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I. Streitig ist, ob sog. Eigenprostitution
zu sonstigen Einkünften oder zu Einkünften aus
Gewerbebetrieb führt.
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Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin) war seit dem Streitjahr (2006) als Prostituierte
tätig und bot Dritten die Ausübung des
Geschlechtsverkehrs gegen Entgelt in einer eigens dafür
angemieteten Wohnung an. Ihre Betriebseinnahmen beliefen sich im
Streitjahr einschließlich der Umsatzsteuer auf etwa 64.000
EUR und die Betriebsausgaben auf ca. 26.000 EUR (u.a. Werbekosten
von knapp 8.000 EUR). Der Beklagte und Revisionskläger (das
Finanzamt - FA - ) behandelte den daraus erzielten Gewinn in
Höhe von 38.115 EUR nicht - wie erklärt - als sonstige
Einkünfte, sondern als Einkünfte aus Gewerbebetrieb, und
setzte den Gewerbesteuermessbetrag auf 152 EUR fest. Dasselbe
geschah im Folgejahr, das Gegenstand des Verfahrens III R 31/10
ist, und in dem der Gewinn auf knapp 68.000 EUR anstieg.
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Die Sprungklage hatte Erfolg. Das
Finanzgericht (FG) entschied, dass die Klägerin Einkünfte
i.S. von § 22 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) erzielt
habe. Zur Begründung verwies es auf die Urteile des
Bundesfinanzhofs (BFH) vom 23.6.1964 GrS 1/64 S (BFHE 80, 73, BStBl
III 1964, 500 = SIS 64 02 93), wonach aus
„gewerbsmäßiger Unzucht“ sonstige
Einkünfte i.S. des § 22 Nr. 3 EStG erzielt werden, und
vom 4.6.1987 V R 9/79 (BFHE 150, 192, BStBl II 1987, 653 = SIS 87 17 37, betr. Prostituierte als Unternehmerin i.S. des § 2 Abs.
1 des Umsatzsteuergesetzes). An diesen Entscheidungen sei trotz
veränderter Umstände festzuhalten.
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Mit seiner Revision rügt das FA die
Verletzung materiellen Rechts. Seit dem Urteil des Großen
Senats des BFH in BFHE 80, 73, BStBl III 1964, 500 = SIS 64 02 93
habe sich die sittliche und rechtliche Beurteilung der Prostitution
gewandelt. Dies werde insbesondere durch das Gesetzgebungsverfahren
zur Regelung der rechtlichen Stellung der Prostituierten im Jahr
2001 dokumentiert. Eine im Rahmen der parlamentarischen
Erörterung des Gesetzes zur Regelung der
Rechtsverhältnisse der Prostituierten (ProstG)
durchgeführte Umfrage habe ergeben, dass mehr als 70 % der
Befragten zwischen 18 und 59 Jahren die Ansicht verträten, die
Prostitution solle ein anerkannter Beruf mit Steuer- und
Sozialversicherungspflicht sein. Die Berufsausübung der
Prostituierten genieße Schutz durch Art. 12 Abs. 1 und Art.
14 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG).
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Die Liberalisierung zeige sich auch in der
Rechtsprechung der Obersten Bundesgerichte (Urteile des
Bundesgerichtshofs - BGH - vom 22.11.2001 III ZR 5/01, NJW 2002,
361, betr. Sittenwidrigkeitseinwand gegen Entgeltzahlungsanspruch
des Netzbetreibers für Verbindungen zu Telefonsex-Rufnummern;
vom 8.11.2007 III ZR 102/07, NJW 2008, 140, betr. Telefonsex;
Urteil des Bundesverwaltungsgerichts - BVerwG - vom 6.11.2002 6 C
16/02, NVwZ 2003, 603, betr. Gaststättenerlaubnis für
Swinger-Club; BGH-Beschluss vom 7.5.2003 5 StR 536/02, Neue
Zeitschrift für Strafrecht - NStZ - 2003, 533, betr.
