Die Revision des Klägers gegen das Urteil
des Sächsischen Finanzgerichts vom 15.10.2015 1 K 1381/14 wird
als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu
tragen.
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I. Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger) ist Insolvenzverwalter in dem am 12.5.2010
eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen
eines zum Vorsteuerabzug berechtigten Einzelunternehmers. Der
Kläger reichte für die Insolvenzmasse unter einer
für diese erteilten Steuernummer eine
Umsatzsteuererklärung für den Zeitraum 12. Mai bis
31.12.2010 ein, aus der sich eine als Masseverbindlichkeit
geschuldete Umsatzsteuer von 177,62 EUR ergab.
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Mit Schreiben vom 12.2.2014 reichte er
zudem unter der Steuernummer des Insolvenzschuldners eine
Umsatzsteuererklärung für den Zeitraum 12. Mai bis
21.12.2010 ein, aus der sich eine als Insolvenzforderung geltend zu
machende Umsatzsteuerschuld von 448,53 EUR ergab. Diese beruhte
ausschließlich auf Vorsteuerberichtigungen nach § 17
Abs. 2 Nr. 1 Satz 2, Abs. 1 Satz 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG).
Der Einzelunternehmer hatte vor der Insolvenzeröffnung
Leistungen bezogen, bezahlt und den Vorsteuerabzug geltend gemacht.
Nach der Insolvenzeröffnung hatte der Kläger hierfür
die Insolvenzanfechtung nach §§ 129 ff. der
Insolvenzordnung (InsO) erklärt und noch bis zum Jahresende im
Streitjahr 2010 Rückzahlungen vereinnahmt.
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) ging demgegenüber davon aus, dass die
Vorsteuerberichtigungen im Bereich der Masseverwaltung zu erfassen
seien und erließ am 18.3.2014 einen Änderungsbescheid
zur Umsatzsteuer 2010, aus dem sich eine Steuererhöhung von
448,53 EUR ergab. Einspruch und Klage zum Finanzgericht (FG) hatten
keinen Erfolg.
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Nach dem Urteil des FG ist die
Vorsteuerberichtigung als Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs.
1 Nr. 1 InsO zu erfassen. § 17 UStG regele einen
eigenständigen materiell-rechtlichen Berichtigungstatbestand
gegenüber den Änderungsvorschriften der Abgabenordnung.
Erst mit der Rückgewähr der Zahlungen komme es zu einer
Änderung der Bemessungsgrundlage und erfolge die
vollständige Verwirklichung und der Abschluss des den
Umsatzsteueranspruch begründenden Tatbestands.
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Hiergegen wendet sich der Kläger mit
seiner Revision. Die Vorsteuerberichtigung führe zu einer
Insolvenzforderung nach § 38 InsO. Die den Anfechtungsanspruch
begründenden Voraussetzungen hätten bereits vor der
Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgelegen. Die vom
Einzelunternehmer in anfechtbarer Weise geleisteten Zahlungen
hätten zu einem Anspruch nach § 17 UStG geführt, der
bereits bei Verfahrenseröffnung begründet gewesen sei.
Auf eine vollständige Tatbestandsverwirklichung komme es nicht
an. Dies ergebe sich aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
(BGH) wie auch der des Bundesarbeitsgerichts (BAG). Zudem ordne
§ 144 InsO ausdrücklich an, dass die in anfechtbarer
Weise beglichene Forderung nach Rückgewähr wieder
auflebe.
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Der Kläger beantragt, das Urteil des
FG und den Änderungsbescheid vom 18.3.2014 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 26.8.2014 aufzuheben.
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Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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Maßgeblich sei für die
Berichtigung der Zeitpunkt der Rückzahlungen. Diese seien erst
nach Insolvenzeröffnung erfolgt. Auf die Grundsätze zu
zivilrechtlichen und arbeitsrechtlichen Ansprüchen und damit
auf die Rechtsprechung von BGH und BAG komme es nicht an.
