Die Revision des Klägers gegen das Urteil
des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 2.12.2013 2 K 176/13
wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu
tragen.
1
|
I. Streitig ist, ob Aufwendungen für
einen behindertengerechten Umbau einer Motoryacht als
außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen
sind.
|
|
|
2
|
Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger) ist aufgrund eines Autounfalls im Jahre 1970
querschnittsgelähmt und aufgrund dessen auf einen Rollstuhl
angewiesen (Grad der Behinderung 100). Sein
Schwerbehindertenausweis weist die Merkmale G, aG, H und RF
aus.
|
|
|
3
|
Im Jahr 2008 erwarb der Kläger eine
Motoryacht. Deren Vorbesitzer hatte wegen seines behinderten Kindes
auf dem Boot bereits entsprechende Lifte einbauen lassen. Weitere
für den Kläger nutzbare medizinische Hilfsmittel waren
nicht vorhanden. Seine Koje sowie den Dusch- und Toilettenbereich
konnte er nur mit einer Hilfsperson nutzen. Teilbereiche auf dem
Schiff (sog. „Boys Cabin“) waren für den
Kläger wegen zu schmaler Durchgänge nicht
nutzbar.
|
|
|
4
|
Nachdem der Kläger in den letzten
Jahren gemerkt hatte, dass er auch unter Zuhilfenahme einer
weiteren Person die ursprüngliche Koje sowie den Dusch- und
Toilettenbereich nicht länger werde nutzen können, hat
der Kläger eine Werft mit dem Umbau der Yacht beauftragt. Nach
seinen Vorgaben sei der ursprüngliche „Boys
Cabin“-Bereich zu einer bodenebenen Nasszelle mit
herausziehbarem Waschtisch und Schränken einschließlich
eines Toilettenbereichs umgebaut worden. Des Weiteren sei die Koje
im Vorschiffbereich derart verändert worden, dass das
Fußende der Koje absenkbar und das Kopfende aufstellbar sei,
so dass der querschnittsgelähmte Kläger in die Koje
allein ein- bzw. aus der Koje allein aussteigen könne.
Hierfür habe er einen Betrag in Höhe von ca. 37.000 EUR
aufgewandt. Zum Nachweis legte der Kläger Fotoaufnahmen,
Grundrisse des Vorschiffs sowie das Angebot und die Rechnung der
Werft vor.
|
|
|
5
|
Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung
für das Streitjahr (2011) versagte der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) den Abzug dieser
Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen
gemäß § 33 des Einkommensteuergesetzes
(EStG).
|
|
|
6
|
Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das
Urteil ist in EFG 2014, 1484 = SIS 14 20 69
veröffentlicht.
|
|
|
7
|
Mit der Revision rügt der Kläger
die Verletzung materiellen Rechts.
|
|
|
8
|
Er beantragt, das angefochtene Urteil des
Niedersächsischen Finanzgerichts (FG) vom 2.12.2013 2 K 176/13
und die Einspruchsentscheidung vom 5.7.2013 aufzuheben sowie den
Einkommensteuerbescheid für 2011 vom 22.3.2013 dahingehend
abzuändern, dass Kosten in Höhe von 37.142,23 EUR als
weitere außergewöhnliche Belastung berücksichtigt
werden.
|
|
|
9
|
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
|
|
|
10
|
II. Die Entscheidung ergeht gemäß
§ 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Senat hält
einstimmig die Revision für unbegründet und eine
mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die
Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit
zur Stellungnahme. Die Revision des Klägers ist daher als
unbegründet zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das
FG hat zu Recht entschieden, dass Aufwendungen für den
behindertengerechten Umbau einer Motoryacht nicht als
außergewöhnliche Belastung i.S. des § 33 EStG zu
berücksichtigen sind.