Verletzteneigenschaft der Prostituierten durch Zuhälterei).
Der BFH habe in seinem Urteil vom 23.2.2000 X R 142/95 (BFHE 191,
498, BStBl II 2000, 610 = SIS 00 10 08, betr. Telefonsex als
Gewerbebetrieb) die Beurteilung der Prostitution durch das Urteil
in BFHE 80, 73, BStBl III 1964, 500 = SIS 64 02 93 als
möglicherweise überholt bezeichnet.
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Das FA beantragt, das FG-Urteil aufzuheben
und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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Sie erwidert, der Große Senat des BFH
habe die Gewerblichkeit der Prostitution nicht wegen ihrer
Sittenwidrigkeit abgelehnt, sondern wegen fehlender Teilnahme am
allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr; insoweit hätten sich
aber die tatsächlichen Umstände der Ausübung der
Prostitution seit 1964 nicht verändert. Die Prostitution werde
weiterhin durch Sperrbezirksverordnungen auf der Grundlage des Art.
297 des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch und die
§§ 119, 120 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten
(OWiG) beschränkt. Der Bericht der Bundesregierung zu den
Auswirkungen des ProstG vom 24.1.2007 (BTDrucks 16/4146) belege,
dass das ProstG sein Ziel, die rechtliche und soziale Lage der
Prostituierten zu verbessern, nur zu einem begrenzten Teil erreicht
habe. In der gewerberechtlichen Praxis und Literatur sei auch nach
Inkrafttreten des ProstG die Auffassung vertreten worden, dass die
Prostitution weiterhin gewerbe- und gaststättenrechtlich als
unsittlich und sozialwidrig einzuordnen und nicht als Gewerbe
einzustufen sei. Gewerbeanzeigen von Prostituierten und
Anträge auf Erteilung einer Reisegewerbekarte durch
Prostituierte würden daher abgelehnt.
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Die Revisionsbegründung unterscheide
nicht zwischen der Eigenprostitution und der Fremdprostitution.
Fremdprostitution werde von der BFH-Rechtsprechung seit jeher als
gewerblich angesehen; das BFH-Urteil in BFHE 191, 498, BStBl II
2000, 610 = SIS 00 10 08 habe diese schon vor dem Urteil des
Großen Senats des BFH in BFHE 80, 73, BStBl III 1964, 500 =
SIS 64 02 93 bestehende Unterscheidung lediglich
fortgeführt.
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II. Die Anrufung des Großen Senats des
BFH erfolgt zur erneuten Klärung der im Streitfall
entscheidungserheblichen Rechtsfrage, ob Prostituierte (sog.
Eigenprostitution) Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielen, da
der vorlegende Senat aus den unter III. dargelegten Gründen
beabsichtigt, von der Entscheidung des Großen Senats des BFH
in BFHE 80, 73, BStBl III 1964, 500 = SIS 64 02 93 abzuweichen
(§ 11 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
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1. Die Vorlagefrage ist
entscheidungserheblich. Der Senat teilt die Auffassung des FA, dass
die Klägerin Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 15 Abs.
1 Satz 1 Nr. 1 EStG, § 2 Abs. 1 des Gewerbesteuergesetzes -
GewStG - ) erzielt hat. Die Revision des FA wäre danach
begründet, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Falls dagegen am Urteil des Großen Senats des BFH in BFHE 80,
73, BStBl III 1964, 500 = SIS 64 02 93 festzuhalten wäre,
hätte die Klägerin sonstige Einkünfte i.S. von
§ 22 Nr. 3 EStG erzielt und die Revision wäre als
unbegründet zurückzuweisen.
