Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil
des Finanzgerichts Düsseldorf vom 18.5.2009 14 K 1750/08 Kg
aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die Klägerin zu
tragen.
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I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin) ist die Mutter eines im Jahr 1995 geborenen Sohnes
(S). Sie ist deutsche Staatsangehörige und übt in der
Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) eine
sozialversicherungspflichtige Beschäftigung aus. Das
zuständige Finanzamt behandelte sie im Streitzeitraum
gemäß § 1 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG)
als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig.
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Der Ehemann der Klägerin und
Kindsvater ist Belgier. Er arbeitete seit November 2006 bei einer
belgischen Zeitarbeitsfirma, zuvor war er arbeitslos gewesen. Die
Familie lebte zunächst in Deutschland, zog dann aber im Juni
2006 nach Belgien und hat seitdem dort ihren Wohnsitz.
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Für ihren Sohn bezog die Klägerin
fortlaufend in Deutschland Kindergeld. Ihr Ehemann hatte in Belgien
kein Kindergeld beantragt und deswegen auch kein Kindergeld
erhalten. Als die Beklagte und Revisionsklägerin
(Familienkasse) vom Umzug der Familie nach Belgien erfuhr, hob sie
die Kindergeldfestsetzung mit Wirkung ab Juli 2006 auf und forderte
das für den Zeitraum von Juli 2006 bis März 2007 gezahlte
Kindergeld zurück.
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Der Einspruch der Klägerin war
teilweise erfolgreich. Die Familienkasse war der Auffassung, dass
der Klägerin für den Streitzeitraum von Juli 2006 bis
März 2007 ein Kindergeldanspruch nach dem EStG zustehe.
Zugleich bestehe aber auch ein Kindergeldanspruch in Belgien.
Dieser betrage von Juli bis September 2006 monatlich 77,05 EUR und
von Oktober 2006 bis März 2007 monatlich 78,59 EUR. Die
Konkurrenz zwischen den Kindergeldansprüchen verschiedener
Mitgliedstaaten werde durch die Art. 76 bis 79 der Verordnung (EWG)
Nr. 1408/71 des Rates vom 14.6.1971 zur Anwendung der Systeme der
sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie
deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu-
und abwandern (VO Nr. 1408/71), in ihrer durch die Verordnung (EG)
Nr. 118/97 des Rates vom 2.12.1996 (VO Nr. 118/97) (Amtsblatt der
Europäischen Gemeinschaften vom 30.1.1997, Nr. L 28, S. 1)
geänderten und aktualisierten Fassung, und den Art. 10 der
Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom 21.3.1972 über die
Durchführung der VO Nr. 1408/71 (VO Nr. 574/72), in ihrer
durch die VO Nr. 118/97 geänderten und aktualisierten Fassung,
aufgelöst. Nach diesen Vorschriften werde der deutsche
Kindergeldanspruch in Höhe der ausländischen
Familienleistung ausgesetzt und es könne nur der
Differenzbetrag ausgezahlt werden. Dass die in Belgien vorgesehenen
Familienleistungen nicht beantragt worden seien, sei nach Art. 76
Abs. 2 der VO Nr. 1408/71 unschädlich. Diese Regelung solle
gerade verhindern, dass das Zuständigkeitssystem der VO Nr.
1408/71 durch den Verzicht auf die Antragstellung umgangen
werde.
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Das von der Klägerin angerufene
Finanzgericht (FG) erachtete den Aufhebungs- und
Rückforderungsbescheid als rechtswidrig und gab der Klage mit
dem in EFG 2009, 1302 = SIS 09 23 23 veröffentlichten Urteil
vom 18.5.2009 14 K 1750/08 Kg statt.
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Mit ihrer gegen das Urteil des FG
gerichteten Revision macht die Familienkasse weiterhin geltend,
dass Art. 76 Abs. 2 der VO Nr. 1408/71 nicht als
Ermessensvorschrift im Sinne des deutschen Steuer- und Sozialrechts
zu verstehen sei.
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Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Beschluss
vom 27.9.2012 III R 40/09 (BFHE 239, 102, BStBl II 2014, 470 = SIS 12 33 98) das Revisionsverfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der
Europäischen Union (EuGH) folgende Rechtsfragen zur
Vorabentscheidung vorgelegt:
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1. Ist Art. 76 Abs. 2 VO Nr. 1408/71 dahin
auszulegen, dass es im Ermessen des zuständigen Trägers
des Beschäftigungsmitgliedstaats steht, Art. 76 Abs. 1 VO Nr.
1408/71 anzuwenden, wenn im Wohnmitgliedstaat der
Familienangehörigen kein Antrag auf Leistungsgewährung
gestellt wird?
