4
|
1. Die Beschwerde gegen die Entscheidung des
FG über die AdV nach § 69 Abs. 3 FGO ist statthaft, weil
sie vom FG ausdrücklich zugelassen wurde (§ 128 Abs. 3
Satz 1 FGO). Auf die Schlüssigkeit des Beschwerdevortrags ist
nicht einzugehen, da es einer Beschwerdebegründung der
Antragstellerin nicht bedarf, wenn - wie vorliegend - ihr Begehren
ohne Weiteres dem erstinstanzlichen Antrag entnommen werden kann
und damit ausreichend erkennbar ist (Beschluss des Bundesfinanzhofs
- BFH - vom 21.7.2009 II B 8/09, BFH/NV 2009, 1845 = SIS 09 32 87;
Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 129 Rz
6, m.w.N.).
|
5
|
2. Der gerichtliche AdV-Antrag ist - wovon
auch die Vorinstanz zu Recht ausgegangen ist - nach § 69 Abs.
3 i.V.m. Abs. 4 FGO zulässig. Die Mitteilung nach § 141
Abs. 2 AO, durch die das FA auf die Verpflichtung hinweist, ab
Beginn des nächsten Wirtschaftsjahrs Bücher zu
führen und aufgrund jährlicher Bestandsaufnahmen
Abschlüsse zu machen, ist ein rechtsgestaltender
Verwaltungsakt, dessen Vollziehung gemäß § 69 FGO
ausgesetzt werden kann (so bereits BTDrucks VI/1982, S. 124, rechte
Spalte; BFH-Beschluss vom 6.12.1979 IV B 32/79, BFHE 129, 300,
BStBl II 1980, 427 = SIS 80 02 29; Drüen in Tipke/Kruse,
Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 141 AO Rz 44; Gosch
in Beermann/Gosch, FGO § 69 Rz 41, jeweils m.w.N.).
|
7
|
a) Ernstliche Zweifel i.S. von § 69 Abs.
2 Satz 2 FGO liegen u.a. dann vor, wenn bei summarischer
Prüfung des angefochtenen Verwaltungsakts neben für seine
Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige
Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit
in der Beurteilung von Rechtsfragen bewirken. Die AdV setzt nicht
voraus, dass die gegen die Rechtmäßigkeit sprechenden
Gründe überwiegen. Ist die Rechtslage nicht eindeutig, so
ist im summarischen Verfahren nicht abschließend zu
entscheiden, sondern im Regelfall die Vollziehung auszusetzen
(ständige Rechtsprechung, Senatsbeschluss vom 18.12.2013 I B
85/13, BFHE 244, 320, BStBl II 2014, 947 = SIS 14 10 54,
m.w.N.).
|
9
|
aa) Nach § 141 Abs. 1 Satz 1 AO sind
„gewerbliche Unternehmer“, für die sich die
Buchführungspflicht nicht aus § 140 AO ergibt, u.a. dann
verpflichtet, für diesen „Betrieb“
Bücher zu führen und auf Grund jährlicher
Bestandsaufnahmen Abschlüsse zu machen, wenn sie nach den
Feststellungen der Finanzbehörde für den einzelnen
Betrieb einen Gewinn aus „Gewerbebetrieb“ von
mehr als 50.000 EUR im Wirtschaftsjahr gehabt haben. Es unterliegt
im vorgenannten Sinne ernstlichen Zweifeln, ob zu dem von §
141 AO angesprochenen Personenkreis auch die Antragstellerin
gehört, die nach den bisherigen Feststellungen keine
originäre gewerbliche Tätigkeit entfaltet hat, aber als
Aktiengesellschaft liechtensteinischen Rechts (vgl. zum sog.
Typenvergleich z.B. BFH-Urteil vom 23.6.1992 IX R 182/87, BFHE 168,
285, BStBl II 1992, 972 = SIS 92 20 52) nach § 2 Nr. 1 i.V.m.
§ 8 Abs. 1 KStG 2002 und § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG
2009 beschränkt körperschaftsteuerpflichtig ist.
Während Satz 1 der zuletzt genannten Bestimmung nicht nur das
Erzielen von Vermietungs- oder
Veräußerungseinkünften (u.a.) aus inländischen
unbeweglichem Vermögen (z.B. Grundstücken), sondern
darüber hinaus auch die Gewerblichkeit dieser Einkünfte
i.S. von § 15 EStG erfordert (BRDrucks 612/93, S. 66; Gosch in
Kirchhof, EStG, 14. Aufl., § 49 Rz 43, m.w.N.), dehnt §
49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f Satz 2 EStG 2009 den Tatbestand der
„Einkünfte aus Gewerbebetrieb“ im Wege der
Fiktion auf lediglich vermögensverwaltend tätige
ausländische Kapitalgesellschaften aus (BRDrucks, a.a.O., S.