|
|
|
11
|
1. Erwachsen einem Steuerpflichtigen
zwangsläufig größere Aufwendungen als der
überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher
Einkommens-, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen
Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf
Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der
Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare
Belastung übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte
abgezogen wird (§ 33 Abs. 1 EStG). Aufwendungen sind in diesem
Sinne zwangsläufig, wenn der Steuerpflichtige sich ihnen aus
rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht
entziehen kann und soweit sie den Umständen nach notwendig
sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§
33 Abs. 2 Satz 1 EStG).
|
|
|
12
|
a) Ziel des § 33 EStG ist es,
zwangsläufige Mehraufwendungen für den
existenznotwendigen Grundbedarf zu berücksichtigen, die sich
wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen
Erfassung in allgemeinen Entlastungsbeträgen entziehen. Aus
dem Anwendungsbereich der außergewöhnlichen Belastungen
ausgeschlossen sind daher die üblichen Aufwendungen der
Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den
Grundfreibetrag abgegolten sind (z.B. Senatsurteil vom 26.6.2014 VI
R 51/13, BFHE 246, 326, BStBl II 2015, 9 = SIS 14 27 71, m.w.N.),
sowie private Aufwendungen, die über die Schaffung der
Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein
hinausgehen. Deshalb stellen die §§ 33, 33a und 33b EStG
auch nur außergewöhnliche - insbesondere existentiell
notwendige oder der Sicherung der Existenz dienende - atypische
Aufwendungen steuerfrei (Arndt, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff,
EStG, § 33 Rz A 6, B 44; Hufeld, in:
Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 33a Rz A 2;
Schmidt/Loschelder, EStG, 34. Aufl., § 33 Rz 14; Kanzler in
Herrmann/Heuer/Raupach, § 33 EStG Rz 7; Nacke in
Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 33
Rz 1; Mellinghoff in Kirchhof, EStG, 14. Aufl., § 33 Rz
1).
|
|
|
13
|
b) Anders als beispielsweise Aufwendungen, die
geleistet werden, um den existentiellen Wohnbedarf zu befriedigen
(Senatsurteil vom 21.4.2010 VI R 62/08, BFHE 230, 1, BStBl II 2010,
965 = SIS 10 22 54, m.w.N.), existenznotwendige Gegenstände
wieder zu beschaffen (z.B. Senatsurteil vom 29.3.2012 VI R 21/11,
BFHE 237, 93, BStBl II 2012, 574 = SIS 12 15 34, m.w.N.) oder
gesundheitsgefährdende Gegenstände des
existenznotwendigen Bedarfs auszutauschen (z.B. Senatsurteil vom
29.3.2012 VI R 70/10, BFHE 237, 90, BStBl II 2012, 572 = SIS 12 15 36, m.w.N.) bzw. von diesen ausgehende Gesundheitsgefahren zu
beseitigen (Senatsurteil vom 29.3.2012 VI R 47/10, BFHE 237, 85,
BStBl II 2012, 570 = SIS 12 15 35, m.w.N.), gehören
Aufwendungen für eine Motoryacht hierzu nicht.
|
|
|
14
|
c) Aufwendungen für die Anschaffung und
den Unterhalt einer Motoryacht entstehen daher nicht
zwangsläufig. Der Steuerpflichtige ist weder aus rechtlichen,
tatsächlichen oder sittlichen Gründen verpflichtet,
derartige Konsumaufwendungen zu tragen. Sie stehen vielmehr in
seinem Belieben. Das gilt auch für Mehraufwendungen, die
erforderlich sind, ein solches Boot behindertengerecht
umzugestalten. Diese Aufwendungen sind nicht vornehmlich der
Krankheit oder Behinderung geschuldet, sondern - anders als die
krankheits- oder behindertengerechte Ausgestaltung des
individuellen (existenziell wichtigen) Wohnumfelds (vgl.
Senatsurteil in BFHE 237, 90, BStBl II 2012, 572 = SIS 12 15 36,
sowie Urteil des Bundesfinanzhofs vom 6.5.1994 III R 27/92, BFHE
175, 332, BStBl II 1995, 104 = SIS 95 01 02) - in erster Linie
Folge eines frei gewählten Konsumverhaltens. Ob es sich dabei
um ein „sozial gebilligtes Verhalten“ handelt,
ist für den Abzug von Aufwendungen als
außergewöhnliche Belastung unerheblich (a.A. FG Berlin,
Urteil vom 1.11.1994 VII 369/91, EFG 1995, 264 = SIS 95 09 10).
Denn § 33 EStG unterscheidet tatbestandlich in § 33 Abs.
2 Satz 1 EStG lediglich zwischen steuererheblicher (aus
rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen)
zwangsläufiger und steuerunerheblicher beliebiger
Einkommensverwendung. Ein Werturteil ist damit nicht verbunden.
|
|
|
15
|
2. Nach diesen Grundsätzen hat das FG zu
Recht darauf erkannt, dass die streitbefangenen Aufwendungen nicht
als außergewöhnliche Belastung i.S. des § 33 EStG
abziehbar sind. Denn bei einer wie der vorliegenden Fallgestaltung
kann keine Rede davon sein, dass Gründe derart von außen
auf die Entschließung des Steuerpflichtigen einwirken, dass
er ihnen (aufgrund ihrer Existenznotwendigkeit) nicht ausweichen
kann, er also tatsächlich keine Entscheidungsfreiheit hat,
bestimmte Aufwendungen (hier die Kosten für den Umbau des
Bootes) vorzunehmen oder zu unterlassen. Vielmehr liegt eine
maßgeblich vom menschlichen Willen beeinflusste Situation
vor, die eine nach § 33 EStG erforderliche Zwangslage nicht
begründen kann (vgl. Senatsurteil vom 17.7.2014 VI R 42/13,
BFHE 246, 360, BStBl II 2014, 931 = SIS 14 24 95).
|
|
|
16
|
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135
Abs. 2 FGO.
|