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2. Für den Fall, dass die erste Frage
bejaht wird: Aufgrund welcher Ermessenserwägungen kann der
für Familienleistungen zuständige Träger des
Beschäftigungsmitgliedstaats Art. 76 Abs. 1 VO Nr. 1408/71
anwenden, als ob Leistungen im Wohnmitgliedstaat der
Familienangehörigen gewährt würden?
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3. Für den Fall, dass die erste Frage
bejaht wird: Inwieweit unterliegt die Ermessensentscheidung des
zuständigen Trägers der gerichtlichen Kontrolle?
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Der EuGH hat diese Fragen mit Urteil vom
6.11.2014 (C-4/13, EU:C:2014:2344, HFR 2015, 86 = SIS 14 32 31) wie
folgt beantwortet:
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Art. 76 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr.
1408/71 des Rates vom 14.6.1971 über die Anwendung der Systeme
der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige
sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft
zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des
Rates vom 2.12.1996 geänderten und aktualisierten Fassung,
zuletzt geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 1606/98 des
Rates vom 29.6.1998, ist dahin auszulegen, dass er es dem
Beschäftigungsmitgliedstaat erlaubt, in seinen
Rechtsvorschriften vorzusehen, dass der zuständige Träger
den Anspruch auf Familienleistungen ruhen lässt, wenn im
Wohnmitgliedstaat kein Antrag auf Gewährung von
Familienleistungen gestellt worden ist. Unter diesen Umständen
ist der zuständige Träger, falls der
Beschäftigungsmitgliedstaat in seinen innerstaatlichen
Rechtsvorschriften ein solches Ruhenlassen des Anspruchs auf
Familienleistungen vorsieht, bei Vorliegen der in diesen
Rechtsvorschriften aufgestellten Voraussetzungen nach Art. 76 Abs.
2 verpflichtet, den Anspruch ruhen zu lassen, ohne dass er insoweit
über ein Ermessen verfügt.
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II. Im Streitfall ist zum 1.5.2013 ein
gesetzlicher Beteiligtenwechsel eingetreten. Beklagte und
Revisionsklägerin ist nunmehr aufgrund eines
Organisationsaktes (Beschluss des Vorstands der Bundesagentur
für Arbeit Nr. 21/2013 vom 18.4.2013 gemäß § 5
Abs. 1 Nr. 11 des Finanzverwaltungsgesetzes, Amtliche Nachrichten
der Bundesagentur für Arbeit, Ausgabe Mai 2013, S. 6 ff.) die
Familienkasse Rheinland-Pfalz-Saarland. Das Rubrum des Verfahrens
ist entsprechend zu ändern (vgl. z.B. BFH-Urteile vom
16.5.2013 III R 8/11, BFHE 241, 511, BStBl II 2013, 1040 = SIS 13 22 91, Rz 11; vom 28.5.2013 XI R 38/11, BFH/NV 2013, 1774 = SIS 13 27 92, Rz 14; vom 24.7.2013 XI R 8/12, BFH/NV 2014, 495 = SIS 14 07 01, Rz 18).
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III. Die Revision der Familienkasse ist
begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen
Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1
FGO). Ein über das Differenzkindergeld hinausgehender Anspruch
auf Kindergeld ist durch § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG i.V.m.
Art. 76 Abs. 2 VO Nr. 1408/71 aufgrund des in Belgien bestehenden
Kindergeldanspruchs ausgeschlossen.
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1. Sind für ein und denselben Zeitraum
für ein und denselben Familienangehörigen in den
Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet die
Familienangehörigen wohnen, Familienleistungen aufgrund der
Ausübung einer Erwerbstätigkeit vorgesehen, so ruht nach
Art. 76 Abs. 1 VO Nr. 1408/71 der Anspruch auf die nach den
Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats gegebenenfalls
gemäß Art. 73 bzw. 74 VO Nr. 1408/71 geschuldeten
Familienleistungen bis zu dem in den Rechtsvorschriften des ersten
Mitgliedstaats vorgesehenen Betrag. Wird in dem Mitgliedstaat, in
dessen Gebiet die Familienangehörigen wohnen, kein Antrag auf
Leistungsgewährung gestellt, so kann der zuständige
Träger des anderen Mitgliedstaats Art. 76 Abs. 1 VO Nr.
1408/71 anwenden, als ob Leistungen in dem ersten Mitgliedstaat
gewährt würden (Art. 76 Abs. 2 VO Nr. 1408/71).
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2. Die Voraussetzungen des Art. 76 Abs. 1 und
Abs. 2 VO Nr. 1408/71 liegen vor.
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a) Im Streitfall bestand für den Sohn der
Klägerin sowohl ein Kindergeldanspruch nach deutschem als auch
nach belgischem Recht.