66); die Gewerblichkeit wird m.a.W. kraft Rechtsform fingiert
(BTDrucks 12/6078, S. 125 und 16/10189, S. 58). Hieraus ergibt sich
zwar, dass auch diese gewerblich fingierten Einkünfte nach den
allgemeinen Vorschriften der §§ 4 ff. EStG über die
Bestimmung des Gewinns zu ermitteln sind (Senatsurteil vom 5.6.2002
I R 81/00, BFHE 199, 300, BStBl II 2004, 344 = SIS 02 86 72 zu
§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f Satz 2 EStG 1990/1994); auch mag
es zutreffen, dass dieser Einkunftsermittlung ein inländisches
gewerbliches Betriebsvermögen zugrunde liegt (vgl. zum
Streitstand Gosch in Kirchhof, a.a.O., § 49 Rz 47). Gleichwohl
ist zweifelhaft, ob durch die aufgezeigten
Regelungszusammenhänge eine Buchführungspflicht nach
§ 141 AO begründet wird, da letztere Vorschrift - wie
eingangs erwähnt - tatbestandlich an das Vorliegen eines
tatsächlichen „(Gewerbe-)Betriebs“ sowie in
personeller Hinsicht an die Einkunftserzielung durch einen
„gewerblichen Unternehmer“ anknüpft und
nach der Rechtsprechung des Senats hierdurch auf die Gewerblichkeit
i.S. von § 15 Abs. 2 EStG Bezug genommen wird (Senatsurteil
vom 21.1.1998 I R 3/96, BFHE 185, 262, BStBl II 1998, 468 = SIS 98 14 38; vgl. auch Märtens in Beermann/Gosch, AO § 141 Rz
11, m.w.N.: § 15 Abs. 2 und 3). Demgemäß muss es
der Entscheidung im Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben, ob der
Tatbestand des § 141 AO auch für die in § 49 Abs. 1
Nr. 2 Buchst. f Satz 2 EStG 2009 genannte Fiktion geöffnet
werden kann und insbesondere der Zweck dieser Vorschrift eine
solche Auslegung erfordert (vgl. zum Begriff des wirtschaftlichen
Geschäftsbetriebs in § 14 AO Senatsurteil vom 25.5.2011 I
R 60/10, BFHE 234, 59, BStBl II 2011, 858 = SIS 11 24 26).
Erwägungen hierzu erübrigen sich nicht deshalb, weil sich
nach der Rechtsprechung des Senats die Buchführungspflichten
des § 141 AO ausschließlich auf die im Inland
steuerbaren Einkünfte beziehen (Urteil vom 17.12.1997 I R
95/96, BFHE 185, 16, BStBl II 1998, 260 = SIS 98 07 31). Dies steht
auch vorliegend nicht im Streit, gibt jedoch keine Antwort auf die
weitergehende - und vorliegend streitige - Frage danach, ob die
steuerbaren inländischen Einkünfte der Antragstellerin im
Wege der Überschussrechnung oder - gestützt auf die
Regelungen des § 141 AO - durch einen
Betriebsvermögensvergleich zu ermitteln sind.
|
10
|
bb) Ernstliche Zweifel an der
Rechtmäßigkeit der angefochtenen Mitteilung
gemäß § 141 AO bestehen ferner insoweit, als die
zuletzt genannte Bestimmung eine originäre steuerrechtliche
Buchführungspflicht begründet und ihr gegenüber den
in § 140 AO angesprochenen (d.h. aus anderen als den
Steuergesetzen sich ergebenden) Buch- und Aufzeichnungspflichten
nur subsidiäre Bedeutung zukommt. Da demnach § 141 AO nur
den über § 140 AO hinausgehenden Kreis von
Buchführungspflichtigen erfasst (so ausdrücklich BTDrucks
VI/1982, S. 124; s. auch BTDrucks 7/79, S. 93) und der Senat mit
Urteil vom 25.6.2014 I R 24/13 (BFHE
246, 404, BStBl II 2015, 141 = SIS 14 28 36) ausdrücklich offengelassen hat, ob ausländische
Buchführungspflichten nach § 140 AO materiell-rechtlich
die Art der Gewinnermittlung nach deutschem Ertragsteuerrecht
bestimmen, hätte es - was im Hauptsacheverfahren nachzuholen
sein wird - der Aufklärung bedurft, ob die Antragstellerin
nach liechtensteinischem Recht Bücher zu führen hatte.
Der Senat hat mit dem zuletzt genannten Urteil des Weiteren
erkannt, dass eine ausländische Buchführungspflicht
ebenso wie eine tatsächliche (freiwillige) Buchführung
jedenfalls das Wahlrecht zur Überschussrechnung nach § 4
Abs. 3 EStG ausschließt. Angesichts dessen wird im
Hauptsacheverfahren ggf. auch unter diesem Blickwinkel darüber
zu entscheiden sein, ob angesichts dieser materiell-rechtlichen
Beurteilung und der hiermit verbundenen bilanziellen
Gewinnermittlung noch Raum für die Begründung einer
Buchführungspflicht gemäß § 141 AO
besteht.
|