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I. Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger), Vater von zwei im Juni 1999 und im Dezember 2007
geborenen Töchtern, ist deutscher Staatsangehöriger. Er
bewohnt seit 1977 mit seiner Familie eine Einliegerwohnung im Hause
seiner Eltern in K (Rheinland-Pfalz). Diese verfügt über
einen Wohnraum, ein Schlafzimmer, ein Duschbad und eine Kochnische,
zwei Kinderzimmer im Dachgeschoss sowie weiteren zu Wohnraum
ausgebauten Speicherraum. Nachdem der Kläger im Herbst 2005
arbeitslos geworden war, trat er am 1.6.2006 eine
Beschäftigung in Prag an. Seine Ehefrau wohnt dort mit beiden
Kindern und die ältere Tochter besucht die deutsche Schule.
Der Kläger verbringt jedoch weiterhin seine gesamte freie Zeit
mit der Familie in seiner Wohnung in K, u.a. er selbst während
seines Urlaubs und die Familie während der Schulferien. Die
Nutzung der dortigen Wohnung geht nach den Feststellungen des
Finanzgerichts (FG) über eine übliche Nutzung als
Ferienquartier deutlich hinaus.
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Die Beklagte und Revisionsbeklagte
(Familienkasse) hob die Kindergeldfestsetzung für die
ältere Tochter ab Juli 2006 nach § 70 Abs. 2 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) auf, forderte den überzahlten
Betrag für die Monate Juli 2006 bis September 2008 in
Höhe von 4.158 EUR zurück und wies den dagegen
eingelegten Einspruch im Februar 2009 als unbegründet
zurück.
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Das FG wies die Klage, mit der der
Kläger die Aufhebung des Aufhebungsbescheides und die
Verpflichtung der Familienkasse zur Gewährung von Kindergeld
für beide Töchter ab Oktober 2008 begehrte, als
unbegründet ab (EFG 2012, 2128 = SIS 12 25 80). Es entschied,
der Kläger erfülle zwar die Voraussetzungen des § 62
Abs. 1 Nr. 1 EStG, weil er im Inland mit seiner Familie einen
Zweitwohnsitz habe. Der Anspruch auf Kindergeld sei indessen
ausgeschlossen, da für den Kläger nach Art. 13 Abs. 1 und
Abs. 2 Buchst. a der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom
14.6.1971 über die Anwendung der Systeme der sozialen
Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der
Gemeinschaft zu- und abwandern (VO Nr. 1408/71), das Recht des
Beschäftigungsstaates Tschechiens gelte.
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Der Kläger rügt die Verletzung
materiellen Rechts. Er beantragt, das FG-Urteil, den
Aufhebungsbescheid und die Einspruchsentscheidung aufzuheben und
die Familienkasse zu verpflichten, Kindergeld für seine beiden
Kinder ab Oktober 2008 zu gewähren.
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Die Familienkasse beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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II. Die Familienkasse Sachsen der
Bundesagentur für Arbeit ist aufgrund eines Organisationsaktes
(Beschluss des Vorstands der Bundesagentur für Arbeit Nr.
21/2013 vom 18.4.2013 gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 11 des
Finanzverwaltungsgesetzes, Amtliche Nachrichten der Bundesagentur
für Arbeit, Ausgabe Mai 2013, S. 6 ff., Nr. 2.2. der Anlage 2)
im Wege des gesetzlichen Parteiwechsels in die Beteiligtenstellung
der Agentur für Arbeit ... - Familienkasse - eingetreten (s.
dazu Beschluss des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 3.3.2011 V B 17/10,
BFH/NV 2011, 1105 = SIS 11 18 86, unter II.A.).
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III. Die Revision ist begründet; sie
führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur
Zurückverweisung der nicht spruchreifen Sache an das FG
(§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -
).
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1. Die Feststellung des FG, dass der
Kläger die Voraussetzungen des § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG
erfüllt, weil er in K einen „Zweitwohnsitz“
hat, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Denn für den
Anspruch auf Kindergeld nach dieser Vorschrift genügt es, dass
der Anspruchsberechtigte im Inland einen Wohnsitz hat. Eine Person
kann, wie das FG zutreffend ausgeführt hat, mehrere Wohnsitze
i.S. des § 8 der Abgabenordnung haben, die im Inland und/oder
im Ausland belegen sein können, und zur Aufrechterhaltung
eines Wohnsitzes können unregelmäßige Aufenthalte
genügen (z.B. BFH-Urteil vom 28.1.2004 I R 56/02, BFH/NV 2004,
917 = SIS 04 22 52), sofern diese nicht lediglich als Besuche zu
werten sind.
