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I. Der Beklagte und Revisionskläger
(das Finanzamt - FA - ) erließ am 30.4.2009 gegen die
zusammenveranlagten Kläger und Revisionsbeklagten
(Kläger) einen erklärungsgemäßen
„Bescheid für 2007 über Einkommensteuer,
Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag“. Am 12.5.2009
ging beim FA ein Schreiben der Prozessbevollmächtigten der
Kläger ein, das - nach Angabe von Steuernummer, Name und
Anschrift der Kläger - den folgenden Wortlaut hat:
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„Bescheid für 2007 über
Einkommensteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag vom
30.04.2009
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Sehr geehrte Damen und Herren,
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gegen den Bescheid für 2007 über
Einkommensteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag vom
30.04.2009 legen wir Einspruch ein.
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Der Einspruch richtet sich gegen die
Festsetzung des Solidaritätszuschlags. Der Bund der
Steuerzahler hat beim Niedersächsischen Finanzgericht Klage
gegen die Erhebung des Solidaritätszuschlags eingereicht, AZ 7
K 143/08. Das Musterverfahren bezieht sich auf den
Veranlagungszeitraum 2007.
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Wir erklären uns damit einverstanden,
dass das Rechtsbehelfsverfahren ruht bis zur
höchstrichterlichen Klärung dieser
Rechtsfrage.“
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Am 30.11.2009 ging beim FA ein weiterer
Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten der Kläger ein,
in dem es hieß, der Einspruch werde dahingehend weiter
begründet, dass nunmehr erstmals negative Einkünfte des
Klägers aus Gewerbebetrieb in Höhe von ./. 74.632 EUR
geltend gemacht würden. Dabei handelte es sich um einen
Investitionsabzugsbetrag für die Anschaffung einer
Photovoltaikanlage.
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Das FA verwarf den „Einspruch vom
30.11.2009“ gegen den Einkommensteuerbescheid 2007 wegen
Fristversäumnis als unzulässig. Das am 12.5.2009
eingegangene Schreiben sei bei sachgerechter Auslegung, die anhand
des Begehrens der Kläger vorzunehmen sei, lediglich als
Einspruch gegen die Festsetzung des Solidaritätszuschlags
anzusehen. Danach sei erstmals am 30.11.2009 ein Einspruch gegen
den Einkommensteuerbescheid eingegangen. Zu diesem Zeitpunkt sei
die Einspruchsfrist bereits abgelaufen gewesen.
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Mit dem angefochtenen Urteil hob das
Finanzgericht (FG) die Einspruchsentscheidung auf. Es führte
aus, das Schreiben vom 12.5.2009 sei auslegungsbedürftig
gewesen, weil dort einerseits alle drei Verwaltungsakte
(Einkommensteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag)
genannt seien, sich andererseits die Begründung aber auf
Ausführungen zum Solidaritätszuschlag beschränkt
habe. Die danach erforderliche Auslegung des Einspruchsschreibens
hätte das FA dahingehend vornehmen müssen, dass auch der
Einkommensteuerbescheid angefochten sei. Dieser Bescheid sei nicht
nur im „Betreff“, sondern auch im Text des
Schriftsatzes nochmals ausdrücklich erwähnt worden. Hinzu
komme, dass eine Begründung des Einspruchs nicht zwingend
erforderlich sei.
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Mit seiner Revision verweist das FA in
erster Linie auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 8.5.2008
VI R 12/05 (BFHE 222, 196, BStBl II 2009, 116 = SIS 08 44 52).
Danach sei bei einem auslegungsbedürftigen Einspruch gegen
einen sog. Sammelbescheid die Auslegung anhand des vom
Einspruchsführer dargelegten Rechtsschutzziels vorzunehmen.
Dies habe sich hier auf die Festsetzung des
Solidaritätszuschlags beschränkt, weil nur insoweit
Angriffe vorgebracht worden seien.
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Das FA beantragt, das angefochtene Urteil
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Kläger haben sich im
Revisionsverfahren nicht geäußert.
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II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur
Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
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Zwar hat das FG das Einspruchsschreiben vom
12.5.2009 zu Recht als auslegungsbedürftig angesehen (dazu
unten 1.). Die Auslegung durch das FG ist aber rechtsfehlerhaft
(unten 2.).
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1. Die Erklärung vom 12.5.2009 ist
auslegungsbedürftig, weil ihr Wortlaut nicht eindeutig
ist.
