1
|
I. Die Beteiligten streiten darüber,
ob und ggf. inwieweit die Veräußerung eines
Grundstücks, das - mit einem Erbbaurecht belastet - von den
bisherigen Erbbauberechtigten angeschafft und von ihnen nach
Löschung des Erbbaurechts im selben Jahr veräußert
wurde, der Besteuerung nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) unterfällt.
|
|
|
2
|
Die Kläger und Revisionsbeklagten
(Kläger) bildeten im Streitjahr (2005) als Erben ihres im Jahr
2003 verstorbenen Vaters eine Erbengemeinschaft. Im Wege der
Gesamtrechtsnachfolge war auf sie u.a. ein Erbbaurecht (samt dem
auf dem Erbbaugrundstück errichteten Wohngebäude)
übergegangen, das dem Vater bereits 1955 eingeräumt
worden war, bis zum 1.1.2054 laufen sollte und zuletzt mit einem
jährlichen Erbbauzins in Höhe von 175,54 EUR zu entgelten
war.
|
|
|
3
|
Im Streitjahr erwarben die Kläger in
Erbengemeinschaft auch das mit dem Erbbaurecht belastete
Grundstück. Den Kaufpreis von 49.017 EUR hatte der
Gutachterausschuss der veräußernden Stadt festgesetzt. Im
notariell beurkundeten Kaufvertrag vom 9.2.2005 haben die
Kläger (u.a.) das Erbbaurecht aufgehoben und dessen
Löschung bewilligt und beantragt. Nach Löschung des
Erbbaurechts im Grundbuch veräußerten die Kläger das
Grundstück einschließlich des Wohngebäudes sowie
eines angrenzenden, geerbten Waldgrundstücks mit notariell
beurkundeten Kaufvertrag vom 21.7.2005 für insgesamt 145.000
EUR an Dritte. Von dem Veräußerungspreis sollten 50.000
EUR auf das Grundstück und 95.000 EUR auf das Gebäude
entfallen. Die Veräußerungskosten beliefen sich -
unstreitig - auf insgesamt 5.819 EUR.
|
|
|
4
|
In ihrer Erklärung zur einheitlichen
und gesonderten Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für
das Streitjahr machten die Kläger im Rahmen der Einkünfte
aus privaten Veräußerungsgeschäften nach § 22
Nr. 2, § 23 EStG einen Verlust aus der Veräußerung
des vormals erbbaubelasteten Grundstücks geltend, den sie wie
folgt ermittelten:
|
|
|
|
|
|
Veräußerungspreis
(anteilig)
|
50.000 EUR
|
|
|
./. Anschaffungskosten
|
49.017 EUR
|
|
|
./. Kosten (anteilig)
|
2.514 EUR
|
|
|
= Veräußerungsverlust
|
1.531 EUR
|
|
|
|
|
5
|
Ausgehend von einem Verkehrswertgutachten
des Amtlichen Bausachverständigen errechnete der Beklagte und
Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) demgegenüber
einen Veräußerungsgewinn, den es mit Bescheid für
das Streitjahr entsprechend feststellte und im Einzelnen wie folgt
ermittelt hatte:
|
|
|
|
|
|
Veräußerungspreis
(anteilig)
|
73.994 EUR
|
|
|
./. Anschaffungskosten
|
49.017 EUR
|
|
|
./. Grunderwerbsteuer
|
1.609 EUR
|
|
|
./. Kosten (73.994/145.000 von 5.819
=)
|
2.970 EUR
|
|
|
= Veräußerungsgewinn
|
20.398 EUR
|
|
|
|
|
6
|
Mit ihrem Einspruch wandten sich die
Kläger ohne Erfolg gegen die Annahme einer Steuerbarkeit der
Veräußerung sowie (hilfsweise) gegen die Höhe des
anteilig auf das Grundstück entfallenden
Veräußerungspreises. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage
mit dem in EFG 2012, 1929 = SIS 12 23 55 veröffentlichten
Urteil statt. Es sah in der Veräußerung des
Grundstücks kein privates Veräußerungsgeschäft
i.S. des § 23 EStG, da es an der Nämlichkeit zwischen dem
von den Klägern angeschafften (erbbaurechtsbelasteten)
Grundstück und dem ohne diese Belastung veräußerten
Grundstück fehle. Wirtschaftlich betrachtet habe sich der
Wertzuwachs - abweichend von den Rechtsgrundsätzen im Urteil
des FG Baden-Württemberg vom 30.9.1992 14 K 81/91 (EFG 1993,
233) - nicht im Grundstück selbst vollzogen, sondern in einem
daneben bestehenden und auf dem Grundstück dinglich lastenden
Recht. Letztlich hätten die Kläger ein in seinem
originären Wert unverändertes Grundstück
veräußert, gleichzeitig über ein weiteres Recht,
nämlich das Erbbaurecht, verfügt und dabei einen
Wertzuwachs realisiert, der wegen Ablaufs der Zehnjahresfrist nicht
steuerbar sei.
