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I. Streitig ist, ob und in welcher
Höhe zugunsten eines Wanderarbeitnehmers ein Anspruch auf
Gewährung von Kindergeld besteht, wenn diesem zugleich nach
niederländischem Recht Familienleistungen zu gewähren
sind.
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Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger) besitzt die deutsche Staatsangehörigkeit. Er ist
Vater zweier minderjähriger Kinder, die im Streitzeitraum
Januar bis Mai 2010 mit ihm zusammen in seinem im Inland belegenen
Haushalt lebten. Der Kläger ist in den Niederlanden
nichtselbständig tätig. Er hat nach niederländischem
Recht einen Anspruch auf Gewährung von
Familienleistungen.
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Die Beklagte und Revisionsbeklagte
(Familienkasse) lehnte den Antrag auf Gewährung von Kindergeld
für den Streitzeitraum Januar bis Mai 2010 ab. Der
Kindergeldanspruch sei ausgeschlossen, da der Kläger in das
soziale Sicherungssystem der Niederlande eingegliedert sei und nach
den dortigen Vorschriften einen Anspruch auf dem deutschen
Kindergeld vergleichbare Familienleistungen habe.
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Die im Anschluss an das erfolglos
durchgeführte Einspruchsverfahren erhobene Klage hat das
Finanzgericht (FG) abgewiesen. Der nach deutschem Recht bestehende
Kindergeldanspruch des Klägers werde zwar nicht durch
vorrangige Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts, aber aufgrund des
§ 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG)
ausgeschlossen. Denn die nach niederländischem Recht zu
gewährenden Familienleistungen seien mit dem Anspruch auf
Kindergeld nach deutschen Rechtsvorschriften vergleichbar.
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Mit seiner Revision rügt der
Kläger die Verletzung materiellen Rechts.
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Er beantragt sinngemäß, das
Urteil des FG sowie den Bescheid der Familienkasse vom 10.2.2010 in
Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21.5.2010 aufzuheben und die
Familienkasse zu verpflichten, nach Maßgabe der deutschen
Vorschriften unter Anrechnung von Ansprüchen auf
Familienleistungen nach niederländischem Recht zugunsten des
Klägers Kindergeld für die Monate Januar bis Mai 2010
festzusetzen.
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Die Familienkasse beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur
Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und
Entscheidung an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Zu Unrecht hat das FG angenommen,
dass die nach dem niederländischen Recht zu gewährenden
Familienleistungen zu einem Ausschluss des Kindergeldanspruchs
führen; diese werden lediglich angerechnet. Der Senat kann
jedoch auf der Grundlage der vom FG getroffenen Feststellungen
nicht abschließend prüfen, in welcher Höhe eine
solche Anrechnung zu erfolgen hat.
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1. Der Kläger erfüllt die
Voraussetzungen des § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Denn er hatte nach
den den Senat bindenden (§ 118 Abs. 2 FGO) Feststellungen des
FG einen Wohnsitz im Inland und die beiden minderjährigen
Kinder, für die er Kindergeld beantragt hat, waren i.S. des
§ 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG i.V.m. § 32 Abs. 1 EStG,
§ 63 Abs. 1 Satz 2, § 32 Abs. 3 EStG bei der Festsetzung
von Kindergeld zu berücksichtigen.
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2. Abweichend von der Vorentscheidung steht
diesem Kindergeldanspruch § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG nicht
entgegen.
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a) Nach dem Wortlaut dieser Bestimmung ist der
Kindergeldanspruch ausgeschlossen, wenn für ein Kind
Leistungen im Ausland zu zahlen sind oder bei entsprechender
Antragstellung zu zahlen wären und diese Leistungen dem
Kindergeld oder einer der in § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG
genannten Leistungen vergleichbar sind.
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b) Dieser Ausschluss gilt indes nicht, wenn
ein Wanderarbeitnehmer in einem nach den gemeinschaftsrechtlichen
Verordnungen zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit
für die Gewährung von Familienleistungen zuständigen
Beschäftigungsmitgliedstaat dem Kindergeld vergleichbare
Familienleistungen erhält. Solche Leistungen sind entgegen dem
Regelungswortlaut des § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG lediglich
anzurechnen. Dies folgt aus dem Anwendungsvorrang des Unionsrechts
gegenüber nationalem Recht, der gilt, soweit der
Kompetenzverstoß des Gerichtshofs der Europäischen Union
(EuGH) - wie möglicherweise hier - noch nicht hinreichend
qualifiziert erscheint. Der Anwendungsvorrang des Unionsrechts ist
naturgemäß nicht umfassend. Insoweit gilt vielmehr
unverändert das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung
und das Letztentscheidungsrecht durch das Bundesverfassungsgericht
(BVerfG) zur Ultra-vires-Kontrolle des Handelns europäischer
Organe und Einrichtungen, das unter Umständen auch die
Unanwendbarkeit kompetenzüberschreitender Handlungen für
die deutsche Rechtsordnung festzustellen hat (Beschluss des BVerfG
vom 6.7.2010 2 BvR 2661/06, BVerfGE 126, 286 = SIS 10 22 91).
