1
|
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte
(Kläger) erwarb mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom
21.3.2005 von der B-Bank ein näher bezeichnetes unbebautes
Grundstück zu einem Kaufpreis in Höhe von 24.750 EUR. Das
Geschäft wurde von der B-GmbH vermittelt, einer
Immobiliengesellschaft mehrerer Banken, u.a. der
Verkäuferin.
|
|
|
2
|
Am 4.4.2005 schloss der Kläger mit der
C-GmbH einen Vertrag über die Errichtung einer
Doppelhaushälfte auf seinem Grundstück zum Festpreis in
Höhe von 99.000 EUR. Das Gebäude wurde in der Folgezeit
von der C-GmbH für 98.803,99 EUR errichtet. Gegenüber dem
Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt - FA - )
erklärte der Kläger, er habe sich das Grundstück und
den Vertragspartner der Bebauung selbst ausgesucht. Mit Bescheid
vom 13.6.2005 setzte das FA unter dem Vorbehalt der
Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 der
Abgabenordnung die Grunderwerbsteuer auf 866 EUR fest.
|
|
|
3
|
Spätere Ermittlungen des FA ergaben,
dass die B-GmbH mit der C-GmbH für das Objekt des Klägers
einen Immobilienvermittlungsvertrag abgeschlossen hatte. Für
die Vermittlung des Grundstücks berechnete die B-GmbH
vereinbarungsgemäß eine Provision, die mit dem Verkauf
der zweiten Doppelhaushälfte fällig wurde. Auf
Rückfrage des FA erklärte der Kläger, er habe die
C-GmbH beauftragt, weil sie ihm vom Architekten, einem Cousin
seines Vaters, empfohlen worden sei. Mit der Planung habe er
bereits eineinhalb Jahre vor dem Kauf des Grundstücks
angefangen.
|
|
|
4
|
Das FA erließ am 22.10.2009 einen
geänderten Grunderwerbsteuerbescheid, bezog die
Bauerrichtungskosten in die Bemessungsgrundlage ein und setzte die
Grunderwerbsteuer auf 4.324 EUR fest.
|
|
|
5
|
Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren
erhobene Klage hatte Erfolg. Nach Ansicht des Finanzgerichts (FG)
bildet der Werkvertrag über die Errichtung des Gebäudes
mit dem Kaufvertrag über den Erwerb des unbebauten
Grundstücks kein einheitliches Vertragswerk, das darauf
gerichtet gewesen sei, dem Kläger ein bebautes Grundstück
zu verschaffen. Zwar hätten die C-GmbH und die B-GmbH,
letztere handelnd für die Grundstückseigentümerin,
durch ein abgestimmtes Verhalten auf den Abschluss beider
Verträge, Werkvertrag und Kaufvertrag, hingewirkt. Dieses
Zusammenwirken auf der Veräußererseite sei für den
Erwerber jedoch objektiv nicht erkennbar gewesen. Die Entscheidung
des FG ist in EFG 2012, 972 = SIS 12 14 81
veröffentlicht.
|
|
|
6
|
Dagegen richtet sich die Revision des FA.
Seiner Ansicht nach sei das abgestimmte Verhalten auf der
Veräußererseite für den Kläger erkennbar
gewesen. Insbesondere die Tatsache, dass der Kläger in Ruhe
mit dem Bauträger habe verhandeln können, ohne Gefahr zu
laufen, das Grundstück an einen anderen Erwerber zu verlieren,
und der zeitliche Ablauf sprächen für eine enge Absprache
zwischen den Beteiligten auf der
Veräußererseite.
|
|
|
7
|
Das FA beantragt, die Vorentscheidung
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
|
|
|
8
|
Der Kläger beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
|
|
|
9
|
II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur
Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen
Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Entgegen der Auffassung des FG
kommt es für die Annahme eines einheitlichen Erwerbsvorgangs
bei mehreren Anbietern auf der Veräußererseite nur
darauf an, dass diese objektiv zusammenwirken, ohne dass das
Zusammenwirken für den Erwerber erkennbar sein muss.