|
|
|
|
|
7
|
Mit seiner Revision rügt das FA die
Verletzung materiellen Rechts (§ 22 Nr. 2, § 23 EStG).
Ein Grundstück behalte seine rechtliche Identität,
unabhängig davon, ob eine dingliche Belastung bestellt oder
gelöscht werde. Das Erbbaurechtsverhältnis sei einem
Miet- oder Pachtverhältnis gleichzustellen. Der Wegfall eines
solchen langjährigen Nutzungsverhältnisses führe zu
einer Wertsteigerung des Grundstücks, die im Rahmen des §
23 EStG zu erfassen sei.
|
|
|
|
|
8
|
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil
des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
|
|
|
|
|
9
|
Die Kläger beantragen, die Revision
zurückzuweisen.
|
|
|
|
|
10
|
Zur Begründung verweisen sie darauf,
dass Erbbaurechte als „grundstücksgleiche Rechte“
selbst der Besteuerung nach § 23 EStG unterliegen. Es sei
deshalb nicht nachvollziehbar, dass der Wegfall einer solchen
Belastung unmittelbare Auswirkungen auf den Wert des
Grundstücks haben solle. Eine isolierte Veräußerung
des (geerbten) Erbbaurechts wäre wegen Ablaufs der
Zehnjahresfrist nicht steuerbar gewesen.
|
|
|
|
|
11
|
II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur
Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen
Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der
Finanzgerichtsordnung). Unzutreffend hat das FG die wirtschaftliche
(Teil-)Identität zwischen angeschafftem und
veräußertem Grundstück und damit ein privates
Veräußerungsgeschäft nach § 22 Nr. 2, § 23
EStG verneint (zu 2.). Mangels entsprechender Feststellungen des FG
kann der Senat allerdings nicht abschließend über die
Höhe des Veräußerungsgewinns oder -verlusts
entscheiden (zu 3.).
|
|
|
|
|
12
|
1. Nach § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Satz
1 Nr. 1 EStG zählen zu den Einkünften aus privaten
Veräußerungsgeschäften auch Einkünfte aus
Veräußerungsgeschäften bei Grundstücken, bei
denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung
nicht mehr als zehn Jahre beträgt.
|
|
|
|
|
13
|
a) Nach Wortlaut, Sinn und Zweck des § 23
EStG sollen innerhalb der Veräußerungsfrist realisierte
Wertänderungen eines bestimmten Wirtschaftsguts im
Privatvermögen des Steuerpflichtigen der Einkommensteuer
unterworfen werden (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom
23.8.2011 IX R 66/10, BFHE 234, 335 = SIS 11 37 23, m.w.N.). Daraus
ergibt sich das Erfordernis der Nämlichkeit von angeschafftem
und veräußertem Wirtschaftsgut, wobei Nämlichkeit
Identität im wirtschaftlichen Sinn bedeutet (vgl. BFH-Urteile
vom 6.4.2011 IX R 41/10, BFH/NV 2011, 1850 = SIS 11 33 03; vom
3.8.2004 X R 55/01, BFH/NV 2005, 517 = SIS 05 15 74, jeweils
m.w.N.). Wirtschaftliche Teilidentität ist grundsätzlich
ausreichend, begründet ein privates
Veräußerungsgeschäft aber nur für diesen Teil
des betreffenden Wirtschaftsguts (vgl. BFH-Urteil vom 21.9.2004 IX
R 36/01, BFHE 207, 543, BStBl II 2006, 12 = SIS 05 04 83,
m.w.N.).
