von Wissen, Fähigkeiten, Fertigkeiten, Handlungsweisen und Einstellungen durch Lehrer an - menschliche - Schüler in organisierter und institutionalisierter Form (BFH-Urteile vom 2.2.2000 XI R 38/98, BFH/NV 2000, 839 = SIS 00 56 21; vom 18.4.1996 IV R 35/95, BFHE 180, 568, BStBl II 1996, 573 = SIS 96 21 41; vom 13.1.1994 IV R 79/92, BFHE 173, 331, BStBl II 1994, 362 = SIS 94 09 36; in BFHE 183, 450, BStBl II 1997, 687 = SIS 97 22 58; so auch HHR/Brandt, § 18 EStG Rz 121; Schmidt/Wacker, a.a.O., § 18 Rz 83; Pfirrmann in Kirchhof, a.a.O., § 18 Rz 49).

 

 

16

Die Abrichtung und Dressur von Tieren fällt auch dann nicht unter den Unterrichtsbegriff, wenn sie in einer „Hundeschule“ erfolgt. Denn für Zwecke der Gesetzesauslegung gilt nur das allgemeine Sprachverständnis. Euphemismen, die insbesondere im Rahmen der Werbung und des Marketing Verwendung finden, ändern nichts an diesem allgemeinen Sprachverständnis, so dass der Betrieb der Klägerin - für die hier vorliegende Rechtsfrage - weder eine Schule, noch ihre Tätigkeit ein Unterricht i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ist. Zudem kann allein die Bezeichnung des Unternehmens der Klägerin nicht als entscheidendes Kriterium dafür angesehen werden, ob es sich um eine gewerbliche oder eine freiberufliche Tätigkeit handelt (vgl. BFH-Urteil in BFHE 173, 331, BStBl II 1994, 362 = SIS 94 09 36).

 

 

17

cc) Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist die Würdigung des FG, dass der gesamte Betrieb der Klägerin als einheitlicher angesehen werden muss. Beschränkt sich die Tätigkeit eines Steuerpflichtigen nicht auf das Vermitteln von Fertigkeiten, sondern werden im Zusammenhang mit der Unterrichtstätigkeit auch noch andere Leistungen angeboten, so kann je nach Art und Umfang dieser anderen Leistungen insgesamt eine gewerbliche Betätigung vorliegen (vgl. BFH-Urteile in BFHE 173, 331, BStBl II 1994, 362 = SIS 94 09 36; vom 16.11.1978 IV R 191/74, BFHE 126, 220, BStBl II 1979, 246 = SIS 79 01 23; so auch HHR/ Brandt, § 18 EStG Rz 122; Schmidt/Wacker, a.a.O., § 18 Rz 83; Blümich/Hutter, § 18 EStG Rz 106; Pfirrmann in Kirchhof, a.a.O., § 18 Rz 50).

 

 

18

Dies ist vorliegend der Fall. Die Betreuung des sehbehinderten Menschen bei und nach der Übergabe des Hundes setzt voraus, dass der Hund zuvor als Blindenführhund ausgebildet wurde. Erst dadurch wird möglich, dass der Hund dem sehbehinderten Halter übergeben werden kann und diesen im Alltag unterstützt. Die vorherige Ausbildung des Hundes ist insofern das „prägende“ Element der Tätigkeit der Klägerin auch ab dem Zeitpunkt der Übergabe des Hundes an den sehbehinderten Menschen. Es handelt sich danach unabhängig davon, ob die Einweisungszeit überhaupt die Kriterien einer „institutionalisierten“ Unterrichtstätigkeit erfüllt, um eine der Ausbildung des Tiers untergeordnete Tätigkeit. Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass die Entgelte für die Ausbildung der Blindenführhunde und die Einarbeitung bei dem zukünftigen Halter in den Rechnungen und in der Buchführung der Klägerin getrennt aufgeführt wurden, da die Tätigkeit der Klägerin insgesamt als gewerblich zu beurteilen ist.

 

 

19

c) Auch aus Art. 20a GG folgt keine über den Wortlaut hinausgehende Anwendung des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG bei der Ausbildung von Blindenführhunden. Der Staat ist aufgrund des Art. 20a GG verpflichtet, Tiere nicht selbst zu beeinträchtigen und ferner geeignete Maßnahmen zum Schutz der Tiere vor Beeinträchtigungen durch Private zu treffen sowie Vorschriften mit dem Ziel des Tierschutzes zu erlassen (BVerfG-Beschlüsse vom 12.10.2010 2 BvF 1/07, BVerfGE 127, 293; vom 3.7.2007 1 BvR 2186/06, BVerfGE 119, 59). Hingegen ist Art. 20a GG bei solchen staatlichen Maßnahmen irrelevant, die den Schutz der Tiere gar nicht beeinträchtigen können (vgl. BVerfG-Urteil vom 16.3.2004 1 BvR 1778/01, BVerfGE 110, 141). Dies ist bei der Besteuerung der Klägerin der Fall, so dass aus Art. 20a GG nicht der Schluss gezogen werden kann, dass die Ausbildung von Blindenführhunden dem Unterricht und der Erziehung von Menschen i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG gleichzustellen ist, um die Klägerin vor steuerlichen Nachteilen zu bewahren (vgl. BFH-Beschluss vom 29.6.2009 II B 149/08, BFH/NV 2009, 1655 = SIS 09 29 61, m.w.N.).