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2. Vor einer Abweichung von einer Entscheidung
des Großen Senats des BFH ist die Rechtsfrage diesem stets
erneut vorzulegen (Sunder-Plassmann in
Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 11 FGO Rz 44). Eine Anfrage
(§ 11 Abs. 3 FGO) bei einem oder mehreren anderen Senaten
kommt ebenso wenig in Betracht wie eine Anfrage beim Großen
Senat, ob dieser an seiner Rechtsauffassung festhalte (Brandis in
Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 11 FGO
Rz 10; Müller-Horn in Beermann/Gosch, FGO § 11 Rz 18;
Dumke in Schwarz, FGO § 11 Rz 18). Der in § 11 Abs. 3
Satz 1 FGO angesprochene „Senat, von dessen Entscheidung
abgewichen werden soll“, ist stets (nur) ein Fachsenat,
nicht aber auch der Große Senat selbst.
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3. Die Sache kann dem Großen Senat des
BFH erneut vorgelegt werden, weil sich in den fast 48 Jahren, die
seit dem Urteil in BFHE 80, 73, BStBl III 1964, 500 = SIS 64 02 93
vergangen sind, neue Gesichtspunkte ergeben haben, die bei der
ursprünglichen Entscheidung nicht berücksichtigt werden
konnten und eine andere Beurteilung der im Jahr 1964 entschiedenen
Rechtsfrage rechtfertigen (vgl. BFH-Beschluss vom 18.1.1971 GrS
4/70, BFHE 101, 13, BStBl II 1971, 207 = SIS 71 01 21).
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a) Seit dem Urteil in BFHE 80, 73, BStBl III
1964, 500 = SIS 64 02 93 hat sich die rechtliche Einordnung der
Prostitution insbesondere durch das ProstG vom 20.12.2001 (BGBl I
2001, 3983), das die Rechtsposition von Prostituierten verbessern,
einen Zugang zu sozialen Sicherungssystemen schaffen und ihre
Arbeitsbedingungen verbessern sollte, erheblich verändert.
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Verträge über die Vornahme sexueller
Handlungen gegen ein vorher vereinbartes Entgelt begründen
nach § 1 Satz 1 ProstG eine rechtswirksame Forderung.
Außer dem Erfüllungseinwand (§ 362 des
Bürgerlichen Gesetzbuchs - BGB - ) und der Einrede der
Verjährung sind weitere Einwendungen und Einreden
ausgeschlossen (§ 2 Satz 3 ProstG). Das Gleiche gilt, wenn
sich eine Person, insbesondere im Rahmen eines
Beschäftigungsverhältnisses, für die Erbringung
derartiger Handlungen gegen ein vorher vereinbartes Entgelt
für eine bestimmte Zeitdauer bereithält (§ 1 Satz 2
ProstG). § 1 ProstG ist somit eine Ausnahmevorschrift zu
§ 138 Abs. 1 BGB (BGH-Beschluss vom 18.1.2011 3 StR 467/10,
NStZ 2011, 278). Die vor Inkrafttreten des ProstG ganz h.M., wonach
das geschlechtliche Verhalten betreffende
Verpflichtungsverträge sittenwidrig seien, ist daher
gegenstandslos geworden (vgl. MünchKommBGB/Armbrüster, 5.
Aufl., § 138 Rz 57). Durch § 3 ProstG wurden die
Voraussetzungen für die Aufnahme von Prostituierten in die
Sozialversicherungen geschaffen. Nach mittlerweile h.M.
genießt die Prostitution auch den Schutz des Art. 12 GG
(Mannssen, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, GG, 6. Aufl., Art. 12 Rz
43; Wieland, in Dreier, Grundgesetz-Kommentar, 2. Aufl., Art. 12 Rz
57; Renzikowski, Plädoyer für eine gewerberechtliche
Reglementierung der Prostitution, Gewerbearchiv 2008, 432).
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Die gewandelte Beurteilung der Prostitution
beschränkt sich im Übrigen nicht auf Deutschland; nach
dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom
20.11.2001 C-268/99, Jany u.a. (Slg. 2001, I-8615, Amtsblatt der
Europäischen Gemeinschaften 2002 Nr. C 3, 8) kann Prostitution
europarechtlich unter die selbständig ausgeübten
Erwerbstätigkeiten fallen.
