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I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) eröffnete am 1.12.2007
in gemieteten Räumen ein sog. Eros-Center mit 13
„Erotikzimmern“, die mit Doppelbett, Waschbecken, WC,
Bidet, Whirlpool und Spiegeln ausgestattet waren. Die Klägerin
vermietete die Zimmer in dem Gebäude tage- und wochenweise an
Prostituierte. Der Tagespreis belief sich nach Art und Ausstattung
des jeweiligen Zimmers auf 110 EUR bis 170 EUR und umfasste
Vollpension mit Heißgetränken und eine Flasche eines
alkoholfreien Getränks pro Tag. Die Klägerin stellte auch
Bettwäsche und Handtücher zur Verfügung. Die Flure
zu den Zimmern wurden videoüberwacht. Zudem nahm die
Klägerin als Bordellbetreiberin am sog.
„Düsseldorfer Verfahren“ teil, in dem sie je
Anwesenheitstag der Prostituierten einen Tagessatz einbehielt und
diesen monatsweise als besonderen Vorauszahlungsbetrag auf die
Einkommen- und Umsatzsteuer der Prostituierten an das
zuständige Finanzamt abführte.
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Erstmals in den Umsatzsteuer-Voranmeldungen
Januar und Februar 2010 versteuerte die Klägerin ihre
Umsätze aus den Leistungen an die Prostituierten nach dem
ermäßigten Steuersatz. Im Anschluss an eine
Umsatzsteuer-Sonderprüfung ging der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) demgegenüber davon
aus, dass die Leistungen dem Regelsteuersatz unterlägen und
erließ entsprechend geänderte
Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide für die Monate Januar bis
März 2010, gegen die die Klägerin Einspruch einlegte und
die das FA mit Einspruchsentscheidung vom 20.7.2010 als
unbegründet zurückwies.
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Hiergegen erhob die Klägerin Klage zum
Finanzgericht (FG). Während des Klageverfahrens erging der
Umsatzsteuer-Jahresbescheid vom 30.11.2011, der nach § 68 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) Gegenstand des Klageverfahrens
wurde.
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Die Klage hatte keinen Erfolg. Nach dem
Urteil des FG unterliegen die Leistungen der Klägerin nicht
dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 11
des Umsatzsteuergesetzes 2005 (UStG), da es an der hierfür
erforderlichen Überlassung als Wohn- oder Schlafraum fehle.
Die von der Klägerin überlassenen Zimmer seien nicht
für Wohn- oder Schlafzwecke, sondern für gewerbliche
Zwecke zur Erbringung sexueller Dienstleistungen genutzt worden. Im
Gegensatz hierzu würden Hotelzimmer als Wohn- und
Schlafräume und nicht als Gewerberäume überlassen.
Die Prostituierten hätten zudem nicht für eine
Beherbergungsleistung, sondern für die zur Ausübung der
Prostitution erforderliche Infrastruktur, wie z.B. die
Videoüberwachung zur Gewährleistung der Sicherheit
gezahlt. § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG sei als Ausnahmetatbestand
eng auszulegen. Die Zurverfügungstellung von
Räumlichkeiten zur Ausübung der Prostitution sei keine
Beherbergung. Auch sei ein Bordellbetrieb keine einem Hotel
ähnliche Einrichtung, wie dies das Unionsrecht voraussetze.
Eine teilweise Anwendung des ermäßigten Steuersatzes
komme nicht in Betracht, da die teilweise Nutzung zur Beherbergung
hinter der Nutzung für gewerbliche Zwecke der Prostitution
zurücktrete. Ob die Leistung als Vermietung nach § 4 Nr.
12 UStG steuerfrei sei oder eine steuerpflichtige sonstige Leistung
eigener Art vorliege, könne offen bleiben, da die
Klägerin zumindest auf die Steuerfreiheit nach § 9 Abs. 1
UStG verzichtet habe.