Danach ist die Grenze der zulässigen Rechtsfortbildung erst
überschritten, wenn der EuGH ausdrückliche
(vertrags-)gesetzliche Entscheidungen abändert und ohne
ausreichende gesetzliche Rückbindung neue Regelungen schafft
(dazu im Einzelnen BVerfG-Beschluss in BVerfGE 126, 286, 302 ff. =
SIS 10 22 91). Für den hier vorliegenden Streitfall ist die
Spruchpraxis des EuGH einschlägig aus dessen Urteilen vom
20.5.2008 C-352/06, Bosmann (Slg. 2008, I-3827 = SIS 08 27 55), vom
12.6.2012 C-611/10, Hudzinski und C-612/10, Wawrzyniak (DStRE 2012,
999 = SIS 12 24 94).
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c) Nach diesen Grundsätzen sind auf den
zugunsten des Klägers bestehenden Kindergeldanspruch die nach
niederländischen Rechtsvorschriften zu gewährenden
Familienleistungen anzurechnen.
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Denn in dem Streitzeitraum Januar bis April
2010 unterlag der in den Niederlanden als Arbeitnehmer
sozialversicherte Kläger aufgrund seiner dortigen
Beschäftigung den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaates
(Art. 2 Abs. 1, Art. 13 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung (EWG) Nr.
1408/71 - VO Nr. 1408/71 - des Rates vom 14.6.1971 zur Anwendung
der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und
Selbständige sowie deren Familienangehörige, die
innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern). In derartigen
Fällen ist die nationale Antikumulierungsregel des § 65
Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG unter Beachtung der vom EuGH in seinen
Urteilen in Slg. 2008, I-3827 und in DStRE 2012, 999 aufgestellten
Grundsätze dahingehend auszulegen, dass die nach dem Recht des
Beschäftigungsmitgliedstaates zu gewährenden, mit dem
Kindergeld vergleichbaren Familienleistungen zu einer
entsprechenden Kürzung des Kindergeldanspruchs
führen.
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Gleiches gilt für den Streitzeitraum Mai
2010, für den die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des
Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.4.2004 zur
Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (VO Nr. 883/2004)
Anwendung findet (vgl. zur zeitlichen Anwendbarkeit der VO Nr.
883/2004 näher Urteil des Bundesfinanzhofs vom 27.9.2012 III R
40/09, BFHE 239, 102 = SIS 12 33 98). Denn die Grundsätze der
EuGH-Urteile in Slg. 2008, I-3827 und in DStRE 2012, 999 greifen
auch für die VO Nr. 883/2004 (Helmke/Bauer,
Familienleistungsausgleich, Kommentar, Fach D, I. Kommentierung,
Stand 6/10, Art. 68 der VO Nr. 883/2004 Rz 10; Steinmeyer in Fuchs,
Europäisches Sozialrecht, 6. Aufl. 2013, Art. 11 Rz 5; im
Ergebnis ebenso bereits Devetzi in Eichenhofer, 50 Jahre nach ihrem
Beginn - Neue Regeln für die Koordinierung sozialer
Sicherheit, S. 291, 300). Da die Niederlande für den
Streitzeitraum Mai 2010 aufgrund der dortigen Beschäftigung
des Klägers gemäß Art. 2 Abs. 1, Art. 11 Abs. 3
Buchst. a der VO Nr. 883/2004 der für die Gewährung von
Familienleistungen zuständige Mitgliedstaat ist und der
Kläger weiterhin Wanderarbeitnehmer war, ist der
Kindergeldanspruch folglich auch in diesem Streitzeitraum um die
nach dem niederländischen Recht gewährten
Familienleistungen zu kürzen.
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d) Das FG ist von anderen
Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Die Vorentscheidung ist daher
aufzuheben.
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Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat
bislang keine Feststellungen zu der Höhe der nach den
niederländischen Rechtsvorschriften zu gewährenden und
auf den Kindergeldanspruch anzurechnenden Familienleistungen
getroffen. Diese Feststellungen wird es im zweiten Rechtsgang
nachzuholen haben.
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