 

 

20

d) Die Frage, ob der Annahme einer unterrichtenden oder erzieherischen Tätigkeit i.S. des § 18 EStG bereits entgegensteht, dass die Klägerin die von ihr ausgebildeten Blindenführhunde an die Krankenkasse veräußert und keinen Dienstvertrag über deren Ausbildung geschlossen hat, kann offenbleiben. Die Tätigkeit der Klägerin ist bereits dem Grunde nach als gewerblich anzusehen. Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass die Lieferung von ausgebildeten Blindenführhunden gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Anlage 2 lfd. Nr. 1 Buchst. k des Umsatzsteuergesetzes dem ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7 % unterliegt. Soweit mit dieser Regelung eine Entlastung der Sozialversicherungsträger von der Umsatzsteuer bezweckt ist, ist dieser Gesichtspunkt für die ertragsteuerliche Einordnung der Tätigkeit der Klägerin ohne Belang. Eine Entlastung der Sozialversicherungsträger wird durch die Abgrenzung der freiberuflichen von den gewerblichen Einkünften nicht verfolgt (BFH-Urteil vom 19.9.2002 IV R 45/00, BFHE 200, 317, BStBl II 2003, 21 = SIS 03 02 14).

 

 

21

e) Es wurde weder geltend gemacht, noch ist erkennbar, dass bei der Tätigkeit der Klägerin die Voraussetzungen eines Katalogberufs i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG oder eines einem solchen ähnlichen Berufs vorlagen.

 

 

22

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.

 

Anmerkung RiFG Dr. Bleschick

1. Weder unterrichtende noch erzieherische Tätigkeit:

 

Die Ausbildung von Blindenhunden ist insbesondere weder unterrichtend noch erzieherisch.

 

a) Menschen werden unterrichtet oder erzogen, Tiere hingegen dressiert:

Der Begriff „unterrichtende“ oder „erzieherische Tätigkeit“ im Sinne dieser Vorschrift erfordert ein Tätigwerden gegenüber einem Menschen. Steuerrechtlich wird damit

-

der Begriff des Unterrichts und der Erziehung von Menschen einerseits

-

von der Dressur von Tieren andererseits unterschieden.

Dies folgt – entgegen der Auffassung des FG – nicht aus einer einschränkenden Auslegung des Gesetzeswortlauts im Sinne einer teleologischen Reduktion der Vorschrift, sondern aus einer typisierenden Betrachtungsweise (s. hierzu BVerfG, Beschluss vom 15.1.2008 1 BvL 2/04, BFH/NV 2008, Beilage 3, S. 247 = SIS 08 25 65). Der Gesetzgeber wollte durch die Verwendung der Begriffe „unterrichten“ und „erziehen“ die freiberufliche Tätigkeit gegenüber Menschen von der Tätigkeit gegenüber Tieren abgrenzen, bei denen von „dressieren“, „abrichten“ und „trainieren“ gesprochen wird, (so schon Urteil des RFH vom 13.8.1941 VI 259/41, RStBl 1941 S. 678).

 

b) Bezeichnung „Hundeschule“ als Euphemismus irrelevant:

Die Abrichtung und Dressur von Tieren fällt auch dann nicht unter den Unterrichtsbegriff, wenn sie (wie im Streitfall) in einer „Hundeschule“ erfolgt. Denn für Zwecke der Gesetzesauslegung gilt nur das allgemeine Sprachverständnis. Euphemismen, die insbesondere im Rahmen der Werbung und des Marketing Verwendung finden, ändern nichts an diesem allgemeinen Sprachverständnis, sodass der Betrieb einer Einrichtung zur Abrichtung von Hunden weder eine Schule, noch ihre Tätigkeit ein Unterricht i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ist. Zudem kann allein die Bezeichnung eines Unternehmens nicht als entscheidendes Kriterium dafür angesehen werden, ob es sich um eine gewerbliche oder eine freiberufliche Tätigkeit handelt (vgl. BFH, Urteil vom 13.1.1994 IV R 79/92, BStBl 1994 II S. 362 = SIS 94 09 36: Bezeichnung als „Fitness- oder Bodybuilding-Studio“ bedeutet für sich nicht zugleich, dass eine unterrichtende Tätigkeit vorliegt).