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Hiergegen wendet sich die Klägerin mit
der Revision, für die sie Verletzung materiellen Rechts
anführt. Die Einrichtungen des von ihr betriebenen Hauses
hätten dem üblichen Standard eines Hotels entsprochen.
Die Räumlichkeiten seien nicht speziell für die
„Verrichtung von sexuellen Leistungen“ hergerichtet
worden, sondern hätten in vollem Umfang denen eines
Hotelbetriebs entsprochen. Die Räumlichkeiten seien in den
meisten Fällen tageweise vermietet worden und für die
kurzfristige Beherbergung von Fremden geeignet gewesen. Ein Teil
der Mieter und Mieterinnen habe in dem Haus auch übernachtet.
Die Gewerblichkeit der Zimmervermietung stehe der Anwendung des
ermäßigten Steuersatzes nicht entgegen. Sie habe im
Übrigen eine gewerbliche Zimmervermietung, nicht aber ein
Bordell betrieben. Sie habe mit den Prostituierten lediglich
Beherbergungsverträge über Fremdenzimmer abgeschlossen
und sei an den Einnahmen der Prostituierten nicht beteiligt
gewesen. Die Zimmer seien wie Hotelzimmer mit Schlafraum und
separatem Bad ausgestattet gewesen und täglich gesäubert
und aufgeräumt worden. Lediglich die Dienstleistungen der
Prostituierten unterlägen dem Regelsteuersatz. Die Leistungen
der Prostituierten seien ihr nicht zuzurechnen.
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Die Klägerin beantragt
sinngemäß, das Urteil des FG aufzuheben und den
angefochtenen Umsatzsteuerbescheid vom 30.11.2011 dahingehend
abzuändern, dass die Umsatzsteuer auf ... EUR herabgesetzt
wird.
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Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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Die Voraussetzungen für die Anwendung
des ermäßigten Steuersatzes lägen nicht vor. Die
erforderliche Beherbergung setze die Überlassung an einen Gast
als Unterkunft voraus. Die Raumüberlassung dürfe nicht
anderen Zwecken dienen. Bereits aus der Lage des Grundstücks
in einem Rotlichtviertel ergebe sich, dass Gewerberäume zur
Ausübung der Prostitution überlassen worden seien. Dass
auch Hotelzimmer vereinzelt gewerblich genutzt werden, sei
unerheblich. Eine andere Auslegung sei mit dem Unionsrecht nicht
vereinbar. Eine Aufteilung der einheitlichen Leistung komme nicht
in Betracht. Für die Steuersatzermäßigung sei von
entscheidender Bedeutung, mit welcher Intention der Vermieter die
Wohn- und Schlafräume bereithalte. Aus der Lage des
Gebäudes in einem Rotlichtviertel und aus den
Mietverträgen ergebe sich, dass die Klägerin die
Räumlichkeiten nicht zur Beherbergung, sondern zur
Ausübung der Prostitution bereitgehalten habe. Die
Klägerin habe die hierfür erforderliche Infrastruktur zur
Verfügung gestellt. Zwar könnten auch Hotelgäste in
einem Hotel vergleichbaren Tätigkeiten nachgehen. Eine hierauf
gerichtete „Intention“ liege beim normalen
Hotelbetreiber aber nicht vor. § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG sei
enger als § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG auszulegen. Eine
einschränkende Auslegung ergebe sich auch aus dem
Unionsrecht.
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II. Die Revision der Klägerin ist
unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs.
2 FGO). Wie das FG zu Recht entschieden hat, unterliegen die
Leistungen der Klägerin dem Regelsteuersatz, da die
Voraussetzungen für eine Vermietung von Wohn- und
Schlafräumen zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden
gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG nicht vorliegen.
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1. Nach § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG gilt der
ermäßigte Steuersatz insbesondere für „die
Vermietung von Wohn- und Schlafräumen, die ein Unternehmer zur
kurzfristigen Beherbergung von Fremden bereithält“.