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aa) Als Familienleistung i.S. des Art. 1
Buchst. u Ziff. i VO Nr. 1408/71 unterfällt das Kindergeld
nach den §§ 62 ff. EStG gemäß Art. 4 Abs. 1
Buchst. h dieser Verordnung ihrem sachlichen Geltungsbereich (z.B.
Urteil Schwemmer, C-16/09, EU:C:2010:605, Slg. 2010, I-9717-9762,
Rn. 33).
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bb) Die in der gesetzlichen Sozialversicherung
pflichtversicherte Klägerin war in der fraglichen Zeit in
Deutschland als Arbeitnehmerin abhängig beschäftigt.
Gemäß Art. 13 Abs. 2 Buchst. a VO Nr. 1408/71 unterlag
sie damit, ungeachtet ihres Wohnsitzes in Belgien, den deutschen
Rechtsvorschriften. Deutschland als
Beschäftigungsmitgliedstaat war damit für die
Gewährung des Kindergeldes zuständig.
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Nach deutschem Recht bestand für die
Klägerin im Streitzeitraum für ihren nach §§ 32
Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 3, 63 Abs. 1 Satz 3 EStG zu
berücksichtigenden Sohn ein Kindergeldanspruch
gemäß § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b i.V.m. § 1
Abs. 3 EStG.
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cc) Nach den den BFH bindenden Feststellungen
des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) waren in Belgien als dem
Wohnmitgliedstaat der Familienangehörigen aufgrund der
Erwerbstätigkeit und der vorherigen Arbeitslosigkeit des
Kindsvaters (zum Begriff der Erwerbstätigkeit i.S. des Art. 76
Abs. 1 der VO Nr. 1408/71 vgl. Beschluss Nr. 207 der
Verwaltungskommission der Europäischen Gemeinschaften für
die soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer vom 7.4.2006 zur
Auslegung des Art. 76 und des Art. 79 Abs. 3 VO Nr. 1408/71 sowie
des Art. 10 Abs. 1 VO Nr. 574/72 bezüglich des
Zusammentreffens von Familienleistungen oder -beihilfen, Amtsblatt
der Europäischen Union - ABlEU - vom 29.6.2006, Nr. L 175, S.
83) Familienleistungen vorgesehen. Diese wurden jedoch nicht
beantragt.
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b) Eine tatsächliche Kumulierung der
Leistungen lag daher nicht vor, so dass Art. 76 Abs. 1 VO Nr.
1408/71 allenfalls über Abs. 2 eingreifen kann. Hiernach kann,
wenn in dem Mitgliedstaat, in dessen Gebiet die
Familienangehörigen wohnen, kein Antrag auf
Leistungsgewährung gestellt, der zuständige Träger
des anderen Mitgliedstaats Art. 76 Abs. 1 VO Nr. 1408/71 anwenden,
als ob Leistungen in dem ersten Mitgliedstaat gewährt
würden.
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3. Ein über das Differenzkindergeld
hinausgehender Anspruch der Klägerin ist gemäß Art.
76 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 VO Nr. 1408/71 i.V.m. § 65 Abs. 1 Satz
1 Nr. 2 EStG ausgeschlossen.
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a) Nach dem Urteil des EuGH im
Vorabentscheidungsverfahren (C-4/13) ist Art. 76 Abs. 2 der VO Nr.
1408/71 dahin auszulegen, dass er es dem
Beschäftigungsmitgliedstaat erlaubt, in seinen
Rechtsvorschriften vorzusehen, dass der zuständige Träger
den Anspruch auf Familienleistungen ruhen lässt, wenn im
Wohnmitgliedstaat kein Antrag auf Gewährung von
Familienleistungen gestellt worden ist. Unter diesen Umständen
sei daher der zuständige Träger, falls der
Beschäftigungsmitgliedstaat in seinen innerstaatlichen
Rechtsvorschriften ein solches Ruhenlassen des Anspruchs auf
Familienleistungen vorsieht, verpflichtet, den Anspruch ruhen zu
lassen, ohne dass er insoweit über ein Ermessen
verfügt.
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An dieses EuGH-Urteil im
Vorabentscheidungsverfahren ist das nationale Gericht bei seiner
Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits gebunden (vgl. Senatsurteil
vom 3.7.2014 III R 30/11, BFHE 246, 477, BFH/NV 2014, 2002 = SIS 14 28 38, Rz 31, m.w.N.). Der erkennende Senat ist daher zu einer
abweichenden Auslegung der Vorschrift des Art. 76 Abs. 2 VO Nr.
1408/71 nicht befugt.
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b) Nach den deutschen Rechtsvorschriften
erfüllt § 65 EStG die Voraussetzungen für eine
Ermächtigung, die in Art. 76 Abs. 2 der VO Nr. 1408/71
vorgesehen sind.