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II. Die Revision des Klägers ist
unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2
der Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG hat zutreffend
entschieden, dass die Vorsteuerberichtigung nach § 17 Abs. 2
Nr. 1 Satz 2, Abs. 1 Satz 2 UStG zum Bereich der Masseverwaltung
gehört und daher Teil der sich für das Streitjahr
ergebenden Umsatzsteuermasseverbindlichkeit gemäß §
55 Abs. 1 Satz 1 InsO ist.
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1. Im Streitjahr sind Vorsteuerberichtigungen
nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2, Abs. 1 Satz 2 UStG
vorzunehmen.
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a) Ändert sich die Bemessungsgrundlage
für einen steuerpflichtigen Umsatz i.S. des § 1 Abs. 1
Nr. 1 UStG, hat der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt
hat, nach § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG den dafür geschuldeten
Steuerbetrag zu berichtigen. Ebenfalls ist gemäß §
17 Abs. 1 Satz 2 UStG der Vorsteuerabzug bei dem Unternehmer, an
den dieser Umsatz ausgeführt wurde, zu berichtigen.
Unionsrechtlich beruht die Vorsteuerberichtigung auf Art. 185 Abs.
1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das
gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL). Danach ist der
Vorsteuerabzug zu berichtigen, wenn sich die Faktoren, die bei der
Bestimmung des Vorsteuerabzugsbetrags berücksichtigt werden,
geändert haben.
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Nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG gilt Abs. 1
dieser Vorschrift sinngemäß, wenn das vereinbarte
Entgelt für eine steuerpflichtige Lieferung, sonstige Leistung
oder einen steuerpflichtigen innergemeinschaftlichen Erwerb
uneinbringlich geworden ist. Wird das Entgelt nachträglich
vereinnahmt, sind Steuerbetrag und Vorsteuerabzug erneut zu
berichtigen. Die Vorsteuerberichtigung nach § 17 Abs. 2 Nr. 1,
Abs. 1 Satz 2 UStG beruht unionsrechtlich auf Art. 185 Abs. 2
Unterabs. 2 MwStSystRL. Danach können die Mitgliedstaaten in
Fällen, in denen keine oder eine nicht vollständige
Zahlung geleistet wird, eine Berichtigung verlangen.
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b) Uneinbringlich ist ein Entgelt i.S. von
§ 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG, wenn bei objektiver Betrachtung damit
zu rechnen ist, dass der Leistende die Entgeltforderung (ganz oder
teilweise) jedenfalls auf absehbare Zeit rechtlich oder
tatsächlich nicht durchsetzen kann (Urteil des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 24.10.2013 V R 31/12, BFHE 243, 451,
BStBl II 2015, 674 = SIS 14 01 48, Rz 19).
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Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats
kann auch ein vom Leistenden bereits vereinnahmtes Entgelt aufgrund
einer Rückgewähr nachträglich uneinbringlich werden
und zu einer Steuerberichtigung nach § 17 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1
Satz 1 UStG führen (BFH-Urteil vom 20.5.2010 V R 5/09, BFH/NV
2011, 77 = SIS 10 40 01, Rz 16). Dementsprechend ist dann nach
§ 17 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 Satz 2 UStG auch eine
Vorsteuerberichtigung vorzunehmen.
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c) Im Streitfall ist die Insolvenzanfechtung
nach §§ 129 ff. InsO die Grundlage für die
Rückgewähr von Entgelten aus den vom Einzelunternehmer
bezogenen Leistungen. Erst aufgrund dieser Rückgewähr
lebten gemäß § 144 InsO die ursprünglichen
Zahlungsansprüche wieder auf. Diese sind Insolvenzforderungen
i.S. von § 38 InsO (Kirchhof, in Münchener Kommentar zur
Insolvenzordnung, Band 2, 3. Aufl. 2013, § 144, Rz 9) und als
uneinbringlich zu behandeln. Infolge dieser Rückgewähr
kommt es zu der Vorsteuerberichtigung für die vom
Einzelunternehmer bezogenen Leistungen gemäß § 17
Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 Satz 2 UStG. Bei einer
Entgeltrückgewähr kann die Uneinbringlichkeit
schließlich auch im Anschluss an die Entgeltentrichtung
vorliegen.