|
|
|
|
|
14
|
b) Ob und in welchem Umfang Nämlichkeit
gegeben ist oder ein anderes Wirtschaftsgut
(„aliud“) vorliegt, richtet sich nach einem
wertenden Vergleich von angeschafftem und veräußertem
Wirtschaftsgut unter Berücksichtigung der Umstände des
Einzelfalls (vgl. BFH-Urteil vom 27.8.1997 X R 26/95, BFHE 184,
385, BStBl II 1998, 135 = SIS 98 05 07). Maßgebliche Kriterien
sind die Gleichartigkeit, Funktionsgleichheit und Gleichwertigkeit
von angeschafftem und veräußertem Wirtschaftsgut (vgl.
BFH-Urteil vom 17.10.1974 IV R 223/72, BFHE 113, 456, BStBl II
1975, 58 = SIS 75 00 36, unter I.2.).
|
|
|
|
|
15
|
2. Das Urteil ist aufzuheben, weil das FG zu
Unrecht die wirtschaftliche (Teil-)Identität zwischen
angeschafftem und veräußertem Grundstück und damit
ein privates Veräußerungsgeschäft nach § 22 Nr.
2, § 23 EStG verneint hat.
|
|
|
|
|
16
|
a) Auf die Kläger war im Wege der
Gesamtrechtsnachfolge das „veräußerliche und
vererbliche Recht, auf oder unter der Oberfläche des
Grundstücks ein Bauwerk zu haben“, übergegangen
(s. § 1 Abs. 1 des Erbbaurechtsgesetzes). Bei Vorliegen einer
solchen Erbbaurechtsbelastung ist der
Grundstückseigentümer - im Streitfall die Stadt -
für die Laufzeit des Rechts insbesondere von der Selbstnutzung
seines Grundstücks ausgeschlossen. Dessen Position entspricht
weder zivilrechtlich noch wirtschaftlich der eines
Volleigentümers. Die Nutzungsbeschränkung schlägt
sich regelmäßig in einem verminderten Wert des
Erbbaugrundstücks nieder. Wirtschaftlich ist das belastete
Eigentum damit etwas anderes als das unbelastete Eigentum.
|
|
|
|
|
17
|
b) Die Kläger haben mit Kaufvertrag vom
9.2.2005 ein mit einem Erbbaurecht belastetes - und damit
wertgemindertes - Grundstück angeschafft; im Zeitpunkt der
Weiterveräußerung war diese dingliche Belastung bereits
gelöscht. Das im Anschaffungszeitpunkt, jedoch nicht mehr im
Veräußerungszeitpunkt bestehende Erbbaurecht steht indes
einer vollumfänglichen wirtschaftlichen Identität - im
Sinne einer „Gleichwertigkeit“ - von
angeschafftem und veräußertem Grundstück entgegen.
Von einer wirtschaftlichen Identität kann vielmehr nur
insoweit ausgegangen werden, als das angeschaffte (belastete)
Wirtschaftsgut in dem veräußerten (unbelasteten)
Wirtschaftsgut aufgegangen ist; dem Erfordernis der
Nämlichkeit ist mithin (nur) partiell genügt. Der
Ermittlung des Gewinns nach § 23 Abs. 3 Satz 1 EStG ist daher
auch nur der anteilige Veräußerungspreis zugrunde zu
legen, der - wirtschaftlich gesehen - auf das Grundstück im
belasteten Zustand entfällt.