|
|
|
10
|
1. Der Gegenstand des Erwerbsvorgangs, nach
dem sich gemäß § 8 Abs. 1 i.V.m. § 9 Abs. 1
Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) die als
Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer anzusetzende
Gegenleistung richtet, wird zunächst durch das den
Steuertatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG erfüllende
zivilrechtliche Verpflichtungsgeschäft bestimmt. Ergibt sich
jedoch aus weiteren Vereinbarungen, die mit diesem
Rechtsgeschäft in einem rechtlichen oder zumindest objektiv
sachlichen Zusammenhang stehen, dass der Erwerber das beim
Abschluss des Kaufvertrags unbebaute Grundstück in bebautem
Zustand erhält, bezieht sich der grunderwerbsteuerrechtliche
Erwerbsvorgang auf diesen einheitlichen Erwerbsgegenstand
(ständige Rechtsprechung, vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs -
BFH - vom 29.7.2009 II R 58/07, BFH/NV 2010, 63 = SIS 09 37 33,
m.w.N.; vom 28.3.2012 II R 57/10, BFHE 237, 460, BStBl II 2012, 920
= SIS 12 19 50; vom 27.9.2012 II R 7/12, BFHE 239, 154, BStBl II
2013, 86 = SIS 12 30 34).
|
|
|
11
|
a) Ob ein objektiv sachlicher Zusammenhang
zwischen dem Grundstückskaufvertrag und weiteren
Vereinbarungen besteht, ist nach den Umständen des Einzelfalls
zu ermitteln (BFH-Urteil in BFHE 237, 460, BStBl II 2012, 920 = SIS 12 19 50, m.w.N.). Ein solcher Zusammenhang ist nicht nur gegeben,
wenn der Erwerber beim Abschluss des Grundstückskaufvertrags
gegenüber der Veräußererseite in seiner
Entscheidung über das „Ob“ und
„Wie“ der Baumaßnahme nicht mehr frei war
und deshalb feststand, dass er das Grundstück nur in einem
bestimmten (bebauten) Zustand erhalten werde (BFH-Urteil in BFHE
237, 460, BStBl II 2012, 920 = SIS 12 19 50, m.w.N.). Ein objektiv
sachlicher Zusammenhang zwischen Kauf- und Bauvertrag wird vielmehr
auch indiziert, wenn der Veräußerer dem Erwerber vor
Abschluss des Kaufvertrags über das Grundstück aufgrund
einer in bautechnischer und finanzieller Hinsicht konkreten und bis
(annähernd) zur Baureife gediehenen Vorplanung ein bestimmtes
Gebäude auf einem bestimmten Grundstück zu einem im
Wesentlichen feststehenden Preis anbietet und der Erwerber dieses
Angebot später annimmt (BFH-Urteile in BFH/NV 2010, 63 = SIS 09 37 33; in BFHE 237, 460, BStBl II 2012, 920 = SIS 12 19 50, und
in BFHE 239, 154, BStBl II 2013, 86 = SIS 12 30 34, jeweils
m.w.N.).
|
|
|
12
|
b) Für einen objektiv sachlichen
Zusammenhang zwischen Kauf- und Bauvertrag ist es nicht
erforderlich, dass das Angebot der Veräußererseite in
einem Schriftstück und zu einem einheitlichen Gesamtpreis
unterbreitet wird (BFH-Urteile in BFH/NV 2010, 63 = SIS 09 37 33,
und in BFHE 237, 460, BStBl II 2012, 920 = SIS 12 19 50, jeweils
m.w.N.). Entscheidend ist vielmehr, dass die
Veräußererseite das Angebot zur Bebauung des
Grundstücks bis zum Abschluss des Grundstückskaufvertrags
abgegeben und der Erwerber das Angebot später unverändert
oder lediglich vom Umfang her mit geringen Abweichungen, die den
Charakter der Baumaßnahmen nicht verändern, angenommen
hat (BFH-Urteil in BFHE 237, 460, BStBl II 2012, 920 = SIS 12 19 50, m.w.N.).
|
|
|
13
|
c) Auf der Veräußererseite
können dabei auch mehrere Personen als Vertragspartner
auftreten, so dass sich die Ansprüche des Erwerbers auf
Übereignung des Grundstücks und auf Errichtung des
Gebäudes zivilrechtlich gegen verschiedene Personen richten.