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2. Die Berichtigungsansprüche nach §
17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2, Abs. 1 Satz 2 UStG sind im Rahmen der
Masseverwaltung entstanden und haben daher die gemäß
§ 55 Abs. 1 Satz 1 InsO als Masseverbindlichkeit
festzusetzende Umsatzsteuerjahresschuld erhöht, wie das FG
zutreffend entschieden hat.
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a) Masseverbindlichkeiten sind
gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO die Verbindlichkeiten,
die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise
durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse
begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens
zu gehören.
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Der als Masseverbindlichkeit anzusehende Teil
des Umsatzsteueranspruchs, der für das Kalenderjahr
festzusetzen ist, ist durch Steuerbescheid gegenüber dem
Insolvenzverwalter geltend zu machen (BFH-Urteil vom 30.4.2009 V R
1/06, BFHE 226, 130, BStBl II 2010, 138 = SIS 09 26 33, unter
II.1.). Die Steuerfestsetzung für die Masse erfordert dabei
eine Steuerberechnung gemäß §§ 16 ff. UStG,
bei der die Umsätze, abziehbaren Vorsteuerbeträge und
Berichtigungen insoweit zu berücksichtigen sind, als diese der
Masse zuzuordnen sind. Maßgeblich ist dabei, ob für
diese Besteuerungsgrundlagen die Voraussetzungen des § 55 InsO
vorliegen (BFH-Urteil vom 8.3.2012 V R 24/11, BFHE 236, 274, BStBl
II 2012, 466 = SIS 12 07 83, Rz 25, m.w.N.). Demgegenüber ist
der sich für das Kalenderjahr ergebende Umsatzsteueranspruch,
soweit er auf den Besteuerungsgrundlagen beruht, die einen
„zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens
begründeten Vermögensanspruch“ i.S. von §
38 InsO darstellen, als Insolvenzforderung gemäß
§§ 174 ff. InsO zur Insolvenztabelle anzumelden
(BFH-Urteil vom 24.9.2014 V R 48/13, BFHE 247, 460, BStBl II 2015,
506 = SIS 14 32 16, Rz 48).
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b) Die Abgrenzung zwischen
Masseverbindlichkeiten und Insolvenzforderungen bestimmt sich nach
ständiger Rechtsprechung danach, ob der den
Umsatzsteueranspruch begründende Tatbestand nach den
steuerrechtlichen Vorschriften bereits vor oder erst nach
Insolvenzeröffnung vollständig verwirklicht und damit
abgeschlossen ist; nicht maßgeblich ist der Zeitpunkt der
Steuerentstehung nach § 13 UStG (BFH-Urteil in BFHE 236, 274,
BStBl II 2012, 466 = SIS 12 07 83, Rz 27, m.w.N.).
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Die hiergegen gerichteten Einwendungen des
Klägers greifen nicht durch. Wie der erkennende Senat bereits
ausdrücklich entschieden hat, besteht kein Widerspruch zur
Rechtsprechung des BGH. Denn auch danach ist für das Vorliegen
einer Insolvenzforderung entscheidend, ob „der
anspruchsbegründende Tatbestand bereits vor
Verfahrenseröffnung abgeschlossen“ ist, d.h. ob das
diesen Tatbestand begründende „Schuldverhältnis
vor Verfahrenseröffnung bestand“
(BGH-Beschlüsse vom 7.4.2005 IX ZB 195/03, Zeitschrift
für das gesamte Insolvenzrecht - ZInsO - 2005, 484, Rz 10, und
vom 7.4.2005 IX ZB 129/03, ZInsO 2005, 537, Rz 10; vgl. auch vom
22.9.2011 IX ZB 121/11, Neue Zeitschrift für das Recht der
Insolvenz und Sanierung; das gesamte Verfahren der Unternehmens-
und Verbraucherinsolvenz 2011, 953, und vom 13.10.2011 IX ZB 80/10,
ZInsO 2011, 2184, Rz 7).