Unionsrechtliche Grundlage hierfür ist Art. 98 Abs. 2 der
Richtlinie des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame
Mehrwertsteuersystem 2006/112/EG i.V.m. Anhang III Nr. 12. Danach
sind die Mitgliedstaaten berechtigt, auf die „Beherbergung
in Hotels und ähnlichen Einrichtungen, einschließlich
der Beherbergung in Ferienunterkünften“ einen
ermäßigten Steuersatz anzuwenden.
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2. § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG ordnet im
Regelungszusammenhang mit § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a und Satz
2 UStG für die gemäß § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst.
a UStG steuerfreie, aber nach § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG
steuerpflichtige Vermietung die Anwendung des ermäßigten
Steuersatzes an. Dabei ist das von § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG und
§ 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 1 UStG wortlautidentisch verwendete
Tatbestandsmerkmal der „Vermietung von Wohn- und
Schlafräumen, die ein Unternehmer zur kurzfristigen
Beherbergung von Fremden bereithält“ einheitlich
auszulegen.
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§ 4 Nr. 12 Satz 2 UStG unterscheidet sich
vom Grundtatbestand des § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG durch
die an den Mietgegenstand zu stellenden Anforderungen, bei dem es
sich um zur kurzfristigen Beherbergung bereitgehaltene Wohn- und
Schlafräume handeln muss. Systematisch ist § 4 Nr. 12
Satz 2 UStG ein Ausnahmetatbestand zu § 4 Nr. 12 Satz 1
Buchst. a UStG. So ist z.B. die auf Dauer angelegte Vermietung
möblierter Wohn- und Schlafräume nach § 4 Nr. 12
Satz 1 Buchst. a UStG steuerfrei, da dann im Hinblick auf das
zeitliche Element der Ausnahmetatbestand nach § 4 Nr. 12 Satz
2 UStG nicht vorliegt (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom
20.8.2009 V R 21/08, BFH/NV 2010, 473 = SIS 10 06 14, unter II.1.b
aa). Damit folgt der erkennende Senat der Rechtsprechung des
Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH). Nach dessen Urteil
vom 12.2.1998 C-346/95, Elisabeth Blasi (Slg. 1998, I-481 = SIS 98 07 47) ist die Dauer der Beherbergung - bei der Überlassung
„vollständig möblierter und mit
Kochgelegenheiten ausgestatteter Zimmer“, bei der der
Vermieter „für die Gestellung und Reinigung der
Bettwäsche sowie für die Reinigung der Flure,
Treppenhäuser, Bäder und WCs“ zu sorgen hatte -
ein geeignetes Kriterium für die Unterscheidung zwischen der
Gewährung von Unterkunft im Hotelgewerbe (als
steuerpflichtigem Umsatz) einerseits und der Vermietung von
Wohnräumen (als befreitem Umsatz) andererseits, da sich die
Beherbergung im Hotel u.a. gerade bezüglich der Verweildauer
von der Vermietung eines Wohnraumes unterscheidet.
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3. Im Streitfall hat das FG zu Recht die
Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf die aufgrund
des Verzichts (§ 9 UStG) steuerpflichtige Leistung verneint.
Wie das FG zutreffend entschieden hat, fehlt es an der nach §
4 Nr. 12 Satz 2 UStG und § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 1 UStG
gleichermaßen erforderlichen Vermietung von zur kurzfristigen
Beherbergung bereitgehaltenen Wohn- und Schlafräumen. Die von
der Klägerin überlassenen Räumlichkeiten dienten
nicht wie in der dem EuGH-Urteil Elisabeth Blasi in Slg. 1998,
I-481 zugrunde liegenden Fallgestaltung der Beherbergung von
Personen, sondern wurden für die Ausübung gewerblicher
Tätigkeiten (BFH-Beschluss vom 15.3.2012 III R 30/10, BFHE
237, 421, BStBl II 2012, 661 = SIS 12 19 75, Rz 14 ff.) und dem
folgend BFH-Beschluss vom 20.2.2013 GrS 1/12 (BFHE 140, 282, BStBl
II 2013, 441 = SIS 13 11 96) überlassen.
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