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Das Urteil des Großen Senats des BFH in
BFHE 80, 73, BStBl III 1964, 500 = SIS 64 02 93 stammt dagegen aus
einer Zeit, in der das BVerwG die - damals nicht verbotene -
Prostitution als nach allgemeiner Anschauung
gemeinschaftsschädlich bezeichnete, sie mit Berufsverbrechern
gleichstellte und ausführte, eine solche Betätigung liege
„von vorneherein außerhalb der
Freiheitsverbürgung des Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG“
(BVerwG-Urteil vom 4.11.1965 I C 6.63, BVerwGE 22, 286, betr.
Ausübung der gewerbsmäßigen Astrologie).
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b) Geändert hat sich seit 1964 auch, dass
die Interessen von Prostituierten durch Verbände wahrgenommen
werden, z.B. durch den Arbeitskreis Prostitution (Fachbereich 13
Besondere Dienstleistungen) der ansonsten u.a. für den
öffentlichen Dienst sowie Banken und Versicherungen
zuständigen Gewerkschaft ver.di, die sich auf die
arbeitsrechtliche Absicherung von Prostituierten konzentriert
(http://besondere-dienste.hamburg.verdi.de/themen/arbeitsplatz_prostitution).
Der Bundesverband Sexuelle Dienstleistungen e.V. mit Sitz in Berlin
fungiert als Arbeitgeberverband im Bereich der Prostitution. Berlin
ist auch Sitz der u.a. mit öffentlichen Geldern finanzierten
ersten deutschen Interessenvertretung und Selbsthilfeorganisation
für Prostituierte Hydra e.V.
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c) Die Haltung der Bevölkerung
gegenüber der Prostitution hat sich, worauf das FA zutreffend
hingewiesen hat, in den vergangenen Jahrzehnten ebenfalls erheblich
geändert. Dies wird im Übrigen auch dadurch
bestätigt, dass seriöse Medien vielfach über
Prostitution berichten und Prostituierte in Talk-Shows oder
Reportagen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auftreten.
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d) Die für die Beurteilung des in §
15 Abs. 2 Satz 1 EStG enthaltenen Tatbestandsmerkmals der
Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr erheblichen
tatsächlichen Umstände haben sich ebenfalls
geändert. Während der Große Senat des BFH in seinem
Urteil in BFHE 80, 73, BStBl III 1964, 500 = SIS 64 02 93 noch
davon ausging, dass Prostituierte sich nicht nach außen hin
erkennbar am allgemeinen wirtschaftlichen Leben beteiligen, werden
sexuelle Dienstleistungen seit mehreren Jahren in der
Boulevardpresse und im Internet umfangreich und zum Teil mit
detaillierten Leistungsbeschreibungen beworben, mitunter sogar mit
Preisangaben. Dies führt nicht zu Protesten in der
Öffentlichkeit und nur selten zu rechtlichen Sanktionen wegen
des fortbestehenden Verbotes (§ 119 OWiG), die Gelegenheit zu
sexuellen Handlungen in einer andere Personen belästigenden
oder grob anstößigen Weise durch Verbreiten von
Schriften oder das öffentliche Zugänglichmachen von
Datenspeichern anzubieten (z.B. Oberverwaltungsgericht für das
Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 24.6.2009 5 B 464/09, NJW
2009, 3179, betr. Werbung für ein Erotik-Portal auf einem
Kleinlastwagen). „In Anbetracht eines gewandelten
Verständnisses in der Bevölkerung, wonach die
Prostitution überwiegend nicht mehr schlechthin als
sittenwidrig angesehen wird, (könne) ... nicht davon
ausgegangen werden, dass durch die in Rede stehende Werbung das
körperliche oder seelische Wohlbefinden mehr als nur
geringfügig beeinträchtigt worden“ sei
(BGH-Urteil vom 13.7.2006 I ZR 231/03, juris).
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III. Durch die Ausübung der
Eigenprostitution werden nach Auffassung des vorlegenden Senats
Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt.