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Abweichendes ergibt sich entgegen der
Auffassung des Klägers auch nicht aus dem BAG-Beschluss vom
9.12.2009 7 ABR 90/07 (Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts
132, 333, unter B.II.2.a aa). Danach setzt die Begründung von
Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO voraus,
dass es sich um ein vom Insolvenzverwalter nach
Verfahrenseröffnung eingegangenes Schuldverhältnis
handelt. Übertragen auf die Verhältnisse des Streitfalls
kommt es darauf an, ob das Berichtigungsschuldverhältnis i.S.
von § 17 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 Satz 2 UStG vor oder nach der
Insolvenzeröffnung „eingegangen“ oder
begründet wurde. Damit liegt keine in der Sache abweichende
Beurteilung vor.
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c) Danach sind die im Streitfall nach §
17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2, Abs. 1 Satz 2 UStG entstandenen
Vorsteuerberichtigungsansprüche der Masseverwaltung zuzuordnen
und damit bei der Berechnung der sich für das Streitjahr
ergebenden Umsatzsteuerjahresmasseverbindlichkeit zu erfassen.
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aa) Der umsatzsteuerrechtliche
Berichtigungsanspruch (s. oben II.1.) ist im Rahmen der
Masseverwaltung entstanden. Hierzu gehört die Geltendmachung
und Durchsetzung von Anfechtungsansprüchen nach §§
129 ff. InsO.
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bb) Der den umsatzsteuerrechtlichen
Berichtigungsanspruch begründende Tatbestand war nach den
steuerrechtlichen Vorschriften nicht bereits vor, sondern erst nach
Insolvenzeröffnung vollständig verwirklicht und damit
abgeschlossen.
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Zum einen handelt es sich bei der Berichtigung
nach § 17 UStG ebenso wie z.B. bei § 15a UStG (BFH-Urteil
in BFHE 236, 274, BStBl II 2012, 466 = SIS 12 07 83, Rz 26) um
einen eigenständigen Tatbestand, der sich nicht in der
bloßen Rückgängigmachung des Vorsteuerabzugs
erschöpft, da zusätzliche Voraussetzungen, wie im
Streitfall die Entgeltrückgewähr, vorliegen
müssen.
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Zum anderen kommt es zur Berichtigung des
Vorsteuerabzugs bei einem bereits entrichteten Entgelt erst durch
die Entgeltrückgewähr (BFH-Urteil in BFH/NV 2011, 77 =
SIS 10 40 01, Rz 20), nicht aber bereits durch die Entstehung des
Anspruchs auf Rückgewähr. Dies entspricht dem
Rechtsgedanken des § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG. Liegt zuerst
die Uneinbringlichkeit vor, sind Steuerbetrag und Vorsteuerabzug
nach dieser Vorschrift erst dann erneut zu berichtigen, wenn das
Entgelt erst nachträglich vereinnahmt wird. Für den
Umkehrfall, dass das Entgelt zuerst entrichtet wird, dann aber
zurückzugewähren ist, folgt hieraus, dass die
Berichtigung nicht bereits mit dem Entstehen des
Rückgewähranspruchs, sondern erst durch die
tatsächliche Rückgewähr begründet wird (s. oben
II.1.c). Diese Rückgewähr ist nach den Verhältnissen
im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung typischerweise völlig
offen, da stets damit gerechnet werden muss, dass der Schuldner des
Rückzahlungsanspruchs (im Streitfall die Vertragspartner des
Einzelunternehmers als Anfechtungsgegner) z.B. zahlungsunfähig
oder zahlungsunwillig sein kann. Selbst wenn man dem Kläger
darin folgen wollte, dass es auf eine nicht einseitig entziehbare
Anwartschaft ankäme, lägen deren Voraussetzungen im
Hinblick auf die in Bezug auf die tatsächliche
Rückgewähr bestehende Ungewissheit nicht vor.
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Im Hinblick auf das Erfordernis der
Entgeltrückgewähr für die Vorsteuerberichtigung
kommt es somit nicht darauf an, dass die Insolvenzanfechtung
insbesondere durch das Wiederaufleben der ursprünglichen
Forderung gemäß § 144 Abs. 1 InsO den Zustand
wiederherstellen soll, der ohne die anfechtbare Zahlung bestand.
Diese Zielsetzung des Anfechtungsrechts begründet keine
Rückbeziehung des umsatzsteuerrechtlichen
Berichtigungstatbestandes, der erst durch die Rückzahlung
verwirklicht wird (s. oben II.1.c).
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 2 FGO.
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