Entscheidend ist insoweit, dass (auch) der den
Grundstücksübereignungsanspruch begründende Vertrag
in ein Vertragsgeflecht miteinbezogen ist, das unter
Berücksichtigung aller Umstände darauf gerichtet ist, dem
Erwerber als einheitlichen Erwerbsgegenstand das Grundstück in
bebautem Zustand zu verschaffen (BFH-Urteile vom 23.11.1994 II R
53/94, BFHE 176, 450, BStBl II 1995, 331 = SIS 95 08 12, und vom
21.9.2005 II R 49/04, BFHE 211, 530, BStBl II 2006, 269 = SIS 06 11 09, jeweils m.w.N.). Dies ist regelmäßig anzunehmen,
wenn die auf der Veräußererseite auftretenden Personen
entweder personell, wirtschaftlich oder gesellschaftsrechtlich eng
verbunden sind (vgl. BFH-Urteile vom 6.12.1989 II R 72/87, BFH/NV
1991, 344; vom 6.12.1989 II R 145/87, BFH/NV 1991, 345, und vom
23.8.2006 II R 42/04, BFH/NV 2007, 760 = SIS 07 09 88) oder
aufgrund von Abreden bei der Veräußerung
zusammenarbeiten oder durch abgestimmtes Verhalten auf den
Abschluss sowohl des Grundstückskaufvertrags als auch der
Verträge, die der Bebauung des Grundstücks dienen,
hinwirken (BFH-Urteile vom 13.8.2003 II R 52/01, BFH/NV 2004, 663 =
SIS 04 18 04, und in BFHE 211, 530, BStBl II 2006, 269 = SIS 06 11 09, jeweils m.w.N.), insbesondere Angebote über
Grundstück und Bebauung abgeben.
|
|
|
14
|
d) In diesen Fällen hat der BFH in
früheren Entscheidungen für die Annahme eines
einheitlichen Erwerbsvorgangs gefordert, dass das Zusammenwirken
für den Erwerber objektiv erkennbar war (vgl. BFH-Urteile vom
11.5.1994 II R 62/91, BFH/NV 1994, 901; vom 28.10.1998 II R 36/96,
BFH/NV 1999, 667 = SIS 98 56 03; vom 27.10.1999 II R 3/97, BFH/NV
2000, 883 = SIS 00 56 96). Ungeachtet dessen, dass in den zitierten
Entscheidungen das Zusammenwirken tatsächlich anhand
objektiver Merkmale für den Erwerber erkennbar war, handelt es
sich dabei nicht um ein eigenständiges Tatbestandsmerkmal.
Für die Annahme eines einheitlichen Erwerbsvorgangs kommt es
allein auf das objektiv vorliegende Zusammenwirken auf der
Veräußererseite zur Abgabe eines einheitlichen Angebots
an, ohne dass dies für den Erwerber erkennbar sein muss
(Pahlke/Franz, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 4. Aufl., §
9 Rz 31). Ausreichend ist, wenn dieses Zusammenwirken anhand
äußerer Merkmale objektiv festgestellt werden kann.
Selbst wenn der Erwerber trotz des Zusammenwirkens auf der
Veräußererseite davon ausgeht, ein unbebautes
Grundstück zu erwerben und dieses eigenverantwortlich zu
bebauen, erwirbt er das bebaute Grundstück, wenn er -
unerkannt - das tatsächlich vorliegende, einheitliche Angebot
der Veräußererseite auf Erwerb des bebauten
Grundstücks annimmt.
|
|
|
15
|
2. Da die Vorentscheidung von einer anderen
Rechtsauffassung ausgeht, war sie aufzuheben. Die Vorentscheidung
stellt sich auch nicht im Ergebnis als richtig dar (vgl. § 126
Abs. 4 FGO). Die Sache ist nicht spruchreif. Die vom FG getroffenen
Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) ermöglichen keine
abschließende Entscheidung über den Antrag des
Klägers.
|
|
|
16
|
Das durch Provisionsabreden abgesicherte
Zusammenwirken auf der Veräußererseite war zwar nach den
Feststellungen des FG darauf gerichtet, dem Kläger das
Grundstück im bebauten Zustand mit aufstehender
Doppelhaushälfte zu verschaffen. Das FG hat jedoch keine
Feststellungen dazu getroffen, ob die Veräußererseite
dem Kläger vor Abschluss des Kaufvertrags über das
Grundstück aufgrund einer in bautechnischer und finanzieller
Hinsicht konkreten und bis (annähernd) zur Baureife gediehenen
Vorplanung ein bestimmtes Gebäude auf einem bestimmten
Grundstück zu einem im Wesentlichen feststehenden Preis
angeboten hat. Dafür spricht zwar der zeitliche Ablauf, denn
der Werkvertrag wurde innerhalb von nur zwei Wochen nach Abschluss
des Kaufvertrags über das Grundstück geschlossen. Zudem
nimmt der Werkvertrag in der Anlage Bezug auf Planungen, die
bereits vor Abschluss des Kaufvertrags datieren und
möglicherweise den Schluss zulassen, dass die Bebauung des
Grundstücks dem Kläger schon vor dem Abschluss des
Kaufvertrags angeboten wurde. Konkrete Feststellungen des FG dazu
fehlen jedoch. Der BFH ist an die Feststellungen des FG im Urteil
gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO) und kann nicht seine eigene
Würdigung an die Stelle der Tatsachenwürdigung des FG
setzen (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl.,
§ 118 Rz 41).
|