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Unter einem Gewerbebetrieb ist
gemäß § 2 Abs. 1 GewStG, § 15 Abs. 2 EStG jede
selbständige nachhaltige Tätigkeit zu verstehen, die mit
Gewinnerzielungsabsicht unternommen wird und sich als Beteiligung
am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, falls sie den
Rahmen einer privaten Vermögensverwaltung überschreitet
und es sich nicht um die Ausübung von Land- und
Forstwirtschaft (§ 13 EStG) oder einer selbständigen
Arbeit (§ 18 EStG) handelt.
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Demgegenüber erzielt nach § 22 Nr. 3
EStG sonstige Einkünfte, wer Leistungen erbringt, soweit diese
weder zu anderen Einkunftsarten noch zu den Einkünften i.S.
der Nrn. 1, 1a, 2 oder 4 des § 22 EStG gehören. Eine
(sonstige) Leistung i.S. des § 22 Nr. 3 EStG ist jedes Tun,
Dulden oder Unterlassen, das Gegenstand eines entgeltlichen
Vertrages sein kann; ausgenommen sind
Veräußerungsvorgänge oder
veräußerungsähnliche Vorgänge im privaten
Bereich (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteile in BFHE 80,
73, BStBl III 1964, 500 = SIS 64 02 93; vom 18.12.2001 IX R 74/98,
BFH/NV 2002, 643 = SIS 02 62 23, betr. Provisionen für
Vermittlungstätigkeiten).
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1. Entwicklung der Rechtsprechung
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a) Der Große Senat des BFH hat in seinem
Urteil in BFHE 80, 73, BStBl III 1964, 500 = SIS 64 02 93
ausgeführt, eine Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen
Verkehr setze eine nach außen hin erkennbare Teilnahme am
allgemeinen Güter- und Leistungsaustausch voraus; es
müssten eigene Leistungen gegen Entgelt an den Markt gebracht
werden. Bei der „gewerbsmäßigen
Unzucht“ handele es sich nicht um ein die
planmäßige Bedarfsdeckung leistendes, sich am
Wirtschaftsleben beteiligendes Unternehmen. Bereits Enno Becker
habe in „Die Grundlagen der Einkommensteuer“
(München 1940, S. 293) bezweifelt, ob Straßendirnen usw.
einkommensteuerrechtlich ein Gewerbe betrieben. Der Reichsfinanzhof
(RFH) habe eine Beteiligung am wirtschaftlichen Verkehr abgelehnt,
weil die „gewerbsmäßige Unzucht“ aus
dem Rahmen dessen falle, was das EStG unter selbständiger
Berufstätigkeit verstehe (RFH-Urteile vom 4.3.1931 VI A 16/31,
RStBl 1931, 528; vom 8.4.1943 IV 33/43, Mrozek-Kartei,
Einkommensteuergesetz 1938/39 § 22 Ziff. 3 Rechtsspruch 10).
Dem habe sich der Oberste Finanzgerichtshof in dem nicht
veröffentlichten Urteil vom 9.3.1948 IV 16/47 angeschlossen,
weil die „gewerbsmäßige Unzucht“ das
Zerrbild eines Gewerbes darstelle.
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b) Die Rechtsprechung ist dem Urteil des
Großen Senats des BFH zunächst gefolgt, ohne die Frage
der Einkunftsart weiter zu problematisieren (z.B. BFH-Urteile vom
28.11.1969 VI R 128/68, BFHE 97, 378, BStBl II 1970, 185 = SIS 70 00 99; vom 5.12.1972 VIII R 91/70, BFHE 108, 103; Hessisches FG,
Urteil vom 27.6.1968 III 34/67, EFG 1969, 17).