 

c) Betreuung sehbehinderter Menschen geht in gewerblicher Tätigkeit auf:

Bei der Betreuung des sehbehinderten Menschen während der Übergabephase des Hundes handelt es sich um eine der Ausbildung des Tieres untergeordnete Tätigkeit, sodass der gesamte Betrieb der Klägerin als gewerblich anzusehen ist. Die Betreuung des sehbehinderten Menschen bei und nach der Übergabe des Hundes setzt nämlich voraus, dass der Hund zuvor als Blindenführhund ausgebildet wurde. Erst dadurch wird möglich, dass der Hund dem sehbehinderten Halter übergeben werden kann und diesen im Alltag unterstützt. Die vorherige Ausbildung des Hundes ist insofern das „prägende“ Element einer Blindenführhundeschule und zwar auch ab dem Zeitpunkt der Übergabe des Hundes an den sehbehinderten Menschen. Es handelt sich danach unabhängig davon, ob die Einweisungszeit überhaupt die Kriterien einer „institutionalisierten“ Unterrichtstätigkeit erfüllt, um eine der Ausbildung des Tieres untergeordnete Tätigkeit.

 

Zu beachten ist: Der BFH hat in der Besprechungsentscheidung ausdrücklich herausgestellt, dass nichts anderes gilt, wenn die Entgelte für die Ausbildung der Blindenführhunde und die Einarbeitung bei dem zukünftigen Halter in den Rechnungen und in der Buchführung getrennt aufgeführt werden, da die Tätigkeit insgesamt als gewerblich zu beurteilen ist. Derartige Gestaltungen scheiden also aus.

 

d) Aus verfassungsrechtlich verankertem Staatsschutzziel des Tierschutzes folgt nichts anderes:

Zwar ist der Staat aufgrund des Art. 20 a GG verpflichtet, Tiere nicht selbst zu beeinträchtigen und ferner geeignete Maßnahmen zum Schutz der Tiere vor Beeinträchtigungen durch Private zu treffen sowie Vorschriften mit dem Ziel des Tierschutzes zu erlassen (BVerfG, Beschluss vom 12.10.2010 2 BvF 1/07, BVerfGE 127 S. 293 = SIS 10 43 10). Hingegen ist Art. 20 a GG bei solchen staatlichen Maßnahmen irrelevant, die den Schutz der Tiere gar nicht beeinträchtigen können (vgl. BVerfG, Urteil vom 16.3.2004 1 BvR 1778/01, BVerfGE 110 S. 141 = SIS 04 41 49). Zu solchen Maßnahmen ohne Schädigung des Tierwohls zählt der BFH in der Rezensionsentscheidung die Besteuerung des Inhabers einer Blindenführhundeschule, sodass aus Art. 20 a GG nicht der Schluss gezogen werden kann, dass die Ausbildung von Blindenführhunden dem Unterricht und der Erziehung von Menschen i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG gleichzustellen ist, um den Inhaber einer Blindenführhundeschule vor steuerlichen Nachteilen zu bewahren (vgl. auch BFH, Beschluss vom 29.6.2009 II B 149/08, BFH/NV 2009 S. 1655 = SIS 09 29 61: Aufwendungen eines Erben für die Pflege eines vom Erblasser ohne rechtliche Verpflichtung übernommenen Tieres können nicht erbschaftsteuermindernd als Nachlassverbindlichkeit berücksichtigt werden).

 

 

2. Umsatzsteuerrechtliche Wertungen irrelevant:

 

Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass die Lieferung von ausgebildeten Blindenführhunden nach dem Umsatzsteuergesetz nur dem ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7 % unterliegt (vgl. § 12 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Anlage 2 lfd. Nr. 1 Buchst. k UStG). Soweit mit dieser Regelung eine Entlastung der Sozialversicherungsträger von der Umsatzsteuer bezweckt ist, ist dieser Gesichtspunkt für die ertragsteuerliche Einordnung der Tätigkeit der Klägerin ohne Belang. Eine Entlastung der Sozialversicherungsträger wird durch die Abgrenzung der freiberuflichen von den gewerblichen Einkünften nicht verfolgt (BFH, Urteil vom 19.9.2002 IV R 45/00, BStBl 2003 II S. 21 = SIS 03 02 14).

 

Zu beachten ist: Damit hat der BFH innerhalb kurzer Zeit erneut entschieden, dass das unionsrechtlich geprägte und häufig weniger strenge Mehrwertsteuerrecht für die Frage der Einstufung einer Tätigkeit als freiberuflich irrelevant ist (vgl. BFH, Urteil vom 25.4.2017 VIII R 24/14, BFH/NV 2017 S. 1121 = SIS 17 10 26: Ob ein im Vergleich zu einem Katalogberuf i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG ähnlicher Beruf vorliegt, bestimmt sich nach ertragsteuerlichen Grundsätzen und nicht nach den im Zusammenhang mit der richtlinienkonformen Auslegung des § 4 Nr. 14 UStG entwickelten Maßstäben).

 

 

3. Gestaltungen ggf. möglich:

 

Die Rechtsgrundsätze der Rezensionsentscheidung gelten für die Dressur jeglicher Tiere. Gleichwohl erscheint hier – wenn die tatsächlichen Gegebenheiten es erlauben – die Umgestaltung des Wissenstransfers durch den Dienstleister dergestalt möglich, dass dieser nicht das Tier dressiert und das so abgerichtete Tier dann an einen Menschen übergibt, sondern einem Menschen Anleitungen zur Durchführung einer Dressur an die Hand gibt und diesen hierbei konstruktiv begleitet.