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a) Gemäß § 357 Abs. 3 Satz 1
der Abgabenordnung (AO) „soll“ bei der Einlegung
des Rechtsbehelfs der Verwaltungsakt bezeichnet werden, gegen den
der Einspruch gerichtet ist. Danach ist die Rechtswirksamkeit des
eingelegten Rechtsbehelfs nicht von einer genauen Bezeichnung des
angefochtenen Verwaltungsakts abhängig. Es ist jedoch
erforderlich, dass sich die Zielrichtung des Begehrens aus der
Rechtsbehelfsschrift in der Weise ergibt, dass sich der
angefochtene Verwaltungsakt entweder aus dem Inhalt der
Rechtsbehelfsschrift selbst ermitteln lässt oder Zweifel oder
Unklarheiten am Gewollten durch Rückfragen des FA beseitigt
werden können. Fehlt es an einer eindeutigen und
zweifelsfreien Erklärung des tatsächlich Gewollten, ist
der wirkliche Wille des Steuerpflichtigen durch Auslegung seiner
Erklärungen zu ermitteln (zum Ganzen BFH-Urteil in BFHE 222,
196, BStBl II 2009, 116 = SIS 08 44 52, unter II.1., m.w.N.).
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b) Anders als das FA in seiner
Revisionsbegründung meint, ist das Schreiben vom 12.5.2009
auslegungsbedürftig. Daran würde es nur dann fehlen, wenn
die Erklärung nach Wortlaut und Zweck einen eindeutigen Inhalt
hätte (BFH-Urteil vom 28.11.2001 I R 93/00, BFH/NV 2002, 613 =
SIS 02 62 03, m.w.N.). Das Einspruchsschreiben der Kläger ist
aber nicht eindeutig, weil in dessen Rubrum und im ersten Absatz
alle drei Verwaltungsakte genannt sind, die in dem Sammelbescheid
vom 30.4.2009 enthalten waren (Einkommensteuer-, Kirchensteuer- und
Solidaritätszuschlagsbescheid), während sich die
nachfolgende Begründung des Einspruchs ausschließlich
auf die Festsetzung des Solidaritätszuschlags bezieht.
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2. Bei der danach vorzunehmenden Auslegung hat
sich das FG rechtsfehlerhaft allein auf den Wortlaut des Rubrums
und des ersten Absatzes des Einspruchsschreibens gestützt.
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a) Sowohl außerprozessuale als auch
prozessuale Rechtsbehelfe sind - wie das FG im Ausgangspunkt
zutreffend erkannt hat - in entsprechender Anwendung des § 133
des Bürgerlichen Gesetzbuchs auszulegen (BFH-Urteil vom
31.10.2000 VIII R 47/98, BFH/NV 2001, 589 = SIS 01 64 17, unter
II.1.a, m.w.N.). Danach ist nicht an dem buchstäblichen Sinne
des Ausdrucks zu haften, sondern der wirkliche Wille zu
erforschen.
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b) Nach diesen Grundsätzen erweist sich
die durch das FG vorgenommene Auslegung als rechtsfehlerhaft. Das
FG hat sich als an den Wortlaut des Rubrums und des ersten Absatzes
des Einspruchsschreibens gebunden gesehen und nicht den - aus Sicht
eines objektiven Erklärungsempfängers erkennbaren -
wirklichen Willen des Erklärenden erforscht, der sich aus der
Einspruchsbegründung ergibt, die dem ersten Absatz des
zitierten Schreibens nachfolgt.
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Soweit das FG für seine Auffassung
anführt, die der Begründung dienenden Passagen des
Einspruchsschreibens seien für dessen Auslegung nicht
heranzuziehen, weil eine Begründung gemäß §
357 Abs. 3 Satz 2 AO für die Erhebung eines zulässigen
Einspruchs nicht erforderlich sei, verletzt dies anerkannte
Auslegungsgrundsätze. Zur Erforschung des wirklichen Willens
des Erklärenden sind alle Umstände heranzuziehen, die
für den Erklärungsempfänger erkennbar sind.
Ausdrückliche Äußerungen des Erklärenden
dürfen nicht allein deshalb für die Auslegung der
Erklärung außer Betracht bleiben, weil keine
Rechtspflicht zur Abgabe der entsprechenden Äußerung
bestand.
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c) Zwar gehört die Auslegung eines
Einspruchsschreibens zu den vom FG zu treffenden tatsächlichen
Feststellungen, so dass der BFH als Revisionsgericht die Auslegung
grundsätzlich nicht selbst vornehmen darf (BFH-Urteil in BFHE
222, 196, BStBl II 2009, 116 = SIS 08 44 52). Vorliegend hat das FG
jedoch sowohl den vollständigen Inhalt der Erklärung als
auch die maßgebenden Begleitumstände (ergangene
Verwaltungsakte) festgestellt. Weitere Feststellungen kommen
ersichtlich nicht in Betracht und werden auch von den Beteiligten
nicht begehrt. In solchen Fällen kann das Revisionsgericht die
erforderliche Auslegung selbst vornehmen.
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Eine derartige Befugnis des Revisionsgerichts,
Erklärungen selbst auszulegen, ist bisher zwar
überwiegend in Fällen bejaht worden, in denen eine
notwendige Auslegung durch das FG - trotz Feststellung aller
maßgebenden Tatsachen - gänzlich unterblieben war (vgl.