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Einzelne FG widersprachen dem Urteil des
Großen Senats des BFH, jedoch nicht, weil sie die
Eigenprostitution für gewerblich hielten, sondern weil die
Eigenprostitution nicht zu Einkünften im Sinne des EStG
führe (z.B. FG Bremen, Urteil vom 5.4.1968 I 26/67, EFG 1968,
357, sowie das dem BFH-Urteil in BFHE 108, 103 vorangehende
FG-Urteil).
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c) Die Rechtsprechung hat seit jeher zwischen
selbständiger Eigenprostitution und als gewerblich
eingestuften Tätigkeiten im wirtschaftlichen Zusammenhang mit
Eigenprostitution unterschieden, d.h. einerseits der Ausübung
des Geschlechtsverkehrs gegen Entgelt und andererseits
Betätigungen, mit denen Dritte sexuelle Dienstleistungen
organisieren und fördern (z.B. Senatsurteil vom 22.3.1963 III
173/60 U, BFHE 77, 15, BStBl III 1963, 322 = SIS 63 02 08, und FG
des Saarlandes, Urteil vom 30.9.1992 1 K 259/91, EFG 1993, 332,
beide betr. Zimmervermietung an Prostituierte; vgl. auch die
Nachweise im BFH-Urteil in BFHE 191, 498, BStBl II 2000, 610 = SIS 00 10 08, unter II.3.). Im BFH-Urteil in BFHE 191, 498, BStBl II
2000, 610 = SIS 00 10 08 wurde zudem Telefonsex nicht nur als
Gewerbebetrieb eingestuft, sondern das Urteil des Großen
Senats des BFH als möglicherweise überholt bezeichnet
(zustimmend Weber-Grellet, FR 2000, 990, und Fischer, DStR 2000,
1342).
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Für das Umsatzsteuerrecht hat der BFH mit
Urteil in BFHE 150, 192, BStBl II 1987, 653 = SIS 87 17 37
entschieden, dass durch die körperliche Hingabe gegen Entgelt
eine sonstige Leistung im Rahmen eines Leistungsaustauschs bewirkt
werde. Die Sittenwidrigkeit (§ 138, § 817 BGB) des der
Leistung zugrunde liegenden Rechtsgeschäfts sei dabei ohne
Bedeutung. Der vom RFH vertretenen Ansicht, nach der die
Tätigkeit einer Prostituierten nicht auf eine wirtschaftliche
Leistung gerichtet sei, werde nicht gefolgt. Diese Beurteilung sei
unabhängig von einem etwaigen Wandel der gesellschaftlichen
Anschauungen zur Prostitution.
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2. Auffassung der Literatur
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In der Literatur wird ganz überwiegend
die Ansicht vertreten, selbständig tätige Prostituierte
erzielten Einkünfte aus Gewerbebetrieb; das Urteil des
Großen Senats des BFH in BFHE 80, 73, BStBl III 1964, 500 =
SIS 64 02 93 sei spätestens durch das ProstG überholt
(z.B. Fischer in Kirchhof, EStG, 11. Aufl., § 22 Rz 69;
Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 31. Aufl., § 22 Rz 150
„Prostitution“; Blümich/Bode, § 15
EStG Rz 17, und Blümich/Stuhrmann, § 22 EStG Rz 168
„Gewerbsmäßige Prostitution“;
Stapperfend in Herrmann/Heuer/Raupach - HHR -, § 15 EStG Rz
1059; Sarrazin in Lenski/Steinberg, Gewerbesteuergesetz, § 2
Rz 259; Leisner, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, §
22 Rz D 179 „Geschlechtsverkehr“; Kemper, DStR
2005, 543; ohne klare Stellungnahme Lüsch in
Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 22
Rz 390 „Prostitution“).
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3. Stellungnahme des vorlegenden Senats
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Die im Urteil in BFHE 80, 73, BStBl III 1964,
500 = SIS 64 02 93 vertretene Auffassung des Großen Senats
des BFH, selbständig tätige Prostituierte beteiligten
sich nicht am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr, da sie nicht am
allgemeinen Güter- und Leistungsaustausch teilnähmen und
keine eigenen Leistungen gegen Entgelt an den Markt brächten,
trifft jedenfalls seit Inkrafttreten des ProstG nicht mehr zu.