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Die Anspruchsberechtigung nach § 62 Abs.
1 Nr. 1 EStG setzt weder voraus, dass sich der Anspruchsberechtigte
überwiegend im Inland aufhält (z.B. mehr als 15 Tage im
jeweiligen Monat oder mehr als 183 Tage innerhalb eines Zeitraums
von 12 Monaten, vgl. z.B. Art. 15 Abs. 2 Buchst. a des
OECD-Musterabkommens), noch dass sich sein Lebensmittelpunkt im
Inland befindet.
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2. Die Anwendbarkeit der §§ 62 ff.
EStG wird im Streitfall nicht durch Gemeinschaftsrecht
ausgeschlossen.
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Da das FG lediglich die Beschäftigung des
Klägers in Prag, nicht aber seinen Versicherungsstatus
festgestellt hat, kann der Senat nicht sicher beurteilen, ob der
Kläger persönlich vom Geltungsbereich der VO Nr. 1408/71
erfasst wird. Wenn er - was aufgrund seiner Beschäftigung in
Prag nahe liegt - gemäß Art. 13 Abs. 2 Buchst. a der VO
Nr. 1408/71 den Rechtsvorschriften Tschechiens unterliegen sollte
und Deutschland der für die Gewährung der
Familienleistungen unzuständige Mitgliedstaat wäre,
stünde dies dem sich aus § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG
ergebenden Kindergeldanspruch nicht entgegen. Denn die Art. 13 ff.
der VO Nr. 1408/71 entfalten keine Sperrwirkung für die
Anwendung des Rechts des nicht zuständigen Mitgliedstaats, so
dass sich die Anspruchsberechtigung auch bei Personen und bei
Leistungen, die dem persönlichen und sachlichen
Anwendungsbereich der VO Nr. 1408/71 unterliegen, allein nach den
Bestimmungen des deutschen Rechts richtet. Die gegenteilige
Auffassung, die dem FG-Urteil zugrunde liegt und die auch der Senat
in ständiger Rechtsprechung vertreten hat, ist aufgrund des
Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 12.6.2012
C-611/10 und C-612/10 - Hudzinski und Wawrzyniak - (Zeitschrift
für europäisches Sozial- und Arbeitsrecht 2012, 475) vom
BFH aufgegeben worden (BFH-Urteile vom 16.5.2013 III R 8/11, BFHE
241, 511 = SIS 13 22 91; vom 5.9.2013 XI R 52/10, BFH/NV 2014, 33 =
SIS 13 32 91).
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3. Die Sache ist nicht entscheidungsreif, da
der Senat nicht entscheiden kann, ob der Kindergeldanspruch des
Klägers wegen eines vergleichbaren Anspruchs in Tschechien zu
kürzen ist.
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a) Falls Tschechien sowohl als
Beschäftigungsstaat wie auch wegen des gewöhnlichen
Aufenthalts der Familie in Prag (Art. 1 Buchst. h der VO Nr.
1408/71) als Wohnmitgliedsstaat zuständig wäre, schiede
eine Anwendung des Art. 10 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr.
574/72 des Rates vom 21.3.1972 aus; eine Anspruchskonkurrenz
wäre vielmehr nach § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG zu
lösen. § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG wäre im
Übrigen auch dann einschlägig, wenn - was im Streitfall
kaum in Betracht kommen dürfte - der persönliche
Geltungsbereich der VO Nr. 1408/71 nicht eröffnet sein
sollte.
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b) Der Senat weist darauf hin, dass der
Kläger von der gemeinschaftsrechtlich verbürgten
Freizügigkeit der Arbeitnehmer Gebrauch gemacht hat. Deshalb
wäre § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG
gemeinschaftsrechtskonform dahin auszulegen, dass nur eine
Kürzung, nicht aber eine vollständige Versagung des
Kindergeldanspruchs in Betracht kommt, wenn anderenfalls das
Freizügigkeitsrecht der Wanderarbeitnehmer beeinträchtigt
wäre (Senatsurteil vom 18.7.2013 III R 71/11, BFH/NV 2014, 24
= SIS 13 32 86, unter III.3.b bb).
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Für die Kürzung des Kindergeldes
genügt es nach § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, dass der
nach deutschem Recht kindergeldberechtigten Person oder einem
Dritten für das betreffende Kind nach ausländischem Recht
ein materiell-rechtlicher Anspruch auf die entsprechende Leistung
zusteht (Senatsurteil vom 13.6.2013 III R 10/11, BFHE 241, 562 =
SIS 13 25 78).
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