BFH-Urteil vom 28.11.2006 VII R 3/06, BFHE 216, 4, BStBl II 2009,
575 = SIS 07 16 98, unter II.2.). Nichts anderes kann aber gelten,
wenn das FG - bei Feststellung aller maßgebenden Tatsachen -
eine rechtsfehlerhafte Auslegung vorgenommen hat (so auch
BFH-Urteil vom 22.11.1994 VIII R 44/92, BFHE 176, 138, BStBl II
1995, 900 = SIS 95 04 20, unter II.2.a, m.w.N.). Eine solche
Auslegung bindet den BFH nicht und ist daher revisionsrechtlich
ebenso wenig existent wie eine von Anfang an fehlende
Auslegung.
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d) Nach ständiger
höchstrichterlicher Rechtsprechung ist bei
auslegungsfähigen Rechtsbehelfen davon auszugehen, dass der
Steuerpflichtige denjenigen Rechtsbehelf einlegen will, der seinem
materiell-rechtlichen Begehren am ehesten zum Erfolg verhilft
(BFH-Urteil vom 26.10.2004 IX R 23/04,
BFH/NV 2005, 325 = SIS 05 12 18, unter
II.1., m.w.N.).
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Das materiell-rechtliche Begehren der
Kläger war ausweislich der von ihnen abgegebenen, im
Einspruchsschreiben enthaltenen Einspruchsbegründung (Abs. 2
des Schreibens vom 12.5.2009) ausschließlich auf einen
Wegfall der Festsetzung des Solidaritätszuschlags gerichtet.
Für dieses Begehren haben sie - unter Bezugnahme auf ein vor
dem FG anhängiges Musterverfahren - verfassungsrechtliche
Gründe angeführt, die sich ausschließlich auf die
Befugnis des Gesetzgebers zur Aufrechterhaltung des
Solidaritätszuschlags, nicht aber auf die
verfassungsrechtliche Legitimation anderer Steuerarten bezogen. Das
Begehren der Kläger war nicht einmal andeutungsweise auf eine
Änderung der Bescheide über Einkommen- oder Kirchensteuer
gerichtet.
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Diese Auslegung wird durch den Inhalt des
dritten Absatzes des genannten Schreibens bestätigt. Darin
haben die Kläger sich damit einverstanden erklärt, dass
„das Rechtsbehelfsverfahren“ bis zur
höchstrichterlichen Klärung „dieser
Rechtsfrage“ ruht. Da Ruhensgründe nur für den
Einspruch gegen die Festsetzung des Solidaritätszuschlags
vorgetragen worden waren, sich das Ruhen aber auf „das
Rechtsbehelfsverfahren“ - und nicht etwa lediglich auf
ein (Teil-)Verfahren gegen den Bescheid über die Festsetzung
des Solidaritätszuschlags bei gleichzeitiger Fortführung
von (weiteren) Einspruchsverfahren gegen die Festsetzung der
Einkommen- und Kirchensteuer - erstrecken sollte, kann die
Auslegung nur zum Ergebnis haben, dass „das
Rechtsbehelfsverfahren“ mit dem Einspruch gegen den
Bescheid über die Festsetzung des Solidaritätszuschlags
deckungsgleich sei.
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Hinzu kommt, dass der statthafte Rechtsbehelf
gegen die Kirchensteuerfestsetzung ohnehin nicht ein beim FA
anzubringender Einspruch, sondern ein bei den nach der
Steuerordnung zuständigen kirchlichen Stellen anzubringender
Widerspruch gewesen wäre (vgl. § 10 Abs. 2 Sätze 1
und 2 des Kirchensteuerrahmengesetzes des Landes Niedersachsen).
Auch dies zeigt, dass die Erwähnung von
„Einkommensteuer, Kirchensteuer und
Solidaritätszuschlag“ im Rubrum und ersten Absatz
des Einspruchsschreibens lediglich formelhaft erfolgt ist.
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In Übereinstimmung mit diesen
Grundsätzen hat der BFH bereits entschieden, dass ein
Einspruch, der zwar ausdrücklich gegen einen
„Einkommensteuerbescheid“ gerichtet werde, mit
dem aber ausschließlich Einwendungen gegen die - im selben
Sammelbescheid enthaltene - Festsetzung des Kirchgelds vorgetragen
werden, allein als Einspruch gegen die Festsetzung des Kirchgelds
anzusehen sei (BFH-Urteil in BFHE 222, 196, BStBl II 2009, 116 =
SIS 08 44 52).
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e) Danach hat das FA den erstmals am
30.11.2009 eingelegten Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid
2007 vom 30.4.2009 zu Recht wegen Fristversäumnis als
unzulässig verworfen. Das FG-Urteil, das diese
Einspruchsentscheidung aufgehoben hat, war seinerseits aufzuheben
und die Klage abzuweisen.
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