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a) Das Merkmal der Beteiligung am allgemeinen
wirtschaftlichen Verkehr überschneidet sich teilweise mit den
Merkmalen der Nachhaltigkeit und der Gewinnerzielungsabsicht. Es
ist Ausfluss der Markteinkommenstheorie und soll insbesondere
bloße Vermögensumschichtungen innerhalb der privaten
Vermögenssphäre aus den Einkünften heraushalten
(Reiß in Kirchhof, a.a.O., § 15 Rz 28). Die Beteiligung
am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr erfordert, dass sich der
Steuerpflichtige mit seinen Leistungen an andere Marktteilnehmer
wendet und seine Leistungen an andere Personen in deren Eigenschaft
als Marktteilnehmer und nicht aus anderen Gründen erbringt
(BFH-Urteile vom 6.6.1973 I R 203/71, BFHE 110, 22, BStBl II 1973,
727 = SIS 73 03 92 - Einsammeln von Pfandflaschen nicht gewerblich
- ; vom 28.6.2001 IV R 10/00, BFHE 196, 84, BStBl II 2002, 338 =
SIS 01 12 22 - Stundenbuchhaltung für Betriebe von
Angehörigen gewerblich - ; BFH-Beschlüsse vom 20.7.2007
XI B 193/06, BFH/NV 2007, 1887 = SIS 07 32 38 - Ausführung von
Geschäften des Arbeitgebers zu dessen Nachteil gegen
Bestechungsgelder führt zu sonstigen Einkünften - ;
Blümich/Bode, § 15 EStG Rz 52). Die Tätigkeit ist
grundsätzlich einer unbestimmten Zahl von Personen anzubieten
(BFH-Urteil vom 28.10.1993 IV R 66-67/91, BFHE 173, 313, BStBl II
1994, 463 = SIS 94 09 07 - Grundstückshandel - ).
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Eine Prostituierte, die - wie die
Klägerin - ihre sexuellen Leistungen in einer eigens
dafür angemieteten Wohnung erbringt und diese bewirbt,
erfüllt damit alle Merkmale einer gewerblichen
Betätigung. Sie beteiligt sich insbesondere am allgemeinen
wirtschaftlichen Verkehr; denn sie wendet sich mit ihrem Angebot an
eine unbestimmte Zahl möglicher männlicher Kunden; ihre
Tätigkeit dient der Gewinnerzielung und überschreitet den
Rahmen einer privaten Vermögensverwaltung.
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b) Dieser Beurteilung stehen etwaige
moralisch-ethische Einwände gegen die Prostitution nicht
entgegen; denn eine gewerbliche Betätigung i.S. von § 15
Abs. 2 EStG kann sogar dann vorliegen, wenn das Handeln des
Steuerpflichtigen - was auf Prostitution nicht zutrifft - verboten
ist oder als unsittlich angesehen wird. Dies folgt bereits aus
§ 40 der Abgabenordnung (Nachweise bei Schmidt/Wacker, EStG,
31. Aufl., § 15 Rz 45; HHR/Stapperfend, § 15 EStG Rz
1030).
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c) Für die Frage, ob Prostitution zu
gewerblichen oder sonstigen Einkünften führt, ist
unerheblich, ob und inwieweit ihre Ausübung örtlichen
sowie Werbebeschränkungen unterliegt; denn zahlreiche andere,
unzweifelhaft gewerbliche Betätigungen sind in ähnlicher
Weise reglementiert, z.B. Industrie und Gewerbe durch das
Bauordnungsrecht, die Pharmabranche durch die Apothekenpflicht von
Arzneimitteln (§§ 43 ff. des Gesetzes über den
Verkehr mit Arzneimitteln) und Zigarettenhersteller durch die
Einschränkung der Tabakwerbung (§ 21a des
Vorläufigen Tabakgesetzes - LMG 1974 - ).
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