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aa) Im nationalen Recht sieht § 65 Abs. 1
Satz 1 Nr. 2 EStG vor, dass Kindergeld nicht für ein Kind
gezahlt wird, für das Leistungen zu zahlen sind oder bei
entsprechender Antragstellung zu zahlen wären, die im Ausland
gewährt werden und dem Kindergeld oder einer der in § 65
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG genannten Leistungen vergleichbar sind.
Die Vorschrift ist nach der Rechtsprechung des EuGH bei
eröffnetem Anwendungsbereich der VO Nr. 1408/71
unionsrechtswidrig, soweit diese nicht zu einer Kürzung des
Betrags der Leistung um die Höhe des Betrags einer in einem
anderen Staat gewährten vergleichbaren Leistung, sondern zum
Ausschluss führt (Urteil Hudzinski und Wawrzyniak, C-611/10
und C-612/10, EU:C:2012:339, ABlEU 2012, Nr. C 227, 4). Somit kann
§ 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG im Lichte der EuGH-Entscheidung
in den Sachen Hudzinski/ Wawrzyniak (EU:C:2012:339, ABlEU 2012, Nr.
C 227, 4) wegen des Anwendungsvorrangs des EU-Rechts normerhaltend
unionsrechtskonform ausgelegt werden (vgl. BFH-Urteil vom 9.11.2011
X R 24/09, BStBl II 2012, 321 = SIS 12 06 16, BFHE 236, 21, Rz 16).
Dies führt dazu, dass die unionsrechtswidrige Rechtsfolge -
hier der vollständige Ausschluss - nicht zu beachten ist,
sondern nur eine Kürzung um den im EU-Ausland bestehenden
Kindergeldanspruch in Betracht zu ziehen ist (BFH-Urteile vom
18.12.2013 III R 44/12, BFHE 244, 344, BStBl II 2015, 143 = SIS 14 08 60, Rz 14; vom 18.7.2013 III R 71/11, BFH/NV 2014, 24 = SIS 13 32 86, Rz 18; vom 11.7.2013 VI R 68/11, BFHE 242, 206, BFH/NV 2013,
1967 = SIS 13 29 99, Rz 12; vom 16.5.2013 III R 8/11, BFHE 241,
511, BStBl II 2013, 1040 = SIS 13 22 91, Rz 29).
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bb) Mit der unionsrechtskonformen Auslegung
hält sich § 65 EStG im Rahmen der durch Art. 76 Abs. 2 VO
Nr. 1408/71 geregelten Ermächtigung. Auch der vom EuGH in
seiner Entscheidung zum Vorabentscheidungsersuchen geforderten
Rechtssicherheit und Transparenz (Urteil EU:C:2014:2344, Rn. 44)
wird Genüge getan. Mit der in § 65 EStG getroffenen
Regelung wird der Kindergeldberechtigte darüber informiert,
dass eine fehlende Antragstellung auf Familienleistungen im Ausland
für ihn zwingend (ohne Ermessen) nachteilig ist. Sofern die
unionsrechtskonforme Auslegung die Rechtsfolge
„völliger Ausschluss“ abmildert und sich
insoweit für den Kindergeldberechtigten günstig auswirkt,
verbleibt es doch dabei, dass die Beschränkung der Rechte
durch eine fehlende Antragstellung klar und eindeutig umschrieben
werden.
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cc) Diese Auffassung widerspricht nicht dem
Grundsatz des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts gegenüber
dem nationalen Recht. Die Koordinierung erfolgt weiterhin in erster
Linie nach der in der VO Nr. 1408/71 geregelten
Antikumulierungsregelung des Art. 76. Die in Art. 76 Abs. 2
vorgesehene „Kann“-Bestimmung wird nach dem
Urteil des EuGH lediglich als Ermächtigungsbestimmung
ausgelegt (so Schlussantrag des Generalanwalts vom 10.4.2014 Rn.
52), die es dem Beschäftigungsmitgliedstaat - hier Deutschland
- erlaubt, eine Beschränkung des Anspruchs auf Kindergeld
vorzusehen, wenn die Leistungen im Wohnmitgliedstaat der
Familienangehörigen nicht beantragt worden sind.
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4. Unter Berücksichtigung dieser
Grundsätze ist das finanzgerichtliche Urteil aufzuheben. Die
Sache ist spruchreif. Die Klage ist abzuweisen, weil § 65 Abs.
1 Satz 1 Nr. 2 EStG in seiner unionsrechtskonformen Auslegung
zwingend vorschreibt, dass die fehlende Antragstellung auf
Familienleistungen im Ausland zu einem Anspruchsausschluss in
Höhe des im Ausland bestehenden Anspruchs führt.
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5. Die Kostenentscheidung beruht auf §
143 Abs. 1, § 135 Abs. 1 FGO.
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