|
|
|
|
|
18
|
c) Eine nach Löschung des Erbbaurechts
möglicherweise geänderte Marktgängigkeit des
Grundstücks (vgl. zu diesem Erfordernis BFH-Urteil vom
19.7.1983 VIII R 161/82, BFHE 139, 251, BStBl II 1984, 26 = SIS 84 01 11) steht einer wirtschaftlichen Teilidentität nicht
entgegen. Darüber hinaus haben weder das Bestehen noch die
Löschung des Erbbaurechts die Verkehrsfähigkeit des
Grundstücks als solches - auch nur vorübergehend -
aufgehoben.
|
|
|
|
|
19
|
3. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat
- nach der von ihm vertretenen Rechtsauffassung folgerichtig -
bislang keine ausreichenden Feststellungen zur Ermittlung und
Höhe des Veräußerungsgewinns oder -verlusts
getroffen, die dem Revisionsgericht eine abschließende
Entscheidung in der Sache ermöglichen würden.
|
|
|
|
|
20
|
a) Im zweiten Rechtsgang wird das FG
zunächst zu entscheiden haben, in welcher Höhe der
Veräußerungspreis auf das maßgebliche
Grundstück entfällt.
|
|
|
|
|
21
|
Hierfür ist zunächst zu klären,
ob die Aufteilung des Gesamtkaufpreises im Kaufvertrag vom
21.7.2005 auf Grund und Boden und Gebäude bindend oder eine -
davon abweichende - Schätzung nach § 162 Abs. 1 der
Abgabenordnung erforderlich ist. Bindend ist eine vertragliche
Einigung, solange keine nennenswerten Zweifel an der getroffenen
Aufteilung eines Gesamtpreises bestehen; das gilt auch für den
Fall einer schätzweisen Aufteilung durch die Parteien, wenn
die Grundlagen der Schätzung nachvollziehbar und
überzeugend sind (vgl. BFH-Urteile vom 10.10.2000 IX R 86/97,
BFHE 193, 326, BStBl II 2001, 183 = SIS 01 05 01; vom 26.5.1992 IX
R 190/87, BFH/NV 1993, 92 = SIS 93 02 10). Bei seiner Entscheidung
wird das FG auch berücksichtigen, dass die Parteien das
mitveräußerte Waldgrundstück bei der Aufteilung
unberücksichtigt ließen.
|
|
|
|
|
22
|
Hält das FG die vertragliche Aufteilung
des Veräußerungspreises nicht für bindend, wird es
in einem zweiten Schritt die vom FA diesbezüglich vorgenommene
Schätzung auch der Höhe nach in vollem Umfang zu
überprüfen und ggf. im Zuge einer eigenen Schätzung
(vgl. BFH-Urteile vom 14.12.2011 XI R 5/10, BFH/NV 2012, 1921 = SIS 12 29 59, m.w.N.; zur Wertermittlung vgl. BFH-Urteil vom 29.5.2008
IX R 36/06, BFH/NV 2008, 1668 = SIS 08 35 80) den
Veräußerungspreis auf Grundstück, Gebäude und
Wald aufzuteilen haben.
|
|
|
|
|
23
|
b) In einem weiteren Schritt wird das FG
sodann prüfen, wie hoch das Entgelt für das
maßgebliche Grundstück anzusetzen wäre, wenn es noch
mit dem Erbbaurecht belastet gewesen wäre; nur dieser Anteil
kann als Veräußerungspreis im Rahmen des § 23 EStG
berücksichtigt werden. Entgegen der Auffassung des FG
entspricht der Wert des (gelöschten) Erbbaurechts dabei nicht
zwingend dem durch die Veräußerung des Grundstücks
realisierten Wertzuwachs.
|
|
|
|
|
24
|
c) Zuletzt wird das FG auch über den
Anteil der auf das maßgebliche Grundstück entfallenden -
der Gesamthöhe nach unstreitigen -
Veräußerungskosten zu entscheiden haben.
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|